Zedler:Ober-Arm-Bein, Schulter-Bein


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
korrigiert
<<<Vorheriger

Ober-Arm

Nächster>>>

Ober-Arm-Beins-Bänder

Band: 25 (1740), Spalte: 37–39. (Scan)

[[| in Wikisource]]
in der Wikipedia
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|25|Ober-Arm-Bein, Schulter-Bein|37|39}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Ober-Arm-Bein, Schulter-Bein|Ober-Arm-Bein, Schulter-Bein|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1740)}}


Ober-Arm-Bein, Schulter-Bein, Os Humeri, Os Brachii. Dieses ist das gröste von allen Knochen des oberen Gliedes, so wohl was die Länge, als was die Dicke betrifft. Es liegt unter der Schulter-Höhe, längst dem Seiten-Theile des Ober-Leibes, davon man es nach allen Gegenden unterwärts abziehen kan. Seine Figur ist lang, ungleich, cylindrisch, dick an dem einen Ende, und breit an dem andern. Es wird eingetheilet in drey Theile, nemlich den Cörper, und zwey Enden; oder in das obere, mittele und untere Theil. Das obere Theil oder Ende wird gemeiniglich der Kopff des Ober-Arms genennet; und den Hals nennet man das Theil, welches sich gleich darunter befindet. Man betrachtet an dem Kopffe eine halbe schieff abhängende Kugel, die mit einem platten und ebenen Knorpel bekleidet ist; zwo Erhöhungen, eine dicke, die mit der Spitze in die Höhe gekehret gegen der halben Kugel über, und eine kleine zur Seite zwischen der dicken und der halben Kugel; einen Streiffen oder eine Rinne zwischen den zwo Erhöhungen; vier Vorflächen für die Musceln, davon dreye auf der dicken Höhe, als eine auf der Spitze, eine zur Seite und der Rinne entgegen, die dritte weiter unten an derselben Seite und gegen der kleinen Höhe über, auf welcher die vierdte sich befindet. Von diesen vier Vorflächen sind die auf der kleinen Höhe, und die zweyte auf der grossen die breitesten. Alle diese Theile am Kopffe des Ober-Arms machen in der Jugend einen eintzigen Ansatz aus, dessen Spuren bisweilen noch sehr deutlich bis in ein hohes Alter übrig bleiben. Der Streiff, oder die Rinne, welche zwischen den zwo Höhen ist, gehet nach unten als eine Art eines etwas schrägen Faltzes oder Fuges fort, und nachdem sie im Absteigen ein wenig weiter als den vierdten Theil der Länge des Ober-Arms fortgelauffen, wird sie rauch, und macht eine Einprägung der Musceln, die mehr oder weniger mercklich ist. Die Rände dieser Rinnen oder dieses Faltzes sind gleichsam zwo erhabene Linien, und gleichsam die Fortsetzungen oder Verlängerungen zweyer Erhöhungen. Diejenige, welche von der dicken Höhe kömmt, ist die ansehnlichste. Selbige geht bis zu dem mittelen Theile des Ober-Arms fort, woselbst sie beginnet, sich mit einer hervorragenden, [38] länglichten, breiten, und mehr oder weniger rauhen Einprägung der Musceln zu vermischen. Die andere Linie, welche von der kleinen Erhöhung entspringet, ist nicht so erhaben und kürtzer. Unten und an der Seite dieser Linie sind zwo Muscel-Narben, die nach der Länge gehen, schmal, und nur an der Ober-Fläche sind, nemlich eine über der andern, dergestalt, daß das untere Ende der einen vor und zur Seite des oberen Endes der anderen sich erstrecket. Das mittele Theil, oder der Cörper des Ober-Arms kömmt der cylindischen Figur näher als die Enden. Es ist ein wenig erhöhet an dem Orte der rauhen Erhebung oder hervorstehenden Einprägung, davon oben gesaget worden. Zu jeder Seite dieser Erhebung ist eine Eindrückung der Musceln. Diese zwo Eindrückungen vereinigen sich zu einer eintzigen, gleich unter der Erhebung, und umfassen dieselbe als eine Gabel. Man siehet daselbst auch noch zu der Seite, welche zu dem Mittel der halben Kugel gehöret, eine Muscel-Narbe, die nach der Länge gehet; und ungefehr auf der Mitte der Seite, welche nach der dicken Erhöhung siehet, nimmt man eine Wendung wahr, die schiefhohl, lang und breit, und an der Seite der Gabelförmigen Einprägung absteiget, und macht, daß dieses Stück des Beins gleichsam gewunden oder gedrehet zu seyn scheinet. Das untere Ende des Ober-Arms wird, indem es das mittele Theil verläst, gleichsam dreyeckicht, und nachgehends sehr breit, platt und an seinem Ende nach der Seite, welche zu der kleinen Höhe des oberen Endes des Beins gehöret, ein wenig umgebogen. Es ist in drey Flächen, als zwo vordere, und eine hintere, welche die breiteste ist; und drey Winckel, einen vorderen, und zween zur Seite, abgetheilet. Unten an diesem breiten Ende sind zwo Höhen, eine kurtze und erhabene, welche gerades weges nach dem Mittel der halben Kugel am Kopfe stehet; eine länglichte, rauhe, und wie ein Kamm beschaffene, welche nach der Spitze der dicken Erhöhung sich richtet. Man nennet dieselben (condyli,) und giebt dem kurtzen den Namen des inneren Knopffes, und dem langen den Namen des äusseren Knopffes. Zwischen den zween Knöpffen, gantz unten an der hohlen Fläche des Endes am Ober-Arme, sind zwo Erhebungen zum Gelencke, welche nur ein einiges Stück sind; eine gedoppelte, und auf die Art einer Rolle beschaffene, welche an der Seite des kurtzen Knopffes ist, eine gegründete, und wie ein kleiner Knopff gestaltete, welche an der Seite des langen Knopffs ist. Die Rolle hat zween Rände, einen grossen und einen kleinen, welche durch eine Vertieffung in der Mitten unterschieden sind. Der kleine Rand vermischet sich mit dem kleinen Knopffe; der grosse breitet sich aus, und endiget sich mit einer scharffen Circumferentz. Die Wendung dieser Rolle ist schräge, so daß sie gegen der hohlen Fläche des Beins sich dem kurtzen Knopffe nähert, und gegen der erhabenen Fläche sich davon entfernet. Man bemercket auch noch unten an dem Knochen des Ober-Armes drey Grüblein, als zwey vordere, davon das eine gleich über der Rolle, und das andere über dem kleinen Knopffe ist; und ein hinteres, so sehr ansehnlich, und auch gleich über der Rolle ist. In der Jugend sind diese Stücke, nemlich die Rolle, der kleine Kopff, und der kurtze Knopff, Ansätze. [39] Die Substantz dieses Beines ist auswendig feste, aber hauptsächlich an dem mittelen Theile des Ober-Arm-Beines, wo sie eine grosse Röhre formiret, die innerlich mit einem netzförmigen Gewebe ausstaffiret ist. Die Enden dieses Beins sind nicht so dichte auswärts, und inwendig sind sie schwammigt oder höhlicht. Die besondere Lage unsers Knochens verdienet wohl in acht genommen zu werden, wegen des nicht gar accuraten Begriffes, den öffters das Anschauen eines Ober-Arm-Beins, das vom Rumpffe abgelöset worden, die Figuren, und selbst auch die Benennungen von auswendig, inwendig, vorne und hinten, welche man auf unterschiedliche Theile des Beins appliciret, davon erwecken. Dieses ist von grosser Wichtigkeit, in Ansehung vieler Chirurgischen Zufälle. Wenn man das Ober-Arm-Bein, als nach der Länge der einen oder andern Seite des Rumpfes sitzende in seiner natürlichen Lage betrachtet, wird man finden, daß der Kopff so gekehret ist, daß die halbe Kugel inwendig und hinten sitzet, und nach der proportionirten Lage der flachen Pfannen-Höhle am Schulter-Blatte sich richtet; die dicke Erhöhung auswärts und vorwärts; die Rinne oder der Raum zwischen den zwo Erhöhungen fast gerades weges vorwärts: der lange Knopff, der gemeiniglich der äussere heisset, eben so viel vorwärts als auswärts gekehret; der kurtze Knopff, insgemein der innere genannt, eben so viel hinterwärts als inwärts gekehret ist. Das Bein des Ober-Arms wird oben mit der flachen Pfannen-Höhle des Schulter-Blattes durch die Arthrodie articuliret, welche aber nicht so wohl an einem Bein-Cörper, als an dem frischen Knochen zu sehen. Unten wird es mit den zwey Beinen des Unter-Arms auf solche Weise articuliret, als unter dem Articul Unter-Arm soll abgehandelt werden. Der Gebrauch des Ober-Arm-Beines ist von Natur genugsam bekannt.