Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Saufenberg

Band: 34 (1742), Spalte: 332–335. (Scan)

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Saufen, heißt im Uberfluß das Geträncke in sich schütten, und zwar so lange und viel, bis der Magen solches nicht mehr ertragen kan; Da denn, wie wir vielfältig an den Säufern sehen, das Geträncke wieder zum Halße mit einem abscheulichen Gestancke heraus muß, welches ja wohl heissen mag, wie die Schrifft saget: Sauffet euch nicht voll Weins, daraus ein unordentlich Leben folget; zu geschweigen, daß die edle Gesundheit auch dabey aufgeopffert wird. Denn wo seynd mehr triefende rothe Augen, kupfferige Gesichter, zitternde Hände, schwindelsüchtige Köpffe, Gicht und Lähmnisse der Glieder, Schwind- und Wassersucht, als bey denen, die sich befleissigen, auszusauffen, was eingeschenckt ist, und jener versoffenen Frau nachahmen, die unter dem Vorwande, daß ihres verstorbenen Mannes Contrefait inwendig auf dem Boden des Bechers gemachet wäre, welches sie gerne offt zu sehen verlangte, allezeit, und gar offt des Tages, ihren ziemlich weiten und hohen Tischbecher rein ausleerete, und auch damit fortfuhr, obgleich ihre Freunde ihres Mannes Portrait wegnehmen, und des Teufels Bildniß hineinsetzen liessen, in Meynung, sie würde nun des vielfältigen Trinckens sich so vielmehr enthalten; sie wandte aber vor, daß sie den Becher nunmehr fleißiger als zuvor auszuleeren Ursach hätte, weil sie dem häßlichen Bösewicht nicht einen Tropffen darinnen zu lassen gedächte. Es ist aber das Sauffen unterschiedlich, und zwar erstlich nach den Ursachen, welche die Menschen darzu verleiten können, darunter vornehmlich seyn: Die Güte des Geträncks, der grosse Durst, die allbereits angenommene Gewohnheit, und die Fertigkeit darzu, ferner die Gelegenheit, die gute Gesellschafft, der Vorsatz, die Noth, die Höflichkeit, die Schuldigkeit, und des Wohlstandes, oder weil es der Wohlstand erfordert. Eine jede dieser Ursachen besonders zu untersuchen, so starb jener Italiänische Prälat an dem guten Est, Est, weil er dessen zu viel getruncken; Eben wie sich jener Edelmann, im Confect und Pfefferkuchen arm, und endlich gar zu Tode fraß. Und höret man noch täglich von diesem oder jenem sagen: Er habe sich zu Tode gesoffen. Zweytens trincken einige starck, weil sie ihrer hitzigen Leber halber immer grossen Durst fühlen; wie denn auch die zum Trunck reitzenden Speisen, und sonderlich die gesaltzenen, das ihrige dabey thun. Die allbereits angenommene Gewohnheit macht auch, daß mancher den Wein, Bier und Branntewein für sein bestes Element hält, und ohne solches sich so wenig, als die Fische ausser Wasser, zu leben getrauet, sonderlich wenn er im Sauffen allbereits eine solche Fertigkeit erlanget, daß er nicht weniger, als an etlichen Orten die Bierfässer, inwendig gepicht zu seyn scheinet. Wie sehr die Gelegenheit, welche Diebe machet, ingleichen die gute Gesellschafft, einen zum Truncke verführen könne, ist bekannt. Aus Vorsatz sauffen etliche, wenn sie entweder auf ihre eigene Hand sich einen Rausch trincken, oder mit andern eine Wette anstellen, wer den andern zu Boden sauffen könne; wie einsmahl drey Musicanten mit einander angesetzt, welche bis zwey und vierzig Maaß Wein zusammen ausgesoffen, darüber aber der eine gleich auf der Stelle todt geblieben, die andern beyden aber einige Tage hernach gestorben. Wie die Noth zum Sauffen treibe, siehet man an vielen, die offtmahls durch den starcken Soff ihr Aergerniß zu vertreiben suchen; oder sie werden auch in Compagnien dazu genöthiget, da es heist: Aut bibe, aut abi, Sauff, oder gehe weg; vielmahls auch diese letztere Wohltat nicht einmahl vergönnet wird, sondern es wohl gar heisset: Sauff, oder du bekommst Händel mit mir; auf welche Drohnung einsmahls einer behertzt antwortete: Immer her mit solchen Händeln, ich will sie lieber, weil ich noch nüchtern bin, als hernach, wenn ich voll bin, und nicht mehr weiß, was ich thun soll, ausführen. Aus Höflichkeit eines andern muß mancher sauffen, wenn der, welcher mit ihm ansetzet, zu befehlen hat, oder daß man die Haus-Ehre, sonderlich auf grossen Banqueten und Gastereyen, dadurch retten muß, welches denn zugleich eine Art von Schuldigkeit und des Wohlstandes ist. Was aber von dem heutiges Tages so sehr in Schwang gekommenen Gesundheits-Trincken zu halten sey, davon läst sich ein gewisser Gottesgelehrter folgender Gestalt vernehmen: "Es ist leider eine grosse Thorheit, welche sich bey dem übermäßigen Gesundheit-Trincken findet; könnte ein Mensch nicht sonst dem andern seine Liebe, Treue, und Gewogenheit erweisen, als daß es durch Austrincken etlicher Maaß Wein geschehen muß? Ja, spricht man: Es geschicht gleichwohl zu Ehren, und ist gut gemeynet; ich aber sage: Es ist ein Unverstand, dann was kan vor Ehre darinnen stecken, was dein und eines Freundes Leben verkürtzet, und viel andere Beschwerlichkeit mehr mit sich führet. Ein solcher Wunsch, der beym Sauffen geschiehet, kan nicht bekleiden oder Frucht bringen, und wird demjenigen, gegen welchen ich solchen thue, wenig helffen; mich aber bringet das viele Eingüssen in Kranckheit und Leibes- und Seelen-Gefahr." Daher Owen recht saget:

Opto tibi multam, nullam tibi poto, salutem,
Est potior pota sicca salute salus.

Oder:
Non est in pota vera salute salus.
Ut bene quis valeat ducuntur in ordine pocla,
Vi ducunt, paulo post malè saepe valent,
Mos est in vitio; namque ordo fidelis a moris
Primum sese, alios deinde valere jubet.

Durch unmäßiges Fressen und Sauffen wird der Cörper, eben wie ein Schiff mit Waaren, überladen, daß es hernach desto eher sincken muß. Die Uberflüßigkeit des Bieres oder Weines durchschwemmet die Fähigkeit und den Raum des Magens, worauf denn folget, daß die Speise daselbst als im Wasser umgetrieben und zerstreuet wird, die doch die natürliche Hitze gerne als in einem Hauffen versammlet hätte, damit sie solche desto stärcker angreiffen und durchkochen könne. Nicht weniger wird auch durch eine starcke Bier- oder Weinfluth die Speise, ehe sie noch recht präpariret ist, aus dem Magen hinweg geführet. Was muß aber endlich hieraus erfolgen? Nichts, als Ungesundheit, allerley Beschwerung des Leibes. Corpus enim hominis intemperantis nihil aliud est, quam malorum omnium receptaculum; viele haben sich zu Tode gesoffen, wer aber mäßig ist, lebet desto länger. Zwar findet sich das Ubel nicht gleich bey den Schwelgern ein, weil aber der Saame schon da ist, wird das Gewächs auch nicht lange aussenbleiben, und also bey starcken Säuffern das gesammlete Böse nach und nach ausbrechen. Sehr schön schreibet hiervon Antonin de Balingen in seinen Sermonibus Symposiacis, folgender Gastalt: Quis non novit homorum affluentiam, quam cerebrum ex ebrietate & intemperantia libi comparat mirifice sensuum organis officere, & infinitis aegritudinibus viam sternere. Turmatim fluxiones ruunt a cerebro in prominentiores corporis partes, oculos, maxillas, dentes, collum, humeros; Bracchia, tergum, renes, coxendices, crura, articulos, ut non immerito Podagra, Chiragra & omne servius malum sese ab hac infelici stirpe prognatum agnoscat. Das ist, wie es der Deutsche kurtz giebet: Auf starcke Güsse folgen starcke Flüsse. Wer ist nun, fährt hier unser Schrifftsteller fort, der in Betrachtung dessen nicht alle Unmäßigkeiten meiden solte.

Qui fragilem longe cupimus producere vitam,
Luxuria vitae cur breviamus iter,
Nolumus & volumus produci tempora vitae,
Nolumus a nobis, malumus a medicis.

Bey des Königs Ahasveri Banquet wurde niemand gesetzt, was er trincken solte; warum bleibt man nicht bey solcher Weise auch unter uns? Wie will man von dem ein starckes Sauffen fordern, dessen Kräffte es nicht zulassen wollen? da die Schrifft selbst im 8 Capitel des Buchs der Richter sagt: Wie der Mann ist, so ist auch seine Krafft; wäre es also am besten, daß man bey dem bliebe, was Martial sagt: Antiquus Mensis restituatur honor. Von des Carls des Grossen Hofhaltung schreibet Aventin, daß daselbst durch ein scharffes Kayserliches Gesetz verboten worden: Niemanden zum Trincken herauszufordern.

Atque etiam Spartae mos est laudabilis ille,
Ut bibat arbitrio pocula quisque suo.

Zu Sparta ist es eine eingeführte Gewohnheit gewesen, daß ein jeglicher nach seinem Gefallen hat trincken mögen. Von dem unglücklichen Ausgange, welchen offt bey ruchlosen Menschen das viehische Sauffen zu haben pfleget, lieset man in Happelii Relationibus Curiosis Part. V p. 695 jämmerliche Geschichte. Von der Moralität des Sauffens, wie auch was dißfalls so wohl in denen Kriegs- als andern Rechten verordnet ist, und wie nachdrücklich insbesondere denen Soldaten das übermäßige Sauffen und Zutrincken untersaget worden, kan mit mehrerm der Artickel: Trunckenheit nachgesehen werden.