Zedler:Vaticanische Bibliotheck

Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Vaticanischer Pallast

Band: 46 (1745), Spalte: 765–767. (Scan)

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Vaticanische Bibliotheck, Vaticana Bibliotheca, oder die Bibliotheck, so sich auf dem Vaticano zu Rom befindet. Zu dieser hat Pabst Nicolaus V. im 15 Jahrhundert den Grund geleget, indem er überall gelehrte Leute herum schickte, welche allerhand Bücher mit grossen Unkosten zusammen suchen musten; wie denn damahlen in die 3000 Stück hinein geschaffet wurden, wie er denn auch demjenigen 5000 Ducaten versprach, welcher ihm das Hebräische Evangelium Matthäi zubringen würde, welches man nicht unbillig vor die Ursache hält, daß bald hernach verschiedene solche Codices an den Tag gekommen. Jedoch soll die Bibliotheck selbst erst von Pabst Sixtus V. zu Ende des 16 Jahrhunderts erbauet worden seyn. Nach der Zeit ist sie von den folgenden Päbsten mit wichtigen Zusätzen vermehret worden, darunter sich sonderlich Leo X, Pius IV, und Sixtus V, merckwürdig gemacht, welche letztern den Schaden wieder gut machten, der in der Eroberung Rom im Jahr 1527. daran geschehen war. Desgleichen ist sie auch nicht nur 1622. durch die Heydelbergische, sondern auch durch des Hertzogs von Urbino Bibliotheck gewaltig vermehret worden. Die Schildereyen, deren eine ziemliche Menge allda vorhanden ist, stellen die Wissenschafften, Concilia, berühmtesten Bibliothecken, Erfinder der Gelehrsamkeit und einige Stücke aus den Leben Pabsts Sixti des fünfften vor. Das alte Manuscript des Virgilii it in quarto mehr breit als lang, in grossen Buchstaben, auch ohne Distinction und Punctation der Worte; sie sind etwas auf Gothische Art gezogen, welches sich aber mit dem Alterthum, das man ihm beylegt, nicht wohl reimen will. Es wird aber dieser Virgilius nebst dem Terentio, so auch in Manuscript vorhanden, auf tausend Jahr alt geschätzet. Unter den jüngern Manuscripten sind einige Brieffe, welche von Cardinälen an andre Cardinäle vor etwa zwey hundert Jahren, geschrieben worden, in welchen [766] sie sich ohne weitere Ceremonien anders nicht als Messer Pietro, Messer Julio betiteln. Man zeiget auch allhier eine deutsche Bibel, welche D. Luther übersetzet und mit eigener Hand geschrieben haben soll. Allein es hat hierzu nicht den geringsten Schein, sonderlich in Betrachtung des seltzamnen Gebetes, welches hinten angehänget ist, und vielmehr von einem andern Autore sowohl als das übrige alles gemacht; es lauten aber die Worte also:

O! GOtt durch deine Güte,
Bescher uns Kleider und Hüte
Auch Mäntel und Röcke,
Felle, Kälber und Böcke,
Ochsen, Schafe und Rinder,
Viele Weiber, wenig Kinder.
* * *
Schlechte Speiß und Trank
Machen einem das Jahr lang.

Man müste D. Luthern sehr gram seyn, wenn man ihm vor einen Debauché und liederlichen Mann ausgeben wolte. Ferner wird auch ein Buch voll Briefe gezeiget, welche König Heinrich der Achte an Annen Bolenien geschrieben, und in quarto eines Fingers dicke ist. Wie viel aber eigentlich Bücher in allen auf dieser Vaticanischen Bibliotheck seyn, kan man so genau nicht sagen; Doch wollen einige solche auf 200000 Stück, und über viel 1000 Manuscripte und 6000 Codices und Pergament-Schrifften rechnen. In dieser Bibliotheck ist ein gantzes Zimmer voll Abyßinischer, Samaritanischer, Hebräischer, Arabischer, Egyptischer, Lateinischer und anderer Manuscripten. Man siehet auch allda pugillares, welche mit einem eisernen Griffel beschrieben worden. Kleine mit Wachs überzogene Täfelgen, auf welche man schreiben kan; Blätter von denjenigen Bäumen, wovon das Papier den Nahmen hat, auf welche ebenfals geschrieben ist; Die Annales des Cardinals Baronii, mit eigener Hand verfertiget; Das Evangelium St. Johannis, nebst seinem Leben, von dem berühmten Kirchen-Lehrer Chrysostomo geschrieben; Das Alte Testament, Hebräisch, wovor die Juden zu Venedig so viel Goldes gebothen haben, als es schwer ist. Die, welche es zeigen, sagen gemeiniglich, daß sie es demjenigen verehren wolten, welcher es in seinem Sack stecken könne, massen es ungewöhnlich groß ist. Weiter sind darinnen die fünff Bücher Mosis auf Pergament, welches kan aufgerollet werden, wie vor Alters gebräuchlich gewesen, daher auch die Bücher Volumina genennet worden; Das Buch Josuä gleichfalls auf Pergament, von den Griechen gemahlet; Eine Chinesische Prophezeyung, darinnen enthalten, daß gantz China den Römischen Glauben annehmen werde; Noch ein Chinesisch Buch auf schwartz Papier, und mit vergüldeten Buchstaben. In denen alten Meß-Büchern siehet man keine Gebeter an die Heiligen, sondern nur zusammengetragene gute Seufzer zu GOtt. Hinwiederum sind darinnen eine Griechische Bibel von denen siebentzig Dollmetschern, womit des Sixti Bibel collationiret worden; Unterschiedliche Briefe des Sirleti, welche von ihm, ehe er noch Cardinal, und allein Inspector [767] über die Vaticanische Bibliotheck war, an die Legaten des Tridentinischen Concilii geschrieben worden, als welche ihn über diejenigen Stücke um Rath fragten, welche auf dem Concilio abgehandelt wurden. Ferner ist ein Manuscript von Terentio daselbst, mit sehr curieusen illuminirten Masquen, und Posituren der Spielenden, wie es damahls auf denen Theatris gebräuchlich gewesen. Die Briefe, welche allda gezeiget werden, seynd mit güldenen Bildern und Buchstaben so künstlich gezieret, daß sich diejenige, welche mehr auf das äusserliche als innerliche der Bücher sehen, daran vergaffen. Ueber das befinden sich allda eine grosse Menge rarer Päbstlicher Medaillen, welche von den berühmten Jesuiten Bonani beschrieben, und durch den Druck gemein gemacht worden. Nicht weniger siehet man ein Mexicanisches Buch, mit vielen artigen und lächerlichen Figuren, welche hieroglyphische Buchstaben selbigen Landes seynd. Nebst diesen hat man noch eine fast unendliche Anzahl Manuscripten von unterschiedlichen Alt-Vätern der Kirche, und von allen gehaltenen Concilien. Ausser der Vaticanischen Bibliotheck, ist nahe dabey noch ein ander Zimmer, worinnen die vornehmsten den Päbstlichen Gottes-Dienst betreffende Bullen in ihren Archiven verwahret werden, darzu niemand als der Cardinal-Bibliothecarius den Schlüssel hat. Der Herr Scheelestrat, gewesener Canonicus zu Antwerpen, wurde vom Pabst Innocentz XI. zum Recompens wegen des gegen die Frantzösische Geistlichkeit in puncto der Regalien geschriebenen und Sr. Heligkeit dedicirten Buches, zum ersten Custos dieser Bibliotheck gemacht; nach dessen Todt ist ihm der Pater Heinrich Noris, ein Augustiner-Mönch von Verona, und gewesener Professor zu Pisa, welcher dazumahl vor den gelehrtesten Mann in Italien gehalten wurde, wie seine herausgegebene herrliche Bücher beweisen, in dieser Bedienung nachgefolget. Vor dieser Bibliotheck siehet man eine Inscription, woraus erhellet, daß Pabst Sixtus V. sie in diejenige Ordnung gebracht, worinnen sie anjetzo stehet, und Platinam zum ersten Bibliothecario gemacht habe. Sonsten siehet man diese Inscription auch in der von dem berühmten Leti verfertigten Lebens-Beschreibung, worinnen über das nicht nur alle artige und emphatische Inscriptiones befindlich sind, welche in dieser Bibliotheck zu finden, sondern auch andere über die auf eine künstliche Weise alda abgemahlte Historien aller Concilien, Bibliothecken, gelehrter Leute, freyer Künste, Bücher, und was sonsten zu Erfind- und Verbesserung aller bekannten Wissenschafften gehören kan. Lomeier de Biblioth. p. 242; Missons Ital. Reisen p. 463. u. f. Melissantes Geogr. I Th. p. 773. Siehe auch den Artickel: Bücher-Vorrath, im IV Bande, p. 1803, besonders p. 1822 u. f.