Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
unkorrigiert
<<<Vorheriger

Mond-Regenbogen

Nächster>>>

Monds (der erdichtete Ort des)

Band: 21 (1739), Spalte: 1100–1103. (Scan)

[[| in Wikisource]]
in der Wikipedia
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|21|Mond-Reise|1100|1103}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Mond-Reise|Mond-Reise|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1739)}}


Mond-Reise. Unter die wunderlichen Bemühungen der Menschen gehöret insbesondere auch die, da sie sich bemühet haben, mancherley Mittel und Werckzeuge auszusinnen, um dadurch in den Mond zu reisen. Man hat einen gewissen Tractat unter dem Spanischen Namen Dominici Gonsalez, worinn dieser Schrifftsteller seine Reise nach dem Mond [1101]beschreibet, welche er durch Hülffe einiger Schwanen, an welchen er seinen Leib durch ein besonders künstliches Instrument also befestiget, daß ein jeder von den vorgespannten Schwanen gleich viel zu tragen gehabt. Es befindet sich dieser Tractat im 3 Theile des Simplicii Simplicissimi unter dem Titel: der fliegende Wanders-Mann nach den Mond. Niemand wird so einfältig seyn, und aus einem Gedichte eine wahre Geschichte machen. Die Gründe, worauf die Möglichkeit solcher Mond-Reise gebauet ist, sind, daß die Heuschrecken, die sich öffters in grosser Menge einstellen, aus dem Mond herabkämen, auch die Schwalben, Störche, Nachtigallen und andere Vögel insonderheit aber eine gewisse Art wilder Schwanen in Ost-Indien, welche wegen ihrer Stärke zu einem weiten Flug geschickt sind, wenn sie von uns wegziehen, nach dem Mond zu flögen, und sich solange daselbst aufhielten, bis sie gegen den Sommer wieder zurückkehrten, welches lauter falsche Gründe sind. Die Heuschrecken werden aus den Eyergen gezeugt, welche im vorigen Jahre die alten im Sand und loser Erde in grosser Menge hinterlassen, wie wir es vor einiger Zeit in unsern Gegenden mit grossem Schaden erfahren haben. Die hinweg ziehende Vögel aber verbergen sich theils des Winters in den hohlen Bäumen, theils aber suchen sie ein wärmer Land. Der Verfasser dieser Fabel soll, wie aus Benthems Englischen Kirchen- und Schulen-Staat zu ersehen, ein Engländer seyn, u. der berühmte Bischoff zu Chester, Johann Wilkins, soll seine Gedancken von der Mond-Reise, die bald angeführet werden soll, daraus entlehnet haben, wiewol er selbst schreibt, daß seine Einfälle ihm unwissend damit übereinstimmten. Seine Gedancken sind kürtzlich diese: Er nimmt zuförderst an, daß, wann jemand erst über den mit Dünsten erfüllten Lufft-Creyß hinweg wäre, sein Cörper daselbst keine Schwere mehr haben, sondern unbeweglich, ohne die gröste Neigung zur Bewegung nach dem Mittel-Punct der Erde, müste liegen bleiben, weil die magnetische und anziehende Krafft der Erden, wovon die Schwere der Dinge herkommt, sich über solchen Lufft-Creyß nicht erstrecke. Hätte der Menschliche Leib daselbst keine Schwere, könte er in der freyen Luft, wie auf dem Erdboden stehen, sich auch nach Belieben mit einer weit grössern Geschwindigkeit bewegen, dann einige Lebendige Creatur anf dem Erdboden, und folglich die Mond-Reise geschwinde und ungehindett fortsetzen. Wann ein solcher Passagier alle Tage 1000 Englische Meilen zurück legte, würde er in 180 Tagen in den Mond gelangen. Weil sein Leib keine Schwere hätte, wäre er auch gantz und gar keiner Bemühung unterworffen, daher würden die Glieder nicht abgemattet, und brauchten weder Schlaff, noch Essen und Trincken. Oder es könte die Reinigkeit der ätherischen Lufft einiger massen zur Nahrung dienen. Oder, so er ja Speise brauchte, würde sich noch wol ein Mittel ausfinden lassen, einige Speisen mitzunehmen. Solte ihn der Schlaff überfallen, so dürffte er darzu kein sänffteres Bette, als diese Lufft verlangen. Endlich schlägt er zu dem Anfange der Reise von der Erde bis über die dünstige Lufft einen fliegenden Wagen vor, den er zu verfertigen nicht vor unmöglich hält, welcher weit genug gemacht werden müste, damit er zu gleicher Zeit einige Männer führen, und etwas Nahrung vor ihre Reise-Zehrung, wie auch etwas zur Handlung mit den [1102]Monds-Einwohnern mit sich nehmen möge. Es ist wol nicht zu glauben, daß dieser gelehrte Mann solches alles in Ernst geschrieben habe, weil hier viel Dinge angenommen werden, welche theils ungewiß, theils offenbar falsch sind. 1) Ist ein falscher Begriff, den er mit seinen Lands-Leuten gemein hat, daß die Erde durch eine magnetische Krafft, die sich so weit als der mit Dünsten erfüllte Lufft-Creyß erstrecket, alle schwere Dinge zu ihrem Mittel-Punct ziehe. Dann die Attraction oder das Anziehen des Erdbodens sowol, als anderer Cörper, ist eine so ungereimte Sache, als wenn man ein Leyden behaupten wolte, ohne eine würckende Ursache solches Leydens zuzugeben. Z. E. es lidte iemand eine gute Tracht Schläge, so würde es lächerlich herauskommen zu sagen, es hätte ihn niemand geschlagen, sondern sein Buckel den Prügel mit Gewalt an sich gezogen. Fällt nun dieser fasche Begriff weg, so wird sich der Creyß, worinn Cörperliche Dinge nach dem Mittel-Puncte der Erde zufallen, viel weiter, als Wilkins meynt, hinaus erstrecken, zumal da noch nicht von ihm erwiesen ist, daß die anziehende Krafft des Erd-Magnetens nicht weiter als 20 Englische Meilen reiche. 2) Will man zugeben, der Lufft-Creyß endige sich in der Höhe von 20 Meilen, oder, nach Keplers Meynung, von 16000 Schritten, so kan deshalb doch nicht abgesehen werden, wie ein Mensch ohne Gefahr seines Lebens, wenn er auch übrigens mit einem vollkommenen schönen Lufft-Schiff versehen wäre, diese Reise solte thun können. Wann man auf die Spitze eines hohen Bergs steigt, ist die Lufft daselbst schon so dünne, daß sie nicht wohl zu ertragen stehet. Weil sie dünne, so ist sie weniger als die untere Lufft zusammen gedrückt, und hat deswegen weniger Krafft, die Bewegung des Geblüts int menschlichen Cörper zu befördern. Man sehe einmal die Uhr-Feder in den Taschen-Uhren an. Wann die Uhr gantz aufgezogen, und folglich die Feder sehr zusammen gedrückt ist, zieht sie am stärcksten. Je weiter aber die Uhr abläufft, und sich die Feder auseinander spannet, ie schwächer ist ihr Zug. Weswegen auch eine Conische Schnecke in den Uhren befindlich, um welche die an der Feder fest gemachte Kette sich windet, und dadurch dem Uhrwercke eine gleichförmige Bewegung giebt. Wann die Feder durch das Aufziehen am meisten zusammen gedrückt ist, befindet sich die Kette um das spitzge Ende der Conischen Schnecke, weil daselbst mehr Krafft nöthig die Schnecke umzutreiben, als an dem dicken Ende. Die Lufft gleichet einer solchen Uhr-Feder, welche nachdem sie mehr oder weniger gespannet ist, stärcker oder schwächer würcket. Also ist die höhere Lufft immer schwächer als die untere, und daher nicht vermögend, den Umlauff des Geblüts in seiner gehörigen Bewegung zu erhalten. Die Berge, auf welchen dem Menschen das Athem-holen, aus vorerwehnter Ursach sehr schwer wird, will man eine Deutsche Meile hoch schätzen, wiewol man hierinn noch zu freygebig seyn möchte. Fällt aber dem Menschen, in der Höhe einer Deutschen Meile, wegen der subtilen Lufft das Athem-holen schon schwer, was würde in der Höhe von 7 bis 8 Deutschen Meilen, die ungefehr 20 Englischen gleichen, geschehen, allwo die Lufft noch viel subtiler seyn muß? Es müste bey dem Menschen, der dadurch reisen wolte, die Bewegung des Geblüts bald aufhören, und er des Todes seyn. 3) Kan man nicht absehen, wie ein Mensch gar ohne Lufft solte leben können. [1103]Ausser dem Lufft-Creyß findet sich, keine Lufft, nach Wilkens eigenen Geständniß, sondern man weiß nicht was, etwa die weit subtilere Himmels-Lufft. Wer wolte glauben, daß ein Mensch in solcher subtilen Lufft, auch nur ein paar Augenblicke, solte leben können, weil wir wissen, wie eine ziemlich dicke Lufft, dergleichen sich auf der Fläche des Erdbodens befindet, zur Erhaltung des menschlichen Lebens unentbehrlich sey.