Zedler:Saar (Johann Jacob)

Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
korrigiert
<<<Vorheriger

Saar

Nächster>>>

Saara

Band: 33 (1742), Spalte: 23–26. (Scan)

Johann Jacob Saar in Wikisource
Johann Jacob Saar in der Wikipedia
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|33|Saar (Johann Jacob)|23|26}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Saar (Johann Jacob)|Saar (Johann Jacob)|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1742)}}


Saar (Johann Jacob) ein gebohrener Nürnberger, gieng 1644 im 19 Jahr seines Alters nach Hamburg, allwo er eine Condition bey einem Handelsmann suchte; und wie er solche nicht fand, nach Amsterdam, wo er aber auch 6 Monat vergebens auf Beförderung hoffte.

Weil er immer geneigt war, durch Reisen und in fremden Landen sein Glück zu versuchen, so bat er seinen Vater um Erlaubniß nach Ost-Indien gehen zu dürffen, welche er auch erhielt. Nachdem er nun von der Ost-Indianischen Compagnie angenommen worden, so wurde er noch obgedachtes Jahr nach Seeland in die Haupt-Stadt Middelburg geschickt, woselbst 2 grosse Schiffe schon Seegel-fertig stunden, mit welchen er den 8 Jenner 1645 abgieng, und nach einer Zeit von 6 Wochen an die Insul St. Yago gelangte. Nach zwey Monaten wurde er von daraus mit 3000 Mann mit 2 Capital- und noch andern Jacht-Schiffen nach der Insul Enguno commandiret. Drittehalb Monath hierauf kam er mit einer neuen Flotte nach Amboina, allwo er bis in Jenner 1646 bleib, und gieng von hier nach der Insul Banda, allwo er vor dem Castello Nassovice oder Wilhelms-Burg liegen blieb. Hierauf kam Ordre, die Seegel wieder fliegen zu lassen, und auf der Insul Damma auszulanden; weil aber Wind und Strohm nicht zu haben war, muste er bisgegen den vierten Monath unter Seegel liegen, immittelst lieff man, sogut man konnte, auf unterschiedliche Insuln an. Auf der Insul Enmeer erfuhr Saar, daß die Einwohner ein schlimm und betrüglich Volck wären; denn da ihn und seine Cameraden nach Fischen verlangte, [24] so accordirte er mit einem Indianer, daß sie ihm dagegen 2 Klaffter weisse Leinwand geben wolten: Allein, da dieser die Leinwand in die Hände bekam, gieng er mit derselben und den Fischen durch. Auf die Insul Damma kam er den 10 May, wo er bey nahe 7 Wochen blieb, in welcher Zeit sein Schiff 127 Todte gehabt. Den 1 Jul. gieng er wieder mit auf Banda zu, woselbst er auch den 13 dieses Monaths ankam. Nach neunmonathlichen Auffenhalt gieng Saar den 2 May 1647 auf Batavia, dahin er den 2 Junii kam. Drey Monath hierauf wurde er mit 300 Mann nach der Insul Ceylon zu segeln befehliget. Die Ausfahrt geschahe mit 3 Schiffen den 4 September, und den 4 october kam er bey dem Hafen Pünte de Galle an, welcher zur selbigen Zeit die Haupt-Stadt in Ceylon war. Allda muste er 3 Jahr nach einander mit im Wald auf den Elephanten-Fang. Im Jahr 1649 den 2 Februarii gieng er nach Suratte, und im April gieng es gar auf Persien zu, allein er kam nicht sonderlich tieff ins Land hinein. Als im Jahre 1650 ein Brief über Land von Holland in Persien gekommen, daß dem König in Engelland, Carl Stuart, der Kopff wäre abgeschlagen, und dem Cromwel die Regierung übergeben worden, wurde Saar alsobald mit noch 10 Mann auf ein ander Seeländisches Schiff, genannt die Jacht Lello, commandirt, nach der Insul Ceylon zu lauffen, woselbst er auch am Pünt de Galle den 9 April wohl anlangte; und obgleich das Schiff alsobald auf Batavia beordert wurde, auch daselbst die erhaltene Englische Zeitung zu berichten; so blieb doch Saar in Ceylon. Aber den 9 October wurde er mit 200 Mann auf dem Schiff Bande nach Negumbo zur Besatzung beordert; allein er gerieth darüber in die höchste Leibes- und Lebens-Gefahr. Denn als der Boutellier mit einem Licht zu den Brandwein-Fässern sehen wolte, und unvorsichtiger Weise einen Butzen fallen lies, fieng der Brandwein schnell an zu flammen, und überlieff das gantze Schiff, in höchster Eil fiel jemanden ein, das Pulver in das Meer zu schmeissen, denn alle Personen sonst in die Lufft wären gesprenget worden. Saar vermeynte auch nicht anders, als wäre seine letzte Stunde erschienen, wie er sich denn schon ein Stück von einem alten Mast-Baum ausersahe, ob er sich darauf retten und das Land wieder erlangen könnte, davon er nur 10 Meilen war. Unterdessen halff GOtt, daß der Brand wieder konnte gelöschet werden. Als er nun auf Negumbo kam, und fand, daß sich die Besatzung wieder auf drey Jahr versprochen hatte, muste er mit den übrigen als unnöthig wieder zurück kehren. Im Jahr 1653 kam er im November wieder nach Ceylon, und weil seine Zeit zu dienen aus war, sehnte er sich wieder nach seinem Vaterland, er war aber fast anderthalb Jahr nicht recht gesund, denn er wurde an der Land-Kranckheit lagerhafft, gleichwohl begab er sich im Jahr 1654 aufs neue in Dienste auf 3 Jahr lang, da ihm die Corporal-Stelle angetragen wurde, den Monath für 15 Holländische Gulden zu dienen, und allezeit bey der Compagnie, die Feuer-Rohr führte, zu verbleiben, worauf er 2 Monath hernach in das Lager für Calutre commandirt [25] wurde, und das Unglück hatte, daß, da er sein Rohr lösen wolte, ihm unter den Schuß ein Indianer lief, den er, so er mit allem Fleiß nach ihm geschossen, etwan nicht so wohl hätte treffen sollen, daß er alsobald todt hinfiel. Es hätte es kein Mensch gewust, wer es gethan, er selber nicht, weil man aber fragte: wer Feuer gegeben, und erfuhr, daß es der Corporal von den Röhren unter dem Capitain Severin gethan, muste er alsobald in Arrest, er wurde aber von dem Kriegs-Rath frey erkannt, und muste des Indianers Wittwe etwas Geld von seiner Besoldung geben. Nach diesem muste er wegen Mangel sowohl an Schuhen als an Speise vieles ausstehen. Er lernte aber alles mit Gedult ertragen; und da die Holländer ihm von Anfang den Namen gaben: Jung Verdorben, weil er so jung in Krieg kam, so hiessen sie ihn, da er ein Jahr im Lande war, und in alle sein Glück und Unglück sich zu schicken wuste, Leichthertz, welches bey dem gemeinen Volck in Indien die Art ist, daß sie selten einen bey seinem rechten Namen ruffen.

Im Jahr 1647. 49. 52. 53 schrieb er Briefe nach Hause, unter denen keiner, als nur der letzte zu recht gekommen, den er einem Frantzosen von Rochelle mitgegeben, der aber erst seinem Vater 1655 über Augspurg einlief. Den 3 Jul. 1655 gieng er unter Seegel auf Berberi, und den 17 Sept. auf Columbo, wo er Hunger und Durst und einen grossen Sturm ausstehen muste, denn er konnte nicht anders, als mit halben Leib im Wasser sitzen, daß er alle Augenblick auf seinen Tod wartete.

Wie der General-Sturm auf Columbo vorgenommen wurde, bekam Saar von einer Galerie 2 Schüsse, einen in den rechten Arm, den andern auf die lincke Seite zwischen das Schulterblat, daß er hinter sich nieder in das Schiff fiel. Zu einer andern Zeit wurde er von einem Stück Schrot von dem Wasser-Castell am rechten Fuß getroffen, daß das Knöchlein gantz entzwey war, und er liegend bleiben muste. Zu noch grösserm Unglück vor ihn wurde er von einem jungen Meister verbunden, der seine Kunst nicht recht verstanden, und es in drey Tagen also übersehen, daß der kalte Brand darzu geschlagen, und die Rede schon gieng, daß man den Fuß unter der Knie-Scheibe abkürtzen solte, biß endlich ein Frantzmann an ihm einen Versuch that, daß er in einer Monaths-Frist wieder ziemlich heil wurde. Den 18 Aug. wurde er wieder völlig gesund, daß er wieder seine Dienste versehen konnte.

Bey der Belagerung des Castells Jaffanapatan bekam Saar eine gute Beute in einem Kloster, denn darinn erschnappte er in einem alten Küssen 500 St. Thomä, deren einer 4 Holländische Gulden galt, er blieb aber nicht lange Herr darüber, denn den andern Tag hernach, da bey 600 Mann wieder auf das Schiff musten, wurde Mann für Mann visitiret. Da denn auch Saar alles Geld wieder hergeben muste. Im Jahr 1659 langte er auf der Insel Selver an, allwo er einen Monath zubrachte. Weil seine Dienstzeit über zwey Jahre aus war, resolvirte er sich gäntzlich, wieder in sein Vaterland zu gehen, und da er vernahm, daß ein Schiff nach Batavia wolte, hielt er um einen ehrlichen Abschied an, den [26] er bald auch erhielte. Den 4 Febr. gieng er zu Schiffe, und gelangte den 14 zu Batavia frölich an. Weil er aber kein Schiff-Gesell war, und von Anfang eine geraume Zeit für einen Adel-Burschen, nachmahls für einen Corporal gedienet, hielt er bey dem Major an, ans Land zu fahren, weil noch 10 Monath dahin waren, bis die Flotte in Holland gieng. Da er 6 Monath in Batavia gelegen, empfieng er für seine Gage 2 Monath Gold baar, vor welches Geld er sich folgends mit Lebens-Mitteln auf die Reise versahe. Den 14 December gieng er auf dem Schiff Printz Wilhelm von Seeland Vice-Admiral ab, passirte den 23 die Strasse Sunda hinaus, und langte den 1 Mertz 1660 bey dem Vorgebürge der guten Hoffnung an. Als er in Mittelburg ankam, so wurde, gleichwie aller andern, also auch seine Küste besichtiget, und den 6 Jul. bekam er seine Portion ehrlich, so viel er auf den Schiffen verdienet hatte, was aber in Indien auf dem Lande restirte, das wurde Gewohnheit nach auf Amsterdam verwiesen, worauf er nach Dort zu Schiffe, und folgends gar zu Lande auf Amsterdam zugegangen, auch den 9 darauf daselbst angekommen. Den 11 gieng er von Amsterdam nach Hamburg zu Schiffe, allwo er den 15 wohl anlangte.

Hierauf erfuhr er, daß sein Vater vor ohngefehr 8 Monathen verstorben, bis er den 11 August 1660 nach 16 Jahren unter vielem Ungemach, gefährlichen Arbeiten zu Wasser und Lande, unter Heyden und Christen, in Nürnberg wieder angelanget, allwo er im Jahr 1662 seine Reise-Beschreibung publicirt, welche Wolf Eberhard Felßecker gedruckt. Er hat sie Bürgermeistern und Rath der Stadt Nürnberg, als seiner gebietenden den Obrigkeit, zugeschrieben. Und Daniel Wülffer hat darzu ein Discurs über die Holländischen Kriegs-Dienste in Ost-Indien von 25 Blättern geschrieben. Nachgehends lebte er gantz stille, doch gab er einen Handelsmann ab, und ließ verschiedenes aus Holland kommen, womit er sein Leben ehrlich hinbrachte. Man meynet, daß er heimlich soviel aus Ost-Indien gebracht, daß er damit gar wohl sey zufrieden gewesen, wiewohl er es sich gegen niemand mercken lassen. Sein gewöhnlicher Wahlspruch war: Muth macht Ubermuth.

Die illustre Negocianten oder hier und da gewesene Kauleute, II Th. p. 7 u. ff.