Zedler:Straffe (Abfindung wegen der)


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Straffe (Abkauffung der)

Band: 40 (1744), Spalte: 518–522. (Scan)

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Straffe[1] (Abfindung wegen der) oder Abkauffung der Straffe, sonst auch die Herrschafftliche oder Fiscalische Compsosition, oder Vergleichung genannt, Lat. Redemtio Poenae, oder Compositio Fiscalis, ob zwar von Rechtswegen die Herrschafftliche Abkommung, Vergleich, oder Composition, als eine Sache, wordurch das Uebel nicht öffentlich gestrafft, sondern nur vielmahls dadurch einem andern Anlaß gegeben wird zu sündigen, Cravetta Consil. 431 n. 5. gemeiniglich verboten ist, L. prohibere §. plene ff. quod vi aut clam.

So pflegt man jedoch täglich mit der Herrschafft, Fiscalen, und denen Gerichts-Herrschafften, wegen verübter Uebelthat, gegen Erledigung eines Stück-Geldes, abzukommen; und wird keiner für einen tauglichen oder beliebten Beamten geschätzt, der nicht mit dergleichen, Compositionen meisterlich umzuspringen, und das Interesse seines Obern zu befördern weiß. Es ist aber dennoch hierinnen sorgfältige Masse zu haben, damit nicht wegen des schnöden Geldes die Welt geärgert, die Justitz nicht administriret, und einmahl schwere Verantwortung bey GOtt dem HErrn, als wahren Eiferer der Gerechtigkeit, zu besorgen sey.

Dannenhero ist zu wissen, daß die Composition vor nachgesetzter Obrigkeit in nachfolgenden Fällen gepflogen werden möge: 1) Da die That nicht erwiesen, auch der Thäter die That nicht bekennet, und wider den Inquisiten nur starcke Vermuthungen wären, also, daß man zur ordinären Straffe nicht schreiten möchte. Modest. Roman. q. 5. n. 5. vers. Sublimit. 1. Jedoch aber werden zur Composition dergestaltige Umstände erfordert, daß man den Inquisiten vor schuldig nicht halten kan. Denn sonst wäre es nur eine erpreßte, gewaltthätige, ja Sünden-volle Vergleichung. Roland Consil. 18. n. 81.

2) Da über ausgestandener Tortur der Delinquent mit so schweren Anzeigungen beschaffet wäre, denen gleichsam die Uebelthat anhängig ist. Denn gleich, wie ein solcher, der ausgestandenen Tortur unerachtet, mit einer ausserordentlichen Straffe belegt werden mag; also kan auch solche Extraordinari-Straffe in eine Composition gezogen werden. Und purgirt die Tortur dergleichen offenbare Anzeigungen nur, so viel die ordentliche Straffe anbelangt, nicht aber, daß dessentwegen ein Delinquent nicht mit einer ausserordentlichen Straffe belegt werden könne.

3) Da der geführte Proceß eine Nullität auf sich hätte, und andurch die Intention des Fisci zweiffelhafftig gemacht würde, wenn gleich sonsten das Verbrechen vollständig bewiesen worden wäre.

4) Oder da die Bekänntniß ein und anderer Exception unterworffen wäre, oder eine solche Qualität ausschliessender Boßheit nach sich zöge, welche von der Bekänntniß nicht abgetheilt werden kan.

5) Oder, da rechtmäßige lindernde Umstände vorhanden wären, wordurch ohne das von der ordentlichen Straffe abgewichen werden müste. Guatz Defens. 34. c. 1. n. 5.

Und diese Composition sollen die nachgesetzte Obrigkeiten ohne Vorwissen einer hochlöblichen Regierung oder des Cammer-Fiscals nicht vornehmen; ausser sie hätten selbsten das Jus Fisci aus sonderbarem Privilegio in solchen Fällen zu geniessen. Guatz n. 7 d. I. Wie denn zu diesem Ende alle Quartale an die hochlöbliche [519] Regierung von denen nachgesetzten Obrigkeiten zu berichten, was für Straffen, und warum selbige eingelangt worden.

Die Composition aber soll vor Ausfällung des Urtheils gepflogen werden. Denn, nach ausgefälltem Urtheil, die Leibes-Straffe in eine Geld-Straffe zu verändern, ist der Gewalt des Landes-Fürsten, und nicht einer nachgesetzten Obrigkeit, vorbehalten. Wiewohl bey eingeschickten Processen zur Revision einer hochlöbl. Regierung, aus beweglichen Ursachen, die von nachgesetzter Obrigkeit erkannte Straffe in eine Composition oder Vergleichung zu ziehen bevorstehet; sintemahlen vor Publication des Urtheils die Sache noch vor rechtshängig und unausgemacht gehalten wird. Guatz d. I. n. 5.

Hingegen soll vor Schliessung der Composition der gantze Informativ-Proceß erhoben werden, um zu sehen, wie die Sache beschaffen, damit nicht wegen allzugrosser Eile die Sache vertuscht, und das Jus Fisci verkürtzet werde. Mod. Rom. q. 5. n. 5. Ingleichen, da dergestaltige Anzeigungen zur Vorkehrung der Tortur genugsam aus dem Informativ-Processe erscheinen, ist ebenfalls keiner nachgesetzten Obrigkeit erlaubt, die Tortur zu unterlassen, und die Composition zu ergreiffen, wenn anders der Inquisit eine Person ist, die von Rechtswegen torquirt werden mag. Guatz n. 2. d. I.

Noch weniger aber kan von nachgesetzter Obrigkeit eine Composition ergriffen werden, da der Delinquent überwiesen, oder selbst bekänntlich wäre. Denn alsdenn ist das End-Urtheil zufällen, und die Sache auszumachen. L. Sancismus C. de poenis. Wie denn einer einer hohen Obrigkeit lobwürdiger anstehet, die Composition nach ausgefälltem Urtheil zu ergreiffen, damit die Delinquenten nicht brummen dörffen, ob wären sie unschuldig gewest, und dennoch hätte man von ihnen das Compositions-Geld ausgepreßt. Denn eine unzeitige Gnade bringt unzeitigen Danck. Guatz d. I. n. 3. ad. fin.

Da aber die Composition bey dem Fiscal-Amte oder nachgesetzter Obrigkeit gepflogen wird; so soll man auf Seiten des Inquisiten Acht geben, daß man dem Protocoll einverleiben lasse, wie man, die Composition einzugehen, nicht aus Furcht der begangen haben sollenden Ubelthat, sondern nur zu Aufhebung weiterer Behelligung Mühe und Unkosten, angetrieben worden sey. Denn sonsten würde die That durch die Composition bekannt, und dem sich darüber vergleichenden Inquisiten eine thätliche Ehrlosigkeit zuwachsen. Guatz d. I. n. 8.

Es soll aber die Composition keinem ärgerlichen liederlichen Delinquenten, der eines übeln Ruffs und böser Gewohnheit ist, ingleichen keinem Mörder, Banditen, Verräther, u. d. g. ertheilet werden: sintemahl die Gnade der Composition nur gegen diejenigen auszuüben ist, die zur Besserung ihres Lebens gnugsame Anzeigungen geben. Wie denn ohne das in schweren und abscheulichen Lastern die Composition dem gemeinen Manne nur Aergerniß machet, sonderlich, da die Misstethat vollständig bewiesen etc. Guatz Defens 34. n. 2.

Nächst dem, wenn in Sachen ein verletzter Gegentheil vorhanden, soll der Composition statt gegeben werden, ehe und bevor der verletzte Theil befriediget [520] und zu Ruhe gestellt worden. tot. tit. C. de precibus Imp. offer. Denn dergleichen Composition, wenn sie gleich in Ansehung der Fiscalischen Straffe gälte, wäre doch denen Rechten des verletzten Parts unschädlich, daß dessen unerachtet die Sache peinlich hinausgeführt werden müßte, zumahl da deshalber ein ordentlicher Anklags-Proceß angestellet worden wäre.

Ja wenn auch die Herrschafftliche Composition das Recht des verletzten Theils ausdrücklich vorbehielte; so würde doch durch dergleichen Composition die Sache des verletzten Theils und Anklägers nur härter. Denn der Fiscus, der seinen Theil gezogen, pflegt abzuweichen, die Unkosten des verletzten Theils werden vermehrt, und der Streit vereiniget. Ist dannenhero löblich, keine Begnadigung oder Composition zu treffen, ehe die verletzte Freundschafft nicht zur Ruhe gesetzt worden. Tyr. Lands-Ordn. Art. 48. 8. B.

Und muß des verletzten Theils ausdrücklicher Wille einstimmen, indem nicht genug wäre, pure Wissenschafft der ertheilten Composition zu haben, und darwieder nicht zu schreyen. Ja es wäre auch nicht genug, dem verletzten Theile vor Ertheilung der Composition, zu Einreichung seiner Wiederrede und Nothdurffts-Handlung, einen Termin anzusetzen, und daß der verletzte Theil den Termin habe verstreichen lassen; sondern es wird der ausdrückliche Wille des verletzten Theils erfordert. Guatz d. Def. c. 3. n. 2.

Ausser etlichen Fällen, als erstlich: Da der verletzte Theil nicht bekannt wäre Cravetta in Ritu. 178. n. 18. Ingleichen, da das Verbrechen nicht aus bösem Fürsatz, sondern zufälliger Weise geschehen wäre; oder da der Delinquent zur Verübung der That wäre veranlaßt worden. Denn in diesen zwey Fällen, wenn der verletzte Theil die Sayten gar zu hoch spannet, kan und soll die Ermäßigung des Abtrags durch das Gericht geschehen. Guatz d. I. n. 5. Tyr. Lands Ordn. Art. 52. 8. B.

Wie aber der Schaden und der Abtrag zu ermessen; so ist folgendes zu mercken, und zuforderst ausgemachten Rechtens, daß aus jedem Verbrechen, neben der peinlichen Klage zur Straffe, auch eine Bürgerliche Klage zu Wiederersetzung des zugefügten Schadens entspringe. L. qui nomine. ibique Bartolus ff. de fals. Gestalt in Begehrung des Interesse gemeiniglich eingeführet wird, was der Abgeleibte, oder durch Wunden untüchtig gemachte, durch seine Kunst-Arbeit jährlich zuvor gewonnen, was er noch sein Lebenlang hätte gewinnen mögen. juxt I. Haereditat. ff. ad I. falcid. so auf 60 Jahr disfalls angeschlagen. Cravetta Consil. 91. n. 12. in fin. vol. 3.

Und lehret weiter in diesem Falle Gometz tit. de Delict. c. 6. n. 11. daß dem im Leben bleibenden beschädigten Theile jährlich dasjenige abzutragen, was er sonsten jährlich hätte verdienen können: Also, daß es eine jährliche Schuldigkeit auf dessen Lebenlang nach sich ziehet. Ueber diß begehrt man die Ersetzung der Medicamenten, gebrauchten Cur, Bezahlung der Aertze, man werde besser, oder nicht. Cravetta Cons. 119. n. 5.

Es ist aber von nöthen, daß der zu projectirende jährliche Gewinn durch muthmaßliche vernünfftige Beweißthümer dargethan werde. Guatz Def. 34. c. 4. n. 6. [521] Denn der gar zu weit hergesuchte unterbleibende Gewinn, der vielmehr nur in der Lufft und einer weitschichtigen Hoffnung gestanden, wird nicht beobachtet. Idem d. I. Ingleichen werden die verursachte Wundmahle nicht considerirt, ausser bey einem Viehe, so zu erkauffen, und einem Weibe, welches entweder desto härter, wegen zugefügter Unförmlich- und Heßlichkeit, einen Ehemann überkommt, oder bey einem Ehemanne, die Liebe vermindert. Guatz n. 15. Ja, wider einen gefährlichen Todtschläger und Delinquenten kan das Juramentum in Litem, oder der Schätzungs-Eyd geschworen werden, wodurch dem Verletzten so viel er mit leiblichem Schwur bekennt, dessentwegen ihm abgängig zu seyn. L. si quando C. unde vi ibibique Jasor.

Aber wieder einem Todtschläger, der nur zufälliger Weise, oder aus tadelhaffter Unvorsichtigkeit, einen erschlagen, muß das Interesse zuvörderst durch Zeugen oder vernünfftige Gründe dargethan werden; alsdann erfolgt allererst die Richterliche Ermäßigung. Theils Orten aber pflegt man die Sache erst Richterlich zu ermessen, und alsdenn dem begehrenden Theile aufzuerlegen, zu schworen, daß er die vor Richterlicher Ermäßigung ausgesprochene Summe im Gewissen annehmen könne. Covaruvias Var. Resol. c. 10. n. 7. In Tyrol hingegen wird in Summarischen Processen, nach ausgesprochenem Taxations-Urtheile, dem begehrenden Theile kein weiters Jurament auferlegt, sondern es stehet bey dem Beschwerten, die Sache Supplicationsweisse zu verführen.

Es soll aber ein Richter, vor Ausfällung des Taxations-Urtheils, in nahmhafften Sachen fleißige Nachforschung halten, auf was vor einem Grunde das Begehren bestehe, wie solches erwiesen, was disfals der Orten kündig oder gebräuchlich, und in Summa alle Umstände, so wohl vor, als wider Beklagten, auf das reifflichste erwägen: wie denn die Sache mehrentheils in der Richterlichen Subtilität beruhet, §. Curare Inst d. action. damit ein rechtes, determinirtes, klares, ausgemachtes, und ohne weitern Reservat, als Zunder weitern Streits, behafftes Urtheil gefält werden möge. Guatz d. I. n. 13.

Es wird aber unter denen Criminalisten gestritten, ob nicht die auszustehende Todes- oder Leibes-Straffe die Bürgerliche Klage aufhebe, oder ob nichts desto minder von dem verletzten Theile die Erstattung des zugefügten Schadens begehrt werden möge? Von gemeinen Rechten ist es eine ausfindige Sache, daß die öffentliche Todes- oder Leibes-Straffe das Interesse des verletzten Theils nicht aufhebe, noch verhindere, daß selbiges nicht durch ordentliche Klage begehrt werden möge. Oldenkop wider Carpzov q. 2. Guatz in Tract. Def. 34. n. 11. c. 4.

Also zwar, daß so wohl zu peinlicher Straffe, als Wiederersetzung des verursachten Schadens, in einem Processe auf einmahl agirt werden mag. L. 2. §. 1. ff. Vi bon. rapt. Carpzov Lib. VI. tit. 10. Respons. 197. n. 3. Ja, es lehren Didac. Covart. Var. Resolut. Lib. II. c. 10. n. 7. und andere mehr, daß ein Todtschläger zuförderst den verursachten Schaden abtragen solle, damit er mit besserm Gewissen die ihm auferlegte Straffe ausstehen könne. Sonderlich aber ist in den geistlichen oder Canonisch-Päbstlichen Rechten [522] vorgesehen, daß die verursachte Schäden die Erben, zu Erleichterung der Abgestorbenen Gewissen und Seeligmachung, abzutragen verpflichtet seyn. Gometz Var. Resolut. T III. c. 1 n. 83 & 84.

Jedoch ist hierbey zu mercken, daß bey dem Inquisitions-Processe der verletzte Theil auf sein Interesse und Schaden ordentlich klagen, und solches Bürgerlicherweise deduciren müsse; indem keine Obrigkeit verbunden, in dergleichen Parthey-Sachen von Amts-Wegen zu erkennen. Oldenkop wider Carpzov d. I. n. 7. In dem Accusations-Processe aber ist Acht zu haben, daß die Anklage so wohl zur peinlichen Abstraffung, als Ersetzung des Schadens, eingerichtet werde. Denn wenn dieses letztere ausgelassen würde; so dürffte die Interpretation geschehen, daß man mit nichts anders, als peinlicher Abstraffung des Thäters, sich habe vergnügen lassen.

Wiewohl denen gemeinen Rechten nach nicht im Wege stehet, die Bürgerliche Klage wider die Erben zu intentiren. Zwar in Sächsischen Landen ist, da die Anklage peinlich geschehen, und der Thäter mit Leib- oder Lebens-Straffe gezüchtiget worden, die Bürgerliche Klage zu Ersetzung des Interesse und Schäden aufgehoben; so aber anderer Orten nicht gebräuchlich. Oldenkop d. I. per tot. Zu Beschliessung dieser Materie aber ist zu wissen, daß die Composition die Krafft nach sich ziehe, daß nach geschehener Composition, und getroffenem Vergleich, von dem verletzten Theile der Delinquent weder angeklagt, noch wider denselben weiter inquirirt werden möge, Dann die Composition ist an statt der Straffe. L. Senatus §. si quis delatorem & §. seq. ff. de Jure Fisci. Es kan auch, nach ausgesprochener Compositions-Summa, und getroffenem Vergleich, ein Richter nicht mehr zurück ziehen, noch sich dessen reuen lassen. Guatz Def. 34. c. 5. n. 2. Ja, wenn gleich neue Indicien nach der Composition sich hervor thäten, so könnte doch der Delinquent nicht mehr beklagt werden. Denn durch die Composition wird der Proceß gäntzlich aufgehoben und abolirt. Guatz d. I. ad fin.

Im übrigen kan hierbey auch aus Frölichs von Frölichsburg Comment. ad Ord. Carolin. Tract. II. Lib II. Tractat tit. 20 ein mehrers ersehen werden, alwo vom Abtrag der beleidigten Freundschafft gehandelt wird.

Anmerkungen

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  1. WS: der Buchstabe „e“ ist in der Vorlage nicht sichtbar, aber in der Spalten-Überschrift vorhanden