Zedler:Pulver-Verrätherey, Pulver-Verschwörung, Pulver-Conspiration
Pulver-Verrätherey, Pulver-Verschwörung, Pulver-Conspiration, Conjuratio Sulphurea, Pulveraria Conspiratio, ist der Name einer gewissen Zusammenverschwörung einiger Catholicken, krafft welcher im Jahr 1605 der König Jacob I von Engelland, nebst dem gantzen Parlament in die Lufft gesprenget werden solte, weil kurtz vorher die Jesuiten nebst anderen Cathol. Geistlichen wegen einer andern Verrätherey aus dem Königreiche verbannet worden. Der vornehmste Rädelsführer war ein Edelmann, Namens Caresby, welcher den Thomas Percy, einen Vetter des Grafen von Northumberland, den Johann Graunt, Ambrosius Rokwood, Christoph Wright, Frantz Treoham, Guy Fawiks, den Ritter Digby, und noch einige andere gewonnen hatte, so erwählete er fünffe von den verwegensten zu seinen Rathsleuten, mit welchen er alles überlegte, und endlich den Schluß nahm, den König mit seinem ältesten Sohne, und allen Herren von dem Ober- und Unter-Hause, bey dem bevorstehenden Sitz-Tage des Parlaments in einem Augenblicke aus dem Wege zu räumen. Sie mietheten in dieser Absicht ein Haus, das zunächst an dem Parlament-Hause stund, und liessen sechs und dreyßig Tonnen Pulver in Holland kauffen, dasselbe hinein zu legen. Mittlerweile liessen sie die Keller-Mauern durchbrechen, um den Grund des Hauses zu untergraben; da aber die Mauer von einer ungemeinen Dicke war, so hatten sie lange Zeit damit zu thun; doch endlich erreichten sie ihren Zweck, und kamen in einen andern Keller, der gerade unter dem Parlaments-Hause war, worinn einige Kohlen lagen, nach deren Verkauffung derselbe auch vermiethet werden solte. Also kaufften sie zur Beschleunigung der Sache diese Kohlen, mietheten den Keller, und brachten die Pulver-Tonnen [1428]bey Nachtzeit hinein, welche sie wieder mit einigen Kohlen und Reißholtze zudeckten. Rapin. Histoir. d'Angleterre Lib. 18. Alle diese Anstalten waren bereits zu Ende des 1604 Jahres angefangen worden, damit sie zu Anfange des folgenden fertig wären, da das Parlament zusammen kommen solte: Allein, wie groß war nicht der Verdruß der Verschwornen, da die Versammlung noch auf acht Monate verschoben wurde. Gleichwohl befand sich nicht ein eintziger darunter, den sein Vorhaben gereuet hätte. Denn sie hatten zur Beruhigung ihres nagenden Gewissens drey Jesuiten um Rath gefraget, und von ihnen zur Antwort erhalten; daß es nicht allein erlaubt, sondern auch ein heiliges Werck wäre, einen ketzerischen König und ketzerische Lords auf die Seite zu schaffen. Denn obgleich Jacobus in seinem Hertzen den Römisch gesinnten geneigt war, so hatte er doch ihrer Hoffnung bis hieher noch kein Gnügen thun, und ihren Gottesdienst, wie sie sich eingebildet hatten, so gleich öffentlich herstellen können. Da sie also den Herbst, als die bestimmte Zeit der Versammlung, mit Ungedult abgewartet, ohne, daß das geringste ausgebrochen war, so glaubten sie für gewiß, daß ihr Anschlag nicht fehlen könnte; allein einer davon hatte so viel Zuneigung gegen den Lord Mountragel, daß er ihm das Leben retten wolte, und zehen Tage zuvor ein Briefgen ohne Namen zuschickte, worinn er ihn ersuchte, "daß er, wenn ihm sein Leben lieb wäre, einige Ausflucht suchen solte, nicht in dem Parlamente zu erscheinen, allwo ein erschrecklicher Schlag geschehen würde, ohne daß jemand wissen würde, wo das Unglück herkäme, doch daß die Gefahr in so kurtzer Zeit vorbey seyn würde, als er zu Verbrennung dieses Briefes brauchte." Dieser Lord, welcher nicht begreiffen konnte, was dieses bedeutete, und bey nahe geglaubt hätte, daß es ein Possen wäre, schickte unterdessen dennoch das Briefgen nach Hofe, der Graf von Salisbury laß es dem König vor, sagte aber zugleich, daß der Schreiber nicht wohl bey Sinnen seyn müßte, weil es nicht zu begreiffen wäre, daß die Gefahr in so kurtzer Zeit vorüber seyn würde, als man den Brief verbrennete. Allein der König schloß bey überlegten Umständen des unvermutheten Schlags, daß derselbe durch Pulver geschehen könnte, und gab Befehl, alle Winckel des Parlaments-Hauses zu durchsuchen. Der Graf von Suffolk begab sich in Person dahin, solches zu verrichten, und fand in dem Keller nichts als Kohlen und Reißholtz, die der Verräther Percy, nach des Vermiethers Glauben zu seinem Wintervorrathe angeschafft hatte; allein das eintzige kam ihm verdächtig vor, daß er einen Diener dieses Percy in einem Winckel erblickte, der sich zu verstecken suchte. Nachdem der Graf dem Hof hiervon Bericht erstattet, ohne dem Verräther blicken zu lassen, daß er was gemerckt hätte, so beschloß man die letzte Nacht abzuwarten, damit man die Schuldigen zugleich ertappte. Diesem Beschluß zu Folge wurden zween Herren am 5 Novemb. des alten Calenders um Mitternacht in den Keller geschickt, welche die Kohlen wegnehmen liessen, und die sechs und dreyßig Pulver-Tonnen [1429]entdeckten. Sie fanden den Diener des Percy gestiefelt und gespornt dabey stehen, der ein Feuerzeug und Stücke Lunte bey sich führte. Diesen nahmen sie gefangen, und fragten nach seinen Helfern; allein er antwortete ohne das geringste Entsetzen, wie ihn nichts mehr verdröste, als daß er nicht Zeit genug gehabt, sich mit ihnen sogleich in die Luft zu sprengen, und er blieb einen gantzen Tag hartnäckigt, ohne daß er iemanden von den Mitschuldigen verrieth, welches er aber dennoch that, da man ihn auf die Folter bringen wolte. Unterdessen hatte sich das Gerüchte von dieser glücklichen Entdeckung bereits durch gantz Londen ausgebreitet, und Percy bekam Zeit, sich, mit seinen Anhängern aus der Stadt zu begeben, und sich mit seinen Helfershelfern zu vereinigen, welche bey einem Landhause, wo sich die Printzeßin Elisabeth, des Königs Tochter, aufhielt, in Bereitschafft stunden, sich auf die erste Nachricht von einem glücklichen Ausschlage, dieser Printzessin zu versichern, welche sie in dem Römischen Glauben zu erzühen, und als Königin auszuruffen gedachten. Nachdem die Verschwornen ihren mißglückten Anschlag vernommen, so blieben sie dennoch bey ihrem bösen Vornehmen und in den Waffen, wobey sie die Römisch gesinnten zu einem Aufstande zu bewegen suchten; weil sie aber nur hundert gewafnete Reuter starck waren, so wurden sie gar bald zu paaren getrieben. Die sich zur Wehre stellten, wurden auf der Stelle niedergemacht, die übrigen gefangen genommen, gerichtlich verfolgt, und öffentlich hingerichtet. Der Graf von Northumberland wurde in eine Busse von dreyßig tausend Pfund Sterlings verurteilet, und aller seiner Güter beraubet, weil er in dem Verdachte gehalten wurde, Wissenschafft von dieser Verrätherey gehabt zu haben, indem er seinen Vetter Percy unter die im Sold stehende Edelleute, die zu des Königs Leibwache bestimmt waren, aufgenommen hatte, ohne den Eyd von ihm abzunehmen, da Percy doch ein Römisch gesinnter war. Der König ließ die Versammlung des Parlaments noch vier Tage aufschieben, und that bey dessen Erscheinung weiter nichts, als eine Anrede an die Lords, worinn er anzeigete, daß man nicht allen Römisch gesinnten überhaupt, dieses Schelmstück Schuld geben, sondern nur diejenigen verfolgen müsse, die Theil daran gehabt hätten. Hieraus haben einige seine Gewogenheit gegen diese Leute, andere aber seine Liebe zur Gerechtigkeit muthmassen wollen, indem er nicht den gantzen Cörper wegen des Verbrechens einiger Glieder verurtheilen wollen. Der Spanische Abgesandte bezeigte äusserlich grosse Freudenbezeugungen, und ließ deßwegen in Londen Freudenfeuer anstecken, und Wein springen; Allein er konnte dennoch den üblen Argwohn des Volcks nicht aus dem Wege räumen, indem einige von den Verräthern nach den Niederlanden geflüchtet waren, und da die Engelländer deren Auslieferung forderten, so wurden sie von dem Ertzhertzog nach Spanien geschickt, und daselbst wohl empfangen. Hierauf setzte das Parlament einen neuen Eyd auf, welchen alle Unterthanen von neuen leisten, und die oberste Gewalt [1430]des Pabstes abschwören musten; und obwohl im übrigen nichts darin enthalten war, was wider die Römische Lehre stritte, so verboth dennoch der Pabst Urban VIII allen Römischcatholischen Engelländern, bey Verlust ihrer Seligkeit, diesen Eyd abzulegen; allein sie haben sich doch endlich unterwerfen und den Eyd leisten müssen. Jacobus vertheidigte seine Aufführung bey allen auswärtigen Höfen durch eine öffentliche Schrifft, um dadurch die Lästerungen von sich abzulehnen, als ob er die Römischcatholischen verfolgte, da er vielmehr wegen seiner Gelindigkeit gegen die Römisch gesinnten, bey den Engelländern eine Vertheidigung nöthig gehabt hätte. Nachdem das Parlament den fünfften des Novembers zu einem jährlichen Danckfeste, wegen des entdeckten Pulver-Verraths, fest gesetzt, welches auch noch jährlich in Engelland feyerlich und mit grosser Andacht begangen wird, und dem König eine grosse Summe Hülffs-Gelder zugestanden hatte, so wurde es wieder verlegt, und Engelland in einen ruhigen Stand gesetzet. Siehe auch den Artickel: Jacobus I.