Zedler:Papierne Kleider


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Papierne Laterne

Band: 26 (1740), Spalte: 650–652. (Scan)

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Papierne Kleider. Franckreich ist eine fruchtbare Mutter, so wohl guter Künste und Wissenschafften, als auch ins besondere der Kleidertrachten, und die abentheuerlichste Tracht kan ihr Ansehen und Nachahmung mit nichts leichter behaupten, als wenn es heißt, sie sey in Franckreich geboren worden. Gewiß, wenn die Frautzosen nicht selbst zuerst die vornehmsten Modeträger wären: so solten sie sich vor allen andern Völckern der Welt mit allem Rechte in die Achtung bringen, daß sie allein das Oberregiment über die Thorheit der Völcker, und sonderlich der Deutschen, zu ihrem Vortheile besässen. Doch ihre eigene Flüchtigkeit und Veränderlichkeit reitzet sie vor ihre Person selbst zu öfterer Abwechselung der Trachten, wozu sich der lüsterne Appetit der Ausländer, bloß als ein Gefährte, alsobald gesellet. Inzwischen ist doch auch dieses gewiß, daß sie zuweilen eine Zeug- oder Kleidererfindung für sich alleine behalten müssen, entweder, daß dieselbe dem Vortheile, oder der Gefälligkeit und Landesart der Fremden, allzusehr zuwider läufft. Dieses hat die neue Seide von Spinnen erfahren müssen, welche Bon, Cammer-Präsident zu Montpellier im Jahr 1710 erfunden und angegeben, und woraus er so wohl für Ihro Majestät den König Ludwig den XIV eine Weste, so sie höher als alle andere Zeuge ist Franckreich sollen geschätzet haben, als auch für die Königliche Gesellschafft der Wissenschafften ein Paar Strümpfe, so mehr nicht als zwey und ein Vierthel Untzen gewogen haben, verfertigen lassen. Denn dreyzehn Untzen solcher Spinnenhäusgen sollen vier Untzen reine Seide, und hiervon drey Untzen ein Paar Strümpffe für die gröste Manns-Person, sechs Qventgen aber ein Paar Handschuhe abgeben, wie dieser Vorschlag in den Memoires des Trevoux im Jahre 1710 aus dem Munde des Herrn Erfinders erkläret worden ist. Doch, es ist selbige, soviel man weiß, weder in Frankreich, noch in Deutschland ordentlich eingeführet worden, ob schon bald zur selbigen Zeit ein gewisser Ungenannter in einer besondern Deutschen Schrifft unter dem Titel: Curieuse Nachricht von einer neuen Art Seide, welche von den Spinneweben zubereiret wird, und davon der ietzige König Ludovicus XIV eine Weste trägt, etc. etc. Leipzig 1711 in 8. solche den Deutschen zur Nachahmung bestens anzurühmen suchte. Und auch bereits im Jahr 1711 stellete Reaumur, ein Mitglied der Königlichen Gesellschafft, viele Beschwerlichkeiten vor, welchen [651]diese neue Erfindung unterworffen sey, insonderheit, daß man eine allzugrosse Menge Spinnen zu Erhaltung einiges Vortheils, und allein zu einem eintzigen Pfunde auf fünff und funfftzig tausend, zwey hundert und sechs und neuntzig der grössesten Spinneneyer würde nöthig haben. Doch die Frantzösische Munterkeit ist fähig genug, bey dem Mißrathen eines Vorschlags, gar bald einen neuen zu gebähren. Und wir beschreiben hier nicht eine Erfindung von Seide, doch von Kleidern, welche vorher in Europa schwerlich in Gebrauch gezogen, aber im Jahre 1718 in Paris jung worden, und die mehr die Beqvemlichkeit, als den Nutzen zur Absicht gehabt. Es sind solches Frauenkleider von Indianischem Papiere, wovon die Nachricht aus Paris zu Ende des Junius selbigen Jahres folgender gestalt lautete: "Zu Paris tragen die Dames bey dieser Sommers-Zeit Kleider von Indianischem Papiere, welche aber nicht länger, als einen halben Tag halten. Es hat diese Façon von Kleidern der Spitzenhändler Boileau erfunden, welcher selbige, mit allem, was dazu gehörig, als Manteaus, Jupes, Jupons, Corsets, die allein mit Leinwand gefüttert, Band und dergleichen für fünff und zwantzig Livres verkaufft." Dieses Indianische Papier ist ausser allem Zweiffel kein anderes, als das Chinesische oder Japanische, von welchem erstern Le Comte im heutigen Sina, Sendschreib. VII. p. 271. u.f.f. und Kämpfer Amoen. exot. Fasc. II. Relat 13. p. 471. versichert, daß es dergestalt dünne, zart, weich und gläntzend sey, daß man in Franckreich vermeynet, es würde solches von Seide oder Baumwolle verfertiget, da es doch von nichts andern, als der Rinde von dem Baume Bambou, so glätter, grösser, gerader und stärcker, als ein Hollunderbaum sey, zubereitet würde, und zwar aus der innern und weichern Rinde, so in reinem Wasser zerrieben, und alsdenn, wie unser Papier, von Länge und Breite, wie man es verlange, von zehn oder zwölff Fuß lang zubereitet, alsdenn durch Alaune, statt des Leims gezogen würde, wovon es einen solchen Glantz bekommt, daß es aussiehet, als wäre es versilbert, oder mit Firniß angestrichen. Aber es sey nicht dauerhafft, sondern breche leichtlich und hänge sich leichtlich Feuchtigkeit und Staub hinein. Von dem Japanischen versichert Kämpfer an angeführtem Orte, daß es dicker und sehr feste sey, daher es auch solcher Festigkeit wegen in rechte Schnuren gedrehet werden könnte. Man pflege solches zierlich zu mahlen, und es könne füglich zu Kleidungen gebraucht werden, daher es auch in rechten Rollen verkaufft würde, daß man meynen solte, es wären seidene oder baumwollene Zeuge. Es wird dieses Papier gleichfalls, wie sonst alles Indianische, aus Baumrinden, und zwar in Japan von einem Baume, den Kämpfer, Morum papyriferam sativam oder in seiner Sprache Raadsi nennet, verfertiget. Die Art und Weise, wie es gemacht werde, beschreibet er von p. 467 biß 470 ausführlich, und wünschet dabey, daß man in Europa statt der Lumpen, auch aus gewissen Baumrinden [652]Papier, zu machen versuchen möchte. Es ist von dieser Japanischen Papierbereitung auch nachzulesen, was Andreas Kleyer, in Misc. Nat. Cur. Dec. II. an. 6. Obs. 54. p. 131. 132 beybringt, woselbst er den Baum Kanschy nennet. Es mag allerdings dieser Art Kleidung bey heisser Sommerzeit dem Frauenzimmer eine gar angenehme Art von Wedeln geben, nur daß sie, wegen allzukurtzer Dauer, dem Beutel etwas beschwerlich fallen dürffte. Doch, wer weiß, ob nicht ein Mittel auszufinden, diesen papiernen Zeug etwas haltbarer zu machen. Zum wenigsten dürffte es vielleicht noch geschehen, daß man, wo nicht in diesem, doch andern sehr dünnen Zeugen mit dem Lackiren einen Versuch zu machen beliebem möchte, weil doch diese schöne und nutzbare Kunst zu mehrern Dingen gebraucht wird, als man iemals geglaubet. Doch die Mode liebt in ihrer Erfindung eine freye Hand, ob sie schon in ihrem Fortgange ihr Regiment mit einer unwidertreiblichen Stärcke ausübet, so, daß man also die Zeit erwarten muß, ob auch in diesem Stücke dereinst der Lack in Gebrauch gezogen werden dürffte, wo nicht in der Absicht einer grossen Beqvemlichkeit, doch vielleicht krafft eines nicht verwerflichen Vortheiles.