Zedler:Reuerer, Reuer und Reuerinnen, Pönitentz-Brüder, büssende Männer, büssende Frauen


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Band: 31 (1742), Spalte: 902–904. (Scan)

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Reuerer, Reuer und Reuerinnen, Pönitentz-Brüder, büssende Männer, büssende Frauen, Lat. Fratres & sorores paenitentes, und zwar, in Ansehung ihrer Ordens-Regel, mit dem Zusatz Ordinis Augustini; in Ansehung ihrer Kleidung, Albi Domini, albae Dominae, weisse Frauen, (die Benennung weisse Herren findet man nirgends) Frantz. Les Penitens, les Penitens blancs, les Repenties, sind Leute, welche entweder aus Uberdruß des Welt-Lebens in den geistlichen und Münchs-Stand, mit dem Gelübde der Armuth und des Gehorsams, freywillig sich begeben, oder wegen eines begangenen Verbrechens, durch richterlichen Ausspruch in das Kloster gewiesen, oder, wo sie sich schon darinnen befinden, zu Annehmung eines strengen Ordens, um solcher gestalt Busse zu thun, angehalten werden. Und sind also die Poenitentes theils freywillige, theils gezwungene. Es giebt derselben nicht nur unter den Augustinianern, sondern auch unter den Franciscanern, Benedictinern, und andern Orden, allein sie sind in Ansehung ihrer Regeln, Kleidung, und anderer Dinge, sehr von einander unterschieden, und werden mit obgedachten Namen, allein die Poenitentes des Augustiner-Ordens beleget. Sie wurden aber anders tractiret unter denen heydnischen Kaysern, anders unter denen Christlichen. Unter jenen hatten die Poenitentes entweder eine Abgötterey, oder Todtschlag, oder Ehebruch ausgeübet. Welche sich mit der Abgötterey besudelt, die waren entweder Thurisicati oder Sacrificati, oder Mittentes, oder Libellatici, oder Traditores. Welche nun Busse thaten, die musten eine öffentliche Bekänntniß ablegen, auf welche die Satisfactio folgte, die vier Gradus hatte. Der erste hieß Fletus, da die Poenitentes vor der Thüre des Tempels stunden, abgesondert von denen Gläubigen und Catechumenis, und mit sonderbarem Trauren und Beten demüthigst zu GOtt rufften, auch darbey die Gläubigen ersuchten, sie wolten ihrentwegen die Barmhertzigkeit GOttes inbrünstig anruffen. Eusebius Hist. eccl. Lib. V, c. XXVIII. Der andere Gradus hieß Auditio, da die Poenitentes vor denen Kirch-Thüren stunden, und anhöreten die Lection der Schrifft, wie auch die Predigt selbsten. Doch musten sie mit den Catechumenis nach Hause gehen. Der Ort, darinnen sie stunden, hieß Pronaon, und bey denen Griechen Narthex, bey denen Lateinern Ferula, desgleichen Locus intra portam templi. Der dritte Gradus hieß Subjectio, Prostratio, Humiliatio, und war eine Admissio, da die Poenitentes mit höchster Demuth GOtt ehreten. Stunden also die Poenitentes nach dem Predigt-Stuhl nahe bey den Catechumenis. Der vierte Gradus war Consistentia oder Consortium, da sie wieder von denen Christen aufgenommen wurden, doch nicht das heilige Abendmahl Abendmahl genüssen durfften. Wenn nun diese vier Gradus erfüllet waren, so folgte endlich die Consummatio, da sie wieder zu dem Abendmahl gelassen wurden. Doch diese Disciplin war, nach Beschaffenheit des Verbrechens, bald strenger, bald leichter, wie auch bald länger, bald kürtzer; Etliche brachten drey Jahr zu, andere weniger, andere waren mehr Jahre zu dieser Straffe verdammet. Zu geschweigen, daß vielen Poenitentibus der Friede nicht eher gegeben worden, bis sie entweder in eine schwere Kranckheit gerathen, oder wohl gar dem Tode nahe gewesen. Unter denen Christlichen Kaysern haben sie zwar diese Strengigkeit abgethan, dennoch aber die Busse nicht aufgehoben. Die Obrigkeit hat solche denen Bischöffen übergeben, die Ubertreter gebührender massen abzustraffen, ja wohl gar zu excommuniciren, so lange, bis sie wiederum Busse thaten. Kein Poenitens konnte ein geistlich Amt bekommen. Conc. Carthag. IV. cap. LXVIII. Ja, es wurde ihnen der Ehestand verboten. Concil. Arelat. II. c. XXI, welches doch das Concilium zu Worms auf gewisse Masse restringiret. Sie wurden auch zu keiner Würde gelassen, musten die Haare abscheeren, die Kleider verändern, und durfften auf keinen Wagen fahren, sondern nur zu Fuß einhergehen. Und dieser öffentlichen Busse wurde entgegen gesetzet die POENITENTIA ABSCONSA, weil die heimlichen Sünden nicht mit öffentlicher Busse konnten bestraffet werden. Sirmond Hist. Poen. publ. c. IV. Ja, es wurde mit der Zeit die öffentliche Busse gelöset, Anfangs zwar durch Allmosen und Freygebigkeit, so wohl gegen die Kirchen, als gegen die Armen. Als nach der Zeit die Römisch-Catholische Religion sich ausbreitete, so musten sich die Poenitentes geisseln, gewisse Psalmen hersagen, und andern Straffen sich unterwerffen. Von dem in der Römischen Kirche bekannten Jungfräulichen Orden S. Mariae Magdalenae de Poenitentiu haben wir eine ausführliche und lediglich aus Documenten und authentiquen Nachrichten der St. Marien Magdalenen Klöster zusammen getragene Beschreibung von dem geschickten Herrn Johann Gottlieb Müller, zu Lauban, zu erwarten.