Zedler:Pestpräservativ


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Band: 27 (1741), Spalte: 878–881. (Scan)

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Pestpräservativ. Diejenigen, deren Amt und Beruf es mit sich bringet, bey Pestpatienten zu seyn und mit selbigen umzugehen, haben allerdings Ursache, sich um ein gutes Mittel zu bekümmern, wodurch sie sich vor der Pest bewahren können. Hier ist aber gleich anfänglich zu wissen, daß bis hero noch kein gantz gewisses Präservativ bekannt sey, worauf man sich gantz sicher und ohnfehlbar verlassen könnte, und daß viele unnütze, alberne, ja theils schädliche Medicamente deswegen seyn erdichtet worden, für welchen man sich in Acht zu nehmen hat. Denn viele sind, welche meynen, daß man durch öfteres Purgiren das pestilentzialische Gifft könne austreiben, damit das Geblüte nicht möge angestecket werden. Andere glauben, daß solches durch öfteres Schwitzen, Schröpfen, oder auch durch das Aderlassen geschehen könne. Aber alle diese machen, weil sie den Leib schwächen, den Menschen viemehr geschickt, das er desto leichter kan angestecket werden, als daß sie präserviren; es sey denn, daß jemand schon vorhero zu dergleichen Mitteln sey gewöhnt gewesen. Andere meynen durch Pestbranntwein, wenn sie solchen täglich in guter Menge einnehmen, für der Pest sicher zu seyn. Diese aber und andere dergleichen hitzige Medicamente pflegen mehr das Geblüte zu erhitzen, und also zu widernatürlicher Wallung und pestilentzialischen Fiebern vorzubereiten; es wäre denn, daß sie schon vorhero dazu gewohnt gewesen, und selbige nicht gar zu häufig gebrauchten. Eben dergleichen ist von gemeinem Branntweine, Pestlatwergen, Pestöle, Bitterweinen, und andern hitzigen Medicamenten zu halten, weil beobachtet worden, daß solche gegen die Pest nicht präferviren. Einige hängen Arsenic oder Quecksilber an, andere eine Spinne, andere Kampher, andere die Wurtzel von Wiesenzeitlosen; Viele meynen sich durch Fontanelle vor der Pest zu bewahren; aber alle diese und bisher bekannte Präservative halten keinen Stich, und niemand darf sich gewiß darauf verlassen. Die beste Präservation aber ist, daß, wer da kan, [879] bey Zeiten davon gehe, und sich an einen andern gesunden Ort begebe. Die aber bleiben müssen, sollen, wenn es ihre Profeßion nicht erfordert, sich hüten mit angesteckten Personen umzugehen. Viel weniger von ihren Kleidern, Betten, Essen oder Trinckgeschirr gebrauchen, auch sich nicht viel fürchten, anbey gute Diät halten und allzeit gutes Muthes seyn. Weil aber Aertzten und Wundärtzten zukömmt, die armen Patienten in dieser Noth nicht zu verlassen, weil es ihr Amt ist, und sie Gott in diesen Stand gesetzet hat: so sollen sie sich bey Zeiten angewöhnen, vor keiner Kranckheit zu erschrecken, und also auch nicht vor der Pest, in der Hoffnung und Vertrauen, daß sie Gott, da sie in ihrem Beruf gehen, erhalten werde, als welches das allerbeste Präservativ ist. Dennoch aber sollen sie sich auch leiblicher Weise versehen, so viel als möglich ist, und vor allen, niemahls nüchtern zu ansteckenden Kranckheiten, und also auch nicht von der Pest angesteckten Leuten gehen; sondern vorhero allzeit etwas kräftiges von Speiß und Tranck zu sich nehmen, damit der Leib gestärcket, den Ansteckungen desto besser widerstehen könne, und die üblen Dünste nicht so leichte annehme. Manche essen zu dem Ende ein Stück Brodt mit Butter, und trincken darzu ein Gläsgen Spanischen oder Wermuth- oder andern guten Wein. Also schreibet Hodges, ein Engelländer, er habe sich mit dem Spanischen Weine vor der Pest bewahret. Andere rathen an, daß man alle Morgen, ehe man solche Patienten besuchet, ein Stückgen Brodt essen soll, welches vorher in etwas Wein oder Rauteneßig, oder sonst in einen guten Eßig eingetaucht worden. Sylvius rühmet sehr sein Präservativwasser, in den Apothecken Aqua prophylactica Sylvii genannt; von welchem entweder bloß oder mit einem Stückgen Brode ein Paar Löffel voll Morgens soll genommen werden. Andere essen vorher nur eine gute Suppe, oder trincken ein Paar Tassen Chocolade, nachdem es etwan sonsten ihre Gewohnheit mit sich bringet. Bey den Patienten soll man niemahls den Speichel abschlingen, viel weniger was essen oder trincken, weil hiermit die gifftigen Dünste mit eingeschlungen werden, welche hernach das Geblüte und innerliche Theile anstecken. Auch ist derjenige Gebrauch nicht wohl zu billigen, daß einige bey den Krancken allezeit Myrrhen, Zimmt, Cardamomen, Angelic, Zittwer oder andere dergleichen Sachen käuen und essen, oder hinunter schlingen, weil hierdurch der Speichel häufig nach dem Munde gezogen wird, und sich das Gifft hernach mit einschlinget. Ehe man aber zu den Patienten gehet, so können dergieichen wohl mit Nutzen gekauet und gegessen werden, welches aber bey den Patienten nicht geschehen soll. Man soll auch trachten, nicht allzu lange bey dem Patienten sich aufzuhalten; sondern nur so lange, als es eben nöthig ist, denselben mit nöthigen Artzneyen zu versehen, oder zu verbinden, und das nöthige zu verordnen, damit man nicht durch die Vielheit der Dünste angestecket, und die Natur, welche einer geringern Menge widerstehen könnte, endlich durch die Menge gleichsam überwunden werde. Wenn man wieder von dem Patienten nach Hause kömmt: soll man Hände und Mund mit Wasser, [880] worunter was Eßig zu mischen, wohl auswaschen. Denn der Eßig widerstehet gar sonderlich und kräfftig dem pestilentzialischen Giffte und der Fäulung. Hernach andere Kleider anlegen, und die vorigen in den Wind und Lufft hängen, oder auch selbige beräuchern lassen, insonderheit mit Essig auf glüende Steine gegossen. Nach diesem wird von vielen sehr dienlich gehalten, daß man etliche Tassen Thee, Caffee, Scordien, Salbey oder andere wider die Pest dienende Kräuter, wie Thee zu sich nehme, weil darauf ein gelinder Schweiß erfolget, und also, wenn man ja etwan was gifftiges aufgefangen hätte, solches alsobald wieder ausgetrieben und das Geblüt in einer guten Flüßigkeit erhalten würde. Hierbey ist währender Pest gute Diät zu halten, und der Leib nie mit Essen oder Trincken zu überladen, weil hierdurch Rohigkeiten und Fäulung entstehen, der Leib geschwächet und also desto leichter kan angestecket werden. Derohalben soll man nur eben so viel essen und trincken, als man füglich ohne Beschwerniß verdauen kan, und zu Erhaltung der Leibeskräffte vonnöthen ist. Denn hier ist aller Uberfluß sehr schädlich. Man kan zwar allerley Speisen genüssen, gleichwie man zu andern Zeiten ist gewohnt gewesen: und darf eben nicht nur zarte, sondern auch wohl grobe und gemeine Speisen genüssen, wenn man sich nur nicht überladet. Die Suppen und Brühen können oft, wo es sich schicket, mit was Eßig oder Citronensaffte, oder auch mit Limonien, Capern, und dergleichen, säuerlich gemacht werden, weil alle gelinde säuerliche Dinge gegen die Pest gar dienlich befunden werden; und daher ist auch der Gebrauch von allerhand Sallat nicht schädlich. Desgleichen kan man zum ordentlichen Geträncke gebrauchen, was man sonsten zu trincken gewohnt gewesen, dabey dennoch bey der Mahlzeit, um den Magen und gantze Natur zu stärcken, auch eine gute Dauung zu machen, ein Trunck Spanischer oder sonsten guter Wein, mit gutem Nutzen kan zu sich genommen werden. Wer zum Tobackrauchen vorher ist gewohnt gewesen, kan bey seiner Gewohnheit bleiben; wer aber zu selbigem nicht gewohnt, sonderlich, wenn er ohnedem hitziger Natur ist, hat keinen Nutzen davon zu gewarten, wie gleichwohl viele geglaubt haben, und soll sich also alsdenn nicht erst dazu gewöhnen, indem, wie vielfältig beobachtet worden, viele Tobackraucher, in der Pest, gestorben. Ingleichen, wer sonsten die Gewohnheit gehabt, zu gewissen Zeiten zu laxiren, Magenelixir einzunehmen, zur Ader zu lassen, und dergleichen, soll solches auch in der Pest zur gewöhnlichen Zeit nicht übergehen, und von seiner vorigen Lebensart nichts ändern, als nur, was er zu viel und zu wenig gethan. Die Venus, weil sie den Leib schwächet, insonderheit bey ohnedem schwächlichen Leuten, ist höchst schädlich. Vor die Nase zum rüchen, kan man, um den Gestanck und böse Ausdünstungen einiger massen zu verbessern, zuweilen ein Schwämmgen mit Rauten- Lavendel- oder anderm Eßige angefüllet halten, auch die Häuser mit Wachholderbeeren, Wachholderstauden, Schüßpulver oder angezündetem Schwefel beräuchern lassen; oder man güsset Eßig auf einen glüenden Stein, oder glüende eiserne Platte, [881] daß der saure Dunst die Häuser durchkrieche, und die giftigen Dünste vertreibe.