Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Tolentino, (Thomas de)

Band: 44 (1745), Spalte: 1110–1112. (Scan)

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Tolentino, Lat. Tolentinum, Tolentium, eine sehr alte Bischöffliche Stadt in der Marca d' Ancona [1111] auf einer lustigen Höhe zwischen Camerino und Macerata, und etwa eine Tagereise weit von Ancona und Foligno gelegen, vor welcher der Fluß Chiento unten vorbey fliesset. Es gedencket ihrer Ptolomäus Lib. III c. 1 und Plinius Lib. III. c. 13 welcher ihre Inwohner TOLENTINATIS nennet. Wenn sie eigentlich erbauet worden, ist keine Nachricht vorhanden, man träget sich aber mit vielen fabelhafften Erzehlungen von ihrem Stiffter. Einige nehmlich halten davor, daß sie Taverus, ein Griechischer Feldherr, erbauet habe, und daß sie anfangs nach seinem Nahmen Tavera, oder, weil sich bey deren Aufbau eine Stimme von oben her zu wiederholte mahlen mit den Worten tolle, tene locum hören lassen, Tolentinum sey genennet worden, wohin der Poet Hippolytus Eurispa in der Elegie, die er auf sein Vaterland gemacht hat, zielet. Andere halten den Tolenus vor ihren Stiffter, und geben vor, sie habe den Nahmen Tolenum von der runden Gestalt, in welcher sie gebauet, bekommen, wie Philelphus bey dem Pamphilus in laudibus Piceni bezeuget, welchen nachgehends die neuern in Tolentinum verwandelt. Noch andere behaupten, daß ihre Inwohner von dem Flusse, der obgedachter massen vor solcher Stadt unten vorbey fliesset, vor Zeiten Cluentini wären genennet worden, welches auch Pamphilus an angeführtem Orte bestärcket. Man trifft zwar bey denen neuern Scribenten aufgezeichnet an, daß diese Stadt ehedessen eine Römische Colonie und Pflantz-Stadt gewesen seyn soll; weder Frontinus aber noch ein eintziger alter Scribent gedencken etwas davon. Von ihrem Alter aber zeugen nicht nur viele alte Ruinen, sondern auch viele alte Römische Müntzen und Inscriptionen, die in dasiger Gegend immerzu noch angetroffen und entdecket werden. Sie stand anfangs unter der Römer Bothmässigkeit, hernach kam sie unter der Gothen und Longobarden Gewalt, und wurde, nachdem solche verjagt worden, denen Kaysern und Päbsten zu Theil. Sie hat zwar eine Zeitlang unter denen Varranen, Herren von Camerino, an die sie Pabst Alexander IV abgetreten, gestanden, allein es spielte Bernhard, der aus eben dem Geschlechte war, so übel mit denen Tolentinern, daß sie ihn umbrachten, nach dessen Tode denn die Stadt wieder unter den Schutz der Römischen Kirche gekommen, darunter sie noch jetzo stehet. Sie ist sehr volckreich, und hat an allem einen Ueberfluß. Es ist diese Stadt auch berühmt von dem Cörper des heil. Nicolai, dessen Arm zu bluten anfangen soll, wenn Italien ein besonderes Unglück bevorstehen soll; und wegen der kleinen Brode, welche die Münche allhier wieder das Fieber austheilen. Das Bißthum zu Tolentino hat vermuthlich gleich zu der Zeit, als die Christliche Religion darinnen aufgekommen, seinen Anfang genommen, wie denn schon im Jahr 500, welches die Acten bezeugen, sich ein Bischoff von Tolentino, Nahmens Basilius, auf dem Römischen Synodo, so unter dem Pabst Cölius Symmachus gehalten worden, unterschrieben, wiewohl man sonst keinen Bischoff mehr weder vor noch nach ihm hat ausfindig machen können. Endlich hat es Sixtus V im Jahr 1586 wieder aufgerichtet, und dem Römischen [1112] Stuhl unmittelbar unterworffen, hernach aber, als Fermo in einen Ertz-Bischöfflichen Sitz verwandelt worden, demselben Suffragan gemacht, und verordnet, daß der Bischoff von Macerata zugleich auch Bischoff von Tolentino seyn, und in denen öffentlichen Documenten sich als Bischoff von Macerata und Tolentino schreiben, auch einen beständigen General-Vicarium zu Tolentino halten solle. Die Cathedral-Kirche ist Unser Lieben Frauen gewiedmet, und bestehet aus einem Archidiaconat, so die höchste Dignität nach der Bischöfflichen ist, Aus 13 Canonicis, darunter ein Theologus und Pönitentiarius und aus verschiedenen Beneficiaten und andern Clericis, welche den Gottesdienst mit abwarten helffen. Man trifft überdieses zwey Parochial-Kirchen allhier, in denen aber nicht getaufft werden darff, welches allein in der Cathedral-Kirche geschiehet. Sonst ist auch eine Collegiat-Kirche da, daran ein Prior, 10 Canonici und viele Beneficiaten befindlich, ferner ein Oratorium der weltlichen Priester S. Phil. Nerii, 4 Manns- und 2 Nonnen-Klöster, 8 Layen-Brüderschafften, ein Hospital, ein Mons pietatis, und ein Seminarium Clericorum. Der Bischöffliche Pallast stösset an die Cachodral-Kirche an. Die Zahl der Einwohner erstrecket sich auf 5000. Die Diöces ist sehr klein, und begreiffet nicht mehr als ein Castel unter sich, Colmurano genannt, darinnen 2 Parochial-Kirchen anzutreffen, nebst drey Dorffschafften, Nahmens Paterno, St. Angelo und St. Andrea. So lieget auch in ihrem Bezirck die sonst berühmte Abtey Clairvaux, welche jetzt von den Jesuitern besessen wird. Die Taxa des Bißthums belaufft sich auf 400 Scudi. Wie übrigens die Bischöffe allhier geheissen, und einander in der Regierung gefolget, ist aus nachstehendem Verzeichnisse zu ersehen, nehmlich:

1. Galeazius Moronus, vorhero Bischoff von Macerata, 1586. starb zu Macerata den 7 Sept. 1613.
2. Felix Centinus, Minoriter-Ordens, von Ascoli, 1613. starb zu Macerata den 25 Jenner 1641.
3. Papyrius Sylvester, erwehlt 1642, starb im Februar 1659.
4. Frantz Cini, erwehlt 1660, da er schon über 50 Jahr alt war, und lange zu Rom Advocat gewesen. Er starb zu Tolentino im Monat May 1684.
5. Fabricius Paulutius, beyder Rechten Doctor, bis 1698 da er ins Bißthum Ferrara versetzet worden.
6. Alexander Varanus seit 1698.
7. Ignatius Stelluti, gebohren zu Fabriano den 14 Mertz 1685, ward Bischoff den 2 Decembr. 1735.

Ughellus Ital. Sac. Tom. II p. 770 u. ff. Genealogioph. Schauplatz von Italien 2 Oeffn. p. 91.