Woas alles do eam Doarf bassirt

Textdaten
Autor: Peter Geibel
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Titel: Woas alles do eam Doarf bassirt
Untertitel:
aus: Mein schinste Gruß d'r Wearreraa! Neue Gedichte. S. 5-8
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: C. Seriba
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Erscheinungsort: Friedberg
Übersetzer: Michael Zapf
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Universitätsbibliothek Gießen und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Lizenzbestimmung für die Übersetzung
ins Hochdeutsche:
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[5]
Woas alles do eam Doarf bassirt.


Uf Pingste woarsch, ean bloh d’r Himmil,
Di Welt däi stonn eam Feierklaad;
Ean üwerall woar fruh Gedümmil,
Ean allerwärts woar Lostberkaat.

5
Vill Jubil woar bei Junk ean Ahle:

Di Kean eam Doarf wurn konfermirt,
D’r Engilwirt deat Musik hahle,
Di Läster-Lies wur koppelirt.

D’r Scholdes läiß sein Irschte daafe,

10
D’m Schmid sei Muck hat Freckil kräit,

D’r Hannjer deat sich Bluose laafe,
Doach wollt ’n d’s Kathrinche näit;
D’r Schnäpper hat sich aach versproache,
Zoum sechstenmol wursch Treutche Braut,

15
E Ochs, der hat d’s Bah gebroache

Beim Turne oh d’r Lahmekaut.

E nauer Lihrer woar aach komme;
D’r ahlt Prezepter meat seim Baß
Hat Oabschidd voh de Leut genomme -

20
Fast Jedem woarn di Aage naß.
[6]
D’r Schäfer-Hannjörg meat seim Ranze

Hat meat d’r Heerd di Flur befoahrn,
D’r Rauboart setzt schund Dickwurzblanze,
D’r Schmuggeler woar Noachtschetz woarn.

25
Aach woar d’r Waas groad ufgeschloahe,

Di Spretz, die nau, wur aach prowirt - -
Korzim ereignißreiche Doahe,
Woas alles do eam Doarf bassirt. -
Noach lank näit alles, hirt nur weirer,

30
Woas sich eam Oart noach zougetraat:

Beim Treppche wuohnt e ahler Schneirer
Elah ean seiner Howerath.

Vill Äcker harr e ean broav Münze,
Aach Oartsroah woar e ean geihrt;

35
Ean hat meat seine schine Zinse -

E Fuldern, däi sein Haushalt führt.
E Fuldern horr eam Doarf kah Nommer,
Ean wir sche gleich meat Gold geziert,
Ean broav ean schih - ’s eaß e Jommer!

40
E Fuldern wird nix ästemirt.


Meat hölzern Schouh eam zwilchern Muotze,
Meat Zweckil-Strümb, ean ruth bedacht, -
Su death sich Bärwil Sonndoaks buotze;
D’m Schneirer hot d’s Herz gelacht -.

45
Si soarkt de Owed wäi de Moarje;

Ihrn Hausherr läiß se nix entbehrn,
Drim wollt heh aach fürsch Maadche soarje: -
Di Bärwil sollt seih Hausfraa wern.

[7]
Doach hat d’r Heuroathsplan seih Nauwe
50
Voh wähje freuhere Affärn;

Eam Doarf woarn siwe ahle Schrauwe,
Do wollt e jed seih Hausfraa wern:
Di Boarwes-Berb, di Simpil-Sanne,
Di Läus-Lies meat di speatze Uhrn,

55
Di Eule-Ev, di Hoackil-Hanne,

Woarn all seih Schätz aus junge Juhrn.

Die noarwig Dorth, di Franz, di flerig -
Däi Zwoo, däi stonne vorne droh …
Etz Schneirer sei d’r Gott generig -

60
Deich falle siwe Währwölf oh …

Näit raste deare se ean rouhe,
Ean seih seal siwet jede Noacht,
D’m Schneirer für d’s Haus gezouhe
Ean hun Spiktoakil do gemoacht.

65
Di Finster hun se ’m eangeschmeasse,

E Katzemusik ufgeführt,
Di Klarer voh seim Leib gereasse - -
Korzim de Spuck woar uherhirt.
Eam Doarf do hun se ’n aach verlästert.

70
Seih Plattkopp ean sei Ohgesicht

Woar ufgekratzt ean zougeplästert -
Däi siwe harr ’s ohgericht.

Gong’s Fuldermaadche eansekaafe,
Ean woar sche knapp d’m Doahr enaus,

75
Se dear e se sesamme laafe

Ean streckte ’r di Zung eraus.

[8]
Meat: Trampildäier, Fulderklowe,

Meat: Beallmensch, Dreackeul, Dorrgeröpp -
Su Ausdrück harr e se, su growe;

80
M’r nimmt se uf kah Oweschepp.


D’m Amtmann woarsch se Uhrn gekomme;
Doas woar aach ahner, der näit spaßt,
Der hot däi siwe virgenomme
Ean hott se ganz vrdammt geknaßt.

85
E jed mußt siwe Wuche bromme

Eam Loach bei Wasser ean bei Brud.
Beim Oabschidd, dean se nooch genomme,
Groh jed noach Zwanzig meat der Knut.

Etz woarn di Hexe zohm, di siwe,

90
D’r Schneirer-Hannes, resolvirt, -

Weil Frirre hüwe, Frirre drüwe, -
Wur meat d’r Bärwil koppelirt.
Nuh harr e dann als treuer Dulder
Ean seine ahle Doahe Rouh.

95
Etz horr e schund drei junge Fulder,

Drei Drescher - no vill Gleck dezou.

Was alles da im Dorf passiert

(Auf) Pfingsten war’s, und blau der Himmel,
Die Welt, die stand im Feierkleid,
Und überall war froh’ Getümmel
Und allerwärts war Lustbarkeit.
Viel Jubel war bei Jung(en) und Alt(en):
Die Kinder im Dorf wurden konfimiert,
der Engelwirt tat Musik halten,
Die Läster-Lies wurde verkuppelt1.

Der Scholdes ließ seinen Ersten taufen,
Dem Schmid seine Sau hat Ferkel gekriegt,
Der Handlanger tat sich Blasen laufen,
Doch wollt’ ihn das Kathrinchen nicht;
Der Schnäpper hat sich auch versprochen,
Zum sechsten Mal wurde das Trudchen Braut,
Ein Ochse, der hat das Bein gebrochen
Beim Turnen auf der Lehmkaute.

Ein neuer Lehrer war auch gekommen;
Der alte Präzeptor mit seinem Bass
Hat Abschied von den Leuten genommen -
fast jedem waren die Augen nass.
Der Schäfer-Hannjörg mit dicken Bauch
Hat mit der Herde die Flur befahren,
Der Rauboat3 setzt schon Dickwurzpflanzen,
Der Schmuggler4 war Nachtschütz geworden.

Auch war der Weizen gerade aufgeblüht5,
Die Spritze6, die neue, wurde auch probiert -
Kurzum, ereignisreiche Tage,
Was alles da im Dorf passiert. -
Noch lang nicht alles, hört nur weiter,
Was sich im Ort noch zugetragen:
Beim Treppchen wohnte ein alter Schneider
Allein in seiner Hofreite7.

Viele Äcker hatte er und viel Geld8,
Auch Ortsrat war er und geehrt;
Und hat mit seinen schönen Zinsen -
Eine Fulderin9, die seinen Haushalt führt.
Eine Fulderin hatte im Dorf keine Nummer,
Und wäre sie gleich mit Gold geziert,
Und brav und schön - es ist ein Jammer!
Eine Fulderin wird nicht geschätzt10.

Mit hölzernen Schuhen und Zwilchmantel11,
Mit Zwickelstrümpfen, und rot behütet -
So tat sich Bärbel sonntags (heraus)putzen;
Dem Schneider hat das Herz gelacht -
Sie sorgte den Abend wie den Morgen;
Ihren Hausherrn lässt sie nichts entbehren,
Darum wollte er auch fürs Mädchen sorgen: -
Die Bärbel sollte seine Hausfrau werden.

Doch hat der Heiratsplan seine Neuigkeiten
Von wegen frühere Affären;
Im Dorf waren sieben alte Schrauben,
Da wollte eine jede seine Hausfrau werden:
Die Borbes-Bärbel13, die Simpel-(Su)sanne,
Die Läuse-Lies(el), mit den spitzen Ohren,
Die Eulen-Evi, die Hockel-Hanne(lore),
Waren alle seine Schätze aus jungen Jahren.

Die nervige Dorthe, die Franzi, die flattrige -
Die zwei, die standen vorne dran ...
Jetzt, Schneider, sei dir Gott gnädig -
Dich fallen sieben Werwölfe an ...
Nicht rasten täten sie und ruhen,
Und so sind selbige15 sieben jede Nacht,
Dem Schneider vor das Haus gezogen
Und haben Spektakel dort gemacht.

Die Fenster haben sie ihm eingeschmissen,
Eine Katzenmusik aufgeführt,
Die Kleider von seinem Leib gerissen -
Kurzum, der Spuk war unerhört.
Im Dorf, da haben sie ihn auch verlästert.
Sein Plattkopf und sein Angesicht
Waren aufgekratzt und zugepflastert -
Die sieben hatten es angerichtet.

Es ging das Fuldermädchen einkaufen,
Und war sie knapp aus dem Tor heraus,
So taten sie zusammenlaufen,
Und streckten ihr die Zunge heraus.
Mit: Trampeltier, Fulderklobe16,
Mit: Beallmensch17, Dreckeule, Dürrgerippe -
So Ausdrücke hatten sie, so grobe!
Man nimmt sie auf keine Ofenschippe.

Dem Amtmann war es zu Ohren gekommen;
Das war auch einer, der nicht spaßt,
Der hatte die sieben (sich) vorgenommen18
Und hatte sie ganz verdammt eingebuchtet19.
Eine jede musste sieben Wochen brummen
Im Loch bei Wasser und bei Brot.
Beim Abschied, den sie noch genommen,
kriegte jede noch zwanzig mit der Knute.

Jetzt waren die Hexen zahm, die sieben,
Der Schneider-Hannes erlöst, -
Weil Frieden hüben, Frieden drüben, -
Wurde mit der Bärbel verheiratet.
Nun hatte er dann als treuer Dulder,
auf seine alten Tage Ruh',
Jetzt hat er schon drei junge Fulder,
Drei Raufbolde - na, viel Glück dazu!


Anmerkungen (Wikisource) zur "Übersetzung"

1 koppeliert = verheiratet 3,4 Namen? Ein Schmuggler wurde Nachtschütz, wohl ein respektierterer Nachwächter
5 D'r Waas ist der Weizen, nicht etwa die Wiese (di Wiss). Aufgeschlagen = aufgeblüht
6 Spretz = Spritze? Was probiert man da? (die örtliche Feuerspritze)
7 Howerath = Hofreite; Innenhof, der von Gebäuden umschlossen ist; auch der ganze Bauernhof
8 brave Münze = viel Geld?
9 Fulder = Fuldaer = Bürger aus der Fuldaer Gegend
10 Der Ausdruck "du Fulder!" gilt noch heute in Karben und Umgebung als Beschimpfung, etwa "du Rüpel!" (auch um Solms/Braunfels)
11 Zwilch = grober Stoff, grobe Leinen
13 Noch heute ist es üblich (vor allem bei den älteren Mitbürgern), den Nachnamen vor dem Vornamen zu nennen, etwa "de Müller-Schorsch" statt "Georg Müller"
15 sealt = selbige
16 Kloben als unförmige, dicke Arbeitsschuhe, also die zum Fulder passenden Schuhe, oder ein grobschlächtiger (klobiger) Mensch, mit Fulder zusammen also bestärkend gemeint (Pleonasmus)
17 Unbekannt
18 Müsste eigentlich von "fürnehmen" kommen, Bedeutung? Vornehmen? Abführen? (für und vor war früher ein Synonym)
19 geknaßt = in den Knast sperren? (ja, einknasten)