Zedler:Statuten (Landes-) Provintzial- oder Territorial-Statuten
Statuten (Landes-) Provintzial- oder Territorial-Statuten, Statuta Provincialia, oder Statuta Territorialia, sind eigentlich nichts anders, als gewisse Particular- oder gantz besondere Rechte und Verordnungen, die sich nur auf einen oder den andern Staat und Gebiete, und über die darinnen befindlichen Einwohner oder Unterthanen, weiter aber nichts, erstrecken, und heissen sonst auch insgemein nur Fürstliche Landes-Ordnungen. Nun haben zwar, wie bekannt, [1346] so viel absonderlich unser Deutschland anbetrifft, die unmittelbaren Reichs-Stände, vermöge der ihnen zustehenden hohen Landes-Obrigkeit, die Macht Gesetze zu geben. Nur daß solche dem gemeinen Deutschen Staats-Rechte oder denen Reichs-Abschieden, zumahl wenn solche, die clausulam derogatoriam, das heißt, die ausdrückliche Clausul, daß alle dagegen gemachte Particular-Gesetze oder Verordnungen derer Stände null und nicht seyn sollen, in sich halten, nicht zuwider angeordnet werden.
Wiewohl auch in diesem Falle dergleichen Statuten denen Unterthanen, wenn sie mit Consens derer Land-Stände gemacht worden präjudiciren, nicht aber so leicht denen Auswärtigen und Fremden, schaden konnen. Zumahl wenn die Sachen an die höchsten Gerichte des Reichs gezogen werden sollen. Reichs-Abschied von 1654 §. 171. Lyncker ad tit. de Leg. §. 27.
Indessen ist ihnen eher erlaubet, einige denen Justinianischen oder Päbstlichen Rechten conträr seyende Gesetze zu machen. Wenn nehmlich diese Rechte mit der Art und dem Zustande unserer Zeiten nicht allenthalben überein kommen. Schweder in Jure Publ. Part. Spec. sect. 2. c. 13.
Ob aber bey Abfassung derer Landes-Ordnungen die Einwilligung derer Landes-Stände, oder eine vorläuffige Berathschlagung mit denenselben erfordert werde, hat man dießfalls auf die Landes-Verträge und das Herkommen zu sehen; und ist nicht ohne, daß man auf denen Land-Tägen hierüber zu Rathe zu gehen pflege: absonderlich, wenn die vor seyende Verordnung zum Präjuditz ihrer Religion, Freyheit von Steuern, habenden Rechts zu appelliren, und dergleichen abzielen möchte, in welchen Fällen allerdings ihr Consens erfordert wird; widrigenfalls sie, zumahl wegen der Religion, bey denen höchsten Reichs-Tribunalien sich beschweren können. Lyncker cit. loc.
Nicht weniger wird gefraget, ob die Kayserliche Confirmation nöthig sey? daß solche von einigen Reichs-Ständen gesuchet und erhalten werden, besagen die Praefationes unterschiedener Landes-Ordnungen. Und ist nicht ohne, daß, wenn die Constitutiones denen Reichs-Abschieden, welche auch auf die künfftigen Ordnungen gerichtet sind, und solche caßiren, R. A. von 1529 §. 31. zuwider lauffen, das sicherste sey, die Kayserliche Confirmatien zu suchen; zumahl wenn, wie schon oben gedacht, die Constitution wider Auswärtige ihre Würckung haben solte.
Diejenige Landes-Constitutiones aber, welche ausser dem Reichs-Rechte gemacht werden, können der Kayserlichen Confirmation leichter entbehren. Indessen ist der Landes-Obrigkeit nicht verwehret, auch die von Kayserlicher Majestät confirmirte Constitutiones wieder zu ändern.
Was bishero gesaget worden, kan auf die Reichs-Städte, auch auf diejenigen, welche einem andern Stande des Reichs in ihrem Gebiete ein und ander Regale zustehet, und deßwegen den gewohnlichen Eyd abschworen müssen, sonst aber gleichmäßige Gewalt, Gesetze zu geben haben, gezogen werden. Wovon unter dem Artickel Statuten (Reichs-Städtische) ein mehrers.
Ein gleiches kan auch, auf gewisse Maasse, von der unmittelbaren Reichs-Ritterschafft [1347] gesaget werden. Besiehe Schmidts Diss. de Superioritate Territoriali Nobilibus Imperii immediatis asserta, Altdorff 1702.
Gegenwärtig aber ist wohl vor allen Dingen zu untersuchen, wieweit diese Landes-Ordnungen und Statuten ihre Verbindlichkeit haben? vor diesem ist zwar diese Materie von denen meisten Rechts-Lehrern auf eine gantz unvernehmliche und dunckele, ja höchst verworrene Art, und dergestalt abgehandelt worden, daß man nach ihren Lehr-Sätzen vielmehr in ein rechtes Labyrinth allerley sich zuwiderlauffender Meynungen verfället, als den benöthigten Unterricht daraus ziehen kan.
Um aber die Sache, so viel möglich, leicht und vernehmlich vorzustellen; so wollen wir gewisse Fragen anführen, und unter solchen unterschiedene Fälle vorstellen, in deren Entscheidung wir aber nicht so wohl auf den Bartolus, und andere Rechts-Lehrer, ad L. cunctos C. de Summa Trinit. ausser in wenigen Fällen, sondern vielmehr dem so gelehrten, als berühmten Herrn von Lyncker in seiner gründlichen Commentation de Statutis folgen, und die darinnen enthaltenen richtigen Lehr-Sätze zum Grunde unserer Meynung legen, solchemnach einmahl vor allemahl in vielen Fällen, bey welchen keine Schrifftsteller insbesondere allegiret sind, auf obgemeldeten Tractat uns bezogen haben.
I Ob die Statuten ausländische (Forenses) welche derer Orten durchpaßiren, oder einige Tage sich allda aufhalten, oder daselbst handeln, oder Güter liegend haben, oder auch etwas verbrechen, angehen?
II. Ob die Statuten ihre Würckung ausser dem Territorio oder dem Gebiete des Gesetzgebers haben, oder die Unterthanen auch ausser Landes binden?
Bey der ersten Frage setzen wir folgende Fälle:
(I) Wenn die Landes-Ordnungen oder Statuten denen Unterthanen in der Art eines Privilegii etwas zum besten statuiren; so haben Auswärtige dessen nicht zu geniessen, weil sie die bürgerlichen Beschwerden nicht dergestalt mit tragen helffen z. E. Wenn denen Bürgern vergönnet ist, die Frucht, so sie auf ihren Aeckern bauen, zu verbrauchen und auszuschencken; so werden Fremde, welche auch derer Orten Feld-Güter haben, darzu nicht gelassen.
(II) Wenn das Statut die Unterthanen habilitiret, z. E. daß sie nach dem 21 Jahre majorenn seynd; daß sie durch die Hochzeit von väterlicher Gewalt, befreyet seyn sollen, wie denn, nach Sächsischen Rechten, eine Tochter solchergestalt davon befreyet wird; so gehet solches nicht auf Fremde, wenn sie schon derer Orten unbewegliche Güter hätten. Dannenhero behält der Vater die Abnutzung der Tochter Güter, ob schon diese an solchem Orte liegen. Denn das Statut kan diejenigen, welche dem Orte nicht unterworffen sind, nicht habilitiren, noch von ihrem Stande disponiren. Und stehet nicht im Wege, daß ja genug sey, in der Emancipation derer Forensium, oder in der [1348] Freylassung und Entbindung derer Auswärtigen und Fremden von der väterlichen Gewalt die Solennitäten des Orts, wo die Emancipation geschiehet, zu observiren. Denn dieses Statut legitimiret nicht an und vor sich die Person; sondern schreibet nur der bürgerlichen Handlung eine Form vor, wie sie bey dieser Obrigkeit geschehen müsse, welche auch von Auswärtigen zu observiren. Es thut auch nichts zur Sache, daß, wenn das Statut einem Filiofamilias, das ist, einem Sohne, der noch in väterlicher Gewalt ist, zu testiren vergönnet, solches auch Forenses Filiifamilias thun können. Denn auch dieses Statut gehet nicht auf die Person, sondern auf die Güter, wovon es zu disponiren verstattet.
(III) Diejenigen Ordnungen, welche von der Policey, z. E. die Kleidung, Gastereyen, und dergleichen, betreffend, handeln, gehen die Ausländischen ordentlicher Weise nicht an, weil solche nur vornehmlich darzu abgesehen seynd, die Sitten derer Bürger zu bessern; es wäre denn, daß sie eine Zeit lang derer Orten sich aufhalten wollen, so hätten sie billig, Aergernisses halber, sich auch darnach zu achten, weil sie so denn, als Unterthanen, wenigstens eine Zeit lang, consideriret werden, oder daß die Ordnung auf sie ausdrücklich gerichtet wäre.
(IV) Die Ordnungen, welche denen bürgerlichen Handlungen so wohl unter Lebenden, und diesen entweder Gerichtlichen, oder ausser Gerichte, als auch dem letzten Willen, gewisse Maaß und Form vorschreiben, sind auch von denen Auswärtigen in Acht zu nehmen, solten sie auch sich daselbst nur auf wenige Zeit aufhalten wollen. Wenn also die Ordnung, die in Kayserlichem Rechte vorgeschriebene Solennitäten vermehret; so sind sie schuldig, solche zu observiren.
Es wäre denn Sache, daß zwey Forenses oder Auswärtigige an dem Orte einen Contract schliessen wolten, weil alsdenn zu präsumiren, daß sie solchen nach denen Solennitäten ihres Orts geschlossen haben. Dahingegen haben sie auch die Remißion derer in gemeinen Rechten erforderten Solennitäten zu geniessen.
Dahero kommt es, daß ein Fremder in Abhandlung derer Contracte, zu Verhütung einer Nullität, die in denen Statuten des Orts, wo der Contract geschlossen, vorgeschriebene Solennitäten in Acht zu nehmen habe. Dieserwegen meynen auch die Rechts-Lehrer, wenn das Statut wolle: daß die Instrumente z. E. auf Stempel-Papier geschrieben, oder sonsten vor ungültig gehalten werden sollen, daß ein von einem Auswärtigen aufgerichtetes Instrument, ohne diese Solennität, auch an fremden Orten keine Gültigkeit habe, Bartholdi in Diss. de Charta signata, Franckfurt 1690. Weil der Contrahent, indem er zum Contrahiren schreitet, sich solchen Statuten freywillig unterwirfft, Carpzov Lib. V. Resp. 1.
Wenn auch schon der Contract über Güter geschlossen wäre, so an einem fremden Orte gelegen; oder im Contract die Zahlung an einem andern Orte, wo dergleichen Solennitäten nicht erfordert werden, versprochen Mevius ad Jus Lubec. quaest. praelim. 6. n. 43. Daß ferner, [1349] Wenn die Verkauffung unbeweglicher Güter ein Instrument oder eine gerichtliche Auflassung derer Güter, oder die Schenckung eine gerichtliche Insinuation erfordere, solches die Forenses, auch Geistliche, in Acht zu nehmen haben; Wenn das Statut in denen Contracten derer Minderjährigen den Consens derer nächsten Freunde erfordert, solches Minderjährige von fremden Orten ebenfalls beobachten müssen. Carpzov Lib. V. Resp. 1. n. 18. Daß eine Nicht-Sächsische Weibes-Person in denen Sächsischen Gerichten ohne Vormund nicht zugelassen werde, ja auch andere Geschäffte und Handlungen ohne denselben nicht schliessen möge; Daß Fremde, auch Geistliche, nach denen Proceß-Ordnungen des Orts, wo sie Processe führen, sich richten müssen, Mevius Lib. V. Dec. 241. wenn auch die Sache, worüber gestritten wird, in einem fremden Gebiete gelegen wäre. Mevius ad Jus Lubec. quaest. praelim. 6. n. 35.
Dahero müssen Nicht-Sächsische Partheyen, wenn sie in Sachsen Processe haben, in Person den Eyd abschwören, auch in allen und jeden gerichtlichen Handlungen, als Vorschützung verzögerlicher Schutz-Reden, (denn auch dieses gehöret nicht zu Entscheidung der Haupt-Sache, sondern zu deren Tractation, und also zur Proceß-Ordnung) Eydes-Delation, Führung des Beweises, sich denen Sächsischen Ordnungen confirmiren. Faber in Cod. Lib. I. tit. 5. def. 4. n. 14. Da hingegen können Sächsische Unterthanen ausser Sachsen die Juramente, noch der Befestigung des Kriegs-Rechtens, deferiren, auch solche durch einen Anwald abschwören.
Ferner ist hieher zu rechnen, daß in der Appellations-Instantz, oder bey gesuchter Execution (wie denn auch Auswärtige es zu geniessen haben, wenn an dem Orte, wo die Execution gesuchet wird, solche auf klare Briefe und Siegel sofort ergehet) oder bey Anlegung des Arrests, die Proceß-Ordnung des Appellation-Gerichts, oder des Orts, wo die Appellation oder der Arrest gesuchet wird, zu observiren sey. Mevius ad Jus Lubec. quaest. praelim. 6. n. 35.
Zwar, was in der Appellation die Erörterung der streitigen Sache anbelanget; so muß der Richter der Appellations-Instantz, auf die Statuten des vorigen Richters sehen, weil der Appellations-Richter nur urtheilen soll, ob der Richter erster Instantz wohl, oder übel gesprochen? Welches nicht geschehen kan, wenn der Ober-Richter nicht auf die Statuten des Orts siehet, wo der Unterrichter wohnet, oder seine Gerichtsbarkeit hat. Hierzu kommt, daß, wenn eine Sententz denen Statuten des Orts gemäß ist, der Appellant, weil er kein Gravamen anführen mag, keine Ursache zu appelliren gehabt.
Und endlich, daß schon genug sey, wenn ein Ausländischer nach der Solennität des Orts, wo er testiret, seinen letzten Willen abfasse, ob schon an dem Orte, wo er wohnet, mehrere Solennitäten erfordert werden, es mögen auch seine Güter liegen, wo sie wollen.
V. Die Ordnungen, welche die unbeweglichen Güter, unter welche die jährlichen Einkünffte und Gefälle, so derer Orten gehoben werden, ja auch bewegliche, welche eines perpetuirlichen Gebrauches halber, und mit der Intention, daß sie beständig daselbst verbleiben sollen, zu rechnen seyn, afficiren, gehen auch Auswärtige an. Mevius Lib. [1350] II Dec. 99. u. f. Also wenn denen Gebäuden eine gewisse Höhe, oder sonst eine gewisse Art vorgeschrieben; so müsten auch Fremde, welche daselbst ein Hause haben, sich darnach achten.
Wenn ein Statut verstattet, daß ein in väterlicher Gewalt noch stehender Sohn Testamente machen könne, so kan ein auswärtiger Filiusfamilias von seinen des Orts liegenden Gütern ebenfalls testiren. Denn das Statut ändert nichts an der Person, sondern vergönnet von denen Gütern zu disponiren. Wie die Statuten die Succeßion und Erbfolge in unbeweglichen Gütern reguliren; nach der Weise erben auch Auswärtige. Und wird nicht gesehen, ob das Statut zum Besten oder zum Nachtheil dessen, der da erben will, gereiche.
Dannenhero schliesset ein auswärtiger Vater, in denen in Sachsen liegenden unbeweglichen Gütern seines Kindes, die übrigen Kinder aus. Wenn die Töchter von der Succeßion derer unbeweglichen Güter ausgeschlossen werden; so können auch ausländische Töchter darinnen keine Succeßion prätendiren. Wenn denen Erstgebohrnen alle unbewegliche Güter, mit Ausschliessung derer übrigen Kinder, durch das Statut gegeben werden, so hat es auch ein Primogenitus forensis zu geniessen. Jedoch meynen einige, wenn es auf die Person gerichtet sey, daß ein Ausländischer sich dessen nicht zu erfreuen hätte.
Was aber von der Succeßion in unbewegliche Güter nach denen Rechten des Orts, wo sie liegen, gemeldet worden, solches fehlet, wenn das überlebende Ehe-Weib dem verstorbenen Manne succediren will. Denn in diesem Falle siehet man auf die Rechte des Orts seiner wesentlichen Wohnung, oder seines Vaterlandes. Solchergestalt wird eine Wittwe, wenn der verstorbene Mann schon der Orten Güter hat, allwo sonst gleich das Weib auch in unbeweglichen Gütern, vermöge des Statuts erbet, zur Succeßion nicht gelassen. Denn ein solches Statut redet nicht so wohl von der Succeßion, als von dem Vortheil aus der Ehe, worinnen man auf die Rechte des Orts siehet, wo der verstorbene Ehe-Mann [...] seine wesentliche Wohnung gehabt. Pistoris Obs 23.
Es ist auch sonsten bekannten Rechtens, daß in der Succeßion derer Ehegatten nicht auf die Rechte des Orts, wo das Weib her gebürtig, oder wo die Ehe-Pacten gemacht, sondern auf die Rechte des Orts, wo der Ehe-Mann seine Wohnung hat, oder da dieses nicht bekannt ist, auf die Rechte des Orts, wo der Mann gebürtig ist, zu sehen sey, so gar, daß auch, wie einige wollen, wenn ein Bürger in seiner Geburts-Stadt die Ehe-Pacten aufrichte, die Rechte des letztern Orts vor denen Rechten seiner wesentlichen Wohnung einen Vorzug haben. Bartolus ad L. cunctos. C. de SS. Trin
Indessen folgent aus obigem, daß, wenn ein Ehemann an einem Orte, wo die Statuten dem überlebenden Wittwer den dritten Theil von des Weibes Verlassenschafft geben, die Ehe-Pacten aufgerichtet, dessen ungeachtet die Succeßion nach denen Statuten des Orts, wo der Mann wohnet, geschehen müsse, und also, wo diese dem Wittwer die Helffte geben, ihm diese Portion gebühre: Aber wie, wenn ein Weib das Statut des Orts ihres Mannes nicht gewust hätte? Alsdenn wollen einige, daß solches [1351] dem ohngeachtet gelten müsse. Andere aber behaupten dißfalls das Gegentheil. Siehe Alexander Vol. III Consil. 100. Anglus Vol. III. Consil. 101.
Im übrigen gehen die Statuten in Erbschaffts-Sachen einen Auswärtigen, welcher daselbst stirbet, nicht an; sondern dessen Succeßion in beweglichen Gütern richtet sich nach denen Rechten seiner Wohnung, oder wo er dieses nicht constituiret hat, des Orts, woher er gebürtig gewesen. Richter de Success. ab intest. in Prooem. n. 17 und 27.
Wie auch wenn das Statut einem Ehe-Manne wider das bürgerliche Recht verbietet, daß er sein Weib zum Erben nicht einsetzen könne, daran ist ein Fremder, wenn er der Orten testiret, nicht gebunden. Bartolus ad d. I. cunctos C. de SS. Trin. n. 26.
VI. Wenn die Ordnungen und Statuten eine gewisse Straffe auf ein Verbrechen setzen; so mag man auch Auswärtige, welche der Orten sündigen, und da absonderlich das Verbrechen wider göttliche, natürliche und gemeine Rechte lauffet, damit wohl belegen. Es haben auch sich dieselbe damit nicht zu behelffen, daß dergleichen Sünde in ihrem Lande nicht so sehr bestrafft werde. Denn es ist genug, daß der Delinquent gewust, eine solche That sey straffbar, ungeachtet ihm die Art der Straffe unbewust gewesen. Zöfius ad tit. ff. de jur. & fact. ignor.
Dahero kommt es, daß ein Auslä discher, wenn er in Sachsen im Ehebruch ergriffen wird, von der Todes-Straffe, die er nicht gewust hätte, nicht frey ist. Dahingegen hat auch ein Sächsischer Unterthaner, welcher ausser Sachsen einen Ehebruch begehet, die Straffe des Orts wo er gesündiget, ob schon solche daselbst nicht capital seyn möchte, auch in Sachsen, wo er etwa zur Straffe gezogen wird, und also keine schwerere, zu gewarten.
In Summa, ein Delinquent wird mit derjenigen Straffe, welche an dem Orte des Verbrechens gewöhnlich ist, belegt; Es mag nun in dem Orte des Verbrechens seine Wohnung, oder wo er ergriffen wird, (denn diese sind die Fora eines Delinquenten,) die Inquisition wider ihn vorgenommen seyn. Carpzov in Pract. Crim qu. 54. n. 47.
Jedoch daß nur nicht in fraudem legis gehandelt werde. Denn wenn die Unterthanen des Orts, wo z. E. das Duelliren capital ist, in einem dritten Orte ausser Landes duelliren wolten; so bleibet es in dem Falle bey der Straffe des Gesetzes, welches sie solchergestalt zu hintergehen gemeynet. Siehe das Chur-Sächs. Duell-Mandat von 1712. §. 35.
Wäre aber im Statute etwas verboten, das vor sich ein indifferentes Werck ist, so hat man zu sehen, ob ein Ausländer sich so lange im Lande aufgehalten, daß er es vermuthlich gewust, oder habe wissen können. Auf diesen Fall mag er wohl mit der im Statute enthaltenen Straffe beleget werden, absonderlich wenn das Verbotene durch eine allgemeine Gewohnheit bekannt wäre. Bartolus ad d. I. cunctos n. 20. Z. E. daß man kein Wild schiessen oder fangen soll Wiewohl, so viel die Bestraffung belanget, der Delinquent die Erlassung der Straffe eher zu hoffen hat, als ein Einheimischer. Wäre aber der Ausländer nicht lange an einem solchen Orte gewesen; so bleibet er, weil er in diesem Falle die Präsumtion der Unwissenheit vor sich hat, mit der Straffe verschonet.
[1352] Es ist aber dieses, was von Vermeidung der Straffe wegen des Verbrechens geredet worden, auf die Contracte nicht zu ziehen. Dahero muß auch ein Fremder, welcher mit einem Bürger contrahiret, nach dem Rechte des Orts, seiner Unwissenheit ohngeachtet, sich richten.
Und dieses sey genug gemeldet, wie weit die Statuten einem Ausländischen angehen möchten. Uebrigens besiehe hierbey Hildebrands Diss, de Obligatione Forensium ex Jure Statutario, Altdorff 1698.
Anlangend die andere Frage: Ob die Statuten ihre Würckung auch ausser dem Territorio oder demjenigen Gebiete, allwo sie errichtet worden, haben, oder ihre Unterthanen ausser Landes binden? So sind hiervon folende Fälle anzumercken:
I. Wenn das Statut denen Unterthanen etwas nachläßt; so haben sie solches ausserhalb des Landes nicht zu geniessen.
II. Die Statuten, welche eine Person habilitiren, oder zu einer gewissen Handlung tüchtig machen, haben in so weit ihre Würckung ausser dem Lande, daß eine solche Person in Ansehung derselben auch an fremden Orten vor tüchtig oder untüchtig geachtet werde. Dan̄enhero weil nach Sächsischen Rechten die Sächsische Unterthanen nach zurück gelegtem 21 Jahre majorenn seynd. Als ist ein solcher im 22 Jahre auch in fremden Provintzen davor zu achten, und kan er seine daselbst liegende unbewegliche Güter ohne Vormund veräussern.
Er hat dagegen aber auch in denen geschlossenen Contracten keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu hoffen; es wäre denn, daß die Obrigkeit des Orts in denen unbeweglichen Gütern ein anders statuiret hätte. Mevius ad Jus Lubec. quaest. praelim. 6. n. 39. Denn wenn ein Statut die Sache afficiret, das andere Statut aber die Person legitmiret; so muß diesen jenem weichen. Lyncker ad tit. ff de LL §. 24. Wofern aber ein solcher Sächsischer Majorenner seine Wohnung ändert, und solche an Ort und Enden, wo Kayserliche Rechte gebräuchlich seynd, constituiret; alsdenn hat er in seinen künfftigen Handlungen die Rechte derer Minderjährigen zu geniessen; die vorigen aber müssen in ihrem Werthe bleiben.
Ferner, weil nach Sächsischen Rechten eine Tochter durch Verheyrathung von väterlicher Gewalt frey wird; so wird sie auch an fremden Orten davor geachtet, und hat der Vater in ihren unbeweglichen daselbst liegenden Gütern nicht weiter die Abnützung. Also auch, wenn einer vor einen Verschwender oder Verthuer (pro Prodigo) öffentlich erkläret ist; so wird er allenthalben vor einen solchen geachtet.
III. Die Statuten, welche denen bürgerlichen Geschäfften eine gewisse Form vorschreiben, würcken zwar ausserhalb Landes so viel, daß diejenigen Geschäffte und Handlungen, welche nach der vorgeschriebenen Solennität in dem Orte des Statuts abgehandelt worden, allenthalben ihre Gültigkeit haben; inmassen ein nach der Solennität des Orts verfertigtes Testament an fremden Orten auch gilt. Ferner mag ein Instrument, so an einem Orte, nach dasigen Statuten, gemacht ist, anderswo nicht verworffen werden, und muß ein an dem Orte des Contracts hinlänglicher Beweiß an andern [1353] Orten, wenn auch solcher daselbst sonst gleich nicht hinlänglich wäre, dißfalls dennoch gelten. Bartolus ad L. cunctos. C. de SS. Trin. n. 16. Allein diesen Effect hat man von denen Statuten nicht zu gewarten, daß die ausser Landes, nach der in Statuten vorgeschriebenen Art, geschlossene und aufgerichtete Contracte gültig seyn könnten.
Daher denn auch, wenn ein Bürger nach der Vorschrifft des Statuts auswärts testiren wolte, solches ungültig wäre; indem die Forme der Handlung zu beobachten ist, wie sie an dem Orte, wo dieselbe geschieht, vorgeschrieben ist. Es wäre denn Sache, daß das Statut denen Bürgern ihre Geschäffte, auch ausserhalb Landes, nach der vorgeschriebenen Forme abzuhandeln, aufbürdete, oder vergönnete; in welchem Falle die Bürger auch an fremden Orten sich darnach zu achten hätten: massen eine Obrigkeit ihre Bürger durch ausdrückliche Verordnung gar wohl verbinden kan, daß sie auch ausser Landes sich nach ihren Statuten richten, und ihre Geschäffte und Contracte nach deren Solennität schliessen müssen.
Insbesondere können Bürger verbunden werden, daß sie auch ihre an andern Orten liegende, unbewegliche Güter keinem Fremden, wenn schon der Contract ausser Landes geschlossen würde, verkauffen dürffen.
IV. Wenn die Statuten die Sache afficiren; so gehen zwar solche auf die denen Bürgern zustehende bewegliche Güter, sie mögen liegen, wo sie wollen.
Dahero ist 1) daß in Concurs- und Credit-Sachen die beweglichen Güter des Schuldmanns und seine Activ-Schulden zu seiner wesentlichen Wohnung gezogen, und nach denen Rechten des Orts, wegen der Priorität, erkannt werde. Carpzov P. I. Const 28. def. 19. Es wäre denn, daß anderswo schon Arrest darauf erhalten worden; Daß vors 2) das Statut welches einen Abzug verstattet, auf die an andern Orten liegende Mobilien und ausstehende Schulden sich ebenfalls erstrecke, wenn schon die Zahlung anderswo versprochen worden, Rauchbar Quaest. 12. n. 5. indem der Ort der Zahlung überall bey aussenstehenden Capitalien nicht consideriret wird, ausser was die Zahlung, die Sorten der Müntze, das Forum, und dergleichen betrifft; Daß 3) die Succeßion derer Mobilien und Capitalien nach denen Statuten des Wohnungs-Ortes geschehe, und solchergestalt ein Ehemann in Sachsen seines Weibes-Mobilien, sie mögen seyn, wo sie wollen, erbe. Carpzov P. III. Const. 12. def. 13.
Gehet aber das Statut auf unbewegliche Güter, so müssen zwar die Bürger auch ausser dem Orte des Statuts, in Ansehung ihrer unbeweglichen, unter der Jurisdiction des Statuirenden liegenden Güter, sich darnach achten, und darff demnach, wenn das Statut verbietet, seine unbewegliche Güter an Fremde zu verkauffen, oder zu vermiethen, auch ausserhalb des Orts der Contract mit einem Fremden nicht geschlossen werden. Allein die Würckung eines solchen Statuts erstrecket sich nicht über die an fremden Orten liegende Güter; es mag gleich das Statut etwas, nach gemeinen Rechten zulässiges, verbieten, oder das darinnen verbotene verstatten.
Die ersten heissen Statuta prohibitiva, die andern permissiva: Als z. E. wenn das Statut verbietet, daß ein Minderjähriger nicht solle [1354] können testiren; ein Ehegatte dem überlebenden nichts vermachen solle; die Brüder mit denen Eltern zur Succeßion nicht sollen gelassen werden; die Schwestern mit denen Brüdern nicht erben sollen; so hat solches keine Würckung auf die anderswo liegende Güter.
Und mag demnach ein Minderjähriger von denselben wohl testiren: ein Ehegatte dem andern etwas vermachen, u. s. w. Denn das Statut machet die Person nicht untüchtig; sondern es ist nur die Veräusserung in der bemeldeten Sache verboten, wiewohl viele in diesem Falle widriger Meynung sind. Ferner mögen die Kinder zugleich mit denen Eltern, Schwestern mit denen Brüdern wohl erben; es wäre denn Sache, daß das Statut der Person eine Inhabilität oder Untüchtigkeit gäbe.
Ingleichen wenn die Statuten vergönnen, daß ein Minderjähriger unbewegliche Güter veräussern; ein noch unter väterlicher Gewalt stehender Sohn Testamente machen, oder andere Geschäffte verrichten möge, oder daß ein nach dem Bürgerlichen Rechte zur Succeßion untüchtiger Mensch zum Erben eingesetzet werden könne: so gelten diese Statuten ausserhalb des Landes, oder Gebietes nicht.
Und kan in gegenwärtigem Falle von der Disposition, betreffend die Solennität einer Handlung (welche, wenn sie nach der Solennität des Orts getroffen wird, allenthalben gelten muß) nicht auf die Permißion zur Handlung argumentiret werden. Z. E. das Statut erfordert zum Testament drey oder vier Zeugen; dieses Testament gilt an denen Orten, wo mehrere Zeugen nöthig seynd. Denn hierdurch wird niemanden präjudiciret.
Hingegen dem Filiofamilias wird verstattet, ein Testament zu machen, oder zu negotiiren; dem Minderjährigen erlaubet seine Güter zu veräussern; ein Untüchtiger zur Succession gelassen; diese und dergleichen Statuten können in Ansehung derer in fremden Gebieten liegenden unbeweglichen Güter nicht gelten.
V. Die Statuten, worinnen eine Straffe benennet ist, würcken zwar so viel, daß ein Unterthaner, welcher in dem Orte des Statuts gesündiget hat, auch an einem fremden Orte mit der benannten Straffe beleget werden könne. Allein wo er ausserhalb gesündiget hat, so ist er nach denen Gesetzen des Orts, wo er gesündiget, zu bestraffen, wenn er auch von der Obrigkeit, unter welcher er wohnet, bestraffet wird. Carpzov in Pract. Crim. qaest. 54. n. 47.
Was die Interpretation oder Auslegung der Statuten betrifft; so hat man, wie in andern Gesetzen, also auch in diesen zu sehen: 1) auf die Worte des Statuts, 2) auf die Meynung, 3) auf die Absichten und Bewegnisse des Statuirenden.
Die Worte sind nach der gemeinen Redens-Art des Landes zu verstehen. Wenn demnach ein Statut vom Weine redet; so kan man solches nicht auf andere Geträncke ziehen. Welches von Victualien handelt, gehet nicht auf Heu, Hafer, und dergleichen. Welches von Mobilien disponiret, gehet nicht auf aussenstehende Schulden. Welches die Mutter von der Vormundschafft ausschliesset, entziehet derselben nicht die Erbschafft.
Jedoch muß man auch in diesem Falle auf die Bedeutung des gemeinen Rechts sehen. Wenn also ein Statut von der Frucht redet; so ist solches zu verstehen nach Abzug der [1355] aufge andten Kosten.
Wie denn auch die Meynung des Statuirenden, nebst dessen Absichten, in Acht zu nehmen. Denn wo die Ausfuhr verboten; so darff man nichts auf denen Schultern wegtragen. Wenn nicht verstattet wird, Getr[.]ide wegzuführen; so ist auch solches vom Mehle zu verstehehn. Und kan also wegen der der End-Ursache ein Statut auch wohl eine Extension ha[...]. Im übrigen sind die Statuten strictae interpetationis, das heißt, nach dem eigentlichen und genauesten Wort-Verstande zu deuten, und darüber nicht zu erstrecken.
Daher sind diejenige, welche von Contracten reden, nicht auf die Gleich als Contracte zu ziehen. Welche von ausdrücklichen P[...]en disponiren, gehen nicht auf die stillschweigende Pfande, immassen sie dergestalt auszulegen seynd, daß man am wenigsten vom gemeinen Recht abweiche. Vielmehr sind solche so viel möglich, mit denenselben zu vereinbaren, und ausser ihrer Materie, wovon sie handeln, nicht zu extendiren, auch nicht einmahl wegen gleichmäßiger Ursache, absonderlich wenn sie wider das gemeine Recht seynd.
Und muß also der Fall, welcher im Statut ausdrücklich nicht enthalten, unter der Disposition des gemeinen Rechtes bleiben; es wäre denn Sache, daß die Intention des Statuirenden dadurch vernichtet würde. Es nimmt auch das Statut eine Erklärung aus einem andern Statute, nicht allein eben desselbigen, sondern auch des benachbarten Orts an. Vor allem aber hat man auf die Observantz und das Herkommen, zumahl wenn solche in denen Gerichten bereits bestätiget worden, zu sehen.
Von welcher Materie Lyncker in seinen obangezogenen Comment. de Statutis §. 30. u. ff. mit mehrerm handelt. Uebrigens besiehe hierbey auch den Artickel Landes Ordnung im XVI Bande, p. 554. u. ff.