Zedler:Marocco, die Hauptstadt des vorherstehenden Königreichs

Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Marocco, ein Königreich in Africa

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MAROCESTINUM EXTRACTUM

Band: 19 (1739), Spalte: 1636–1638. (Scan)

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Literatur
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Marocco, Lat. Marochium, vor zeiten Bocanum Homerum, die Hauptstadt des vorherstehenden Königreichs, liegt an dem Fluße Nifis, Neffis, oder Niffis, auf einer feinen Ebene, 5. oder 6. Meilen von dem Atlantischen Gebürge, unterm 9. Gr. 23. Min. der Länge, und 31. Gr. 12. Min. der Breite. Sie ist groß, Volckreich, feste, und ist mit vielen Bollwercken, tieffen Graben, starcken Thürmen und hohen Mauren verwahret, welche von Kalck, Sand und einer gewissen fetten Erde gemacht sind, welches den Koth so feste macht, daß Feuer daraus springet, wenn man mit einem Eisen [1637] darauf schlägt. Diese Mauer ist sehr hoch und hat keinen einigen Riß noch Bruch, ungeachtet die Stadt öffters geplündert worden. Man rühmet, daß sie ehemahl 100000. Einwohner gehabt, aber heute zu Tage ist sie ruiniret. Gegen Mittag ist eine Vestung, welche 4000 Häuser in sich begreifft. Nahe bey einem Thore dieser Vestung ist eine prächtige Moschee, so von Abdulummen, dem andern König von Marocco, aus dem Almohadischen Geschlecht, erbauet, und von desselben Enckel Jacob Almansor mit Jaspis- und Alabaster-Steinen, die er aus Spanien hohlen lassen, gezieret worden, worinnen gedachter König auch die Thore der grossen Kirche zu Sevilien, als Sieges-Zeichen setzen und einige Glocken, als welche bey ihnen nicht gebräuchlich sind, umgekehrt aufhängen lassen. Desgleichen erbauete er auch einen Thurm, auf dessen Spitze er 4 grosse Knöpffe von purem Gold machen ließ, unter welchen der gröste 8 Maaß Korn, der andere aber 4 und die übrigen nach Proportion in sich fassen kan. Alle zusammen wiegen 130000 Barbarische Ducaten schwer; das gemeine Volck glaubt, daß diese Knöpfe bezaubert und von Geistern besessen seyn. Denn als im Jahr 1540 der Cherif Muley Hamed einen herunter nehmen, und durch einen gewissen Juden einen andern von Ertz übergölden, und an des vorigen Stelle setzen lassen, stifteten es die Pfaffen an, daß bemeldter Jude hingerichtet, und dessen Leichnam bey der Nacht oben auf die Spitze des Thurms gehänget wurde, wobey sie hernach vorgaben, daß solches durch die Schutz-Geister der Knöpffe geschehen wäre. Als auch gedachter Cherif um sein Leben und Cron gekommen, wurde dieses dem allein zugeschrieben, daß er die güldene Kugel von dem Thurm herunter nehmen lassen, so daß sich nachgehends keiner von seinen Nachkommen, dergleichen zu thun unterstunde. Nahe bey dieser Moschee ist ein alt Collegium, Madaraca, das ist der Hammer der Wissenschafften genannt, worinnen die Astrologie und schwartze Kunst nebst den natürlichen Wissenschafften, der Arabischen Sprache und dem Gesetze Mahomets gelehret werden. Es ist darinnen ein Saal, welcher mit feiner Musaischen Arbeit ausgezieret und ein mit Alabaster-Steinen geflasterter Hof, in dessen Mitte ein Becken von einem einigen Steine, welcher wohl der gröste in der gantzen Barbarey seyn mag, zu sehen ist. Man hat auch daselbst einen grossen geraumen Platz, Cereos genannt, woselbst die öffentliche Spiele und Ergötzlichkeiten gehalten werden, gleich gegen des Königs Pallast über, wie auch viele andere prächtige Gebäude, so wohl nach der neuen als alten Art. Die schönste Moschee in der Stadt wird nach Ali Ben Joseph, der sie erbauen lassen, genennet. Es ist ein vortrefflich Gebäude, und wird insonderheit der Thurm für den höchsten in gantz Africa gehalten. Die Mauren sind zwölff Schuh dick, und die Wendel-Treppe ist so weit und eben, daß drey Männer zu Pferde neben einander hinaufreiten könnten. Ober auf der Spitze des Tempels sind drey silberne Knöpffe, unter welchender gröste 12 Maaß Korn fassen kan. Ihre Geschicht-Schreiber berichten, daß Ali Ben Joseph damit ein Denckmahl eines wieder die Christen in Spanien erhaltenen grossen Sieges stifften wollen, und setzen hinzu, daß dieses Silber nur der [1638] zehende von dem 5ten Theil der Beute gewesen sey. Bey hellem Wetter kan man oben auf der Spitze dieses Thurms den Berg Safi, welcher 40 Meilen von Maroceo liegt, sehen. Nahe bey der Moschee Qvivir, ist ein fein Collegium, so mit guten Einkünfften begabet, zu Unterhaltung unterschiedlicher Professoren und vieler Schüler, für welche 400 Kammern darinnen gebauet, so alle würfflicht gepflastert sind; desgleichen sind auch daselbst grosse Säle für die Lehrer und lustige lange Gallerien zum spatziergehen. Es halten sich viel Juden zu Marocco auf, welche mehrentheils Goldschmiede oder Kauffleute sind, die dem Kayser viel Tribut geben müssen, wenn sie nicht wie das Vieh wollen niedergemetzelt werden. Die Christlichen Kauffleute wohnen nahe bey dem Zoll-Hause, und treiben starcken Handel mit Seiden, Leinen, Baumwollen und andern Waaren. Das Wasser-Hauß, ein sehr kostbares Gebäude, ist eines von den merckwürdigsten Dingen in der Stadt. Das Wasser wird durch 400 Canäle dahin gebracht, welche sehr tieff in der Erde sind, und sehr weit von Mittag herkommen. Es scheinet, als ob dieses Werck von einem gewissen klugen Fürsten angegeben worden, damit im Fall einer Belagerung den Einwohnern das Wasser nicht abgeschnitten werden könnte. Im Jahr 1727 ward in der Ebene dieser Stadt des Käysers Muley Ismaels Sohn Abdemelech von seinem jüngsten Bruder Muley Abdala, nach hitziger Gegenwehr zwey mahl geschlagen, und darauf die Stadt Marocco eingenommen, darinne viel 1000 Menschen niedergehauen wurden. Marmol. Descript. Afric. Relation de l' Empire de Maroc. pour Mr. de S. Olon &c. Meliß. Geogr. Noviss. P. II. p. 533 seq.