Zedler:Pestgeschwülste


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
korrigiert
<<<Vorheriger

Pestflecke

Nächster>>>

Pesth

Band: 27 (1741), Spalte: 817–825. (Scan)

[[| in Wikisource]]
in der Wikipedia
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|27|Pestgeschwülste|817|825}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Pestgeschwülste|Pestgeschwülste|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1741)}}


Pestgeschwülste, Tumores pestilentiales, sind diejenigen widernatürlichen Erhöhungen, so sich bey den Pestpatienten als gewisse Zufälle der Pest einzustellen pflegen. Sie werden getheilet in Pestbeulen, welche man Lateinisch Bubones, und in Pestblasen, welche man Carbunculi oder Anthraces nennet. Jene, die Pestbeulen, sind entzündete Geschwülste, welche zu Pestzeiten, nicht nur an den Ohren, Achseln und Weichen, wie die gutartigen Beulen, sondern auch am Halse, der Brust, den Armen, Füssen, und andern fleischigen Theilen des Leibes entstehen; wodurch die Natur das Pestgifft aus dem Leibe abzusondern und auszutreiben trachtet. Man erkennet selbige und unterscheidet sie von andern entzündeten Geschwülsten dadurch, daß sie zu Pestzeiten mit andern Pestzeichen und Zufällen, welche entweder vorher gegangen, oder, noch gegenwärtig, oder doch bald folgen werden, erscheinen. Alle Leute, welche an der Pest erkrancken, bekommen, wo sie anders nicht gar zu geschwinde sterben, entweder gleich im Anfange, wenn sie damit überfallen worden, oder etwas später, solche Beulen; einige empfinden sie schon, wenn sie auch noch nicht kranck sind, sondern noch ihre Geschäffte verrichten; andere aber bekommen selbige im zweyten, dritten oder vierten Tage, nachdem sie schon von der Pest sind überfallen worden, selten später; viele bekommen allein Beulen, andere auch zugleich Pestblasen, wenige aber Pestblasen allein. Welchen die Beulen ohne hefftige Zufälle hervor kommen, wohl wachsen, und bald zur Zeitigung gehen, dieselben kommen davon, und haben die neuern Aertzte aller Orten bey der Pest angemertcket, daß der Hauptzweck der Pestcur darinne bestehe, daß man den Beulen wohl heraus helffe; und daß niemand von der Pest befreyet werde, ausser durch die Beulen, und die Cur von diesen, sey auch die Cur von der Pest selbst. Daher rathen fast alle, daß man auf die Beulen keine zurück treibende oder [818] zertheilende Mittel legen soll, weil die meisten Patienten gestorben, welchen die Beulen vergangen; und dürffe man auch deswegen ihnen nicht zur Ader lassen, noch purgiren: weil dadurch das Pestgifft wieder zurück in das Geblüte gezogen würde, welches doch die Natur durch die Beulen austreiben will. Daher soll bey der Pest des Artztes und Wundartztes vornehmste Sorge seyn, der Beulen Anwachsung und Eyterung oder Zeitigung zu befördern. Derohalben wenn jemand zur Pestzeit eine schmertzhafte Geschwulst spüret, wenn ihm auch sonst noch nichts fehlet, soll er sich gleich zu Hause halten, und vor der Lufft hüten, damit die Natur nicht in Austreibung des Beulen verhindert werde: ja noch besser ist es, wenn sich solcher Mensch alsobald ins Bette leget, und so wohl innerliche als äusserliche Artzneyen gebrauchet, welche die Austreibung der Beulen gelinde befördern. Hierzu dienet äusserlich, daß man den Ort, wo die Geschwulst vermercket wird, mit der Hand oder mit Tüchern wohl reibe, und hernach erweichende und zeitigende Mittel auflege, damit je eher je besser dieselbe heraus kommen, und die Zeitigung zuwege gebracht werde. Hierzu dienet nun warmer Sauerteig entweder allein, oder mit etwas Saltz und zerstossenem Senffe aufgeleget, so wird theils durch die erweichende, theils durch die prickelnde Krafft dieses Mittels das Böse aus dem Geblüte gleichsam hieher gezogen, die Beulen wachsend gemacht, und die Natur entlediget sich hierdurch von dem Giffte, welches hier in Eyter verwandelt, und also aus dem Leibe geschaffet wird. An statt dieses Medicamentes können auch alle erweichende Umschläge dienen, und dazu genommen werden Rad. Lilior. albor. Alth. Flor. Sambuc. Melilot. Herba Parietar. Mercurial. Crocus, Sem. Lini oder foenugraec. welche Sachen man in Milche zu einem Breye kochet, und als einen Umschlag aufleget, nicht nur die Schmertzen damit zu stillen, sondern auch die Geschwulst besser heraus und zur Eyterung zu bringen. Als z. E.

Rec. Herbae Malv.
Astheae,
Parietar.
Chamomill. aa. Mj.
Farin. Sem. Lini oder
foenugraec. ℥ij.

Dieses kochet bey gelindem Feuer in Wasser oder Milch zu einem Breye, und zuletzt mischet dazu Sauerteig ℥ij. Gum. Galban. mit Eyerdotter aufgelöset ℥j. und gebraucht solches hernach offt warm zwischen leinen Tüchern. Oder

Rec. Fol. Malv.
Branc. Ursin. aa. Mij.
Caricar. pinguium contusar. No. vj.

Diese Stücke kochet man, wie vorher gesaget, und mischet zuletzt dazu ungesaltzene Butter, und unter der Asche gebratene Zwiebeln, von jedem ℥ij. Leinsaamenmehl, so viel als nöthig, zur Dicke eines Breyes. Oder

Rec. Rad. Lilior. albor. ℥ij.
Herb. Parietar.
Mercurial.
Melilot. aa. Mj.
Ficuum recent. contus. No. vj.

[819] Wenn diese Stücke zusammen in Wasser zu einem Breye gekochet, thut man hernach dazu Gumm. ammoniac. und Sagapen. mit Eyerdotter aufgelöset, guten Eßig, von jedem eine Untze, Leinöl ℥iß. und machet daraus einen Umschlag. Oder: Man nimmt Rocken- oder Semmelmehl, zwey oder drey Hände voll, kochet solches in Milch, und mischet hernach dazu Gumm. Bdellium und Opopanax mit Eyerdotter verrührt, von jedem eine Untze, Safran ein Qventgen, und machet daraus einen Umschlag. Oder man nimmt Sauerteig drey Untzen, geschabte Venetianische Seiffe eine halbe Untze, und machet mit weiß Lilienöle einen Umschlag. Oder man kan auch Honig nehmen vier Untzen, selbigen bey gelindem Feuer mit ein wenig Wasser kochen, endlich ein wenig Lein- oder Chamillenöl darunter mischen, und zuletzt so viel Rocken- oder Leinsaamenmehl, als zur Dicke eines Aufschlages nöthig ist. Oder man nimmt Rockenmehl eine halbe oder gantze Untze, Honig, so viel genung ist zur Stärcke eines dicken Breyes oder Umschlages, machet es mit ein wenig Milch und Safran in einem Pfännlein warm, und leget es mit Tüchern über. Oder man nimmt Rockenmehl vier Untzen, Gumm. Galban. mit Eyerdotter aufgelöset, eine Untze, Eßig drey Untzen, und Wasser so viel als genung ist, solches zu einem Umschlag zu kochen. Oder man nimmt Sauerteig zwey Untzen, Honig eine halbe Untze, geschabte Venetianische Seiffe und Chamillenöl, von jedem zwey Untzen, lässet dieses zusammen in einem Pfännlein warm werden, und schläget es wie einen Brey offt warm über. Diese Aufschläge soll man allezeit mit warmen Tüchern, warmen Küßlein, oder warmen Säcklein bedecken, damit selbige die Wärme desto länger halten mögen; und hiermit fähret man fort, bis die Geschwulst zeitig ist. Insonderheit werden auch hier sehr gelobet die unter heisser Asche gebratenen Zwiebeln, welche man mit etwas Theriac und Butter vermischet, und als einen Umschlag offt warm aufschläget. Und dieses Mittel ist in der That nicht unrecht. Deswegen auch einige zu den erweichenden Sachen scharffe, z. E. Senfsaamen und dergleichen setzen, damit nemlich durch jene die Aussonderung der Materie nicht nur befördert, sondern auch durch diese die äusserlichen Zäsergen gelinde geprickelt, und also ein stärckerer Zufluß der verderbten Säfte erreget werde. Und dader kommt es, daß man von den Zwiebeln saget, daß sie das Gift an sich zühen. Gleichfalls sind die warmen Brod- und Semmelkrumen mit Milch und Safran zu einem Breye gekocht, hier sehr dienlich. Einige gebrauchen an statt der Aufschläge erweichende Pflaster, bey welchen nicht nöthig ist, daß man den Patienten so oft aufdecke, und dadurch die Ausdunstung verhindere, da denn das Emplastrum Diachylum simplex oder compositum sehr dienlich ist. Barbette rühmet in seinem Tractate von der Pest folgendes:

Rec. Empl. Diachyl. c. Gumm.
de Mucilaginibus, aa. ℔ß.
Seminis Sinapi pulverisat, ℥iij.
Unguent. Basilic. ℥iv.
M. F. Emplastrum.

[820] von welchem man so viel als genung ist, auf die Geschwulst, so vorhero wohl soll gerieben werden, aufleget, und solches entweder täglich, oder alle zwey Tage verneuret. Der berühmte Engelländer Hodges, in Beschreibung der grossen Londischen Pest im Jahre 1665 rathet folgendes an:

Rec. Empl. Oxycroc. ℥iij.
Gumm. Galban. colat.
Carannae, aa. ℥j.
Picis naval. ℥ij. cum Oleo Chamomill.
liquato F. l. a. Empl.

welches eben wie voriges kan gebrauchet werden. Das so genannte Honigpflaster aus Mehl, Honig und Eyerdotter bereitet, kan gleichfalls hier sehr wohl dienen. Sonst hat man auch Blasenpflaster aus Spanischen Flügen, und trockene Schröpfköpfe, die Pestbeulen auszuzühen, gebrauchet: welche aber von den neuern Schriftstellern, die in der Pest gelebet, und von derselben geschrieben, verworfen werden. Der berühmte Kayserliche Leibartzt Herr von Beintema erzählet in seinem Lateinischen Tractate von der Pest, daß offtmahls die ausgeschlagenen Pestbeulen durch Auflegung warmer Asche wären glücklich vertrieben worden, ohne daß etwas Ubeles darauf erfolget. Daher er vermuthet, daß das Pestgifft dadurch nicht zurück getrieben, sondern heraus gezogen worden, und ist also fast der einige, welcher die Vertreibung der Pestbeulen nützlich befunden. Nebst den äusserlichen Mitteln soll man auch innerliche Artzneyen gebrauchen, welche aber so beschaffen seyn sollen, daß sie nicht zu hitzig, sondern nur gelinde zur Austreibung behülflich seyn: indem angemercket worden, daß die starcken und hitzigen schweißtreibenden Mittel mehr Schaden als Nutzen bringen. Am dienlichsten aber werden befunden die warmen Wassergeträncke, weil selbige nicht nur einen gelinden Schweiß austreiben, sondern auch das Geblüte temperiren und flüßig machen: derohalben lasse man die Patienten öffters warmen Thee, mit ein wenig Safran vermischet, trincken; oder man brühe mit siedendem Wasser gleichwie man den Thee bereitet, Salbey, Scordien, Raute, Schafgarbe oder Betonien auf; oder man gebe ihnen ein abgekochtes Gerstenwasser, mit oder ohne etwas Scorzonere gekochet, offt warm zu trincken, und erhalte hiermit den Patienten in beständigem gelinden Schweisse oder Ausdunstung, in einem temperirten Zimmer und in einem Bette, gleichwie sie sonsten gesund gewesen; den Patienten aber zu starckem Schweisse mit Gewalt zu nöthigen, ist schädlich: auch soll man sie nicht kalt trincken lassen, weil hierdurch die Ausdunstung verhindert, und die Beulen zurück getrieben werden. Wenn ein Patiente sich sehr schwach befindet, und keine besondere Hitze vorhanden, so kan man ihm von dem Elixir Proprietatis, oder von der Mixtura simplex, oder Tinctura bezoardica, oder Essentia Myrrhae, oder Scordii zwey bis drey mahl des Tages 30 bis 40 Tropfen in etwas Warmen eingeben, oder auch nach Belieben von einem guten Bezoarpulver. Hingegen aber bey hitzigen Naturen dienet, um die Hitze zu mäßigen, der gereinigte Salpeter mit Krebsaugen und präparirten Muschelschalen: ingleichen mäßig sauere Sachen, als Citronen- und [821] Granatensaft oder Syrup, mit Borragen- Ochsenzungen- oder sonst einem anderen temperirten Wasser: wozu man auch, wo die Hitze stärker, etliche Tropfen vom versüßten Vitriolgeiste kan zuthun, und davon öfters nehmen lassen. Diese Artzneyen sind hinlänglich, die Pestbeulen innerlich zu heilen, wie solches die besten Schriftsteller, so von der Polnischen, Preußischen, Dänischen, Oesterreichischen, Ungarischen u. Regenspurgischen Pest geschrieben haben, bezeugen; mit welchen so fortzufahren, bis die Beule entweder sich vertheilet, und der Patiente sich wieder wohl befindet, (welches zuweilen geschiehet, ohne daß sie zur Eyterung kommt) oder bis man dieselbe zur Zeitigung gebracht, gleichwie meistens zu geschehen pfleget: welches zuweilen ziemlich bald erfolget, zuweilen aber zwey, drey bis vier Wochen erfordert. Derohalben muß man, wenn es sich lange verziehet, mit oben bemeldeten Mitteln nur fortfahren, bis die Beule entweder von selbst aufbricht und sich öfnet; oder wenn sie sich nicht von selbst öfnen wolte, und dennoch zeitig wäre, soll man dieselbe durch einen Schnitt mit einer Lanzette, gleichwie sonst in Eytergeschwulsten gewöhnlich, eröfnen, und also dem Eyter einen Ausgang machen, damit es nicht in die Adern zurückgehen möge. Doch muß hierbey diese Behutsamkeit wohl beobachtet werden, daß man das Geschwür nicht eher aufmache, als bis es vollkommen gekochtes Eyter enthält: Denn wenn einer eher drüber kömmt, und einen Stich hinein thut, so wird leichtlich eine entsetzliche Entzündnung verursachet. Nachdem also die Beule geöfnet, reiniget man solche mit einem Digestive, worunter ein wenig Theriack und ein wenig Balsamus Sulphuris therebiathinatus soll gemischet werden, und wenn das Geschwüre rein, heilet man selbiges mit einem Wundbalsam, gleiche wie sonst eine Wunde oder anderes Geschwüre. Beym Verbinden der geöfneten Beule soll das Eyter allezeit gelinde, ohne alle Gewalt ausgedrücket und wohl gereiniget werden, auch soll man hier keine Wiecken noch Meissel brauchen, es sey denn, daß die Oefnung sehr klein wäre: allwo denn noch besser, dieselbe etwas weiter zu schneiden. Das Diachyl- oder das Honigpflaster kan nach der Oefnung bis zur völligen Heilung am dienlichsten zur Bedeckung der Wunde gebrauchet werden. Endlich ist auch noch zu mercken, wie die meisten neueren Schriftsteller, so von der Pest geschrieben, lehren, daß die Pestbeulen, wie wir auch selbst nur kürtzlich erinnert haben, nicht eher zu öfnen, sie wären denn vorher wohl zeitig; das ist, daß man die Materie in selbigen fühlen oder sehen könne. Denn wenn sie eher geöfnet würden, so entstünden daraus schlimme Fisteln, Steifigkeit der Glieder, ja gar der Brand, gleichwie verschiedene Schriftsteller wollen angemercket haben: von welchen einige auch gar versichern, daß man fast niemals nöthig hätte, eine Pestbeule zu öfnen; sondern daß dieselbe schon bey dem Gebrauche dienlicher Mittel zu rechter Zeit von selbst aufbrechen würde. Einige je dennoch sind, welche behaupten wollen, daß die Pestbeulen nicht nur, ehe sie reif, sicher könnten geöfnet werden, sondern daß solche Patienten noch viel eher und besser würden davonkommen, wenn man dieselben gleich im Anfange als andere eröfnete. Bes. Ephemetid. [822] Natur. Cur. Cent. VII. p. 160. Obs. 69. Einige von den Alten haben angerathen, daß man die Pestbeulen ausschneiden solle, um dadurch das Gift auf einmal wegzunehmen, welches aber von den Neuern verworfen und für schädlich gehalten wird, und zwar 1) weil es eine schwere Operation sey, welche 2) zum heissen und kalten Brande Gelegenheit gebe, und also 3) den Patienten in augenscheinliche Lebens-Gefahr stürtze. Daß aber das Ausschneiden eine schwere Verrichtung sey, erhellet daraus, weil die Pestbeulen gemeiniglich auf solchen Theilen des Leibes sitzen, an welchen die Ausrottung durch den Schnitt, entweder wegen der benachbarten Flechsen, oder grossen Blutgefässe, nicht unternommen werden kan. Nichts destoweniger, wenn einer dem ungeachtet, solchen Ausschnitt unternehmen wolte; so ist nöthig, daß er auch diejenige Behutsamkeit dabey beobachte, welche gemeiniglich von den Liebhabern dieser Operation pfleget angerathen zu werden. Nemlich 1) daß man das Ausschneiden nicht eher vornehme, als bis die Beule ihre vollkommene Größe und Reife erlanget habe: Denn wenn die Natur im Auswurfe stünde, und mit Bereitung des Eyters, und Sammlung des Pestgiftes beschäftiget wäre, müßte zur selben Zeit die Ausrottung unvollkommen und ohne Nutzen ablaufen: angesehen, wegen des beständigen Zuflusses der giftigen Säfte, zu Entzündungen, ja zum heissen und kalten Brande Gelegenheit gegeben würde. 2) Auch dürfe man solches nicht versuchen, wo die benachbarten Theile das Gegentheil anriethen, z. E. wenn die Pestbeule an dem Halse neben grossen Blutgefässen, oder in den Weichen sässe, wo ebenfalls grosse Aeste von den Blutgefässen angetroffen würden, die runterwärts nach den Schenckeln zu liefen. 3) Wenn nun die Pestbeule mit Nutzen ausgeschnitten wäre, so dürfte man das darauf folgende Blut nicht so gleich stillen, sondern eine Weile laufen lassen, damit das unreine Geblüte zugleich mit abflüssen möge. Ja einige verordnen noch dazu innerlich, um den Blutfluß zu befördern, als eine treibende Artzney, die Myrrhentinctur, welche zugleich, vermöge ihrer balsamischen Kraft, das übrige Geblüte vor der Fäulniß bewahren soll. Nachdem nun aber genug Blut weggeflossen, oder bereits allzuviel abgelaufen; so muß man den ferneren Abfluß mit stopffenden Mitteln hemmen, unter welchen das vornehmste rectificirter Branntewein ist. Oftmals folget auf den gestopfften Blutfluß eine Eyterung, welche eben so muß befördert und abgewartet werden, wie bereits oben gesaget worden. Andere, welchen das Ausschneiden der Pestbeulen und Pestblasen nicht gefallen, haben das Brennen mit einem glüenden Eisen angerathen, und hat besonders Stahlen dieses Mittel sehr wohl gefallen, und solches dem Pestauswurfe vor sehr zuträglich und dienlich erachtet. Denn er meynet, daß das glüende Eisen von grosser Würckung sey, nicht nur die Pestbeule und Pestblatter zu brennen, sondern es geschehe auch vermöge der Hitze dieses würcklichen Feuers, es möge nun selbige von ferne oder in der Nähe und unmittelbar auf den leidenden Theil kommen, daß das Pestgift als ein Dunst verrauche. Allein die neuern Aertzte wollen auch nicht gar zu viel von dieser Operation halten; dieweil sie die Erfahrung gelehret [823] hat, daß besagtes Mittel das Pestgift vielmehr zurück in den Cörper triebe, so, daß die Patienten, an welchen solches gebrauchet worden, in kurtzem darauf gestorben. Demnach scheinet es wohl am allerbesten zu seyn, sich so wol des Ausschneidens, als des Brennens zu enthalten: zumal da man bey nahe einem, der noch kein Fieber hat, damit eines machen könnte, in Ansehung der Furcht, welche die Leute vor dergleichen Operationen haben: Wie wolten demnach diese bey einem armen Patienten, der ausser den Pestbeulen und Pestblattern noch dazu an einem giftigen Fieber darnieder lieget, statt finden? Nun kommen wir auch zu der andern Art der Pestgeschwülste, so Pestblasen und Pestblattern genennet werden. Es ist aber eine Pestblase, so im Lateinischen Carbuneulus und auf Griechisch Anthrax, siehe Anthrax, im II Bande, p. 521, heisset, in der Pest eine Entzündung, diemit brennenden Blasen an einem Theile des menschlichen Leibes entstehet, und fast eben so aussiehet, als wie die Blasen, welche durch Verbrennen am Leibe verursachet werden: Zu diesen Pestblasen aber kommt der kalte Brand, oder Fäulung der darunter liegenden Theile jähling, wodurch selbige schwartz wie eine Kohle, und bis auf die Beine verfaulet werden, als wovon der Lateinische und Griechische Name seinen Ursprung hat. Es entstehen diese Blasen ordentlich geschwinde, innerhalb einigen Stunden mit grossem Brennen und Schmertzen: und wenn man sie öfnet, läuft ein wenig blaulichtes, zuweilen auch klares Wasser heraus. Unter dieser Blase siehet das Fleisch aus, als ob es schwartz gebrannt wäre, welches aber in der That ein kalter Brand oder Fäulung ist, welche um sich frisset; endlich aber doch, wenn der Patiente anders davon kommt, von dem noch gesunden Fleische durch die Eyterung sich absondert und ausfället. Diese Pestblasen sind von unterschiedlicher Grösse, auch bald viele, bald wenige an einem Patienten anzutreffen: auch pflegen sie an allen Theilen des Leibes ohne Unterschied zu entstehen und hervorzukommen, gemeiniglich zugleich mit den Pestbeulen, und werden selten alleine, oder ohne Pestbeulen gesehen. Die Ursache dieser Blattern ist eine heftige Entzündung, so durch die Stockung des vom Pestgifte angesteckten Geblütes, und die darauf jähling erfolgende Fäulung und Tödtung des angestckten Theiles kommt: Denn es wird diese Entzündung nicht zur Zeitigung gebracht, wie die Beulen, sondern es kommt der kalte Brand dazu, und muß sich völlig absondern und herausfallen. Denn die Theile in dem Umfange der Blatter müssen sich entzünden und zur Eyterung beqvemen, wenn anders der Tod solches nicht verhindert: und vermittelst dieser Eyterung wird der erstorbene schwartze Theil von dem gesunden abgesondert. Was die Gefahr und den Ausgang der Pestblasen anlanget, hat die Erfahrung gelehret, daß selbige gefährlicher, als die Beulen sind; insonderheit wenn sie gleich gantz schwartz oder schwartzgelb aussehen. Wenn sie aber im Anfange roth, und nach und nach eine Citronenfarbe bekommen, sind sie nicht so gefährlich. Wenn selbige im Gesichte, am Halse, auf der Brust und unter den Achseln entstehen, pflegen die Patienten meistens zu sterben. In Heilung der Pestblattern soll man, was die [824] Diät und innerliche Artzneyen anlanget, den Patienten eben so begegnen, gleichwie bey den Pestbeulen oben ist gesaget worden; welches hauptsächlich darinne bestehet, daß man selbige allezeit in einer gelinden Duft oder Ausdünstung erhalte. Aeusserlich aber hat man zu trachten, daß die Absonderung der Pestblatter befördert werde. Zu dem Ende rathen einige von den neueren Schriftstellern, daß man die Blattern vor allen Dingen wohl schröpffen solle, auf daß dadurch das scharfe, giftige, darinne stockende Blut und Gewässer einen Ausgang bekomme. Andere aber öfnen nur die Blasen mit einer Schere, um das darinnen enthaltene Wasser heraus zu lassen, und bestreichen hernach die Blatter oft mit warmen Kampferbrannteweine, oder mit Brannteweine, worinne ein wenig Theriack zerlassen, und legen hernach einen zeitigenden Umschlag auf, z. E.

Nehmet Honig vier Löffel voll,
Sauerteig drey Löffel voll,
zwey Eyerdotter,
Seife ein Loth, mischet solches und leget es warm auf.
Oder Nehmet Rocken- und Weitzenmehl vier Loth,
Eßig ein Loth, und kochet es zur Dicke eines Aufschlages, thut hernach dazu Honig eine Untze, gepülverten Safran ein Qventgen, und leget dieses oft warm auf.

Auf diese Art muß man fortfahren, bis sich die Pestblatter abgesondert hat und ausfället: als welches besser ist, als wenn man solche dem Patienten wolte ausschneiden, gleichwie einige mit Schaden vieler Patienten sollen gethan haben. Dennoch aber, wenn die Blatter meistentheils los ist, und nur noch ein wenig anhänget, kan man dieselbe wohl mit einem Messergen völlig ablösen: Denn wenn man selbige zu früh ausschneidet, so haben die Patienten nicht nur grössere Schmertzen, sondern sollen auch dadurch allerley übele Zufälle bekommen, und hernach oft gar sterben. Wenn aber durch ein frühzeitiges Ausschneiden, oder auch wol von selbst, wildes faules Fleisch in der Hohligkeit sich äusserte, soll man solches mit dem Aeguptiac- oder mit Würtzens braunen Sälbgen, oder auch mit folgendem wegzunehmen trachten:

Nehmet zwey Löffel voll Honig,
zwey Eyerdotter,
gebrannte Alaune,
gepülverte Entzian und Osterluzen-Wurzel, von jeder ein Qventgen und rühret solches unter einander zu einer Salbe.

Wenn aber ein Brand, oder grosse und heftige Entzündung dazu käme, gleichwie manchmal zu geschehen pfleget, so ist folgendes Mittel zu gebrauchen:

Rec. Sal. Absinth. ℥ß.
Herb. Scord.
Flor. Sambuc.
Chamomill. aa. Mj.
Aquae simpl. lbiiß. Kochet dieses eine Viertelstunde, zu dem Durchgeseigten thut vom besten Brannteweine, oder [825] Kampherbranntweine sechs Untzen, Theriac zwey Untzen, und leget solches öfters warm mit zusammen gefaltenen Tüchern auf, bis sich die Entzündung oder der Brand vertheilet.

Sonst aber, wo sich solche Zufälle nicht ereignen, soll man, nachdem die Blatter sich abgesondert hat, das Geschwüre entweder mit Würtzens braunem Sälblein, oder mit dem Digestive, welches oben bey den Pestbeulen beschrieben worden, reinigen. Man muß aber, mit der Reinigung, so wohl der Blattern als Beulen lange anhalten, damit nichts von dem Gifte zurück bleiben möge, und etwan der Schaden wiederkomme: Derohalben soll man das Geschwüre nicht eher zuheilen, als bis alle Zufälle der Pest bey dem Patienten nachgelassen haben, oder völlig vergangen seyn. Alsdenn aber, wenn das Geschwüre wohl gereiniget, heilet man selbiges zu, gleichwie andere Eytergeschwülste und Wunden, und insonderheit durch Auflegung der Myrrhen- und Aloesessentz mit Carpie, worüber man das Glättpflaster, oder ein anderes dergleichen leget, und damit fortfähret, bis der Schade wiederum völlig geheilet und geschlossen. Manche wollen, daß man zur Ausrottung der Pestblattern, und um die gantze Heilung zu befördern, an statt der Artzneyen ein glüendes Eisen gebrauche, und mit solchem, wenn es anders der Ort zulässet, die Blatter bis auf das gesunde Fleisch wegbrenne: welches man erkennet, wenn die Patienten Schmertzen empfinden: denn in dem erstorbenen Fleische haben sie weder vom Schneiden, noch vom Brennen Empfindung, und schreibet Hodges, daß er in der Londischen Pest nichts kräfftigeres und besseres gegen die Pestblattern befunden habe, als die Brenneisen. Es leiden aber erstlich die Patienten das Brennen nicht leicht, und es sind auch sonst vielerley Ursachen und Verhinderungen, daß man die Brenneisen nicht allezeit wohl beybringen kan, da man sich also doch der vorher beschriebenen Manier bedienen müßte. Der berühmte Sylv lobet die Spießglasbutter, als das gewisseste und kräftigste Mittel, die Pestblattern abzusondern, und rathet, daß man mit selbiger den Umkreis der Blatter wohl bestreiche, so würde hierdurch ihr Fortgang nicht nur verhindert, und ein Schorf zwischen dem gesunden und faulen Fleische erwecket, sondern auch die Blatter von dem gesunden dadurch bald und wohl abgesondert werden. Dieses aber verwerfen diejenigen Schrifftsteller, welche von der Wiener- und Regenspurger Pest geschrieben haben, und versichern, daß übele Zufälle, ja der Tod selbst, innerhalb wenig Stunden darauf erfolget wären. Botticher hingegen, in Beschreibung der Coppenhagener Pest, lobet und rathet die Spießglasbutter gar sehr an. Dennoch ist glaublich, daß die erst beschriebene Manier gelinder und sicherer sey, als die Spießglasbutter und die Brenneisen. Wenn aber ja jemand durch diese oder jene die Pestblattern abgesondert hätte, so muß er doch hernach mit dem reinigenden Sälbgen den Ort wohl ausreinigen, und hierauf selbigen auf die vorherbeschriebene Art zuheilen.