Zedler:Tanner, (Carl Christoph)


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Tanner, (Bernh. Leop. Frantz)

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Tanner, (Daniel) oder Tannerus

Band: 41 (1744), Spalte: 1718–1722. (Scan)

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Tanner, (Carl Christoph) ehemahliger Königlicher Polnischer und Churfürstlicher Hof-Rath und des Grafen von Cassels Hof-Meister, starb den 9 Febr. 1728. Er hat wenige Zeit vor seinen Ende, in Deutschen Versen ohne Reimen, folgende Todtes-Gedancken aufgesetzt und hinterlassen:

O Tod! du Schreckenbild und Scheusal derer Menschen,
Die schwerer Irrthum drückt, und schnöde Lust beherrscht;
Ich kan dich, wie du bist, mit steiffen Blick anschauen,
Du jagest meinem Geist noch Furcht noch Grauen ein.
Welch Irrwahn treibet euch, ihr, die ihr sterblich heisset,
Daß ihr das schönste Bild, ins heßlichste verkehrt?
Ich bin nicht so, wie ihr, durch falschen Schein verblendet.
Ich mahle mir den Tod mit bessern Farben ab.
Vernunfft und Gottes-Lehr hat mir ihn abgeschildert,
Ich stelle hier ihn euch auch also wieder vor.
Ach! daß mein Pinsel doch, und meine Kunst möcht taugen,
Zu zeigen, wie so schön und angenehm er ist.
Der Endzweck der Natur ist allezeit zu loben,
Sie ordnet alles wohl, und führt es weißlich aus.
Da sie nun meine Zeit in Grentzen eingeschlossen,
So glaub ich, daß sie es zu meinem Besten thut.
Welch Unglück würde nicht den armen Menschen drücken,
Wenn, wie er sich es wünscht, er gar unsterblich wär?
Der erste Augenblick des Lebens ist ja weinen;
Der Jammer folget ihm von Schritt zu Schritte nach.
Erst liegt er nackend da, Vernunfftloß, unvermögend,
Er findet nichts in sich, es geht ihm alles ab.
Wenn aber fremde Sorg' das Leben ihm erhalten,
So fangen alsdenn erst die rechten Plagen an.
[1719]Sein roh und frecher Sinn, der ihn zum Bösen treibet,
Muß unter Furcht und Zwang und harten Streichen stehn.
Wie mühsam geht es zu, bis er was rechts erlernet,
Daß er sich selbsten einst und andern nützlich sey?
Doch ehe er noch weiß, sich männlich aufzuführen,
Eh er in seinem Thun mit festen Schritten geht,
Ergreifft ihn die Gefahr der wilden Leidenschafften,
Die offt, wie Sturm und Wind, ihn in den Abgrund reißt.
Auch kan er selbigen sich niemahls gantz entreissen,
Sie hangen immer ihm durchs gantze Leben an.
Die Wollust, Ehr und Geld, Haß, Mißgunst, Rach und Eifer,
Und was dergleichen mehr, durchwüten seine Brust.
Die Sorgen folgen nach, die jeden Stand begleiten;
Wie kümmerlich und saur ernähret mancher sich.
Den beugt das Arbeits-Joch, den schlägt der Mangel nieder;
Ein sonderer Bedrang wohnt unter jedem Dach.
Wie soll ich aber wohl das Elend recht beschreiben,
Wenn Fieber, Stein und Gicht den siechen Cörper plagt?
Wenn mit dem matten Leib der Geist darnieder lieget,
Und keine Freudigkeit mehr in dem Hertzen lacht?
Wenn Schwermuths Centner-Last die Seele niederdrücket,
Und jeder Gegenstand nur Furcht und Schreck gebiehrt,
Wenn die Gedancken stets uns statt der Folter dienen,
Und nie kein heller Schein der Hoffnung uns bestrahlt?
Kommt denn die üble Zeit, da uns das Alter beuget,
Und alle Sinne stumpff, die Glieder Krafflos sind;
So leben wir uns selbst und andern zur Beschwerde,
Und werden noch zuletzt so gar der Kinder-Spott.
Dieß alles müssen wir von innen in uns fühlen,
Von aussen greiffen uns viel andre Plagen an.
[1720]Verfolgung, Neid, Betrug, Verlust Gefahr und Schrecken,
Bestürmen täglich uns, und mehren unsre Last.
Von diesem allen kan allein der Tod uns retten.
Drum soll er billig uns ja nicht zuwider seyn.
Doch ist es nicht genung, daß er uns nur befreyet,
Er theilet uns auch noch die schönsten Gaben aus.
Unsterblich war der Mensch, als GOtt ihn erst erschaffen,
Er trug in seiner Brust des Höchsten Ebenbild,
Sein Unschuld schützte ihn vor Kranckheit und Gebrechen,
Und hatte folglich auch der Tod nicht Macht an ihm.
Ach! aber ach! wie bald mußt er dis Gut verlieren,
Als die verbotne Lust ihn zu den Fall gebracht.
Nun mußt nicht nur der Leib, sogar die Seel auch sterben,
Und ewig in die Höll von GOtt verstossen seyn.
Die Strafe fiel auf ihn, und alle seine Kinder,
Weil er das Sünden-Gifft auf sein Geschlecht gebracht.
Nichts konnte dich o Mensch, von dem Verderben retten,
Weil der gerechte Zorn des Höchsten dich verdammt.
Doch GOttes Vater Hertz, das voll ist von Erbarmen,
Konnt deinen Uebelstand nicht unbeweget sehn,
Gleich gütig und gerecht hat er den Schluß gefasset,
Es solte, du erlößt, und Er befriedigt seyn.
Welch Wunder der Vernunfft, welch unbegreifflich Wercke,
Bricht in erfüllter Zelt zu meiner Rettung aus!
Des Höchsten GOttes Sohn, von Ewigkeit gezeiget,
Unendlich in sich selbst, des Vaters Freud und Lust,
Nimmt meine Schwachheit an, und wird ein Mensch gebohren,
Damit er meine Schuld und Strafe tragen kan.
Er wandelt unter uns, eröffnet seine Lehre,
Die, wie ein frischer Thau, das matte Hertz erquickt;
Thut Wunder ohne Zahl, erfüllt des Vaters Willen,
[1721]Der ihn für uns zum Tod, zum Tod am Creutz bestimmt.
Hier geth mein Heyl recht an, hier hab ich überwunden,
Was schadet mir der Tod, den GOttes Sohn geschmeckt?
Durch sein Tod ist mein Tod ein Durchgang in das Leben,
Ich sterbe, wenn ich will, so steh ich wieder auf.
Denn JEsus ist ja nicht im Grabe liegen blieben,
Er reisset sich mit Macht von Todes Banden loß.
Er siegt, er triumphiert; Mein JEsus ist erstanden;
Drum bleib ich, wenn ich sterb, auch ich im Tode nicht!
Wo aber geh' ich hin, welch Theil ist mir bestimmet?
Werd ich zur rechten Hand, werd ich zur lincken stehn?
Halt Zweiffel, halt nur ein! dich heißt mein Glaube schweigen,
Der mich mit Zuversicht, und süssem Trost, erfüllt.
Bin ich nicht in der Tauff, ein Kind des Höchsten worden?
Hat mich nicht Christi Blut auf sein Befehl besprengt?
Wie offte hab ich nicht sein Leib und Blut genossen?
Wie offte bin ich nicht von Sünden loßgezählt?
We tröstet nicht sein Wort? Was Gnad läßt es nicht hoffen,
Wenn es die Sünder lockt, und ihnen Heil verspricht?
Hat nicht des Lammes Blut den Richter gantz versöhnet?
Hat denn der Bürge nicht vor mich die Schuld bezahlt?
Stehn Christi Wunden nicht zu meiner Zuflucht offen?
Soll ich nicht ewiglich bey ihm und um ihn seyn?
Ja JEsu, ich bin dein, du hast mich theur erworben,
Es kost dein theures Blut, daß ich erlöset bin.
Ich faß und halte dich, wenns nun zum Abdruck kommet.
Und gehe von der Welt zur Himmels Wohnung ein!
Komm dann, o süsser Tod, du Ursprung meiner Freuden,
Du Retter aus der Noth, komm hohle mich nur fort;
Ich sehne mich nach dir, ich bin bereit zu sterben,
Weil nur durch dich allein ich ewig leben kan.
[1722]Süsser Tod, wer kan dich scheuen,
Als die unbekehrte Welt,
Welcher Wollust, Pracht und Geld
Ihre tolle Lust verneuen?


Ich seh dich mit andern Augen
Nach der wahren Klugheit an,
Die allein uns zeigen kan,
Was vor Leib und Seel muß taugen.


Du kanst mir Erretung geben,
Du führst mich zur Himmels-Freud;
Ey so komme dennoch heut!
Ich will sterben, um zu leben.

Unschuld. Nachricht. 1732 p. 250 u.f.