Zedler:Voigtland, Voitland, Vogtland
Voigtland, Voitland, Vogtland, Latein. Voigtlandia, Voigtia, Voitlandia, Terra Advocatorum, Variscia, Terra Variscorum, eine Landschafft. Was erstlich den Nahmen betrifft, so findet man verschiedene Ableitungen desselben. Einige sagen in dem Schlosse Voigtsberg an der Wand sey ein alter Vers, der uralt sey, und dem man des Gedächtnisses wegen da angeschrieben:
Castra locans Drusus hic Praetoria nomina
monti
Fecit, posteritas servat & illa sibi.
Ist es nun wahr, was der alte Poet geschrieben, so hat der Römische General etwann 60 Jahr nach CHristi Geburt in dieser Gegend das Schloß Voigtsberg gebauet und hat es arcem praetoriam genennet. Weil nun Praetor und Advocatus einerley Bedeutung hat; so sind die Voigte oder Gouverneurs in den folgenden Zeiten Advocati und das ganze Land auf Lateinisch, Terra Advocatorum; auf Deutsch aber das Voigtland genennet worden. Zu mehrerer Bescheinigung dieser Einbildung sagt man, der Name Voit sey soviel als Præfectura Romana. Allein kluge Männer halten billig, oben angeführten Vers, vor fabelhafftig und erdichtet, weil Drusus niemahls in diese Länder gekommen, noch diese Völcker überwunden hat. Andere sagen, das Wort Voit habe von dem berühmten Volcke in Deutschland der Witen, Viten oder Voiten seinen Ursprung, welche aus denen Insuln des Balthischen Meeres sollen herausgegangen seyn, und in diesen Lande sich niedergelassen haben. Man führet zum Beweis eine Stelle aus dem Lazio an; worauf man aber nicht sehr fussen kan. Denn wer da weiß, wie unrichtig Lazius hin und wieder in seinen Sachen gehet, der wird ihn nicht sogleich folgen. Es wird auf Lateinisch VARISCIA genennet, und das soll daher kommen, weil die alten Einwohner dieser Gegend Narisci oder auch Varisci sind genennet worden. Doch ungeachtet sich die heutigen Voigtländer Varisci nennen, so hat man doch wichtige Ursache zu glauben, daß Variscia in den alten Zeiten sich nicht bis in das jetzige Voigtland erstrecke. Denn es ist ein Theil des Osterlandes oder des Landes der Hermundurer und Thüringer, nicht aber Narisciæ gewesen. Historische Nachricht von Voigtland p. 8 von Bünau Deutscher Kayser- und Reichs-Historie im I Theil p. 35<hoch>b</hoch>. Falckensteins Nordgauische Alterthümer [322] I Th. p. 8 u.f. Ebend. Anilecta Nordgauiensia im II Nachl. p. 233 u.f. Christophori Philippi a Waldenfels Monumentum histor. p. 262, 270. Hübners Geograph. III. Theil p. 772 u.f.
Es ist aber das Voigtland eine Landschafft im Ober-Sächsischen Creyse, welche gegen Osten an Böhmen und den Ertzgebürgischen Creyß, gegen Norden an das Fürstenthum Altenburg und das Osterland, und gegen Westen an Thüringen und Francken grentzet. Das Land ist voller Wälder, Teiche und Sümpffe, jedoch ziemlich bebauet, daher es keinen Mangel an Getreyde hat. Die vornehmsten Flüsse sind die Eger, Saale und Elster. Vornehmlich aber ist der Fichtelberg darinnen wegen seiner Waldungen, Jagden und Berkwercke, ingleichen deshalber berühmt, daß die vier Flüsse, der Mayn, die Eger, die Naab und die Saale daraus entspringen. Vor Zeiten war es ein Theil von dem alten Osterlande, nachdem aber die Herren von Weyde zu Vögten des H.R.R. gemacht worden, auch die Herren von Plauen und Gera den Titul eines Voigts geführet, hat man deren Land das Voigtland zu nennen pflegen, wozu nach der Zeit auch eines und das andere von der alten Variscer Gebiete ist gerechnet worden. Es hat dieses Land ehemals den Hertzogen von Bayern gehöret; von denselbigen ist es an die Marggrafen von Vohburg, von diesen aber an die Marggrafen von Andechs und Hertzoge von Meran gediehen. Anjezo gehöret es theils dem Chur-Hause Sachsen, theils den Marggrafen von Brandenburg, und theils den Grafen von Reuß. Insonderheit gehöret den Churfürsten von Sachsen Reichenbach, welches wegen seiner starcken Handlung bekannt ist, wie auch daß unter dieses Ammt alle Schrifft–Sassen in Voigtland gehören, ferner Plauen, Voigtsberg und Oelßnitz neben den Aemtern Ziegenrück, Weyda und Arenshaug. Es wird dieses Sächsische Voigtland gemeiniglich in 2 Creysse, den Voigtländischen und Neustädtischen, eingetheilet. Dieselben sind an das hohe Chur–Hauß entweder durch Kauf–Recht oder durch Vermählung oder durch Vergleiche gelanget, sonderlich sind die drey Feldzüge vom Jahr 1354, 1357 und 1466 gegen die Herrn zu Plauen und Burggrafen, nebst dem Pragischen Vertrage vom Jahr 1466 merckwürdig: Denn nach dessen Innhalt wurden sämmtliche abgenommene Städte, Schlösser und andere Oerter, wie auch das Burggrafthum Meissen gegen eine gewisse Summe Geldes an das Hauß Sachsen abgetreten, dabey es bis auf Churfürst Johann Friedrichen verblieben, welcher diese Böhmische Lehn-Stücke verlohr, nachdem solche unter anderem nach dem Treffen bey Mühlberg 1547 von König Ferdinanden I, eingezogen, und dem damahligen Böhmischen Obristen Cantzler und Burggraf zu Meissen Heinrichen V, 1548 zu Lehn ertheilet worden, dabey ihnen gleichwohl Churfürst Moritz und Hertzog August die Mitbelehnschafft vorbehielten. Endlich geriethen diese Burggrafen in grosse Schulden, und worden genöthiget die Herrschafften, Städte, Schlösser und Flecken Voigtsberg, Plauen, Oelsnitz, Adorff, Neukirchen, und Schoneck im Jahr 1560 Pfandweise dem Hausse Sachsen zu [323] überlassen, bis zuletzt von denen Burggrafen 1566 allen Ansprüchen, Recht und Gerechtigkeiten auf diese verhypothecirte Aemter völlig renunciiret, und dagegen von Churfürsten ein Revers vom 15 Octobr. ebendesselben Jahrs an den Burggrafen ausgehändiget, und dergestalt das Voigtland mit vollkommenen Recht an das Chur–Hauß gebracht wurde. Ob nun wohl solchergestalt vormahln die Herrn Reussen des Heil. Römischen Reiches Voigte zu Plauen, welche von Kayser Sigismundo, als Burggrafen zu Meissen, nach dem gefürstet worden, obbemeldete Städte und Schlösser in Besitz gehabt; so sind doch noch andere Reußische Orte gewesen, worüber Chur–Sachsen vormahls nicht nur die Landes–Hoheit, sondern auch das Dominium directum behauptet, und sind die Herren von Reussen noch von Churfürst Johann Friedrichen belehnet worden, sintemahl in denen alten Verträgen und Verbindungen, und schon in der, welche zwischen Marggraf Johanne Hertzog zu Görlitz und Marggraf Wilhelm zu Meissen 1393 aufgerichtet, Böhmische Lehne, als in dem Marggrafthum Meissen gelegen, angezogen zu befinden, welche noch 1549 unter Chur–Sächsischer Superiorität gestanden haben, bis endlich in diesem Jahre Churfürst Moritz der Obrigkeit und Bothmäßigkeit an Plauen, und den Gerauischen und Reußischen Lehen aus freundlichen und Nachbarlichen Willen gegen König Ferdinanden sich verziehen und begeben hat. Den Auszug aus diesen Verträgen vom Jahr 1393 und 1549 theilt uns der Verfasser der Deduction wegen der Territor. Gerechtsamme des Hausses Sachsen in denen Schönburgischen Herrschafften num.13 und 18 mit.
Soviel aber Voigtsberg, Plauen, Oelsnitz, Adorf, Neukirchen, und Schöneck insonderheit betrifft, sind solche Orte durch die obangezogenen Vergleiche dem Chur-Hausse völlig nachhero zu Theil worden, davon ist der zwischen Churfürst Moritzen und denen Burggrafen zu Meissen 1546 errichtete Vertrag merckwürdig, weil hierdurch die Expectantz feste gesetzet nicht weniger solche durch den Churfürsten Augusten mit Burggraf Heinrichen den Aeltern zu Meissen de dato den 13 May 1556 vollzogene Vergleich (bey Lünig. T.R.A. P. spec. Contin. II. Abth. 4 Abs. 2 p. 308) ferner bestätiget worden, und also nach Absterben des letztern Burggrafens zu Meissen Reussischen Stammes 1572 dieses Burggrafenthum nebst übrigen obgedachten Orten Churfürst Augusten völlig angediehen. Chur-Sächsisches Bedencken von denen 4 Votis. Müllers Annales p. 141. Weck. Chron. Dresdense p. 134 Wabsts Churfürstenthum Sachsen Sect. I c. 2 § 4 p.10 u.f.
Denen Grafen von Reuß gehören Gera, Schlaitz, Grätz, Lobenstein. Überhaupt kan man die Städte und Schlösser, welche heut zu Tage theils Brandenburg–Bareyth theils den Churfürsten zu Sachsen, theils den Grafen von Reuß gehören in folgender Tabelle am besten fassen.
I. Dem Marggrafen zu Brandenburg–Bareyth gehören
1. Hoff
2. Wonsiedel [324]
II. Dem Churfürsten zu Sachsen sind folgende Oerter unterworffen
1. Reichenbach
2. Milau
3. Elsterberg
4. Lengenfeld
III. Auch dem Churfürsten zu Sachsen nach Absterben des Herzogs zu Sachsen–Zeitz von 1718 an:
1. Plauen
2. Arnshaug
3. Neustadt
4. Triptis
5. Ranis
6. Oelsnitz
7. Weida
8. Berga
9. Voigtsberg
10. Ziegenrück
IV. Denen Grafen von Reussen sind zuständig
1. Graitz
2. Burg
3. Rothenthal
4. Gera
5. Schlaitz
6. Lobenstein
7. Zeilenroda
8. Köstritz
9. Tanne
10. Saalburg
11. Hersberg
12. Ebersdorff
Der Pirnische Mönch (in Schöttgens Diplomatischer Nachlese II Th. II Zus. p. 272 u.f.) redet folgendergestalt von dem Voigtlande „Voigtland, sagt er, genannt von Voigtsberg, alle von Anschicht gewest, darinnen alle Herren Heinrich seynd genannt, und nur des Tituls Voigte, als die alten Briefe anzeigen, haben brauchen wollen. Da soll erstlich ein junger Herr fast jung hin und her auf die Schlosser Voigte verordnet haben, und heimlich von einem Wugrich umbracht seyn. Die haben Städte und Burg in ihrer Gewalt behalten. Ob dem also, ist GOtt bekannt. Das hat aber beständigen Grund, daß diese alte Herrschafft hat ihren Anfang von dem Gesippe der edlen Römer durch Kayserliche Regalien und andere Herrlichkeiten begnadet. Zum Voigtland hat vor Jahren gehöret der Hof, Culmbach, Blassenberg, Plauen, Graitz, Gerau, Weida, Schlaitz, Greitz, Elsterberg, Ronneberg, Oelsnitz, Lobenstein, Adorff, Trepta, Auma etc. Nun hat es sich mit [325] der Zeit sehr geändert. Jegleicher Herr hat von seiner Stadt einen Titul bekommen. Anno 1368 ward mordliche Plackerey darinnen, Marckgraf Friedrich, Land–Grafen Balthasars Bruder fieng die Räuber, und ließ sie an die Bäume hängen, machte guten Frieden.“
Daß der Vogtland ehemahls nach Quedlinburg gehört habe und diesem Kloster unterthan gewesen sey, lehrte Crantzius I. 9. Saxon. c. 33 „Terra est Advocatorum, spricht er, non longe a Saxonia superiora quam primus Henricus Romanorum Rex subjecit monasterio Dominorum in Quedlinborg, constituens quatuor per terræ angulos totidem Advocatos nobiles, qui Barones dicuntur de Wida, de Ghera, de Russe, de Plawe.“ Ebendieser Wandaliæ l. 2. c. 27. Per eadem tempora idem Henricus urbem quæ Quedlinborg vocatur, fundavit, in ea monasterium puellarum instituens, quod[WS 1] etiam grandi terrarum dominio locupletavit, donans terram, quæ hodie dicitur, Advocatorum. Erant tunc ministeriales monialiam (qui nunc sunt Barones) quatuor; quorum hae sunt nomina de Gera, de Wida, de Plawis, de Rutze.“
Eine alte Chronicke in Manuscript von einem Nieder-Sachsen abgefaßt, welche sich von Jahr 777 bis aufs Jahr 1438. erstrecket, erzehlet bey dem Jahr 930. etwas ähnliches unter den Thaten Heinrich des Voglers „Desseme Klostere gaf do de Konnig dat Land zwischen Mitzen unde Behemen, un delete dat in IIII Vogedome alse Gera, Wyda, Plawe, un Rutzen. Dat Land hetet noch hutes Dages dat Vogtland: un de scholden deme Clostere eynsaftlich wesee und dat vorstan, men na der Tüd hebben sich de Morrgreven van Mitzen des Landes underwunden unde ghevet dem Clostere vil Klevne.“ Woher also Cranzius das Seinige hergnommen, kan man unschwer aus denjenigen ersehen, was wir angeführet; und Sagittarius in Antiquitat. Marchionat. Thuringici MS. steht in der Meynung, daß man diesem Vorgeben nicht allerdings den Glauben absprechen könne. Seine Worte sind folgende: „Ob nun zwar diese Distinction (Crantzii) nicht allerdings richtig, so scheinet doch, daß die Haupt-Sache selber nicht gar zu verwerffen sey, und wäre zu wünschen, daß man umständlich wüste, woher Crantzius diese Nachricht genommen, damit man also der Sache ferner nachdencken könnte. Ja ich halte zwar davor, es sollte sich jemand um das Hochgräfliche Reußische Hauß, als welches denen alten edlen Voigten, davon das Voigtland seinen Nahmen hat, sonder Zweifel herstammet, sehr wohl verdient machen, wenn er von diesen Sachen einen zuverläßigen und gründlichen Bericht und sonderlich aus alten Brieflichen Urkunden abstellete. Mir kommt diese Sache deswegen gantz glaublich vor, weil erstlich hochgedachte Herrn Grafen Reussen ihr Geschlecht von denen alten Grafen von Osterroda, die unzweifliche Vasallen König Heinrich des Voglers als eines Hertzogs in Sachsen gewesen, herleiten, wie solches aus des Hochgräflichen Reuß–Plauischen Hofmeisters Peter Becklers Reuß–Plauischen Stamm–Tafel [326] zu ersehen; Zum andern weil nachdem die Herrn Voigte im Voigtland aufkommen, sie alle sich des Nahmen Heinrich bedienet = Welches ich vermeyne, daß es geschehen sey zur Anzeige ihrer Danckbarkeit gegen König Heinrichen, der ihr Geschlecht mit dieser hohen Voigts–Würde, auch daran hangender Macht und Gewalt gezieret hat. Zwar weiß ich wohl, daß andere den Gebrauch des Nahmens Heinrich etwas jünger zu seyn vermeynen, aber ob dieselbe so einen guten Grund haben, wie andere, will andere urtheilen lassen.“ Fellers Monumenta inedita p. 147 u.f. Deutsche Acta Eruditorum im IV Bande, p. 137
Sonst ist noch von der Aussprache der Einwohner dieses Landes zu mercken, dass sie das J und G gar sehr verwechseln: denn wenn sie sagen sollen Jahr; so sprechen sie Gahr als wenn es ein G oder ein gelindes K. wäre. Ferner für Jauer sagen sie Gauer; für Jerusalem Gerusalem; für Joch Gog; für jung, gung u.s.w. und kehren die Aussprache der Schlesier, was das Jod und G anlangt, gäntzlich um. Es macht aber diese Verwechselung in der Aussprache eine sehr grosse Verwirrung in Schreiben; und fällt es denen Anfängern sehr schwer diese verwandten Buchstaben von einander zu unterscheiden: da es ihnen doch gantz leicht werden würde, wenn man das G durchgängig als ein gelindes K ausspräche. Fabrici Origines Sax. Albini Chron Misn. Zeillers Itin. Germ. Waldenfels de Voilandis. Joh. Georg Pertsch Origg. Voitlandicæ. Becklers stemma Ruthenicum. Joh. Zopf Chron. Ruthen. Planers Hist. Varisciæ. Martini Anweisung zur heutigen Staats–Geographie, p. 428. Gulers von Weineck Rhaetia p. 158. b. Hübners Geograph. III Th. p. 772. Baudrands Lexicon, II Th. p. 335. Melissantis Geographie, I Th. p. 1066. u.f. Pohls Teutsche Orthographie, III Abth. II Cap. p. 145 u.f.
Man kann hierbey auch ein besonders Buch nachlesen, welches zu Dreßden 1731. in 8. bey Richtern in 25 Bogen unter folgenden Titul herausgekommen. Das erläuterte Voigtland oder vermischte Anmerckungen zur Ergäntzung der Gräflich Reuß–Plauischen Historie, IV St. ingleichen hat der Herr Rector zu Schlaitz Johann Christoph Haynisch, ein Programma 1742. in 4. de prisca Variscorum sede heraus gegeben, davon in Actis Scholast III Th. p. 83. Meldung geschicht. Siehe auch den Artickel: Variscia im XLVI Bande, p. 620.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: qnod