Zedler:Nordstrand, Strand
Nordstrand, Strand, Lat. Serandia Septentrionalis, und wie gemeiniglich dafür gehalten wird, des Plinius Austrania, eine auf der Nord-See, nicht weit von dem Hertzogthum Schleßwig, der Stadt Husum Abendwerts gegen über gelegene Insel, welche dem Hause Gottorp zustehet, 3 Meilen lang, aber nur eine, oder wie andere vermelden, 11/2 Meile breit ist. Vor Alters soll sie mit dem festen Lande in Schleßwig zusammen gehangen haben, auch auf selbiger eine Stadt oder grosser Flecken Runghold gewesen seyn, allein durch eine Wasserfluth im Jahr 1300 davon abgerissen, die bemeldete Stadt aber, nebst verschiedenen Kirchspielen untergegangen seyn. Dem ungeachtet blieb dennoch diese Insel ziemlich groß und volckreich, wie denn auf selbiger 22 Kirchspiele zu finden waren. Sie wurde aber im Jahr 1634 am 11 October des Abends um 10 Uhr dermassen überschwemmet, daß 6123 Menschen, und unter denselbigen 9 Priester, ingleichen 50000 Stück Vieh dabey umkamen, auch die mehresten Kirchen, und 1326 Häuser, wie nicht weniger 28 Wind-Mühlen weggeführet wurden. Man siehet diese Uberschwemmung als ein Straf-Gerichte des erzürnten Gottes über die Bosheit der Einwohner an. Selbige sollen nemlich durch den fruchtbaren Boden, der nicht selten funffzigfältige Früchte getragen, sich anfänglich zur Uppigkeit, und endlich zur Begehung aller Schande und Laster haben verleiten lassen. Insonderheit sollen sie nichts gethan haben als fressen und sauffen, wie sie denn zum wenigsten des Tages 6 mal sollen gespeiset haben. [1296] Die Fremden sollen sie ermordet haben, ohne daß darüber nur ein Hahn gekrähet hätte. Nicht minder sollen sie auch bißweilen einander selbst das Messer im Leibe herum gedrehet haben, wovon ebenfalls kein groß Wesen gemachet worden; Ja wenn ihnen von Christlichen Leuten darüber zugeredet worden, sollen sie sich nicht gescheuet haben folgende Antwort zu geben: Es wäre bey ihnen jederzeit der Gebrauch also gewesen, es hätte auch in ihrem Lande niemals besser zugestanden. Vor andern wird ihnen sehr zur Last geleget, daß sie den Respect gegen die hohe Landes-Obrigkeit gantz bey Seite gesetzet haben, und als sie 1627 nach der Schlacht bey Lutter, worinnen die Dänen eingebüsset hatten, nur einige Kayserliche Völcker einnehmen solten, und Hertzog Friederich III deswegen selber zu ihnen auf die Insel gekommen, sie so verwegen gewesen, daß sie öffentlich wider ihren Landes-Herrn rebelliret haben; worüber der Hertzog dergestalt ergrimmet seyn soll, daß er bey seinem Abzuge von der Insel vor Ungedult den Wunsch gethan haben soll: daß die Insel so tief unter das Wasser versincken möchte, als sie jetzo hervor ragete. Dieser Fluch soll demnach durch oberwehnte sieben Jahr nachher erfolgte Uberschwemmung erfüllet worden seyn, da denn der Hertzog, als ihm solches hinterbracht worden, zur Antwort gegeben haben soll: GOtt ist gerecht, das habe ich ihnen gewünschet. Ohne den Grund oder Ungrund dieser Erzehlung zu untersuchen, findet man annoch nöthig anzumercken, daß lange Jahre nach oberwehnter Uberschwemmung, die von Pelworn, welche am höchsten gelegen, und auch jederzeit das vornehmste Kirchspiel im Lande gewesen sind, sich äusserst angegriffen haben, und mit Hülfe und Vorschub einiger Niederländer, sonderlich der Patrum Oratorii zu Mecheln in Brabant gegen Versprechung der Religions-Freyheit es so weit gebracht haben, daß der Uberrest dieses Nordstrandes endlich durch unsägliche Arbeit und Kosten wiederum eingeteichet und in guten Stand gesetzet worden, obgleich die gantze Insel heutiges Tages nur aus dem eintzigen Kirchspiele bestehet. Seit dem gehöret besagte Insel gleichsam Pfands-Weise bemeldeten Niederländern; insonderheit den gedachten Patribus Oratorii, die nicht allein ihre freye Religions-Ubung daselbst haben, sondern auch so gar das Jus Vocandi zu der dasigen Lutherischen Kirche für sich behaupten. Die Einwohner sind ebenfalls theils Römisch-Catholisch, theils Lutherisch. Ubrigens wird diese Insel auch heutiges Tages der angeführten Umstände halber Brabanderkoy genennet. Cluver. Germ. Antiqua Lib. III c. 23. p. 97. M. Ant. Heinrichs Nordfries. Chron. c. 19. Theatr. Europ. Tom III. Danckwerth. Schleßw. P. II. c. 12. Chorograph. Schlesvv. & Holsat. c. 5. p. 93. Pontoppidan. Theatr. Dan. p. 296 u. f. Arnkiel Mittern. Völcker. Th. III. C. 8. §. 10. Th. IV. C. 1. §. 6. Lobedantz Klag- und Unterrichts-Predigt von dem ertrunckenen Marschlande Nordstrand, Hamburg 1634 in 4.