Zedler:Madrit, Madrid, die Residentz-Stadt der Könige in Spanien

Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Madrit, Madrid, der Nahme eines Königl. Frantzösischen Lust-Schlosses in Isle de France

Band: 19 (1739), Spalte: 143–147. (Scan)

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Madrit, Madrid, Lat. Madritum, Matritum, oder Madridium, bey den Alten Mantua Carpetanorum, ist die Residentz-Stadt der Könige in Spanien, liegt in Neu-Castilien an dem kleinen Fluß Manzanares unterm 16 Gr. 13. Min. Long. und 40. Gr. 26 Min. Latit. 10, Meilen von Toledo gegen Norden, und ist aus den Ruinen der alten Stadt Mantua Carpetanorum, Villa Manta, erwachsen. Sie wird eingetheilet in die alte und neue Stadt, und soll mitten in Spanien liegen, welches man auch daher beweisen will, weil die kleine Stadt Pinto, die nur 3 Meilen davon entfernet ist, im Lateinischen Punctum, der Mittel-Punct hiesse, und das Centrum in Spanien wäre,) Sie ist wohl mit mehr als 100. Thürmen gezieret, aber so schlecht befestiget, daß sie weder Mauren, noch wohl verwahrte Thore hat. Sie dienen ihr aber zu ihrer Beschützung die herum liegenden Berge, darzu die Pässe mit weniger Mannschafft wider eine grosse Armee gar leicht können behauptet werden. Die Spanier geben vor, daß der Stiffter dieser Stadt ein Fürst Nahmens Ogno Bianer, ein Sohn des Königs der Lateiner, Tiberinus, gewesen sey. Es war sonst ein kleiner Ort, und gehörte dem Ertz-Bischoffe zu Toledo. Ihren grösten Glantz aber hat sie dem Könige Philipp II. zu dancken, welcher daselbst seinen ordenlichen Sitz genommen, dem auch seine Nachkömmlinge wegen der gesunden Lufft und guten Wassers gefolget. Die Stadt ist eben von keiner ungemeinen Grösse, aber sehr starck bewohnet; Wie man denn glaubet, daß sie 300000 Einwohner hat, darunter zum wenigsten 40000. Franzosen sind, welche sich vor Burgundier ausgeben. Die Häuser sind zwar nur von Ziegel-Steinen und Erde aufgebauet, aber doch schön räumlich und bequem. In allen Häusern findet man geneiniglich 10 bis 12, in etlichen auch wohl 20 und mehr grosse Gemächer auf gleichem Boden. Man hat seine Sommer- und Winter zuweilen auch Frühlings- und Herbst-Wohnung. Man siehet allhier nicht viel gemeine Häuser, sondern [144] es ist die gantze Stadt, 7 oder 8 Gassen ausgenommen, worinnen Kauffleute wohnen, fast mit lauter Standes-Personen angefüllet. Man findet nirgends kein offenes Gewölbe oder Kram-Laden, ausser denen, wo Confect, Geträncke, mit Eis angemachte Wasser und allerhand gebackens zu verkauffen ist. Der Königliche Pallast liegt gegen das Ufer des Flusses Manzaranes, auf einer Höhe, so sich gantz unvermerckt gegen die Stadt zu verlieret. Vor demselbigen ist ein weitläufftiger Platz zu sehen, und darff niemand von hier in den Hof des Schlosses fahren, es sey denn, daß Freuden-Feuer angezündet, oder Masqueraden gehalden würden. Es stehet aber dieser Pallast, wozu man durch la Callemayor, oder die grosse Strasse kömmt, an dem Ende der Stadt gegen Mittag und ist von weissen Steinen aufgeführet. Auf den beyden Ecken des fördern theils stehen 2 Thürne von gebackenen Steinen. Hinter diesem fördern Bau sind 2 viereckigte Höfe, welche ziemlich verwahret sind, Auf das Schloß selbsten gehet man so lange durch schöne Bogen-Gänge, bis man zu einer überaus weiten Treppe kommt. Hierauf findet man vortreffliche Zimmer, die mit den künstlichsten Gemählden, Teppichen, Bildern und andern kostbaren Stücken prangen. Doch verlieren viel von diesen Zimmern ihre Anmuth, indem sie theils gar keine, theils aber gar kleine Fenster haben, wiewohl die Spanier dieses damit entschuldigen wollen, daß man auf solche Art der Sommer-Hitze in ihrem Lande vorzukommen getrachtet. Sonst ist auch das Königliche Schloß mit vielen vergöldeten Erckern ausgezieret, und kommen alle Raths-Collegia auf demselben zusammen, dahin sich der König durch verdeckte Gänge erheben kan. Es brannte 1734 in der Christ-Nacht fast gantz ab, und wird nun wieder von neuem eben so aufgebauet. Ausserhalb der Stadt ist noch ein anderer Königlicher Pallast Bucn-Retiro genannt, Unter die übrigen schönsten Palläste rechnet man den Pallast des Hertzogs von Oßuna, des Admiranten von Castilien, der Gräfin von Qropesa, und des Connestabels von Castilien. Die Kirchen in Madrit sind durchgehends sehr prächtig, gleich wie ohne dem durch gantz Spanien am meisten darauf gewendet wird. Die fürnehmste ist die, so Nuestra Senora de Atocha, oder die Kirche Lat. Aedes divae virginis sylvestris zu unser lieben Frauen im Busch heisset. Sie stehet 5 oder 600 Schritte von der Stadt, bey einem Kloster, darinnen man ein wunderthätiges Bild der heil. Jungfrau Maria, welche das JEsum auf den Armen trägt, verehret. Es ist selbige schwartz, und hat gemeiniglich die Kleidung einer Spanischen Wittwe, an hohen Fest-Tagen aber ist nichts so kostbares zu erdencken, damit sie nicht solte behängt werden. Sie machen unter andern eine strahlende Sonne um ihr Haupt, und geben ihr einen Rosen-Crantz in die Hand. Es brennen bey ihr 100 grosse göldne und silberne Lampen, dadurch die finstere Cappelle erleuchtet wird. In der Kirche selbsten, wenn dem Könige ein Glück wiederfähret, pflegt man das Te Deum laudamus abzusingen. In der Capelle de nuestra Sennora de Almenara siehet [145] man ein anderes Marien-Bild, welches der Heilige Apostel Jacob von Jerusalem soll gebracht, und solches innerhalb Madrid in einem Thurme versteckt haben. Als nun die Mohren die Stadt belagert, wären die Einwohner in eine grosse-Hungers-Noth gerathen, und gezwungen worden, sich dem Feinde zu ergeben. Als sie aber mit diesen Gedancken umgegangen, wäre dieser Thurm unvermuthet gantz mit Korn angefüllet worden, weswegen das Volck, so dieses vor ein grosses Wunder-Werck gehalten, von neuem Muth gefasset, und sich so tapffer gewehret hätte, daß endlich die abgematteten Mohren nach einer langwierigen Belagerung unverrichteter Sache wieder abziehen müssen. Bald darauf hätte man das Marienbild entdecket, und demselben zur Danckbarkeit eine Capelle erbauet, In dieser sind der Altar, die Schrancken und die Lampen durchgehends von dichten Silber. Doch übertrifft die Capelle des heil. Isidorus, welcher von Geburt ein armer Bauer war, und nachmahls zum Patron von dieser Stadt erwählt worden, alle die übrigen an Schönheit und Pracht. Die Mauren sind über und über mit Marmor von allerhand Farben überzogen, und das Grab dieses Heiligen, so in der Mitte stehet, ist mit 4 Säulen von Porphyr, auf denen ein marmorsteinerner Krantz mit allerhand Blumen nach ihren natürlichen Farben ruhet, umgeben. Sonst sind noch einige andere Plätze, absonderlich wo man das Stier-Gefechte zu halten pfleget, zu mercken. Dieser letztere ist der schönste Platz, wird Placa Major genennet, liegt mitten in der Stadt, und wird daselbst alles verkaufft. Es stehen 130 Häuser um diesen Platz herum, alle einander gleich, und jedwedes von 5 Stock-Wercken. Jedes Stockwerck hat einen prächtigen Ercker, und unter den Häusern, die alle auf Säuln stehen, ist die allerangenehmste Gallerie. Das Haus der Frauen von St. Jacob ist sehr prächtig, und geniessen dieseiben sehr grosse Pensionen, wie denn eine iede derselben 3 biß 4 Kammer-Mägdgen hat. Es sind auch in dieser Königl. Residentz viel lange und breite Strassen, die aber alle so unsauber sind, daß man stets bis über die Knöchel in Kothe waten muß. Denn weil in der gantzen Stadt nicht ein einig Privet, so verrichten die Einwohner ihre Nothdurfft in Töpffe, welche sie bey Nacht-Zeiten auf die Gassen ausleeren, und dadurch alles noch mehr verunreinigen. Die Spanier entschuldigen diese ihre Unfläterey damit, daß sie ihrer Lufft, welche subtil und sehr starck trocknet, auch gar hefftig in die Leiber eindringet etwas zu zehren geben müsten, wo sie nicht selbsten von ihr wolten beschweret werden. Die Lufft selbst ist gesund, daher die Königinnen, wenn ihre Geburts-Zeit herbey nahete, vormahls, ehe die Residentz hieher ist verleget worden, sich dahin begaben, damit die Königlichen Kinder alsobald reine und gesunde Lufft schöpffen möchten. Und als einsten Carl der Vte mit einem viertägigen Fieber lang Zeit starck behafftet gewesen, hat er sich hieher begeben, und ist nach Verlauff weniger Tage glücklich davon befreyet worden. Sonst hat man zu mercken, daß dem Könige das erste Stockwerck von allen Häusern gehöret, welches er nach [146] gefallen verkauffen oder vermiethen kan. Weil niemand zu Madrit sich ein Lust-Hauß auf das Land bauet, oder ausserhalb der Stadt eine Veränderung suchet; so ist die gantze Gegend um Madrit einer Einöde gleich. Die Spanier meinen auch, Madrit sey der einige Mittel-Punckt aller Ehre, Wissenschafften und Ergötzlichkeiten. Dannenhero wünschen sie auf dem Todt-Bette ihren Kindern, daß sie die Zeit ihres Lebens in Madrit zubringen mögen. Im Capuciner-Closter allhier, Christi Patientia genannt, ist ein Crucifix, welches die Juden gegeißelt, gecrönet, und aufgehencket und dermassen gemartert haben, bis es endlich habe angefangen zu reden: Warum tractiret ihr mich so übel? Da ich doch euer wahrer GOtt bin. Darauf haben sie es in Stücken zerhacket, und in das Feuer geworffen, es hat aber nicht brennen wollen, sondern sich wunderlich wieder zusammen gefügt. Itzo wird es vor dem hohen Altar hoch verehret und angebetet. Die Christ-Nacht wird hier schändlich begangen. Denn es ladet in derselben ein guter Freund den andern zu Gaste, wobey wacker gesoffen, gefressen und viel böses begangen wird. Zu Mitternacht gehen sie in die Kirche kotzen, speyen und halten sich recht viehisch. In Matdrit machet ein Ambaßadeur die gantze Gasse, worinnen er wohnet, Accis-frey, und müssen sich die Einwohner deswegen bey ihm abfinden. Man verkaufft allhier nicht das geringste von Eß-Waaren, das nicht vorher ist taxiret worden. Das Brennholtz wird nach dem Gewichte verkaufft. Daher sind die Häuser überaus theuer. Man hat darinne weder Oefen noch Camine, sondern an deren statt ein Becken, worein man Kohlen leget, und solches mitten ins Zimmer setzet, welches gar sehr wärmet, zumahl da es hier niemahls recht kalt ist. Im Jahr 1526 wurde zu Madrit zwischen dem Kayser Carl den Vten und dem Könige in Franckreich Franttz dem Iten, und 1604 vom Könige in Spanien Philipp IIIten mit dem Könige in Engelland Jacob dem Iten Friede geschlossen. Dieser Ort kam im Jahr 1706 und 1710 in Königs Carl des III Bothmäßigkeit. Er ließ sich auch das letztemahl darselbst vor einen König ausruffen; es gieng aber beydemahl wieder verlohren, und hat nach der Zeit der ietzige König Philipp der V. seinen Hof beständig da gehalten. Was die geistlichen Geschichte der Stadt betrifft; so ist zuwissen, daß der Päbstliche Nuntius Rodericus unter dem Pabste Paul dem II. im Jahr 1473 eine geistliche Zusammenkunfft zu Madrit angestellet, um dadurch die grobe Unwissenheit der Elerisey, ihre Simonie und andere Laster zu bestraffen. Ausser der Stadt, über den kleinen Bach Manzanares hat Carl der V eine lange sehr schöne und kostbare steinerne Brücke von vielen Schwiebogen mit grossen Unkosten bauen lassen. Einsmahls zeigte derselbe solche Brücke einem Ambassadeur, und fragte ihn, was er davon hielte? Worauf ihm dieser antwortete: Besser ware es, ein grösserer Fluß und kleine Brücke. Das Erdreich um diese Stadt ist fast gantz mit Feuer-Steinen bedecket, welche auch in denen niedrigen Orten derselben häuffig zufinden seyn, daher die Spanier sagen, es sey die Stadt mit Feuer umgeben, und [147] nachgehangen, und sehr frey im Reden gewesen rechnen solches unter ihre 3 Wunderwerke. Mariana Hist. Hisp. l. 23. c. 18. & alibi. Gonzales Theat. de las grandezes de la civdadde Madrid. de Quitana Hist. de Madr. Spondan a. 1473 n. 8 Schauplatz von Spanien und Portugall p. 717. Colmenar. Delic. de l' Espagne p. 221 seq.