Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Ober-Haupt

Band: 25 (1740), Spalte: 91–95. (Scan)

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Ober-Hartz, ist der Name eines gewissen, und zwar, wie aus der Benennung nothwendig folget, des höhesten Theiles von dem Hartzwalde, von welchem überhaupt im XII Bande p. 664. u. f. gehandelt worden. Was nun insonderheit den Hartzwald betrift: so werden selbigem von ein paar hundert Jahren her bis jetzo die Gegenden um Grundte, Lautenthal, Wildemann, Clausthal, Zellerfeld, und Altenau beständig beygezählet, weil sie die höchsten in diesem Besitze sind. Zwar findet man in der Nachbarschaft ebenfalls eintzelne hohe Berge, davon mancher wohl noch höher ist, als die an jetzt ermeldeten Orten, wie der Brocken- oder Brocksberg bezeuget. Inzwischen ist doch dieser gantze Strich vor andern weit und breit der höheste. Wie weit sich aber die eigentlichen Gräntzen dieses Ober-Hartzes erstrecken, solches kan man so genau nicht bestimmen, weil sowohl diejenigen Erd-Beschreiber, so von dem Hartze etwas gemeldet, als auch die Einwohner des Hartzes selbst, solche nicht anzugeben wissen, welches unmöglich anders seyn kan, da weder die Natur, noch grosse Herren, noch die Gelehrten gewisse Schrancken hierinnen gesetzet haben. So wenig man also die Gräntzen dieses Ober-Hartzes anzuzeigen vermögend ist: So wenig kan man auch von dessen [92] Länge und Breite etwas rechtes mit einer völligen Gewißheit bestimmen. Insgemein aber saget man, der Ober-Hartz träge in der Länge und Breite ohngefehr 6 bis 7 Meilen aus. Ob nun wohl dieser Ober-Hartz in einigen Gegenden ein etwas finsteres, furchtbares und unangenehmes Aussehen hat, da man an manchen Orten nichts als über sich den Himmel, und um sich herum entsetzliche Berge und Klüfte, die mit Tannen und Fichten besetzet sind, zu Gesichte bekömmt: so ist dennoch diese Gegend nicht so fürchterlich, vielweniger so elend, als sich die meisten von denen einbilden, die den Hartz nicht selbst besuchet haben, als welche gemeiniglich in den irrigen Gedancken stehen, daß in demselben nichts als kahle Berge, Felsen, Tannen, und Fichten anzutreffen, und überhaupt der Hartz eine solche Gegend sey, in welcher wenig zu beissen noch zu brechen, auch von Lebensmitteln wenig oder nichts zu erhalten wäre. Unläugbar ist es zwar, daß der Ober-Hartz sich nicht so viel überirrdischer Güter der Natur rühmen kan, als etwa der so genannte Meißnische Kreyß in dem Churfürstenthum Sachsen, oder das Fürstenthum Altenburg etc. inzwischen aber hat die Vorsorge GOttes demselben über die anvertraueten Metalle und Mineralien auch manche andere Güter mitgetheilet. Der Feld- und Ackerbau wird an den mehresten Orten starck getrieben; an denjenigen Orten aber, wo selbiger nicht so starck im Schwange gehet, sind Viehhöfe angeleget, wo so wohl einheimisches als fremdes Miethvieh auf den fetten Wiesen geweidet wird. Desgleichen werden auch, wenn die Sommer nicht etwa ungewöhnlich kalt sind, die meisten Küchengewächse an allerhand Sallaten und Wurtzelwercken, an den meisten Orten reif. Dieses ist jedoch nur von den gemeinen Arten zu verstehen, immassen diejenigen Gattungen der Küchen-Früchte, welche viel Wärme erfordern, als Melonen, Artischocken u.s.w. daselbst nicht leicht aufgebracht werden. In Claußthal und Zellerfeld, als welches wohl die höhesten Gegenden des Ober-Hartzes sind, gelangen zwar keine Pflaumen, Birnen und Aepfel, und also noch weniger Pfirschen, Abricosen, Nüsse und Weintrauben zu ihrer Reife; jedoch haben einige in den neueren Zeiten in ihren Garten Johannsbeere, Stachelbeere und Kirschen zur Zeitigung gebracht. Der Blumenflor hingegen gehet auch an diesen Orten, wenig oder nichts ab, wie man denn in einigen wohl angelegten Gärten im Claußthale nicht allein an Tulipanen und andern Zwiebel-Gewächsen, sondern auch an manchen Sommer-Gewächsen, einen Überfiuß findet. In den Bächen und Ströhmen, unter welchen die Gose, die Innerste, die Söse und die Ocker die vornehmsten sind, und welche nicht mit den schädlichen Bergwassern angefüllet sind, als in welchen die Fische, wegen der giftigen Theilgen, sterben müssen, findet man allerhand Gattungen von Speise-Fischen, insonderheit aber Schmerlen und Forellen; es sind auch die Teiche des Ober-Hartzes mit Karpfen und Karauschen besetzet, die an ihrer Güte den besten in gantz Deutschland nichts nachgeben. Alles übrige aber, was dem Ober-Hartze an den zur Leibes-Nahrung [93] und Nothdurfft gehörigen Sachen etwa abgehen solte, das wird durch die starcke Zufuhr wiederum ersetzet, wie man denn in Claußthal und Zellerfelde alle Gattungen von Fleisch-Wercke, wilden und zahmen Feder-Vieh, ingleichen von allen Arten des Obstes, der gemeinen und raresten Küchen-Gewächse, und alles übrige in Menge antrift, was zur Besetzung vornehmer Tafeln nöthig ist, so alles theils von Nordhausen, Quedlinburg und Braunschweig, theils aber von Osterrode und Goßlar häufig dahin gebracht werden, so daß manche von diesen Lebens-Mitteln an besagten Orten zuweilen um einen weit wohlfeilern Preiß zu erhalten sind, als an andern Orten, wo sie in Menge erzeuget werden. An gutem Geträncke so wohl an Wein, als am Biere gehet dem Ober-Hartze ebenfalls nichts ab. Findet man gleich keine Weinberge an diesen Orten: so trift man dennoch fast überall ein gutes Glaß Rhein- Moßler- und Francken-Wein an, so von gewissen Wein-Kärnern, die den Hartz fleißig zu besuchen pflegen, aus den Weinländern dahin gebracht werden. Die Biere aber sind durchgehends gut, gesund und schmackhafft, und sind insonderheit die Biere, so in der Stadt Grunde und Goßlar gebrauet werden, nicht allein auf dem Hartze, sondern auch an andern Orten in gutem Ruf. Daß am Holtze kein Mangel seyn müsse, ist leicht zu ermessen, und gebrauchet daher nicht einmal erinnert zu werden. Von allerhand Kräutern und Wurtzeln, so in die Apothecken gehohlet und zur innerlichen oder äusserlichen Heilung der Menschen gebrauchet werden, findet man in dem Ober-Hartze alle diejenigen, die sonst in den andern Provintzen Deutschlandes auf den Bergen, Felsen, und in den finsteren Wäldern angetroffen werden; insonderheit aber folgende in grosser Menge: Engelfüsse, güldener Wieder-Thon, der Waldmeister, Groß-Mauß-Oehrlein, Täschel-Kraut, Berg-Müntze, Odermennige, Feld-Nelcken, Gamanderlein, die Gold-Wurtzel oder Martagon, Haselwurtz, Wolverley, wilder Bertram, u.s.w. Uber dieses wachsen in dasigen Gegenden in sehr grosser Menge die Erd-Beere, Hin-Beere, welche vor anden dort herum in besonderer Güte und Grösse zu wachsen pflegen, die Heidel-Beere und die kleinen wilden Kirschen, welche man in dem gantzen Hartze Wiesel-Beere nennet. Die Witterung des Ober-Hartzes ist von den andern Lands-Gegenden gar sehr unterschieden. Die Luft ist hier mehrentheils kalt, rauhe, dicke und nebelicht, der Sommer kurtz, und der Winter lang. Zu Eingang des May-Monats, wenn in dem Unter-Lande schon alles grünet und blühet, siehet man doch hier zu Lande noch wenig grünes hervor kommen. Es geschiehet auch gar öfters, daß in dem Monat Junius noch Fröste einfallen, wodurch das Wachsthum der Möhren, Rüben, und anderer Küchen-Sachen verdorben wird. Vier Wochen vor Michaelis wird es schon wiederum so kalt, daß einem in dasiger Gegend eine warme Stube so angenehm ist, als in einem anderen Orte um Weynachten. In den Hundes-Tagen, und in den Monathen Julius und August fallen bisweilen sehr heisse Tage ein, und entstehen wegen der vielen schwefelichten, [94] und anderer mineralischen Ausdünstungen sehr schwere und gefährliche Gewitter, die öfters entzünden, wie solches die Städte Claußthal und Zellerfeld in den älteren und neueren Zeiten mehr als einmal empfunden haben. Die Gewitter klingen in diesen bergigten Gegenden, wenn die den Schall verursachenden Theilgen der Luft an die Berge und Felsen anschlagen, und duch das Zurückprallen, oder den Wiederschall solche vermehren, viel furchtsamer als in dem platten Lande. Es ist etwas besonders, wenn das warme Wetter oder der heitere Himmel im Sommer 6 oder 8 Tage nach einander beständig anhalten solte. Auf 2 oder 3 warme Tage folgen gemeiniglich 3 bis 4 kalte. Was die Einwohner anbelanget, so sind dieselben, sonderlich diejenigen so nimmer von dem Hartz oder aus ihren Höhlen gekommen sind, sehr plump und grob; diejenigen aber, so als Handwercker oder sonsten in ihrer Profeßion andere Länder und Oerter besuchet haben, sind schon viel höflicher. Die hohen und geringen Berg-Officier aber, ingleichen andere gelehrte Personen und feine Leute aber sind andern wohl gesitteten Völckern an Höflichkeit gleich. Die Berg-Leute sind mit denen übrigen, die sich an anderen Orten aufhalten, gleich gesinnet. Sie sorgen nicht sehr vor den andern Morgen, und richten grösten theils ihre Wirthschafft so ein, daß sie von ihrer Löhnung wenig oder nichts übrig behalten. Sie sind lustiger Art und verzehren ihr Geld mit Klingen und Singen. Wenn sie in Gesellschafft beysammen sind, und keine andere musicalische Instrumente bey sich haben, wickeln sie ihre Ars-Leder zusammen, und wissen mit selbigen einen solchen Ton zu machen, der von weitem der Music der Waldhörner ziemlich gleichet. Der Kleider-Staat bey dem gemeinen Volcke, zumahl bey dem weiblichen Geschlechte ist in diesen Gegenden bey weitem nicht so groß, als an andern Orten. Die Weiber und Töchter derer Berg- und Handwercks-Leute haben auch des Sonn- und Fest-Tages von seidenen, oder anderen kostbaren Zeugen nichts an sich, sondern sie gehen mit ihren weissen leinenen Tüchern, die sie über den Kopf hängen, und sich in selbige einhüllen, in den Hartz-Gegenden so wohl als in den andern Braunschweigischen Landen, in die Kirche und auf Ehren-Gelage. In denen vorigen Zeiten hat man sich in dem Ober-Hartze um die Studien und Wissenschafften nicht groß bekümmert. Man hat mehr den Berg-Bau besorget, als daß man die Litteratur ausgebessert hätte. In den neueren und jetzigen Zeiten aber hat es auch in diesem Stücke, was die Beförderung der Künste, Wissenschaften und Gelehrsamkeit anbetrift, eine gantz andere Bewandniß als vor dem. Die Allerdurchlauchtigsten Königlichen und Chur-Fürstlichen, wie auch Durchlauchtigsten Hochfürstlichen Braunschweigischen Häuser lassen sich auf das äusserste angelegen seyn, daß nicht allein der Berg-Bau, nebst Handel und Wandel, sondern auch die Tugenden, Wissenschaften und Gelehrsamkeit in diesen Gegenden im Flore stehen mögen. Zu denen Hrn. Berg-Officianten werden geschickte und erfahrene Männer ausgesuchet. Die Kirchen und Schulen sind mit tüchtigen und gelehrten Männern besetzet. Zu [95] den Richter-Aemtern in Städten, werden weise und der Rechte kündige Personen erwählet. Wollen die Herren Aerzte und Physici ihr Glück in diesem Lande machen, so müssen sie sich vorher durch abgelegte Proben dazu gehörig legitimiren. Es sind auch nur neuerlich von denen hohen Landes-Regenten solche löbliche Anstalten getroffen worden, daß die rohe Berg-Jugend in dem Christenthum aufs deutlichste und Christlichste unterrichtet werden möge. Die sieben Berg-Staädte des Ober-Hartzes sind alle offen, ohne Thore und Mauren, weil die Beschaffenheit der Oerter und der Umstände es nicht anders mit sich bringet. Die Dächer der Häuser sind gröstentheils mit Schindeln gedecket, theils weil die Ziegel bey der Witterung des Ober-Hartzes nicht recht dauren wollen, theils auch weil die Schindeln wegen der grossen Menge des Holtzes leichte anzuschaffen sind. Die Kirchen, die von Claußthal ausgenommen, haben gar ein schlechtes Ansehen, und bekömmt man keine prächtige Kirchen oder Kirch-Thürne zu sehen. Die Thürne sind nur meistentheils von Holtz und Bretern zusammen gebauet. Die Stadt-Regenten, welche man in Ober-Sachsen, und andern Orten Bürgermeister nennet, heissen hier Richter. Die Nahrung der Einwohner der Städte bestehet gröstentheils, ausser den gewöhnlichen Handwerckern, Profeßionen und Handels-Leuten, in Verrichtung der Berg- und Hütten-Arbeit, theils auch in Holtzhauen, in Kohlen und Ertz-Fuhren u.d.g. Ubrigens befinden sich auf dem Ober-Hartze ausser den reichhaltigen Gold- Silber- Kupfer- Bley- und Eisen-Ertzen auch noch viele andere Merkwürdigkeiten der Natur und Kunst; wie| man denn insonderheit so viel und mancherley Gattungen von Berg-Gebäuden, Wasser-Künsten und Maschinen daselbst beysammen antrift, als man sie ausser dem Chur-Sächsischen Ertz-Gebürge nicht so leicht in andern Ländern Deutschlandes vereiniget finden wird. Zum Beschluß dieses Artickels solte man nun zwar wol von der Ober-Hartzischen Bergwerks-Historie mit kurtzen etwas anführen. Weil aber das vornehmste davon bereits in dem Artickel Bergwerck, im III Bande p. 1295 u. ff. ingleichen unter dem oben bereits bemerckten Artickel Hartzwald, im XII Bande p. 664 angemercket worden, als werden diejenigen, so davon unterrichtet zu seyn wünschen, dahin und auf die bey bemeldeten Artickeln hinlänglich angeführte Scribenten; ins besondere aber auf Rohrs Geographische und Historische Merckwürtigkeiten des Ober-Hartzes, verwiesen.