Zedler:Grentze, Lat. Terminus


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
korrigiert
<<<Vorheriger

Grentze, Lateinisch Limites

Nächster>>>

Grentze, (nordische)

Band: 11 (1735), Spalte: 828–831. (Scan)

Grenze in Wikisource
Grenze in der Wikipedia
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|11|Grentze, Lat. Terminus|828|831}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Grentze, Lat. Terminus|Grentze, Lat. Terminus|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1735)}}

Grentze, Lat. Terminus, Limes, ist dasjenige, über welches man nichts weiter an einem Dinge sich vorstellig machen kann, so zu demselbigen noch gehörte.

Einen Cörper erkennen wir unter andern, daß er sey ein Extensum, oder ein Continuum von Dingen, die zugleich gegen alle Seiten zu existiren. Wir wissen ferner aus der Erfahrung, daß ein Cörper nicht in infinitum in einem so fortgehe, sondern ein Mahl aufhöre.

Wo dieses nun geschiehet, so sagen wir, der Cörper habe daselbst seine Grentzen, und so bald wir ein Ende dieser Fortdaurung derer zugleich existirenden Dinge gedencken, so bald müssen wir uns auch vorstellen, daß über diesem Orte, wo dieses Ende sich ereignet, nichts mehr vorhanden sey, so zu dem continuo derer zugleich vorhandenen Dinge, die den Cörper ausmachen, gehöre: denn sonst hätte der Cörper nicht aufgehöret. Dieses, welches bestimmet, was zu dem Cörper [829] gehöret, und was nicht mehr zu demselben kann gerechnet werden, ist die Grentze des Cörpers.

Wenn wir nun einen Mathematischen Cörper in Betrachtung zühen, oder ein solches Extensum uns vorstellen, das aus lauter ähnlichen Theilen bestehen, in einem fortgehen, und nicht von einander unterschieden werden können, und zühen dessen Grentzen zugleich in Obacht, so gelangen wir zu der Beschaffenheit und denen Arten derer Extensionen. Wenn nemlich diese Partes similares gegen alle Gegenden disponiret sind, so haben wir einen Begrieff von einem Mathematischen Cörper; wenn wir nun solchen endlich setzen, so müssen wir Grentzen an ihm concipiren, an welchen er ein Mahl aufhöret. Diese Grentzen können nicht von gleicher Beschaffenheit, wie der Cörper selbsten seyn, denn wenn die Grentzen selbst noch etwas cörperliches an sich hätten, so könnten wir Theile uns vorstellig machen, die an denen Theilen des Cörpers noch inmediate anliegen, und zu dem Continuo desselbigen gehörten; folglich können diese nach obiger Erklärung nicht die Grentzen eines Cörpers abgeben. Es müssen dahero die Grentzen von der Beschaffenheit des Cörpers selbst unterschieden seyn.

Nun hat aber der Cörper noch dort, wo er aufhöret, eine Extension, Massen wir daselbst uns Dinge concipiren können, so zugleich vorhanden sind, und ein continuum formiren; diese Dinge aber dürffen nicht einwärts gegen die Mitte und Seiten des Cörpers zu sich erstrecken, weil sich sonst wiederum daraus ein Theil des Cörpers ergäbe, daher müssen wir uns zwar an denen Grentzen eines Cörpers eine Extension vorstellen, Vermöge welcher zwar Dinge neben einander zugleich vorhanden sind, und ein Continuum ausmachen, aber nicht eine Dicke daraus erwachse. Eine solche Extension ohne Dicke nennen wir eine Fläche; dahero die Grentzen eines Cörpers Flächen sind; und diese machen die andere Art einer Extension aus.

Wenn wir nun auch die Grentzen von denen Flächen betrachten, so müssen wir uns dieselben ebener Massen als von der Natur einer Fläche unterschieden zu seyn, vorstellig machen, Massen die Grentzen wiederum sonsten einen Theil desjenigen, so umgrentzet werden sollte, ausmachten. Wir müssen dahero die Grentzen einer Fläche, als eine fortdaurende Reihe von Dingen ansehen, die keine von gleicher Art neben sich zur Seiten haben, das ist, wir müssen solche als ein Extensum ansehen, welches weder einer Breite noch Dicke fähig. Ein solches wird eine Linie oder Länge genennet, daß also die Linien Grentzen derer Flächen sind, und die dritte Art der Extension ausmachen. Wenn wir so fortfahren, auch die Grentzen einer Linie zu untersuchen, so müssen wir gleich Falls etwas gedencken, so von der Natur einer Linie unterschieden ist.

Nun ist keine Disposition derer Dinge mehr möglich, als diese dreyfache, daß sie nach der Länge, Breite und Dicke zugleich, oder nur nach der Länge und Breite zugleich, oder nur nach der Länge geschähe; dahero wird die Grentze einer Linie keiner Extension mehr fähig seyn, und man wird dieselbe ohne alle Theile concipiren müssen, weil sonst anders keine Abstraction von der Extension geschehen wäre. Dieses Ding ohne Theile nennet man einen Punct, welcher demnach die Grentze einer Linie, und untheilbar ist.

Aus welchen allen zur Gnüge erhellet, aus [830] was Ursachen man dergleichen Abtheilungen derer Extensionen in der Geometrie hat machen müssen, und warum eine Fläche keinen Theil eines Cörpers, eine Linie keinen Theil einer Fläche, ein Punct keinen Theil einer Linie abgeben könne, sondern ein jedes davon eine besondere Art ausmache, so auch eine Einheit von ihrer Art erfordert, wenn es ausgemessen werden soll, und ein Cörper einen andern Cörper, eine Fläche eine andere Fläche, eine Linie eine andere Linie zur Einheit von Nöthen habe, durch welche die Abmessung sich verrichten lasse; ungeachtet wir alsdenn zum Begrieffe derer Anfangen in der Geometrie, die Erzeugung einer Linie durch die Bewegung eines Puncts; einer Fläche durch Bewegung einer Linie; eines Cörpers durch Bewegung einer Fläche uns vorstellen, die aber nach denen vorhergesetzten Begrieffen derer Grentzen nicht möglich ist, sondern lediglich in der Imagination beruhet.

Einige Dinge sind der Gestallt beschaffen, daß sie vor sich keine Grentzen haben, sondern erst etwas darinnen angenommen werden muß, so zur Grentze derselbigen dienet. Dergleichen ist die Peripherie eines Circels oder einer andern krummen in sich selbst lauffenden Linie. Denn ob wohl die Fläche des Circels selbst seine Grentze hat, welche die Peripherie desselben ist, so kann ich doch in dieser keinen Anfang und Ende wahrnehmen, woferne ich mir nicht einen Punct erwähle, solchen zur Grentze setze, und von demselben zu zählen anfange.

Wenn also zwey Circel auf einer Kugel-Fläche sich durchschneiden, so kann man die Intersections-Puncte dererselbigen als Grentzen ansehen, und von diesen seine Rechnung im zählen anheben. Solcher Gestallt sind die Intersections-Puncte der Ecliptic mit dem Aequatore die Grentzen, welche der Eintheilung des Aequatoris so wohl als der Ecliptic den Anfang zu zählen geben. In der Theorie derer Planeten geben die Nodi, wo nemlich ihre Bahn die Ecliptic durchschneidet, eben Falls Grentzen ab, und bemercken, ob der Planet über oder unter der Ecliptic sich befinden; allein in eben dieser Theorie werden zwey Puncte eines Planeten vor sich und ins besondere Grentzen, Lat. Limites genennet, welche nemlich am weitesten von der Ecliptic abstehen, oder die gröste Breite haben.

Denn weil die Planeten-Bahnen, wenn man sie biß über die Fixas verlängert zu seyn betrachtet, die Ecliptic in zweyen diametraliter entgegen gesetzten Puncten durchschneiden, so die Nodi heissen, so muß es nothwendig zwischen diesen in der Bahn des Planeten zwey andere Puncte geben, so am weitesten von der Ecliptic abstehen, welches nach denen Principiis sphaericis diejenigen Punkte sind, so um neuntzig Grad von jedem Nodo entfernet sind.

Weil nun in diesen Puncten die Planeten am weitesten von der Ecliptic ausschweiffen, und, indem sie sich zuvor je mehr und mehr z. E. von ihrem aufsteigenden Knoten an, von der Ecliptic gegen Norden zu entfernet, so bald sie in diesen Punct gelanget sind, keinen grössern Abstand mehr von der Ecliptic bekommen, sondern, wenn sie in ihrer eigenen Bewegung fortfahren, sich nun wieder der Ecliptic nähern, endlich in den Nodum descendentem gelangen, von da unter die Ecliptic sich begeben, sich alsdenn gegen Süden von derselben entfernen, und endlich in einen Ort gelangen, der von demselben neuntzig Grad [831] abstehet, allwo sie ihre Entfernungen endigen, und nunmehr wieder anfangen der Ecliptic sich zu nähern, so werden diese Puncte einer Planeten-Bahn die Grentzen genennet, weil diesebigen nemlich bemercken, wie weit ein Planete von der Ecliptic auszuschweiffen pfleget.

Der eine davon, so gegen den Nord-Pol zu lieget, und welchen hier zu Lande die Planeten erreichen, wenn sie in ihrer Entfernung über der Ecliptic am weitesten gekommen sind, heisset die nordische Grentze, Lat. Limes boreas. Der andere diesem entgegen gesetzte Punct hingegen, in welchem hier zu Lande die Planeten sich befinden, wenn sie in ihrer Bahn am tieffsten unter der Ecliptic stehen, die südische Grentze, Lat. Limes austrinus.

In der Theorie des Mondes werden diese Puncte Venter Draconis genennet, indem nemlich der aufsteigende Knoten der Mond-Bahn, Lat. Caput Draconis, der niedersteigende Cauda Draconis genennet wird; dahero, weil ermeldete Puncte mitten zwischen diesen beyden Knoten inne liegen, sie gleichsam den Bauch des Drachens abgegen, von dem die Nodi der Mond-Bahn ihre Benennung erhalten, und daher der Name Venter Draconis entstanden.

Wenn wir die Sonnen-Bahn auf den Aequatorem bezühen wollten, und die Ausschweiffungen derselben in Ansehung dessen aestimiren, so würden die Puncta Solstitialia die Grentzen abgeben, über welche sich die Sonne von dem Aequatore nicht entfernet.