Zedler:NOBILE DI VENETIA, oder Nobili di Venezia

Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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NOBILE FEUDUM

Band: 24 (1740), Spalte: 1117–1119. (Scan)

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Literatur
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NOBILE DI VENETIA, oder Nobili di Venezia, lat. Nobiles Veneti, sind gewisse Geschlechter zu Venedig, welche allein fähig sind zu der Regierung und denen dahin gehörigen Aemtern zu gelangen. Sie wohnen alle in der Stadt, und dürffen, ohne Vorwissen der Regierung, nicht einmahl auf ihre Güter, auf dem festen Lande, vielweniger in die Fremde reisen. Wenn ein junger Nobile 20 Jahr erfüllet hat, so wird er in ein Register geschrieben, welches das goldene Buchh, Libro d'oro, genennet wird, und von zweyen seiner nächsten Anverwandten auf den Broglio, oder Platz vor dem Pallast, wo sich der Adel täglich versammlet, begleitet, und gleichsam eingeführt, da er sich denn forthin gleich den andern [1118] daselbst einstellen mag. Biß dahin mag er auch gekleidet gehen, wie er will, in Farben-Zeug, und nach der gemeinen Tracht. Nachgehends aber legt er den gewöhnlichen Habit an, welches ein weiter und langer Rock von schwartzem Tuch ist, so im Sommer mit Hermelin, im Winter aber mit anderm Peltzwerck gefüttert ist. Die Ermel sind oben eine halbe Elle breit, und unten an der Hand schliessen sie sich enge zusammen. An dem Rock ist ein Kragen von Tuch, wie auch am Wammes, und über dieses ein weisser Kragen von Leinwand, oder ein breiter Gürtel von gleichem Tuche, mit einem silbernen Beschläge. Auf dem Haupte tragen sie ein eckigtes Baret von schwartzer gestickter Wolle, welches sie aber gemeiniglich in der Hand, und auf dem Haupte dagegen eine lange starcke Peruque tragen. Uber dem Rocke aber haben sie noch eine Stolam von schwartzem Tuch, welche fast einem Sacke gleich siehet, und welche sie über die lincke Achsel werffen. Diejenigen, so in Gesandtschafften gebraucht werden, dürffen eine Stolam vom güldenen Stück und einen Gürtel mit güldenen Bockeln tragen. Doch kan ein solcher Nobile eher nicht, als nach dem 25 Jahre seines Alters, in dem grossen Rathe, welcher ordentlich alle Sonntage gehalten wird, erscheinen, und seine Stimme mit geben, auch zu öffentlichen Aemtern gelangen. Und dieses ist der eigentliche Venetianische Adel. Denn die ausserhalb Venedig auf dem festen Lande wohnen, und Nobili di Terra Ferma genennet werden, ob sie sich gleich Marchesi und Conti nennen, und sonst auch eben so alt, als diese sind, werden gegen diese nicht geachtet, und bleiben von allen Aemtern ausgeschlossen. Sie werden aber dennoch wiederum vornemlich in 3 Classen eingetheilet, deren die erste die 12 alten Häuser, Electorali genannt, welche den ersten Doge erwählt, und bis auf diesen Tag floriren, nebst einigen andern Familien begreiffet. Die andere Classe bestehet aus mehr als 80 Häusern, welche mit dem Serrar de Consiglio, so von ihnen bestellet wird, gleiches Alter haben, ingleichen gehören noch 30 andere Geschlechte darzu, welche 61 Jahr darnach, nemlich im Jahr 1380 in den Adel-Stand erhoben worden. In der dritten Classe sind diejenigen, so den Adel mit Gelde erkauffet, und dafür eine Summe von 100000 Ducaten erleget haben. Es werden dergleichen, sonderlich zu Krieges-Zeiten, da die Republic Geld brauchet, gemachet, und sind ietzo deren bey die 80 Familien, welche aber zu denen hohen Aemtern der Republique nicht gezogen werden. Vor Zeiten konnte dieser Adel anders nicht, als durch Tugend und sonderbare Verdienste erlanget werden. Der Geld-Mangel und andere gemeine Nöthe aber haben die Regierung nachmals bewogen, einige Familien um Geld in den Adel-Stand aufzunehmen. Und ist solches zum ersten male in dem schweren Kriege mit denen Genuesern im XIV Jahrhunderte geschehen, auch nachgehends zu Zeiten, vornemlich in und seit dem letzten Candianischen Türcken-Kriege, beybehalten worden. Ein Florentiner, Namens Labia, machte damals den Anfang, und erbot sich, zu Erlegung 100000 Ducati. Es ist aber [1119] über solcher Summe nicht allezeit so genau gehalten worden. Sonst wird eine dergleichen Vermehrung des Adels, ausser dem Nutzen der davon erwachsenden ansehnlichen Geld-Hülffe, auch deshalber vor nöthig erachtet, damit nicht zuletzt die Regierung auf etliche wenige Häuser verfalle, weil von denen alten nach und nach nicht wenige abgegangen, wiewohl die übrigen dennoch vor denen neuern Geschlechtern allezeit einen Vorzug behalten. So nehmen auch diese Nobili, ob sie gleich ausser Bedienung sind, den Titel Excellenze, und massen sich zugleich des Vortritts vor allen, so nicht Fürsten sind, an. Endlich muß auch allemal der Patriarche zu Venedig ein solcher Nobili seyn, welcher von dem grossen Rathe erwählet, von dem Pabste aber bloß nur bestätiget wird. Im übrigen stehen dieselben in solchem Ansehen, daß sich auch unterweilen auswärtige Könige und Fürsten, wie z. E. von dem Könige Heinrich IV. in Franckreich, und dem Chur-Fürsten zu Hannover, Ernst Augusten, bekannt ist, nicht gewegert, diesen Adel anzunehmen. Rittr. di Venet.