Zedler:Rath der Rechts gelehrten


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Rathsamshausen

Band: 30 (1741), Spalte: 962–965. (Scan)

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Rath der Rechts gelehrten, Rechts-Belehrung, oder Consult, Consilium Prudentum, oder Informatio Judicis, ist eigentlich nichts anders, als ein sonst so genanntes Informat und Belehrungs-Urtheil, oder rechtliches Bedencken, und Gutachten eines Rechts-Collegii, welches sich bisweilen die Richter in besonders schweren oder zweifelhafften Fällen auszubitten pflegen, damit sie alsdenn bey ihrem zu fällenden Ausspruche oder Urtheile desto sicherer gehen mögen.

Und ist denen Richtern absonderlich in der Peinl. Hals-Ger. Ordn. art. 189 anbefohlen, in peinlichen Fällen, wobey es vornemlich an Haut und Haar, oder, welches gleich viel ist, an Leib und Leben gehet, ehe und bevor sie selbst darüber erkennen und den endlichen Ausspruch thun, deshalber erst des Raths oder Gutachten eines oder des andern Rechts-Collegii zu pflegen, und sich so denn bey Abfassung des End-Urtheils darnach zu achten. Es hat aber disfalls, bey einem angestellten Criminal-Processe, und nach eingerichteter Defensional-Schrifft, eine Obrigkeit dahin zu sehen, was der Delinquent damit erwiesen? ob die Inzichten durch zulängliche Mittel entkräfftet worden? oder ob der eingereichten Defensional-Schrifft unerachtet, der Delinquent der peinlichen Frage zu unterwerffen, völlig zu absolviren, und loß zu sprechen, oder wenigstens zu einer ausserordentlichen Straffe zu verdammen sey?

Jedoch, weil diese Untersuchung einen practicirenden und in peinlichen Sachen erfahrnen Kopff und Verstand erfordert; so soll zumahl ein ungestudirter Richter sich keinesweges unterstehen, auf die eingereichte Defensional-Schrifft, nach seinem Gutdüncken, mit dem Delinquenten zu verfahren, sondern es geziemet einem dergleichen in Rechten unerfahrnen Richter, sich bey Rechts-Verständigen vorher zu erkundigen und mit ihnen zu berathschlagen, was in Sachen weiter vorzunehmen sey? wie solches in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung Carls V vielfältig, ja, nach dem Zeugniß des Oldekopps in obs. 7. n. 11. sieben und funfftzig mahl denen Richtern auferleget und anbefohlen wird.

Ja wenn gleich [963] eine Obrigkeit in Rechten wohl verständig, practicirt, und in peinlichen Sachen berühmt wäre; so würde doch selbige in zweifelhafften Dingen, und an Orten, allwo die Criminal-Processe zur Revision nicht eingereicht werden, löblicher thun, wann sie lieber ein dergleichen Consult oder Informat einhohlte, als das gantze Wesen ihrem alleinigen Verstande überliesse; dann die peinlichen Urtheil sollen nicht von einem, sondern ihrer mehrern und deren Einstimmung geschehen. Carpzov. p. 3. q. 116. n. 22. Und lehret besagter Oldekopp obs. 2. t. 17. t. 11. daß derjenige kein verständiger Richter sey, der alles alleine zu verstehen sich einbilde.

Wiewohl in geringern Verbrechen, allwo das Urtheil keine Todes-Straffe auf sich trüge, eine in Rechten erfahrne Obrigkeit zu Ersparung der Zeit und Unkosten, auch Einholung des Consults, fürgehen kan.

Ja, an theils Orten, sonderlich wo man der Carolinischen peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung nachfolgen muß, pflegt und muß man die Criminal-Processe einer Juristischen Facultät überschicken.

Wie denn kein Zweiffel, daß von ihrer vielen die Wahrheit eher, als von wenigen, oder einem eintzigen, obgleich sonst noch so erfahrnen und verständigen Rechtsgelehrten alleine, erfunden wird. C. de quibus. Dist. 20. C. prudentiam. 21. de offic. & potest. jud. deleg.

Im Tyrolischen aber ist genung, daß man den Proceß einem Consulenten und Rechtsgelehrten anvertraue; sintemahlen aus allen Gerichten der Fürstlichen Graffschafft Tyrol, wenig ausgenommen, die Criminal-Processe der Hochlöblichen Ober-Oesterreichischen Regierung zum Durchsehen vor der Execution eingeschickt werden. Jedoch ist von nöthen, daß die Processe völlig erhoben, rechtlich eingerichtet, und mit dem deshalber ausgefallenen Urtheil versehen seyn. Dann wann ein Proceß annoch unvollkommen oder rechtlicher Ordnung nach nicht vollführt wäre, so würde solcher gleich zu rechtlicher Complirung wieder zurücke geschickt, auch, da eine Obrigkeit sich eines Bescheids erholen wolte, was in Sachen zu thun wäre, würde selbige gleich die Formalien in dem gnädigen Rescripte zu erlesen haben, daß sie, als eine Obrigkeit, von selbsten wissen werde, was von Amts wegen vorzunehmen sey, oder, da ja derselben die Sache zu schwer fallen würde, sie bey Rechtsgelehrten sich dessentwegen Raths erholen solte. Da aber ein Gericht die Criminal-Processe einer Hochlöbl. Ober-Oesterr. Regierung einzuschicken nicht verbunden wäre; so würde eine Obrigkeit so wohl vor Gott, als der Welt, löblicher thun, wann sie auch in gantz klaren und ohne zweiffelhafftig einlauffenden Umständen sich der Rechtsgelehrten Raths bedienete; sintemahlen vier Augen, wie man zu sagen pflegt, jederzeit mehr als zwey sehen, und bald, was gleich im Processe selbst vor den Augen der Obrigkeit verborgen lieget, ein anderer an den Tag bringet, wodurch wenigstens die ordentliche Straffe vermindert werden kan.

Ja es ist sehr rathsam, dem eingeholten Consult gemäß, das Urtheil zu formiren, so ferne keine offenbare Ungerechtigkeit mit unter lieffe, damit man sich des Syndicats erwehren möge. Oldekopp obs. 7. tit. 1. n. 11. Es [964] soll aber auch bey Uberschickung des Processes zum Consult eine Obrigkeit fleißig beobachten, ob der Consulent etwan dem Inquisiten nicht feind, oder sonsten wegen allerhand möglichen Umständen ein Interesse oder Respect in Sachen tragen möchte, oder auch auf andere Art und Weise dem Inquisiten verpflichtet wäre? Denn dergleichen Beschaffenheiten wollen kein ruhiges unpartheyisches Consult hervor bringen.

Zum andern, soll man alle Acten, wie sie vom Anfange des Processes bis auf die letzte verfaßt worden, mit allen Beylagen getreulich und abschrifftlich dem Consulenten überschicken, auch eine Specification derer Acten darüber verfassen, und den Inquistiten, zu sehen, wie der Proceß beleget, und einrollirt werde, fürfordern; wiewol dieser letztere Punct nicht überall beobachtet wird. Wenigstens aber wäre der Defensor hierzu einzuladen. Oldekop. Dec. 1. q. 7. n. 5.

Drittens, solle man den Consulenten angelegentlich ersuchen, damit der Inquisit je eher je lieber des Gefängnisses entlediget, und die Sache zu einem Ende gebracht werden möge, das Consult ehestens zu befördern.

Viertens, soll man vor Uberschickung des Processes zu Ersparung der Unkosten, und mehrerer Verlängerung der Zeit, die Acten selbsten nochmahlen genau durchgehen und untersuchen, ob alle Umstände gehörig ausgefragt worden; oder, was etwan von dem Consulenten zu Abgebung dessen Consults weiters erfordert und verlanget werden möchte, damit der Proceß von dem Consulenten nicht als unvollständig und mangelhafft wieder zurück geschickt werden dürffe. Oldekopp obs. 9. t. 1. n. 6.

Fünfftens, sollen in das Ersuch-Schreiben, so man dem Processe beyleget, keine neuerliche oder solche Umstände von dem Richter gesetzt werden, die in denen Acten nicht gegründet sind, oder worüber der Delinquent nicht befragt worden, Oldekopp d. I. sintemahlen das Consult oder Informat nicht auf dem Ersuch-Schreiben, sondern auf dem geführten Processe und denen darüber gehaltenen Acten hafften muß.

Sechstens, da der Inquisit eine vornehme und eine gewisse Furcht oder Respect erweckende Person wäre; müste die Person des Consulenten in geheim gehalten, ja auch der Bothe in geheim damit abgeschicket werden. Massen schon vielfältig geschehen, daß der Bothe ausgeforschet und demselben der Proceß abgejaget, verfälschet, oder der Consulent bestochen worden.

Ja, es soll dem Delinquenten vergönnet seyn, drey besondere Rechts-Lehrer, oder Facultäten zu erwählen, keinesweges aber nur eine gewisse vorzuschlagen zugelassen werden. Oldekopp d. I. obs. 9. t. 1. n. 6. Welches man sonderlich an denjenigen Orten, allwo man der Carolinischen Ordnung nachzugehen verbunden ist, zu beobachten pflegt.

Die auf Einholung des Consults gehende Unkosten sollen, nach Verordnung der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung Art. ult. von der Obrigkeit bezahlt werden. Aber Matth. Stephanus in seinem Commentario sagt, daß die Unkosten des Consults von dem Inquisiten, woferne er anders was im Vermögen hat, gut gemacht werden müssen. Wie es in dem Tyrolischen also practicirt wird. Bey einem armen [965] Inquisiten aber bezahlt eine Landes-Fürstliche, oder nach Beschaffenheit der Tractaten, eine Gerichts-Herschafft die Unkosten.

Wann das Consult eingelauffen; so ist löblich, daß der Richter solches in Gegenwart des Inquisiten, wegen Recognoscirung des Siegels eröffne, dem Rechts-Geschwornen und Räthen vortrage, so dann hierüber erwarte, was sie wegen des Delinquenten für ein Bey- oder End-Urtheil abfassen werden? Ob nemlich die Inzichten sattsam abgelehnet, oder der Inquisit mit der peinlichen Frage anzugreiffen sey; sintemahlen in Tyrol eine Obrigkeit und Beysaß an das Consult dergestalt nicht gebunden ist, daß sie wegen einer vernünfftigen, und in denen Acten gegründeten Ursache, nicht ein anders Bey- oder End-Urtheil abfassen mögen.

Jedoch, weil in denen mehresten Processen, sonderlich bey einem nicht überwiesenen halßstarrigen Delinquenten die Tortur oder peinliche Frage vorgekehret werden muß, und die Informate mehrentheils zu Vornehmung der Tortur hinauslauffen; so wird nicht undienlich seyn, hierbey den Artickel Tortur nachzusehen.