Zedler:Nerven-Wärtzlein


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
korrigiert
<<<Vorheriger

Nervenverstopfung

Nächster>>>

Nerven der Wangen

Band: 23 (1740), Spalte: 1902–1904. (Scan)

[[| in Wikisource]]
in der Wikipedia
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|23|Nerven-Wärtzlein|1902|1904}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Nerven-Wärtzlein|Nerven-Wärtzlein|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1740)}}

Nerven-Wärtzlein, Papillae nerveae, sind an der Zunge des Menschen zu sehen, so bald die dicke Haut davon abgesondert worden. In diesen Nerven-Wärtzlein hat der Geschmack seinen eigentlichen Sitz, wie Malpighius in Exercit. Epistol. de lingua ad J. A. Borellum. Bibl. Anat. T. II. p. 319 zu allererst entdecket hat. Es hat diese Nerven-Wärtzlein in Menschen, Thieren und Fischen, auch Carl Fracassarus zu eben selbiger Zeit untersucht und beschrieben in Exercit. Epist. de lingua ad eundem l. c. p. 323 und Lorentz Bellini de gustus organo c. 14. l. c. p. 362. hat weitläuftig ausgeführet, daß in ihnen der eigentliche Sitz des Geschmackes sey. Es ist der einige Beweis gnung dieses auszumachen, weil die Zunge nicht schmeckt, wo keine Nerven-Wärtzlein vorhanden sind. Denn da unten auf der Zunge von dem Bändlein [1903] an biß zu der Spitze keine Nerven-Wärtzlein sind; so hat er befunden, daß man nicht das geringste daselbst schmeckt, wenn man gleich Salmiack darauf streuet, dessen starcken Geschmack man hingegen bald empfindet, wenn man ihn oben auf die Zunge, oder an den Rand bringet, wo die Nerven-Wärtzlein in grosser Menge angetroffen werden. Man siehet aber auch, warum unten auf der Zunge keine Nerven-Wärtzlein vorhanden sind, weil sie mit der verkehrten Seite die Speise niemals berühret, und also von dar nichts zu schmecken bekommt. Und hat man hier eine offenbare Probe, daß in den natürlichen Dingen nichts vor die lange Weile gemacht ist, und ein jedes seinen Grund hat, warum es vielmehr an diesem Orte als in einem andern anzutreffen. Es wird aber dieses noch ferner auf eine besondere Weise dadurch befestiget, was Bellinus l. c. c. 13. p. 357 in den Zungen der Katzen wahrgenommen, daß an der Spitze, womit sie sich lecken und reinigen, keine Nerven-Wärtzlein anzutreffen sind, die sich doch bald in grosser Menge mitten auf der Zunge zeigen: denn es ist bequemer für sie, daß ihre Zunge an dem Theile keinen Geschmack hat, womit sie sich reinigen. Es sind aber diese Nerven-Wärtzlein an den Nerven-Fasern sehr feste, die durch die Zunge zerstreuet sind, weil sie den Eindruck von demjenigen, was den Geschmack verursachet, biß zu dem Gehirne fortbringen müssen. Hingegen sitzen sie in der dicken Haut, die deswegen überall Vertieffungen hat, wo sie von ihnen loßgerissen worden, damit sie feste und unverrückt stehen bleiben, und der Eindruck von dem, was man schmeckendes auf die Zunge bekommt, an dem rechten Orte geschiehet, wo das Nerven-Wärtzlein gerühret werden muß, gleichwie man z. E. im Auge wahrnimmt, daß der Eindruck gegen das Mittel des Sehungs-Nerven geschiehet, nicht aber gegen den Rand. Und hat eben Bellini angemercket, daß die Haut, welche die Zunge bekleidet, an denen Orten dicker ist, wo die Nerven-Wärtzlein mehr in die Höhe gehen, als wo sie nicht so erhaben sind: welches abermals wie alles übrige, was man in genaueren Untersuchungen der Natur wahrnimmt, bekräfftiget, daß nicht das geringste vorhanden, welches nicht seinen Grund hätte, warum es vielmehr so als anders ist, und daß eben dadurch die Vollkommenheit der natürlichen Dinge erhalten wird. Es müssen aber auch die Nerven-Wärtzlein wohl verwahret stehen, weil bekannt, wie gefährlich es ist, wenn ein Nerven gestochen wird, und was für Schmertzen daraus entstehen. Es ist ferner diese Haut von der Beschaffenheit, daß sich die saltzigten Theilgen, welche den Geschmack verursachen, leicht hinein ziehen. Und daher kommt es auch, daß der starcke Geschmack öffters lange zurücke bleibet, und man ihn gar nicht weg bekommen kan, unerachtet man die obere Haut der Zunge abschweifft. Es sitzen die Nerven- Wärtzlein an der unteren nervichten Haut, weil sonder Zweiffel diese mit darzu dienet, daß die Bewegung, die zum Geschmacke erfordert wird, desto leichter eingedrucket werden mag. Siehe übrigens Geschmack, im X Bande, p. 1225 u. ff. Es [1904] hat obgelobter Malpighius in Exercit. Epist. de tactus organo p. 27. T. II. Bibl. Anat. durch Vergrösserungs-Gläser auch in der Haut Nerven-Wärtzlein in grosser Menge als wie in der Zunge gefunden, und also dargethan, daß auch das Fühlen hauptsächlich durch ihre Vermittelung geschehe. Es ist bekannt, daß sich im Fühlen gar viel Unterscheid zeiget. Aber eben damit dieses geschehen kan, dienen die ordentlich neben einander gesetzten Nerven-Wärtzlein. Allein da wir weder den Unterscheid des Fühlens, noch auch die Ordnung der Nerven-Wärtzlein deutlich einsehen, so lässet sichs auch nicht erklären, wie der Unterscheid im Fühlen durch die Nerven-Wärtzlein vorgestellet werden mag. Es ist viel in dem menschlichen Leibe, welches wir zur Zeit noch nicht ergründen können, und vielleicht niemals ergründen werden. Wolffs Gedancken von dem Gebrauche der Theile in Menschen, Thieren und Pflantzen, §. 86. u. 164.