Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Pestbeule

Band: 27 (1741), Spalte: 801–808. (Scan)

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Pestbediente. Darunter werden die Kranckenwärter, Todtenankleider, Todtengräber und dergleichen Leute verstanden, welche den Pestpatienten theils in ihrer Kranckheit beystehen, theils selbigen nach ihrem Tode unter die Erde verhelffen. Ob nun wohl solche Leute gemeiniglich rar sind; So finden sie sich doch endlich, wiewohl sie meistentheils aus einem liederlichen, unbarmhertzigen, faulen, trägen, meist aber versoffenen und diebischen Gesindel bestehen, weil die Rechnung leichte zu machen ist, daß sich solche sonst nicht zu diesem Amte gebrauchen lassen würden, es sey denn, daß sie durch Armuth und Hunger dazu ermahnet würden. Finden sich nun noch fromme Kranckenwärter: so müssen sie auch auf ihre eigene Person gute Obacht haben. Sie müssen sich der Mittel bedienen, welche zu Bewahrung ihrer Gesundheit vonnöthen sind, damit sie nicht allein ihr Leben fristen, sondern auch ihren Krancken desto länger aufwarten und dienen können. D. Herlitz hat Part. II. Consil. Politic. physic. c. II. für solche folgende Regeln zu beobachten für rathsam gehalten: Daß sie, wenn sie sich zuförderst mit GOtt nach seinem Befehle versöhnet, 1) in dem Gemache, darinne der Krancke lieget, oft die Fenster aufthun, obschon der Winter vorhanden sey, und dieses absonderlich, wenn man den Wind von Mitternacht haben kan, 2) sich hüten, daß die Luft von dem Krancken nicht gegen ihn wehe; und wenn 3) der Krancke in obern Gemächern lieget, daß man Treppen zu ihm steigen muß, so soll, der zu ihm will, erst vor der Kammer an der Luft ruhen, damit er den Athem nicht so starck an sich zühen müsse, wenn er zu dem Krancken kömmt. 4) Soll auch ein jeder, der zu dem Krancken gehen will, sich zuförderst des [802] Stuhlgangs, Urins, und alles Unraths entledigen; auch 5) nicht nüchtern solche besuchen. Soll auch 6) ofte aus dem Gemache gehen, und frische gute Luft schöpffen. 7) So oft man in des Krancken Gemach gehet, soll man sich vorher mit gutem scharfen Roseneßige, an den Schlagadern, in Nasenlöchern und an den Händen netzen; 8) an grüne Raute rüchen, auch Zittwer, Lorbeer, Diptam und Angelick kauen. 9) Nicht viel mit dem Krancken reden, daß er nicht durch seinen Athem beschädiget werde. 10) Wer die Krancken besuchen muß, soll bisweilen des Morgens ein halbes Qventgen guten Theriack, zur Sommerszeit in Sauerampfwasser, zur Winterzeit aber in Weine zertrieben zu sich nehmen und genüssen; oder 11) andere Sachen brauchen. Wenn der Krancke redet, sollen sie 12) ihren Mund allzeit beschlossen halten. 13) Sollen auch vor der Speise, wovon der Krancke genossen, als auch vor dessen gebrauchtem Geschirr keinen Eckel haben. 14) Da es möglich, sollen sie alle Tage ihre Kleider ändern und die vorigen auslüften, sich auch fleißig vor des Krancken oder Abgestorbenen Kleidern hüten, weil der vergiftete Dunst sich in solchen lange Zeit verborgen hält. 15) So sollen auch solche Kranckenwärter zuvor den Leib von allen bösen Feuchtigkeiten reinigen, sonderlich mit den unten beschriebenen Pestpillen, und wenigstens die Woche einmal einen Schweißtranck einnehmen. Sie sollen 16) auch Küchelgen unter die Zunge zu nehmen haben. Ingleichen Nasensälbgen brauchen oder Kräuter vor den Mund halten, sonderlich grüne Raute, Giftknöpfgen oder Schwämmgen, daran sie rüchen, auch des Morgens einen Löffel voll Meerrettig mit Saltz und Safran genossen, soll ein bewährtes Bewahrungsmittel seyn. 17) Sollen des Morgens ihre Kleider auch des Tages oft gantz wohl durchräuchern lassen. 18) Den Mund auch öfters mit einem Decocte oder Weine ausspülen. 19) Sollen sich auch aller Mäßigkeit gebrauchen, und sich nicht mit Fressen und Saufen überladen. 20) Warm Brodt und Wasser in die Stube stellen. 21) Wenn ein Mensch an der Pest gestorben, soll em grosses Flammfeuer von Wacholderholtze in dem Zimmer gemacht, auch anderes gutes Rauchwerck angezündet werden. 22) Die Kranckenwärter sollen stets, wo es möglich ist, ein brennendes Wachslicht in den Händen haben und vor den Mund halten, wegen Verzehrung der bösen Dünste. 23) In die heimlichen Gemächer der Krancken, auch Gesunden, soll ungelöschter Kalck geschüttet werden, auch kan man allerhand wohlrüchende Käuter da herum streuen. 24) Die Prediger und Aertzte sollen sich nicht lange in des Krancken Gemache aufhalten und sich vor dem Schweisse, Gestancke der Stuhlgänge und des Urins verwahren. 25) Solche Kranckenwärter sollen, was der Medicus anbefiehlt, fleißig in Acht nehmen, daß sie dem Krancken alles verrichten, eingeben und gebrauchen, wie er es oder der Barbierer verordnet hat. Denn wenn des Medicus Verordnung nicht in allem durchgehends gehalten wird; so muß der Krancke untergehen und die Schuld ist dem Medicus nicht zu geben. 26) Sie sollen dem Patienten auch ein fröliches Hertze machen, ihn trösten und alle Furcht des Todes [803] benehmen, auch ernstlich und fleißig für ihn beten, denn dieses ist in dieser Sucht die beste Artzney. 27) Im Gegentheil aber, da keine Hofnung mehr übrig, das Leben zu erhalten, soll man ihm solches zu verstehen geben, damit er, wo Unrichtigkeit vorhanden, seinen Willen erkläre, auch mit geistlichen Mitteln versorget werde. 28) Die Stuhlgänge und der Urin sollen, so weit es möglich ist, von des Krancken Kammer weggebracht werden, an einen solchen Ort, da der Gesunde keinen Schaden davon leiden mag. 29) Sie sollen den Patienten auch ermahnen, daß, wenn er mit seinem Pfleger, oder jemand anders rede, seinen Mund von ihm abhalte, und solchen nicht unvernünftig anhauche, auch sein Bette nicht jähling aufdecke, damit die Gesunden vom Dampfe und Schweisse nicht vergiftet werden. Der Krancke soll auch andern nicht starck ins Angesichte sehen und die Gesunden nicht muthwillig beschmeissen. 30) Die Schlafkammer der Krancken soll rein gehalten werden; man soll solche auch ofte mit wohlrüchenden Wassern besprengen. Die Betten und Tücher soll man mit wohlrüchenden Kräutern bestreuen. Wenn es die Noth erfordert, daß der Pfarrherr, Artz, Barbirer, Notarius, oder andere, so den Patienten besuchen wollen, ankommen; soll vorher das Gemach gelüftet, beräuchert und besprenget werden, auch gesorget werden, daß die Luft von dem Krancken nicht nach solchen Leuten gehe, sondern, daß sie von den Gesunden zu dem Krancken zühe. Zwischen dem Krancken und dem, der ihn besuchet, setze man Räucherkertzen oder Wachslichter. Man kan auch ein Flackerfeuer und Rauch ins Zimmer also machen, daß durch solche der gute Geruch von den Käucherkertzgen nicht vertrieben werde. So auch thut man an dem Orte, da es nicht gegen den Krancken wehet, ein oder zwey Glasscheiben aus. Dieses sind die vornehmsten Stücke, welche Wärter und Wärterinnen in Obacht zunehmen haben. Obgleich ein jeder, soviel er kan, vor der Pest ausweichen soll, weil es gefährlich, solche Krancke zu besuchen: so sollen doch solche Personen, die bey dergleichen gefährlichen Umständen bleiben müssen, sich beobachten, und 1) GOtt in fleißigem Gebete anruffen. 2) Ihren Mund zuvor mit kräftigen Wassern, so mit Ringelblum- Rauten- Angelick- oder andern beqvemen Eßige vermischet, ausspülen, und etwan rothe Myrrhen, Citronschalen, Wacholderbeere, Angelick, Pimpinell, oder Zittwer kauen, oder Präservativküchelgen, Latwergen etc. einnehmen. Ferner haben sie zu mercken, 3) daß sie vor allen leiblichen Dingen wöchentlich etliche Laxirpestpillen gebrauchen, damit den Unrath des Leibes auszuführen, auch zu rechter Zeit den Leib vom faulen Geblüte, durch Aderlassen, Schröpffen etc. entladen. 4) Daß sie die Hände, das Angesicht, die Schlagadern an Schläfen und Händen, mit kräftigen Eßigen und andern bequemen Wassern, ingleichen mit sonderlich hierzu bereiteten Salben oder Balsamen anstreichen. 5) Daß sie Wacholderbeeren oder Bisamknöpffe mit nützlichen hierzu bereiteten Salben, Balsam, auch andern wider die Pest bereiteten Sachen gefüttert, bey sich haben, und sittsam bisweilen daran rüchen. 6) Sich auch so viel [804] möglich vor dem Dunste, Athem, und Schweisse der Krancken bewahren. 7) Auch die Amulete, derer an seinem Orte gedacht wurden, fleißig am Halse tragen, sich 8) auch nicht allzulange bey den Patienten aufhalten. Es werden zu Pestzeiten von niemand grössere Bubenstücke ausgeübt, als von denen, welche die Todten bekleiden sollen. D. Herlitz, welchem nicht wenig solche Diebsstücke vorgekommen, schreibt im ersten Theile seines Consil. Physic. also davon: "Zum Anzühen und Bekleiden der Todten soll man getreue und nicht leichtfertige, lose diebische Weiber oder Männer nehmen, sondern die getreu sind und sich mit einer ziemlichen Besoldung begnügen lassen. Denn gemeiniglich wollen solche Leute nicht nur einen ziemlichen Lohn an Gelde, sondern auch des Verstorbenen Kleider haben, ja sie dürffen auch wol noch mehr Kleider dazu begehren." Ein gewisser Medicus schreibt folgender gestalt davon: "Grössere Bubenstücke habe ich mit Pestangesteckten nie gesehen, als etliche von denen üben, welche die an der Pest verstorbenen Menschen säubern, reinigen, anzühen, und in Sarg bringen sollen. Bey ihnen wird das Sprüchwort wahr: Gelegenheit macht Diebe, bevorab, wo sie etwan nebst den Warteweibern Meister im Hause sind. Wie ich mich einer dergleichen losen Vettel erinnere, die nach Absterben einer Person alsobald derselben Hemder, die sie fein bey Zeiten gestohlen und verwahret, angezogen. Etliche sind so leichtfertig, was sie nicht stehlen können, gröblich zu begehren, und bilden sich ein, es gehöre alles ihnen, was der Todte an seinem Leibe getragen, auch die goldenen Ringe, und solten solche noch so viel werth seyn." Dannenhero wäre gut, wenn solchen Leuten von der Obrigkeit eine Verordnung gemacht würde, ihnen ein gewisses zu geben, woferne dergleichen Leute gnugsam zu bekommen wären. Wenn also ein von der Pest angegriffener Krancke einen seligen Abschied genommen, und zu seinem Ruhebette gebracht werden soll, auch bereits beerdiget werden: so soll die Wärterin das Bette, darauf der Krancke gestorben, alsobald abzühen, von einander trennen, und die Tücher waschen, in die Luft aufhängen; die Federn aber gantz und gar wegthun; Das Stroh, darauf der Todte gestorben, auch zur bequemen Zeit ausräumen, an einem sichern Orte anzünden und verbrennen; allen Unrath aus dem Hause wegtragen; Stube und Kammer, darinne der Krancke gestorben, fein ausräuchern, die Stube etliche Tage nach einander einheitzen, oder wol gar mit Kalcke ausweissen lassen. Das Spanbette, Tisch und Bäncke, auch alles schwartze Geräthe, so in der Kammer und Stube ist, darinne der Todte gelegen, damit er gerieben oder getrocknet worden, bey Seite thun, allen Hausrath an Zinne, Kupfer, Meßing, ja alles andere in guten Beschlüß thun, damit sie nicht können gestohlen werden; und diejenigen, so etwa noch im Hause bleiben, samt dem Viehe nach Nothdurft versorgen. Uber alles, so in Pest Zeiten beobachtet wird, hat eine Obrigkeit ihre gewissen Häuser, Lazarethe etc. worein die Dienstgesinde, oder andere, auch Fremde in Sterbens Läuften gebracht, und daselbst mit nöthiger Verpflegung unterhalten werden. Weil [805] aber in solcher Häusern vielerley Gesinde vonnöthen ist: so verordnet die Obrigkeit einen gewissen Pfleger oder Hausvater, welcher auf alles ein wachsames Auge zu haben und der Verordnung nachzuleben hat. Weil nun an einem solchen Manne viel gelegen ist: so soll ein solcher erwählet werden, welcher eines frommen, ehrlichen Lebens und Wandels sey, der inn- und ausser dem Lazarethe jedermann, insonderheit den Krancken guten Bescheid gebe, solche nicht anschnarre und furchsamer mache, als sie bereits seyn. Denn es sind Exempel, daß mancher sich vor der Pest, die er bereits am Halse gehabt, nicht so sehr entsetzet, als er erschrocken ist, wenn man ihm gesaget, daß er nach dem Lazarethe oder Pesthause getragen werden solte. Daß er auch die Zimmer, darinnen die Krancken liegen, also rein und sauber halte, damit die Pfarrherrn, Doctorn, und Barbierer, so dahin kommen, kein Grausen bekommen. Die Krancken soll er des Tages etliche mahl besuchen, zu fleißigem Gebethe und Gebrauche der Artzneyen treulich ermahnen, ihnen einen guten Muth machen, und fleißig zusehen, ob auch einem oder dem andern etwas mangele, sie fein zugedeckt lassen, u. sich also bezeigen, daß sie Hoffnung zu ihrer Gesundheit machen können. Er soll wohl beobachten, daß solche Krancke zu rechter Zeit mit der, von der Obrigkeit geordneten Speiße und Trancke versehen werden; daß er auch, wenn etwan des Krancken Freunde, Herr oder Frau solchen Patienten etwas an Gelde, oder Speise und guten Tränckgen zu einer Labung schicken, ihnen solches treulich und unbezwackt gereichet werde. Oder, so der Patiente selbst etwas Geld hätte, und etwas verlangete, so ihm nützlich wäre, daß er solches treulich entweder selbst anschaffe, oder durch die Seinigen reichen lasse. Wenn der Krancke auch einen Pfarrherrn begehrte, soll er zu selbigem ungesäumt schicken, und dessen Begehren gleich gebührlich anbringen lassen. Er muß leinenes Geräthe genug bey der Hand haben, auf solches, so ofte es die Noth erfordert, den Krancken rein zu legen, als welches die Cur nicht wenig erleichtert. Kan sich der Patiente wegen Schwachheit und zufallenden Unverstandes nicht recht halten: so muß ein solcher Hausvater nicht ungedultig auf ihn werden, oder andere Sachen vornehmen, sondern sich allezeit freundlich und sanftmüthig gegen ihn bezeigen, und sie zu stillen suchen. Er soll sich auch zu Verhütung aller Unordnung nicht mit Weine überladen. Stirbt einer von den Krancken, muß er solchen alsobald von den übrigen, so noch im Gemache liegen, absondern und zu rechter Zeit gebührlich zur Erde bestatten lassen. Bey den übrigen Patienten soll er allezeit einen Aufwärter halten, der Acht hat, daß nicht etwan von einem Aberwitzigen den andern Krancken Schaden zugefüget werde. Damit er andern gesunden keine Furcht einjage und grösser Unheil anrichte, muß er sich nach Möglichkeit enthalten, und nicht aus dem Pesthause gehen. Ob gleich alle Krancke, welche ins Pesthauß gebracht werden, von den absonderlich bestellten Leichschreibern aufzuzeichnen seyn: so soll dennoch der Pfleger des Kranckenhauses aller zu ihm gebrachter Namen, Handthierung, Heimat, [806] Alter, auch dessen Eltern Namen, und wo sie vorher sich bey einem Herrn aufgehalten, sorgfältig in ein gewisses Buch einschreiben, und, da sie nach Gottes Willen mit Tode abgehen solten, den Tag und das Jahr dazu schreiben, damit, wenn einmahl nach solchen gefraget werden möchte, man alsdenn gute Nachricht davon erhalten könne. Endlich muß er alles dieses und andres mehr, so in solcher Ordnung nicht klärlich vermeldet, aber nach Zeit, Ort und Gelegenheit vonnöthen ist, treulich beobachten, auch seine zugegebenen Wärter, Wärterinnen, Siechenknechte also auf die armen Krancken bescheiden, nachdem es eines jeden Beruf und Dienst erfordert, so lieb ihnen allen GOttes Gnade und Hulde zu erlangen ist. Zum Beschluße haben wir noch mit wenigen zu betrachten, wie die an der Pest Verstorbene zur Erde bestattet werden. Weil solches aber durch den ordentlich bestellten Todengräber bey grossen Sterben nicht verrichtet werden kan: so müssen andere, die zur selbigen Zeit dieses Amt verrichten, aufgenommen werden. Die Erfahrung hat gelehret, daß unter solchen Leuten sich allerhand Buben eingeschlichen, welche allerhand Schelmstücke angestellet haben, daß man gantze Tractätgen davon schreiben könnte. Es ist nöthig, daß man auf solche ein wachsames Auge hat. Und deswegen lißt man in der publicirten Pest-Ordnung E. E. Raths der Stadt Leipzig 1607 folgende Worte: "So soll er, (der Todtengräber) welcher nemlich der Vornehmste und und Meister unter den andern ist, deswegen für alles, so unter ihnen bey solchem Amte vorläuft, Red und Antwort geben: sich ach aller Büberey und Betrugs, derer sich die Todtengräber sonst in solchen Läuften, ihres schnöden Gewinsts halber, wider die Christliche Liebe und ihr Gewissen zu gebrauchen pflegen, nicht allein für sich, sondern auch für sein Weib und seine Kinder, enthalten. D. Herlitz Cons. Polit. Phys. Part. I. c. 1. schreibt: "Insonderheit muß hierauf gute Achtung gegeben werden, daß unter den Todengräbern keine Schelme und Diebe sich einschleichen, welche die Lebendigen todt schlagen und berauben, oder, wenn sie noch nicht halb todT sind, dieselben stracks zu den Todten hinein werfen, darnach Kisten und Kasten aufbrechen und also gleich greulichen Diebstahl und Mordthaten und Raub begehen." Wenn denn die verordneten Herrn ein wachendes Auge darauf haben: so müssen sich solche Mörder und Diebe scheuen. Man lieset, daß etliche Todengräber in der Pest die Toden in den Gräbern aufs Angesichte geleget, damit also, wie sie meynen, das Sterben nicht bald aufhöre. Das gemeine Laster aber, das die Todtengräber in Sterbenszeiten begehen, ist dieses, daß sie allerley List gebrauchen, die Leute ums Geld zu bringen, indem sie selbige sehr übernehmen. Denn bisweilen fordern sie ausdrücklich mehr für den Grablohn, als ihnen gebühret. Es wird ihnen, wie auch den Tischern für den Sarg etc. in solcher letzten Ehr- und Dienstbezeugung gemeiniglich nichts, oder doch wenig abgebrochen. Sie bedencken aber nicht, daß mancher, der nichts zu ihnen saget, oder doch wenig abbricht, bey andern Leuten ihrer desto übeler [807] gedencket, und für leichtfertige Leute ausschreyet. Bisweilen wenn Personen für ihre Todten gern ein Grab allein haben wollen, weigern sie sich zum höchsten mit Vorwenden, wie es unmöglich seyn könne: besticht man sie aber; so kan es bald geschehen. Haben sie bisweilen einen Dienstboten oder einen Fremden, so verstorben, bey Nachte abzuholen: so fordern sie wohl einen besondern Lohn für das Grab zu machen, einen besondern für den Todten abzuholen, einen besondern, den Todten in den Sarg zu legen, welchen Lohn sie Einlegegeld nennen, einen besondern Lohn für den Meister, einen besondern, so sie Trinckgeld nennen, für die Träger oder Knechte; dabey wird noch von ihnen gefordert ein oder mehr Leib Brodt, ja auch Fleisch, und dieses Brodt und Fleisch muß mit einer Flasche Wein begleitet werden. Weigert sich jemand, solches alles zu geben, machen sie sich wohl noch dazu so unnütze und fordern den Werth an Gelde dafür, welcher allzugrossen Abforderung, und unbilligen Ubernehmen die Obrigkeit billig bey Zeiten vorkommen soll. Wie sich aber die Todtengräber billig verhalten sollen, bestehet in folgendem: 1) Sie sollen ihren Dienst, zu welchem sie sich begeben, treulich und fleißig ausrichten, und bedencken, daß ob schon ihr Amt hier vor den Menschen verächtlich ist und gescheuet wird, es gleichwohl ein gottseliges und Christliches Werck ist. 2) Sollen sie sich züchtiglich und ehrbar und stille verhalten, der Todten Leichnam ehrlich angreiffen und ins Grab legen, als die dereinst mit der Seele wieder vereiniget werden sollen. Auch 3) von niemand mehr, als ihnen gehöret, fordern und nehmen. 4) Sie sollen die todten Leichnam nicht berauben, es auch niemand anders verstatten. 5) Sie sollen die Begräbnisse nicht aufschieben, es müsse denn auf Befehl der Obern und aus erheblichen Ursachen geschehen. 6) Keine Zauberey oder abergläubisches Vornehmen weder an Todten, noch an Lebendigen gebrauchen. 7) Nichts unchristliches, unehrbares und ungebührliches den Verstorbenen oder Lebendigen zu Nachtheil, Gefahr, oder Schaden sich unterwinden, noch ihren Zu- und Angehörigen zu thun verhängen und nachsehen. 8) Auch einen jeden Verstorbenen in sein eigenes Grab, welches seine rechte Länge, Breite und Tiefe habe, legen, und mehrere nicht darein begraben, es wäre denn wegen Menge der Begrabenen nicht mehr möglich, oder von der Obrigkeit ein anderes verordnet. 9) Sie sollen sich nach Möglichkeit enthalten, unter Leute zu gehen, damit niemand durch ihre Gegenwart erschrecket werde. 10) Allen Betrug und Falsch, und was dießfalls zu Erregung grössern Sterbens Ursache geben könnte, für sich und die Ihrigen, vermeiden. Und 11) da sie an einem oder dem andern das geringste spüren u. vermercken würden, daß mit Zauberey oder andern unrichtigen verbotenen Händeln, sich jemand was vorzunehmen unterstünde, solches ohn einigen Verzug mit allen Umständen der Obrigkeit oder ihren Verordneten anmelden und zu erkennen geben. An einigen Orten ist der Gebrauch, daß man alle Personen, geistliche und weltliche, welche sich in Pestzeiten gebrauchen lassen, mit einem gewissen Zeichen bemercket, damit andere, welchen solche [808] auf der Gasse oder sonst begegnen, ausweichen können und in keine Furcht gerathen möchten. Viele aber widersprechen solcher Verordnung und sagen, wie es sich nicht wohl schicken würde, wenn man die Pfarrherrn, Doctores, Barbirer und ansehnliche Leute also bezeichnen solte. So würde es auch vielmehr als sonst ein Schrecken verursachen, wenn jemand Furchtsames solchen Gezeichneten von ohngefehr aufstossen solte. Am besten wäre es also, daß solche Pestbedienten nicht viel unter andere Leute kämen, sondern sich nach Möglichkeit inne hielten.