Zedler:Poesie der Niederländer
Poesie der Niederländer, diese ist von den Deutschen nicht unterschieden, ja sie ist selbst Deutsch, und die Wörter dieser Sprache haben mehr von dem alten Deutschen, als irgend eine andere. Die Hochdeutsche ist gegen sie ein neuer Dialect. Das uralte Deutsche hat mit dem Niederländischen in vielen Stücken eine ziemliche Gleichheit. Und es ist ausser Zweiffel, daß sie viel alte Lieder gehabt, wie die Deutschen. Jost van Vondeln, in seiner Anleidinge ter Nederduitsche Dichtkunste, erwehnet noch derselben. Sie haben auch ihre Reimers und Redenryckers gehabt, welche allerhand Schauspiele dem Volcke vorgestellet, wie noch heutiges Tages unter den Bauren auf ihren Kirchmessen öffentlich gehalten werden. Der erste, den man zu nennen weiß, ist der Anonymus, welcher vor etwa vier hundert Jahren eine Niederländische Chronick in Reimen geschrieben, woraus Jacob Eynd in seinem Chronico Zeelandico unterweilen etwas anführet. Jan van der Does, oder, wie er sich sonsten nennet, Johann Dousa, hat diese Holländische Rymkronyke heraus gegeben, im Jahre 1670 mit seiner poetischen Vorrede, in Alexandrinischen Versen verfasset. Welcher Art zu poetisiren er am ersten in Niederland sich gebraucht. Aber sie waren damahls noch etwas unvollkommen. Die rechte zierliche Dichterey hat sich im vergangenen Jahrhunderte erst angefangen, und haben die Niederländer den Italiänern und Frantzosen hierinnen gefolget. Dousa wird von Grotius in einem Gedicht auf den Opitz, als von den ersten einer gesetzet, aber ihn übertrifft sehr weit Daniel Heinsius, dessen von P. Scriverio heraus gegebene Niederländische Gedichte so lieblich, süsse und flüssend sind, daß ihnen nichts kan verglichen werden, und den hoch trabenden Wercken der folgenden weit vorzuzühen. [997] Er verdienet billig den grossen Ruhm, den ihm P. Scriverius in einer absonderlichen Lobrede beyleget, da er ihn als den ersten Urheber der künstlichen Niederländischen Poeterey ausrufft. Nächst dem Heins ist wohl Jacob Catz zu setzen, der grosse weitläufftige Poetische Wercke geschrieben, und in der Sitten-Lehre, durch allerhand Sinnbilder, (die aber nicht die vollkommensten sind) vorzustellen sich bemühet. Constantin Huigens der Herr von Zulichem hat auch in seinen poetischen Wercken, welche unter dem Titel der Korenblomen heraus gekommen, fast in allen Zeiten seine sinnreichen Einfälle. Die Schauspiele sind bey denen Niederländern zur Vollkommenheit gebracht. Insonderheit hat die Stadt Amsterdam ein grosses daran gewendet. Da haben sich in grosser Menge gefunden, welche um den Preiß hierinnen gestritten. Vor andern hat Jost von Nondel sich hierinnen hervor gethan, von dessen Comödien und Tragödien gantze grosse Bände heraus gekommen; welcher auch des Virgilii Bücher in Verse übersetzet. Es ist unter andern ein Glaser gewesen, Namens Jan de Voß, der das berühmte Trauerspiel von Aron und Titus gemacht. Gantz Holland hat sich hierüber verwundert, denn es ist eine ungemeine Erfindung und Auszierung, die man von einem Handwercksmann nicht vermuthend gewesen. Constantin Hugens und Caspar Barläus haben es mit ihren Lobsprüchen beehret. P. C. Horst, Ritter von St. Michael, Drost von Muyden, und Baljow von Goeiland, hat nicht allein Trauerspiele, sondern auch andere Gedichte geschrieben, welche eine hochtrabende Art haben, viele sonderliche gesuchte und zusammengesetzte Wörter. Es muß auch des Heinrich Westerbarns, Herrn von Brandewyck, eines gelehrten Edelmanns, nicht vergessen werden, dessen Holländische Gedichte sonderlich zu loben, wegen ihrer Reinigkeit und nicht gemeinen Erfindung, insonderheit sein Ockenburg, und seine Nootzakelik Mall, welche voll artiger Einfälle sind, und von seinen vornehmsten Landsleuten doch gepriesen werden, auch seine Lateinischen, die er untermischt, sind wohl geschrieben. Henric Beunoos so genantes Mengelmoess ist voll lustiger Einfälle, so wohl in Niederländischer als Lateinischer Poesie, denn er hat beydes zusammen gemischet; und es hat es ihm niemand in festivo genere gleich gethan. JoH. Adolph Dans hat Liedes-Gedichte geschrieben von unglaublicher Annehmlichkeit. Der Herr von Meerwede gehet hierinnen etwas zu weit, und ob er zwar durch die Italiänischen Uberschrifften seine allzufreye Einfälle verdunckeln will, so liegen sie doch gnug am Tage. Was er hierinnen versehen, hat er nachgehends mit seinen Geestelyken Minnevlammen verbessern wollen. Jan van der Veer, in seinem so genannten Adams Appel ist voll von Schertz und Lustigkeiten, die nicht unangenehm sind, ob sie gleich etwas gemeines bey sich führen. Denn es ist alles ungezwungen aus seiner Feder geflossen. Decker, der von dem Lobe der Geldsucht, und andere Gedichte geschrieben, verdienet billig auch sein Lob. Bodicher Banning, in seinen Leydischen Oorlofsdagen, hat allerhand Gedichte, welche die [998] Mittelbahne halten. Daniel Jonclys hat nur wenig geschrieben, mehrentheils Liebes-Gedichte, sie sind aber angenehm, und von zarter Art. Seine Roselins Oogies sind mit allen erdencklichen Farben angestrichen. Seine hedensdaeghse Venus en Minerva, ein Gespräche zwischen denselben, stellet die Lustigkeiten und Verdrießlichkeiten der Liebenden und Studirenden vor, und ist wohl ausgezieret. Man hat auch bey ihnen einige Jungfrauen gehabt, die ein schönes, so wohl Lateinisches als Niederländisches Gedicht geschrieben, als die Anna Schurmanns, auf welche noch der Herr Huigens ein Lateinisch treffliches Gedichte geschrieben, darinnen er sie ermahnet von dem Labadie abzustehen; und die Anna Tesselscha, deren verlohrnes Auge mit einem weitläufftigen Niederländischen Gedichte, Oogentrost genannt, derselbe Herr Huigens beehret, welcher zu Ehren auch Barläus viel geschrieben. Es sind auch bey ihnen viel auserlesene Gedichte, von den besten Autoribus, und denen insonderheit, die sonst wenig geschrieben, in absonderlichen Büchern versammlet, worunter wohl das beste ist, de Zeeusche Nachtegael, worinnen der Seeländischen Poeten Gedichte enthalten. Es sind hier geistliche, weltliche, ernsthafftige, lustige, unter einander vermischt, auch viel Bauren-Kurtzweile, als die Eyerklacht, eines Bauren Klage über einen zerbrochenen Eyerkorb, und andere mehr, welche alle mit Lust zu lesen. Ferner ist Klioos Kraam in zwey Theilen heraus gegeben, Apollos Haarp, und andere mehr. Die darinnen enthaltene Gedichte sind theils von Anonymis und unbekannten, theils von den bekannten, und die gantze Wercke heraus gegeben, gemacht. Die Sammlungen sind zu loben, denn es werden die besten Gedichte ausgesucht, und insonderheit die wenige, die kein vollständig Werck an sich selbst machen können, oder sonst verlohren giengen. Morhofens Unterricht von der Deutschen Sprache und Poesie, p. 233. u. ff.