Zedler:Mittler des menschlichen Geschlechtes

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Mittler-Amt Christi

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Mittlere

Band: 21 (1739), Spalte: 625–637. (Scan)

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Mittler des menschlichen Geschlechtes, Mediator generis humani. Dieser Name wird Christo beygeleget, in Ansehung seines Mittler-Amtes, daer als wahrer GOtt und Mensch alles dasjenige gethan, was unsere Seligkeit zu erlangen, und selbige denen Menschen zuzueignen erfordert ward, immassen er auch noch jetzo als unser einiger König, Prophet und Hoherpriester sich diesfalls kräfftig erweiset. Man muß aber nicht meynen, JEsus Christus sey allein Mittler, wie Moses Mittler genennet wird: denn Moses war nur ein blosser Dollmetscher zwischen GOtt und denen Israeliten: Ein Unterhändler, der GOttes Sache bey dem Volck, und hinwieder des Volcks Sache bey GOtt handelte. Er konnte auch nichts anders thun: Als ein Sünder und eine endliche Creatur, konnte er keine wahrhaffte Versöhnung zwischen GOtt und den Israeliten stifften, und man kan nicht sagen, daß GOtt um Mosis willen, und in Ansehung seiner Person bewogen worden, seinen Zorn und Gerechtigkeit gegen die Israeliten aufzuhalten. JEsus Christus ist demnach unser Mittler nicht allein auf solche Weise, weil er im Namen GOttes einen Bund mit denen Menschen aufgerichtet, und ihnen den Willen GOttes erkläret hat, ob er es auch wohl in diesem Verstande heissen mag, immassen er uns den Willen seines Vaters verkündiget hat: Man muß auch nicht dencken, daß er unser Mittler sey in dem Verstande, wie man die Schieds-Richter, so einen Streit beylegen, Mitt1er heist, oder die Sachführer, welche einen Proceß auf sich nehmen, und vor eine Parthey reden, ob es wohl an dem ist, daß er unser Schiedsmann in der grösten Streit-Sache und unser Fürsprecher in dem wichtigsten Wercke gewesen, 1 Joh. II, 1. Sondern er ist fürnehmlich darinnen unser Mittler gewesen, weil er uns mit GOtt versöhnet, und unsern Frieden durch sein Blut gemacht hat, Ephes. II, 13. 14 Wir wollen hier nicht erst lange beweisen, daß ein Mittler nöthig sey: denn eben die Gründe, welche beweisen, daß GOttes Gerechtigkeit habe müssen Genüge geschehen, beweisen auch dieses. Zwar hätte GOtt nicht eben den Menschen dürffen einen Mittler darreichen; denn er hätte, wenn er gewollt, sie in dem Stande des Fluchs und der Verdammniß lassen können: weil aber GOtt das menschliche Geschlecht nicht verderben wollen, so war es nöthig, einen Mittler zu gebrauchen, nicht allein um die Strahlen der unendlichen Majestät GOttes, welche der Sünder nicht vertragen mochte, wann er selbst hätte hinzunahen sollen, zu mässigen, sondern auch den Zorn des ergrimmten GOttes zu stillen, uns mit ihm zu versöhnen, uns zur Gemeinschafft mit GOtt zu erheben, und uns die übernatürlichen Güter der Gnade und Herrlichkeit zu verdienen. Unser Mittler aber muste dieses an sich haben: I. Muste er ein freyer und ungebundener Herr seyn, und folglich muste er GOtt seyn, damit er mit seiner Person nach Gefallen schalten, und eine unendliche Gerechtigkeit befriedigen könnte: also konnten weder Engel noch Menschen unsere Mittler seyn. II. Muste er leiden können, weil er ohne Leiden nicht konnte genug thun: muste also der Mittler auch eine Creatur seyn: denn die Creaturen allein können leiden. III. Muste er sterben können, weil wir den Tod verdienet: drum konte unser Mittler kein Engel seyn. IV. Muste er mit den Sündern einerley Natur haben: 1) Damit die Sünde in eben der Natur [626] gebüsset würde, die sie begangen hatte. 2) Daß wir ein freudiges Vertrauen und Zuversicht zu ihm haben könnten. v. Muste er heilig, unschuldig, unbefleckt und von den Sündern abgesondert seyn, wie Paul. sagt Eb. VII, 26. 1) Damit er Gott unendl. angenehm seyn könnte. 2) Daß er nit nöthig hätte vor seine eigene Sünde gnug zu thun, wie die alten Priester. 3) Daß er uns ein vollkommen Exempel geben könnte. 4) Daß er die Quelle des Geistes der Heil. seyn möchte. 5) Daß er das Reich des Teuffels zerstören möchte. Im übrigen, da er GOtt seyn muste; wie war es mögl. daß er nicht heil. seyn konnte? Er durffte gar nicht sündigen können: 1) Damit der Bund, den er aufrichten sollte, ein ewiger Bund wäre; denn sobald eine Person sündigen mag, die der Grund unsers Bundes seyn soll mit GOtt, so mag der Bund auch selbst leicht dahin sincken. 2) Damit er uns eine vollkommene Heiligk. mittheilen möchte. Und dieses alles hat sich nun an Jesu Christo gefunden. Er ist GOtt mit seinem Vater hochgelobet in Ewigkeit. Er ist Mensch, der Fleisch- und Blutes theilhafftig worden ist. Er ist heil. gewesen, frey von aller Sünde, und der sie nicht begehen können. Fragt man nun, was der Mittler habe thun müssen? so ist die Antw. 1) Er muste Gott statt unser genung thun, und uns mit ihm versöhnen. 2) Das Hertz der Sünder erweichen und den Haß, den sie auf Gott geworffen hatten, vertilgen. 3) Alles Mißtr. welches zwisch. beyden Partheyen, Gott u. Menschen seyn konnte, aufheben, u. zu beyden Seiten gut sagen. 4) Die Sünder mit denen andern Creaturen, die ihre Feinde worden waren nach der Sünde, versöhnen. 5) Sich genau mit uns vereinigen, daß wir ein Leib mit ihm würden. Jes. Christ. hat alles dieses gethan: Denn a) hat er nicht allein die göttl. Natur mit der menschl. vereiniget, sondern auch die Menschen mit Gott versöhnet; das lehret Paul. an verschiedenen Orten, sonderl. aber Rom. V, 10. da es heisset: wir wären mit Gott durch den Tod seines Sohnes versöhnet, u. deswegen nennet ihn die Schrifft Friede-Fürst. b) Hat er das Hertz der Sünder gelencket und gebeuget, und den Haß, den sie von Natur gegen Gott hatten, ausgerottet, und hat solches nicht allein gethan durch sein Wort, darinnen wir kräfftige Bewegnisse zur Liebe Gottes finden, nicht allein durch sein Exempel, welches er uns zur Nachfolge vorstellet; sondern auch durch seinen Geist der unsrer Verderbniß obsieget, u. uns der Gemeinschafft Gottes würdig macht. c) Jesus Christus ist der Bürge und Währmann gewesen an Seiten der Menschen wegen der Wahrheit göttl. Verheissungen: an Seiten Gottes wegen der Wahrheit der Angelobungen der Menschen. Er hat gut gesagt vor Gott, weil er sein Hausherr u. Schatzmeist. gewesen; und vor die Menschen bey Gott, weil er durch seinen Geist sich unserer Gemüther und Hertzen bemächtiget, und was wir etwa wider unser Versprechen noch jezuweilen sündigen, mit dem theuren Lösegeld seines Blutes zudecket. d) Hat er die Sünder mit allen Creaturen versöhnet, da er unsern Frieden mit dem Schöpffer gemacht, u. das lehret uns Paul. Eph. I, 10. Col. V, 20 Zwar sagte Jesus Christus, er wäre gekommen das Schwerd auf Erden zu senden, und nicht den Frieden: aber er hat uns damit lehren wollen, was aus der Predigt des Evangel. zuf. W. wegen der Ungläubigen entstehe, welche das heilige Wort von sich stossen, und die Jünger Jesu Christi greulich verfolgen: denn sonst ist der natürliche Endzweck, und die eigentliche Folge des Evangelii [627] lauter Friede und Einigkeit der Menschen unter einander. e) Endlich hat er sich so genau mit uns vereiniget, daß wir Fleisch von seinem Fleisch, und Bein von seinem Bein sind: Er ist unser Haupt, und wir seine Glieder: unser Meister, und wir seine Jünger: unser König, und wir seine Unterthanen: unser Weinstok, und wir seine Reben: unser Bräutigam, und wir seine Braut. Diese Vereinigung ist geistl. und heiml. und das Band derselben an unserer Seiten ist der Glaube, an Christi Seiten aber der H. Geist. Um diese Wahrheit auch zu fassen, muß man nur mercken, daß zwey Hindernisse unserer Seligkeit waren: GOtt war des Menschen Feind wegen der Sünde, und der Mensch war ein Feind GOttes. Muste also GOtt mit dem Menschen und der Mensch mit GOtt versöhnet werden. Das erste hat Christus gethan durch das Verdienst seines Blutes: das andere thut er durch die Krafft seines Geistes. Daß Christus unser Mittler nach beyden Naturen, bestätiget die heilige Schrifft, denn da spricht sie: GOtt habe ihm seine Kirche durch sein Blut erworben, und der HErr der Herrlichkeit sey gekreutziget worden, Ap. Gesch. XX, 28. 1 Cor. II, 8. Ferner, wenn wir alle Stücke des Mittler-Amtes betrachten wollen, so werden wir finden, daß er es verwaltet beydes als GOtt und auch als Mensch. Als Mensch hat er uns die Geheimnisse des Himmels verkündiget; aber als GOtt hat er sie gewust, und präget sie uns ins Hertz. Als Mensch hat er gelitten und ist gestorben; als GOtt aber hat er seinem Leiden einen unendlichen Werth gegeben, und der Gerechtigkeit seines Vaters vollkommen genug gethan. Als Mensch hat er das Leben verlohren; als GOtt hat er das Leben, so er von sich gelassen, wieder zu sich genommen, den Tod überwunden, über den Teuffel gesieget, und uns eine ewige Herrlichkeit erworben. Endlich vergiebet er uns als GOtt die Sünde, und wird uns dereinst am jüngsten Tage auferwecken. NB. Ferner müste er GOtt und Mensch seyn, damit er seine drey wichtigen Aemter nützlich und heilsamlich ausrichten könnte. Paulus sagt zwar: Es sey ein Mittler JEsus Christus der Mensch, 1 Tim. II, 5. Wenn aber daher geschlossen werden solte, drum wäre JEsus Christus unser Mittler nur nach der menschlichen Natur, so könnte man auch sagen, weil anderweit stehet: GOtt habe ihm eine Gemeine mit seinem Blute erkaufft, Ap. Gesch. XX, 28. ingleichen der HErr der Herrlichkeit sey gekreutziget; die Göttliche Natur allein hätte ihr Blut vergossen, und wäre gekreutziget worden, diese Worte: JEsus GOtt, JEsus Christus Mensch, HErr der Herrlichkeit, bedeuten an den angeführten Orten die Person Christi, ohne eigentlich zu bestimmen, zu welcher Natur von beyden dasjenige gehöre, was wir ihm darinnen beylegen. Also wenn der Apostel unsern Heyland Mensch nennet, mag man wohl daraus schlüssen, daß die Person, welcher das Mittler-Amt vertrauet worden, Mensch gewesen; nicht aber dieses, als habe die Göttliche Natur bey denen Verrichtungen und Abzielungen dieses hochwichtigen Amtes nichts zu thun gehabt. NB. Es muste unser Mittler GOtt seyn, um unsere Sünde zu büssen, die Gerechtigkeit GOttes zu entwaffnen, [628] die Welt zu beherrschen, seine Kirche zu stifften, sie wider alle Anläuffe des Teuffels zu erhalten, das menschliche Geschlecht wieder aufzuwecken, und die Gläubigen in Himmel zu versetzen: Aber Paulus sagt hier auch, daß er Mensch sey, entweder, um die Wahrheit seiner menschlichen Natur zu bekräfftigen, oder uns die Furcht und Schrecken, welche wir vor Christi Gottheit haben möchten, zu benehmen. Ebr. IV, 15. Man möchte sagen: Weil GOtt selbst Mitparthey sey, welche der Mittler zu versöhnen habe, so müste der Mittler nur nach der menschlichen Natur Mittler seyn. Aber wenn das wäre, so würde auch folgen, daß unser Mittler nicht GOtt wäre, welches eine schreckliche Lästerung ist. Es ist aber auch gar nichts ungereimtes, daß man offt bey einem Vergleich eine von beyden Partheyen zun Mittler erkieset. Im gemeinen Leben, wenn das Volck und der Rath uneinig sind, kan ein Raths-Glied in der Gesellschafft seine gemeine Sache fahren lassen, und sich zwischen beyden Partheyen ins Mittel schlagen. Wenn ein Vater und Sohn, beyde Kayser, von rebellischen Soldaten oder Unterthanen beleidiget worden, was solte es hindern, daß sich der Sohn nicht zum Mittler darbieten möchte, um sie bey dem Fürsten wieder auszusöhnen? Er macht Friede mit sich selbst, und schaffet ihnen Vergebung derjenigen Beleidigung, die ihn selbst mit angegangen. Daß JEsus Christus ein Mittler der Engel gewesen, meldet die Schrifft nirgends, sondern sagt nur, daß er Mittler der Menschen gewesen. Warum solte er Mittler der Engel seyn, da zwischen GOtt und diesen seligen Geistern keine Uneinigkeit oder Feindschafft ist? Wenn Adam unschuldig blieben wäre, hätte es auch keines Mittlers gebraucht. was solten denn die Engel eines brauchen? Man möchte sagen: Alle Gnade käme von JEsu Christo dem Mittler her. Antwort: Aber das verstehet sich nur von der Gnade, welche die Seligkeit anbetrifft; die Gnade aber, so die Engel erhalten und bekräfftiget hat, ist von Jssu Christo als GOtt, nicht aber als Mittler, herkommen. Fraget man: Wer JEsum Christum in das Mittler-Amt gesetzet? so ist die Antwort: Er hat sich selbst zu diesem Amte dargeboten; weil aber der Vater angesehen wird als höchster Richter und Beherrscher der Welt in Wercke unserer Seligkeit, so saget die Schrifft, GOtt der himmlische Vater habe seinen Sohn darein gesetzet, und JEsus Christus habe sich nicht diese Ehre selbst genommen. Zu diesem Amte ist er von Ewigkeit bestimmet, unter dem alten Testament verheissen, und den Vätern als Mittler vorgestellet worden. Der Vater hat auch die Gläubigen altes Testaments bloß in Ansehung dieses Mittler-Amts selig gemacht; er hat aber die Verrichtungen dieses Amts erst in der Fülle der Zeit angetreten: denn da ist er erstlich Mensch worden. Gleich von seiner Geburt an, hat er die nöthigen Gaben empfangen, um es gebührend zu verwalten. Ps. XLV, 8. Bey seiner Tauffe ist er durch den Heil. Geist, so vom Himmel auf ihn kam, öffentlich zu diesem Amte eingeweihet worden, wie nicht weniger durch die Stimmme, welche auch vom Himmel herab bezeugte, daß dieser es wäre, an welchem er Wohlgefallen hätte. Er hat es in seinem Leben und durch seinen Tod verwaltet, und verwaltet es noch, nachdem er gen Himmel gefahren. Dieser uneer Mittler JEsus Christus ist [629] aber auch unser einiger Mittler. Solches lehret uns die Schrifft mit ausdrücklichen Worten: Es ist ein GOtt und ein Mittler zwischen GOtt und den Menschen, der sich selbst vor alle zur Erlösung gegeben hat, 1 Tim. II, v. 5, 6. Dahero darff man sich nicht an viele Mittler halten. Wolte man sagen: es stehe im Grund-Texte nicht: es ist ein einiger Mittler, sondern nur: ein Mittler; so wird ja aber kein Mensch läugnen, daß das Wort ein im Grund-Text nicht zum öfftern einen einigen bedeute, und werden es die Griechisch-Verständigen alle gestehen; wie es auch Bellarminus selbst offt bekennet L. I, de Chr. c. 13. de Pontif. c. 2; und erhellet es auch aus vielen Stellen der Schrifft, Eph. IV, 6. Rom. III, 10, 12. Tim. III. 2, 12. Ferner muß dieß Wörtlein eben so gelten vom Mittler, wie es von GOtt gilt; Im Text aber stehet auch: Es ist ein GOtt, welches ein jeder Mensch also zu übersetzen billig findet: Es ist ein einiger GOtt. Daher Estius über diese Worte also spricht: "Wir müssen nach dem Sinn und Meynung des Apostels erkennen, daß dieses Mittler-Amt JEsu Christo dergestalt eigen ist, daß es keinem andern weder Engel noch Menschen beygeleget wird." Er thut hinzu: St. Augustinus, St. Leo, Chrysostomus und andere Väter, wie auch Thomas, hätten es also erkläret. Bellarminus L. V. de Chr. cap. 2. Cajeranus spricht auch über diesen Ort: "daß, wenn es viele Mittler zwischen GOtt und Menschen gäbe, so könte man glauben, sie wären getheilet, und hätte ein jeder seinen angewiesenen Theil von Menschen, vor welche er wäre." Spräche man: Paulus habe nur Simon des Zauberers Meynung widerlegen wollen, welcher lehrete: die Geister wären unsere Mittler zwischen GOtt und den Menschen; wie auch die Platonici. Aber wenn dem auch also, so ist die Widerlegungs-Art doch auch bündig gegen die, welche mehr Mittler glauben. Wolte man ferner einwenden: Es gäbe freylich nur einen Erlösungs-Mittler, dennoch aber auch andere Fürbittungs-Mittler; einen einigen Mittler gäbe es in Pauli Verstande, der unmittelbar zu GOtt nahe, ihn besänfftige, mit den Menschen versöhne, und vor sie alle Gaben der Seligkeit durch sein Verdienst, ohne eines andern seines, erlange: Aber deswegen könnten wir wohl auch gewisse andere Mittler auf eine unvollkommene Art zulassen, nemlich die, welche vor uns zu GOtt beteten, und durch ihre Fürbitte unsere Seligkeit GOtt anbefohlen. So ist die Antwort: 1) müssen die Menschen die Sprache des Heiligen Geistes nicht ändern wollen, 2) weil der Name des Mittlers Christo gantz besonders zugeleget wird, müssen wir ihn nicht andern geben. 3) Wenn man diejenigen, so zu GOtt für andere beten, Mittler nennen könnte, so müste man alle Leute und Christen Mittler heissen, als die vor einander beten, welches bisher noch niemand gegläubet. 4) So ist das Amt des Mittlers nicht bloß beten: Er handelt, er vergleicht, er scheidet die Partheyen, er bewegt sie durch sein Ansehen, er gewinnet sie durch sein Verdienst, er lencket sie, wohin er will, durch den Nachdruck seiner Vorstellungen und Gründe, und durch das Ansehen seiner Person. [630] Daher auch die, welche andere Mittler als JEsum Christum anführen, ihnen ein ander Amt, als blosses Gebet, beylegen. 5) Endlich ist gewiß, daß die Schrifft unter einem Erlösungs- oder Fürbitte-Mittler keinen Unterscheid machet, sondern im Gegentheil beydes zusammen füget, Ebr. VII, 25. Rom. VIII, 34. Das erhellet sonderlich aus dem schönen Ort Johannis, 1 Joh. II, 1, 2. da von JEsu Christo bloß als von einem Sach-Redner oder Fürsprecher gehandelt und gesagt wird: Er sey unser Fürsprecher und die Versöhnung für unsere Sünde. Das wird ferner bekräfftiget durch dasjenige, was JEsus Christus selbst sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich, Joh. XIV, 6. Ap. Gesch. IV, 12. Man kan Christo, ohne seine gröste Schmach, andere Mittler nicht an die Seite setzen: denn es ist eben, als wäre sein Mittler-Amt nicht genug. Möchte man sagen: darff man also nicht vor einander beten? Antw. Ach ja! aber das ist ein Liebes-Gebet, und muß man darum nicht andere Fürsprecher als JEsum Christum aufbringen wollen: weil, wie wir schon gezeiget, eine Fürsprache mehr in sich fasset als das Gebet, welches wir vor einander thun. Aber, spricht man, damit schmähet man JEsum Christum nicht, wenn man alle solche Fürsprecher unter ihm stellet, und noch darzu alle Krafft ihres Gebets in JEsu Christo und seinem Verdiente suchet? Antw. Man kan keinem andern als JEsu Christo den Namen eines Fürsprechers geben, wegen schon angeführter Ursachen: Es darff sich nimmermehr jemand mit seinem Ansehen bey GOtt herfürthun, um etwas zu erlangen, als JEsus Christus: denn auch diejenigen, welche wollen, daß die Heiligen Fürsprecher seyn, wollen auch, das GOtt um ihrent willen und in Ansehung ihrer Verdienste dem Menschen etwas gewähre und mittheile. Die Heiligen sind in Himmel kommen, aber nicht um vor uns zu erscheinen. Weiland stunden die Kinder Israel im Vorhof des Tempels und beteten vor einander; aber allein der Hohepriester war der Fürsprecher vor das Volck: also so lange wir hienieden auf Erden sind, können und sollen wir vor einander beten, aber niemand ist in das himmlische Heiligthum eingegangen, um daselbst vor uns zu bitten, als unser grosser Hoherpriester. Möchte man sagen: Das Verdienst eines Heiligen gründet sich auf JEsu Christi seinem. Antw. Aber dem ohnbeschadet folget doch, daß man die Ehre der Fürsprache zwischen der Creatur und Christo theile: denn obwol das Verdienst des Heiligen auf Christi seinem sich gründet und daran hanget, so ist doch dieses Verdienst auch sein eigen, und erstreckt sich über die andern Gläubigen, um ihnen die Gnade, der sie bedürfftig sind, zu verleihen: folglich wird der Gläubige, der zwar den vornehmsten Danck vor seine Seligkeit JEsu Christo schuldig ist, dennoch auch dieselbe zum Theil dem Heiligen zu dancken haben. Möchte man sagen: Wenn einer die Kirche ersuche, sie solle vor ihm zu GOtt bitten, so glaube er ja, das Gebet der Kirchen mit dem seinigen werde kräfftiger seyn, als seines allein: und folglich [631] müste doch GOtt, der auf die Kirche viel hält, aufs neue dadurch bewogen werden, die Gnade zu verwilligen, darum man bittet, und folglich müste das Verdienst der Kirchen bey ihm gelten. Antw. Es ist wahr, es hat das Kirchen-Gebet mit dem unsern mehr Krafft bey GOtt, als wenn wir allein beteten; aber dieß kommt nicht von einem besondern Verdienst der Kirchen: sondern weil viel Hertzen in einem Geist desto stärcker zusammen treten, und folglich durch ein inbrünstiges Verlangen GOtt gleichsam die Erhörung abnöthigen. Möchte man sagen: daß gleichwie, ob es schon heisse, es sey nur der einige GOtt gut, und JEsus Christus sage: Er sey der einige Lehrer, man dennoch alle Tage sage: Es gebe viel Lehrer und gute Leute; also könne dieses, daß es hier heisse: Es sey nur ein Mittler, andere darum nicht ausschliessen. Antw. Aber es ist hier ein grosser Unterscheid: denn die Schrifft zeiget uns gar deutlich an, in welchem Verstande nur ein einiger Lehrer sey, und wie nur ein einiger Guter sey; indem sie dennoch den Namen des Guten und Lehrers auch den Menschen giebt; da sie hingegen von andern Neben-Mittlern gäntzlich schweiget, und nicht das mindeste saget, woraus man abnehmen möchte, daß ihrer auch viele wären. NB. Ferner giebt es Sachen, welche gar nimmermehr an eine Creatur verliehen und gemein gemacht werden können, wie eben das Mittler-Amt ist. Mochte man sagen: Moses werde ein Mittler Galat. III, 19. und Timotheus ein Heyland genennet 1 Tim. IV. 16. Antwort: 1) Moses wird nur darum ein Mittler genennet, weil er ein Ausleger des Willens GOttes bey denen Israeliten, und der Mund der Israeliten bey GOtt gewesen ist: und so können die Heiligen nicht Mittler genennet werden: ferner ist auch hier die Rede nicht von einem solchen Mittler, wie Moses gewesen ist. 2) Wird Cimotheus nicht ein Heyland oder Seligmacher gnennet, sondern nur gesagt; er werde andere und sich selbst selig machen, weil er nemlich die Menschen zur Gemeinschafft Christi durch seine Predigt führen würde. Möchte man sagen: die Heiligen wären unsere Mittler dey JEsu Christo, und nicht bey dem Vater. Antw. Wenn JEsus Christus uns zu sich selber rufft, so lehret er uns damit, daß wir keines Mittlers bey ihm nöthig haben. JEsus Christus ist unser Fürsprecher und Sach-Redner; es braucht keine Fürsprecher bey dem, der selbst Fürsprecher ist. JEsus Christus vereiniget sich unmittelbar mit uns, und nicht erst vermittelst Petri und Pauli. Wenn man ein Fürbittungs-Mittler seyn will, so muß man die alle, vor welche man bitten will, genau kennen, ob sie unter die Auserwehlten GOttes gehören, versichert seyn, daß die ihnen ausgebetene Gnade ihnen heilsam sey, und die Ehre GOttes darunter befördert werde, das kan man aber von JEsu Christo gantz allein sagen. Nimmermehr mag man behaupten, daß die Heiligen im Himmel jeden Menschen besonders in der Welt kennen, wahre Gläubigen von Heuchlern unterscheiden, ihre Noth sehen, alles wissen, was ihnen nöthig und zu GOttes Ehren gereichend, oder hinderlich ist. Diese Lehre von vielen Mittlern rühret aus dem [632] Heydenthum her, nicht aber von den ersten Christen. In denen drey ersten Jahrhunderten findet sich kein Autor, der eines andern Mittlers als JEsu Christi gedencke; und keiner stellet die Heiligen oder die Engel als Mittler auf. Augustinus selbst, der erst im V Jahrhundert gelebet, spricht L. II. adv. Ep. Parm. c. 8, T. 7. "Niemand würde einen Bischoff leiden, oder auch einen Apostel, welcher seinem Volck verspräche: Er wollte sein Mittler vor sie bey GOtt seyn, und ihn vor sie versöhnen. Wo isj ein frommer Christ, sagt er, der solches erleiden möge? Wer ist, der ihn nicht vielmehr vor den Antichrist als Christi Apostel halten würde? Hernach fähret er fort: Die Christen befehlen einander in ihrem Gebet GOtt; aber es ist nur ein einiger und wahrhafftiger Mittler, nemlich der, vor welchen keiner bittet, und welcher vor alle bittet." Hierauf lobet er die Bescheidenheit Pauli, welcher sich selbst in der Gläubigen Gebet befahl, und damit anzeigte, daß er kein Mittler zu seyn begehrte: "Denn, spricht er, wenn St. Paulus, Mittler wäre, müsten es seine Mit-Brüder die andern Apostel auch seyn; und auf diese Art würden viel Mittler werden, so, daß er selbst nicht bey seiner Rede und Ausspruch bleiben könne, als er gesagt: Es ist ein einiger Mittler zwischen GOtt und den Menschen." Chrysostomus hom. 53. vom Cananäischen Weibe erkläret sich auch gantz deutlich: Er zeiget seinen Zuhörern, daß seine Jünger nichts vor diese Frau ausgewürcket: Er sagt: GOtt wolle lieber, daß wir selbst, so sündig wir auch immer seyn möchten, unser Gebet vor ihn brächten, als andere, wenn sie auch noch so freyen Zutritt und Gnade bey Christo hätten. Er streichet die Klugheit dieses Cananäischen Weibes heraus, daß sie nicht an S. Johannem, Jacobum oder Petrum gegangen und Mittler gesucht, sondern die Busse zu ihrer Gehülffin und Fürsprecherin genommen, und sich damit hin an die Quelle selber gemacht, daß sie bey sich gesprochen: Ist doch JEsus Christus darum hernieder kommen, und ein Mensch worden, daß man mit ihm reden kan. Die Christen erzittern vor ihm im Himmel, und die Seraphinen scheuen sich vor ihm; aber hienieden redet ein sündiges Weib mit ihm. Oben ist Furcht und Beben; hiernieden ist man voller Freudigkeit. Diese macht, daß dieß Weib spricht: Erbarme dich mein, ich brauche keinen Mittler. Agobardus, welcher zur Zeit Ludovici Pii schrieb, hat in seinem Buch von Gemählden und Bildern, einen Titul mit folgenden Worten: daß man keinen andern Mittler zwischen GOtt und Menschen als den GOtt-Menschen suchen müsse. Man wendet ein: 1) daß die Heiligen im Himmel mit denen Heiligen auf Erden Gemeinschafft haben, und also wohl für uns bitten können. Antw. Ja! Sie haben Gemeinschafft mit uns, in sofern sie Glieder eines geistlichen Leibes sind: Aber es folget nicht, daß sie unsere Fürsprecher sind: Sie können wohl für die Kirche insgemein beten, aber ein rechter Fürsprecher muß vor einen jeden insonderheit und Krafft seines eigenen Verdienstes beten, die Bedrängniß und Noth aller derer, vor welche er bittet, wissen, und dagegen [633] helffen können, welches von niemanden als JEsu Christo allein gesagt werden kan. Man wendet ein 2) GOtt spreche zu seinem Propheten Jeremia XV, 1. wenn Moses und Samuel gleich vor ihm stünden, hätte er doch keine Liebe zu diesem Volck. Antw. aber a) vermenget man zweyerley: Ein anders ist sagen: Mose und Samuel, da sie lebeten, baten vors Volck: Ein anders: sie bäten vor selbiges, da sie todt sind, b) Ist der Verstand der Worte Jeremiä gantz augenscheinlich dieser: Wenn schon Moses und Samuel noch lebten, und vor dies Volck beteten, würde ich mich doch ihr Gebet nicht, wie vormahls, bewegen lassen; und dadurch will GOtt dem Propheten andeuten, daß es um die Wohlfahrt dieses Volcks gethan, und ihr Untergang fest beschlossen. Man kan diesen Ort zu Ezechiel seinem thun Cap. XIV, 13, 14, 2. B. Mose XXXII, 12, 1 Sam. VII, 9. Man wendet ein 3) Offenb. V, 8, 9, stehe ja; Die 4 Thiere und 24 Aeltesten wären ja vor dem Lamm niedergefallen, und hatten ein jeglicher Harffen und güldene Schaalen voll Räuchwerck gehabt, welches wäre das Gebet der Heiligen. Antw. Aber a)ist daselbst die Rede vom Gebet und Lob der Heiligen, die lebendig sind, und wird der Evangelische Gottesdienst mit solchen Worten, die vom Levitischen erborget sind, beschrieben. b) Will man aber die verstorbene Heilige darunter verstehen, so ist die Rede von Liedern, die sie GOtt vor sich selbst, und nicht vor andere darbringen. Also wenn es heist, die güldenen Schaalen seyn voll Räuchwerck, welches die Gebete der Heiligen seyn, so wird dadurch das Gebet der Heiligen selber angezeiget, die Schaalen hatten. Man wendet ein 4) bey Königen brauche man ja Mittels-Personen und Fürsprecher, die einen Zutritt verschaffen. Antw. Aber so ist es nicht bey dem König aller Könige, und zu dem haben wir ja die Vermittelung seines eigenen Sohnes, der uns zu sich ruffet. Man wendet 5) ein, was Hiob V, 1 stehet, zu welchem Heiligen wolltest du dich wenden? Antw. Aber diese Worte lehren uns so viel, daß wenn man GOtt zugegen habe, wie Eliphas meynte, daß ihn Hiob hätte, so könnte ihn sonst niemand vertheidigen. Wer wollte aber daraus schlüssen, Eliphas hätte gemeynet, Hiob suche die Vermittelung der Heiligen: zu geschweigen, daß Eliphas wohl die Heiligen auf Erden meynen mag. Man wendet ein 6) was Hiob XIX, 2. stehet, da dieser heilige Mann spricht: Erbarmet euch mein, meine liebsten Freunde. Antwort. Aber wer will glauben, daß das auf verstorbene Heilige und die Engel gehe? Man wendet ein 7) Hiob XXXIII, 23, von dem Boten, einem unter tausenden, der den Menschen lehre, was er thun soll. Antw. Aber das hilfft ihrer Sache nichts. Denn man kan dadurch verstehen entweder einen Knecht GOttes, einen Propheten, einen Diener, welchen GOtt braucht, den Menschen seine Verheissungen und Befreyungen anzukündigen: oder, JEsum Christum, wie es einige erklären, welcher wahrhafftig einer aus tausenden ist, um seine Vortrefflichkeit anzudeuten, und welcber die Versöhnung stifftet, in deren Ansehen er den Krancken gesund machet: oder, einen Engel, denn GOtt brauchte unter dem Alten Testament oft den Dienst dieser [634] seligen Geister zu Trost der Seinigen. Kurtz: Man erkläre es, wie man wolle, so kommt doch kein Heiliger noch Engel zum Mittler heraus. Man wendet 8) ein: GOtt gedencke an Abraham, Isaac und Jarob, 2 B. Mose XXXII, 13. Antw. Aber das bedeutet nicht so viel, daß GOtt auf das Mittler-Amt dieser heiligen Ertz-Väter sehe, sondern er gedencke an die, diesen heiligen Männern von ihm gethane Verheissungen, und an den Bund, den er mit ihnen gemacht. Man wendet 9) ein: Es bäte Zach. I. 12, ein Engel vor Jerusalem und die Städte Juda. Antw. Aber das ist der Engel des Bundes, nemlich JEsus Christus, unser Herr, und unser einiger Mittler. Man wendet ein 10) Es schrien die Seelen unter dem Altar, die Johannes gesehen. Antw. Aber sie rieffen vor sich, und nicht vor andere. Also kan daraus die Vermittelung der Heiligen nicht erwiesen werden; zu geschweigen, daß solche Worte nicht buchstäblich genommen werden müssen. Man wendet ein 11) Johannes sahe einen Engel mit einem güldenen Räuch-Faß; welchem viel Räuch-Werck gegeben wird zu opffern mit dem Gebet aller Heiligen auf dem güldenen Altar. Antw. Aber das ist JEsus Christus selbst, als der einige Priester, der unser Gebet vor GOtt bringt, und es GOtt angenehm macht, das es durch das Rauch-Werck seines Verdiensts GOtt ein guter Geruch wird, und welcher zugleich der Altar ist, so unser Gebet heiliget. Man wendet ein 12) Raphael sage Tob. XII, 15. Ich bin Raphael, einer der sieben heiligen Engel, welche das Gebet der Heiligen GOtt vortragen. Antw. Aber das Buch Tobiä ist ein Apocryphisch Buch, das der heilige Geist nicht unmittelbar eingegeben, und es stecken viel Dinge darinnen, die uns die Schrifft sonst nirgends saget. Man wendet 13) ein, was 2 Macc. XV. 14 stehet: Da Judas spricht: Er habe im Gesicht Oniam den Priester, und Jeremiam gesehen, die schon todt waren, und doch vor die Juden gebetet. Antw. Aber erstlich ist dies Buch eben Apocryphisch, wie das vorige, und hernach beweiset es nur so viel, daß die Heiligen insgemein vor die Kirche beten: nicht aber, daß sie ihre Mittler seyn. So ist denn gewiß, daß JEsus Christus unser einiger Mittler. Sein Amt aber wird in dreyerley Aemter getheilet: in das Prophetische, in das Hohepriesterliche, und Königliche, welche alle dreye JEsus Christus verwaltet hat. Die Schrifft redet uns von allen diesen drey Aemtern; und es war voraus gesaget worden, es solte der Meßias unser Mittler, König, Hoherpriester und Prophet seyn. Der Geist GOttes hatte vorher gesagt: Er würde ein Prophet seyn, 5 B. Mose XVIII, 18, Es. LXI, 1, 2. Er würde ein Priester seyn, Ps. CX, 4, und würde König seyn, Ps. II, 6, Ps. CX, 1, 2. Es. IX, 5. Man findet diese drey Aemter in Esaia Cap. XLI, 2, beysammen. Der Geist des HErrn ist über mir, darum hat mich der HErr gesalbet, zu predigen den Elenden; das ist das Prophetische Amt Meßiä: den Gebundenen die Freyheit zu verkündigen; das ist seine Königliche Hoheit: Und die Zerschlagenen zu heilen; das ist seine Priesterliche Würde. Man findet sie auch Zachar. VI. 12, 13. und im CX Psalm. JEsus Christus stellet sich [635] selbst auch als einer der diese drey Aemter hat, für, wenn er sich nennet den Weg, die Wahrheit und das Leben: den Weg, wegen seines Priesterthums, die Wahrheit, wegen seines Prophetischen Amtes, und das Leben, wegen seines Reichs, Joh. XIV, 6. St. Paulus beschreibt sie uns auch 1 Cor. I, 30, da er spricht: Christus sey uns gemacht von GOtt zur Weißheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. Denn er ist unsere Weißheit als Prophet, Gerechtigkeit als Priester, Heiligung und Erlösung als König. Die Weißheit ist die Frucht seines Prophetischen Amtes; die Gerechtigkeit seines Priesterlichen; die Heiligung und Erlösung seines Königlichen. In der Epistel an die Ebräer redet Paulus von allen dreyen: Er handelt von seinem Prophetischen Amte, und erhebet ihn über alle Propheten, und Mosen selbst: von seiner Königlichen Hoheit, und setzt ihn über Josua, und vergleicht ihn mit Melchisedech: von seinem Hohenpriesterthum, und setzt ihn über Aaron. Es ist leicht zu begreiffen, daß wir aller dieser drey Aemter nöthig hatten: des Prophetischen, um die Finsterniß unserer Unwissenheit zu vertreiben: des Hohenpriesterlichen, um uns vor Verdammniß und dem Fluch GOttes zu bewahren, und uns die Liebe und den Frieden unsers himmlischen Vaters wieder zu erlangen: des Königlichen, um uns von der Knechtschafft der Sünden und des Todes zu befreyen, des Hohenpriesterlichen, um uns die Seligkeit zu erwerben: des Prophetischen, um uns selbe zu verkündigen: des Königlichen, um sie uns zuzueignen, und uns zum Besitz derselben würcklich zu bringen. Des Prophetischen, um uns die Vollkommenheiten GOttes zu offenbahren: des Priesterlichen, um uns mit dem himmlischen Vater zu versöhnen: des Königlichen, um seine und unsere Feinde zu überwältigen. Des Priesterlichen, um GOtt genug zu thun, und vor uns zu bitten: des Prophetischen, um auf Befehl und im Namen GOttes mit uns zu handeln: des Königlichen, um uns von unsern Feinden zu erlösen. Die Heyden müssen sich nicht wundern, daß wir sagen, unser Mittler müsse die drey Aemter haben: Sie hatten ihre Propheten und Wahrsager, die ihnen göttliche Dinge verkündigen musten: Ihre Priester, welche ihre beleidigte Gottheit versöhnen musten: und ihre Könige. Alle Völcker, indem sie Priester gesetzet, und ihre Propheten und Wahrsager sowohl als ihre Könige in Ehren gehalten, haben dadurch bezeuget, daß sie eines wahren Propheten, eines rechten Priesters und Königs nöthig hätten: Also suchten sie und tappten nach dem, was sie nicht finden konnten. Die Juden hingegen wissen, daß alle Aemter und Würden, so in Israel unter ihnen gewesen, die Aemter des Meßiä vorgebildet. Nun wissen sie ja auch, daß die wichtigsten Aemter, derer Propheten, Priester und Könige ihre gewesen; also müssen sie sich nicht wundern, wenn wir nach ihren Propheten sagen, daß unser Mittler drey Aemter haben solle, und müssen vielmehr unsern JEsum vor den Meßiam, darauf ihre Väter gewartet, halten, weil er diese drey Aemter gehabt hat. Niemand hatte sie vor ihm gehabt. Moses, der gleichsam das [636] Haupt der alten Propheten gewesen ist, hat nie weder das Hohepriesterliche noch die Königliche Würde gehabt. Er war zwar wie ein König über Israel; aber es war da, eigentlich zu reden, kein König, als GOtt allein. Es ist ferner wahr, daß Moses geopffert, 2 B. Mose XXIV; aber es war dieses vor Aarons Einweihung etwas ausserordentliches. Es war Melchisedech ein Priester und König; aber er war nicht Prophete. Aaron hingegen, welchem GOtt den Priester-Hut aufgesetzet, hatte weder an Salbung der Könige noch Propheten Theil. Und was die Könige belanget, so hat sie GOtt allemahl gestrafft, wenn sie in die priesterliche Verrichtungen den geringsten Eingriff gethan, wie aus Josiä Geschichte erhellet. JEsus Christus aber hat diesselben alle drey gehabt, und folglich hat er dadurch die unendliche Hoheit seiner Person zu erkennen gegeben: denn eine blosse Creatur vermochte diese drey Aemter nicht zu ertragen. Siehe ein iedes derselben am gehörigen Orte in besondern Artickeln abgehandelt. Hier ist überhaupt nur diess zu mercken: 1) daß diese Aemter in Christo nichts fleischliches oder irrdisches, sondern gantz geistlich und himmlisch seyn solten: denn die Wahrheit und das Wesen selbst muste alle Figuren übertreffen. Muste also dieser Priester nicht Vieh zum Opffer bringen: sondern dieser König muste unter seinem Reich die Seelen und Gewissen haben, und dieser Prophet muste seinen Stuhl oder Cantzel im Himmel haben, um alle Menschen zu lehren. 2) Was unter diesen Aemtern vor eine Ordnung sey. Es scheinet das priesterliche Amt sey das erste: denn es muste uns die Seligkeit erst verdienet werden, ehe sie uns verkündiget, zugeeignet und erhalten würde. Es erhellet aber klar, daß JEsus Christus mit den prophetisch Verrichtungen angefangen, darauf sind die Hohenpriesterlichen, und endlich die Königlichen gefolget. 3) Daß einerley heilsames Werck JEsu Christo nach seinen verschiedenen Aemtern zugeschrieben werden könne. JEsus Christus erhält uns die Seligkeit als König; aber auch als Priester, der stets vor uns bittet; und als Prophete, der uns stets in unsern Pflichten unterweiset, und sein Gesetz in unsere Hertzen drücket. Der Tod, welcher ist das Opffer JEsu Christi, kan angesehen werden, als der Streit, in welchen sich dieser König zu Erlösung seiner Unterthanen eingelassen. Nun ist noch zu reden von der Salbung, durch welche JEsus Christus zu diesen drei Aemtern geweihet worden; daher er der Christ, das ist, der Gesalbte, im höchsten Verstande über alle andere genennet wird. Dieses zu fassen, muß man wissen: 1) daß dreyerley Leute im Alten Testament gesalbet worden mit einer Salbung, die uns im Gesetz Mosis nach allen Umständen beschrieben wird, und diese Salbung war keine blosse unnütze Ceremonie; denn es war solche gleichsam das Siegel und Kennzeichen des Amts: hernach war es auch eine äusserliche Bedeutung der Gnade, so GOtt in die also Gesalbten legete, um sie zu ihren Amts-Verrichtungen tüchtig zu machen. Diese dreyerley Leute waren nun die Propheten, Priester und Könige. Es [637] wird von der Propheten Salbung geredet: Kön. XIX, 16, bey Elisa, es wird derselben nur dieß einige mahl gedacht; daher einige Gelehrte gar zweiffeln wollen, ob die Propheten gesalbet worden, und dasjenige verblümt angenommen, was hier von Elisa stehet. Ferner wird von der Priester Salbung gedacht 2 B. Mose XXX, und daher stellet uns der Prophet im CXXXIII Psalm den Segen des Friedens unter dem Bilde des köstlichen Salb-Oels vor, welches auf Arons Haupt geschüttet wurde. Endlich wird von Salbung der Könige geredet 1 Kön. I, 34, da es heisset: Sadok und Nathan hätten Salomo gesalbet: Aber es ist zu mercken, daß die königlichen Printzen nicht gesalbet wurden, sondern nur die, welche neu erwehlt wurden, oder, deren Folge streitig gemacht werden konte: darum wurde Salomo (weil er mehr Brüder hatte) wegen seines Bruders Adonia Empörung gesalbet, 1 Kön. I, 5; Joas wegen Athalia, 2 Chron. XXIII, 11; Joachas wegen seines Bruders Jojakim, 2 Kön. XXIII, 30. Ist also nicht zu verwundern, daß Christus gesalbet worden: weil er unser König, Priester und Prophet seyn solte. Von dieser Salbung wird geredet Psalm XLV, 8, und deswegen wird er Meßias, oder Christ, das ist, der Gesalbte des HErrn, genennet, 2) Aber deshalben muß man nicht glauben, daß das Oel, womit Christus gesalbet worden, ein irrdisch und materialisch Oel sey, wie dasjenige, womit man im Alten Testament salbete: die Salbung JEsu Christi ist gantz geistlich und himmlisch, und er ist weit mehr, als alle seine Gesellen, gesalbet worden. 3) Diese Salbung bedeutet zweyerley: a) daß JEsus Christus in das Amt des Mittlers eingesetzet worden. b) daß er einen unendlichen Uberfluß von Gnaden-Gaben empfangen, um diese Aemter wohl zu verwalten; deswegen spricht er selbst: Der Geist des HErrn ist über mir, Es. LXI, 1. 4) Wenn man fraget: Wenn JEsus gesalbet worden? so ist leicht zu antworten: a) Ist er gesalbet worden gleich bey seiner Empfängniß durch den heiligen Geist. b) Bey seiner Tauffe, da der Heilige Geist auf ihn herab fuhr; sonderlich aber nach seiner Aufferstehung und Himmelfahrt: denn da ist er zum HErrn und Christ gemacht worden, Ap. Gesch. II, 36. Siehe davon ein mehrers unter Salbung. Picters Christliche Gottes-Gelahrheit Th. I, p. 1290 u. ff. Lütkens Collegium biblicum, p. 209 u. ff.