Wilhelm Löhes Leben (Band 2)/Nr. 2. Die Eingabe der theologischen Fakultät in Erlangen

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Nr. 2.
Die Eingabe der theologischen Fakultät in Erlangen.

 Königliches protestantisches Oberkonsistorium!

 Wie aus der in Abschrift beiliegenden Eingabe erhellt, haben sich unsere beiden Kollegen Dr. Thomasius und Dr. Hofmann, um einem der Ausführung schon ganz nahe gekommenen, höchst bedenklichen, bedauerlichen und gefährlichen Schisma in unserer lutherischen Landeskirche wo möglich noch vorzubeugen, an den ihnen persönlich bekannten und befreundeten Pfarrer Löhe zu Neuendettelsau, welcher augenscheinlich als Haupt der Unzufriedenen und Führer der separatistischen Bewegung sich darstellte, gewendet und diesen wegen so vieler ausgezeichneten Eigenschaften und höchst verdienstlichen Leistungen verehrungswürdigen Geistlichen vor der Verwirrung, welche sein beabsichtigter Schritt in der Kirche anrichten würde, auf das Ernstlichste gewarnt. Die Folge davon| war, daß Pfarrer Löhe zu einer mündlichen Besprechung mit ihnen sich erbot, und zwar geschah dies, während dessen so einseitiges und vorurteilsvolles, höchst beklagenswertes Manifest gegen unsere diesjährige Generalsynode und die von ihr vertretene Kirche allerdings schon unter der Presse, aber noch nicht erschienen und hierorts bekannt war.
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 So wenig nun unsere Kollegen nach der voreiligen und bedauerlichen Publikation dieser Schrift noch auf ein günstiges Resultat der verabredeten Zusammenkunft rechnen zu dürfen glaubten, so wollten sie sich derselben doch nicht entziehen, weil sie es mit Recht für ihre Pflicht hielten, auch das Äußerste und Letzte zu versuchen, um die geflissentliche „Vornahme“ eines Bruches in unserer Kirche, der nicht gerechtfertigt erschien und dessen Folgen nicht abgesehen werden konnten, zu verhindern. Ihr Vertrauen fand sich nicht getäuscht. Pfarrer Löhe stand bei der mündlichen Besprechung von anderen Forderungen und Bedenken ab und erklärte nur zwei Punkte als solche, welche ihn und seine näheren Freunde nicht länger mit gutem Gewissen in der Landeskirche verharren ließen, nämlich einerseits die mangelhafte, die Gewissen zu wenig bindende Verpflichtung der Diener des Wortes auf die reine und lautere Lehre des Evangeliums nach dem guten Gesamtbekenntnis unserer lutherischen Kirche, und andererseits den Umstand, daß dem kirchlichen Bekenntnis keine praktische, kirchenregimentliche Folge gegeben werde, namentlich noch kein Schritt geschehen sei, um die Unterzeichner der „Platner-Ghillanyschen, offenbar blasphemischen Adresse“ öffentlich und amtlich als solche zu bezeichnen, welche ihre Lossagung von der evangelisch-lutherischen Kirche und ihr Ausscheiden aus derselben selbst erklärt hätten, und demgemäß auch kirchlich behandelt werden müßten, wenn sie nicht Sinnesänderung an den Tag legten. Wäre es möglich, seinem und seiner Freunde Gewissen hinsichtlich dieser beiden Punkte Abhilfe zu verschaffen, sagte er, so würden sie mit Freuden in der Kirche bleiben und von der schmerzlichen Sorge, aus ihr auszuscheiden, um zu ihr in ihrer wahren Gestalt zurückzukehren, sich befreit sehen. So wenig nun auch hinsichtlich der genannten Punkte unsere Kollegen dem Pfarrer Löhe Recht geben konnten, wenn er die Erfüllung seiner Wünsche und Forderungen in betreff derselben| als conditio sine qua non eines gewissenhaften Verbleibens in der Landeskirche geltend machen wollte, so entschieden sie seine Ansicht, daß der gegenwärtigen Praxis und den gefaßten Synodalbeschlüssen nach, eine wahrhaft lutherische Kirche in Bayern nicht bestehe und nur auf dem Wege der Separation hergestellt werden könne, als eine höchst irrtümliche und befangene verwerfen mußten, so konnten sie sich doch nicht verbergen, daß hinsichtlich der beiden angegebenen Punkte allerdings noch manches zu wünschen übrig sei, und daß, wenn diese Wünsche Befriedigung fänden, nicht bloß der Kirche überhaupt und an und für sich ein wesentlicher Dienst geleistet, sondern insbesondere auch die Gefahr, viele ihrer thatkräftigsten Diener und Glieder zu verlieren, von ihr abgewendet würde. Sie versprachen daher, mittelst unserer Fakultät die Bitte um eine zweckmäßige Form der Verpflichtung der Geistlichen auf das kirchliche Bekenntnis und um ein entschiedeneres kirchenregimentliches Auftreten den offenbaren Lästerern der bestehenden kirchlichen Glaubensgemeinschaft gegenüber selbst an die oberste Kirchenbehörde gelangen zu lassen.

 Diesem Versprechen und ihrem höchst dankenswerten Bestreben eine große Gefahr von unserer Kirche abzuwenden, haben sie Genüge geleistet, indem sie die in beiliegender Eingabe verzeichneten Anträge zur Vertretung an uns brachten. Die Fakultät hat über diese Anträge gemeinsame Beratung gepflogen, und erlaubt sich das Resultat derselben einem königlichen Oberkonsistorium in folgendem vorzutragen.

 Was fürs erste die Verpflichtungsfrage betrifft, so erscheint der Fakultät zweierlei als unleugbar, nämlich:

1) daß unseren Verhältnissen gemäß, welchen zufolge das Predigtamt auch von nicht ordinierten Kandidaten ziemlich selbständig ausgeübt wird, eine Verpflichtung schon vor der Ordination und bei der Aufnahme in die Kandidatur eintreten sollte, und
2) daß unsere ordinatorische Verpflichtung, „die Lehre des Evangeliums nach den Bekenntnissen der Kirche lauter und rein verkündigen zu wollen,“ insofern einen Mangel verspüren läßt, als sie eben nur promissorischer, nicht aber zugleich und vor allem auch| konfessorischer Natur ist. Sie sagt über die Überzeugung des Individuums und dessen persönliche Glaubensstellung zur Schrift und zu den Symbolen nichts aus, und doch kann unsere Kirche ihrem formalen Principe gemäß nur bei einer solchen Verpflichtung auf ihr Bekenntnis sich beruhigen, welches sie der gleichen Überzeugung und des gleichen Überzeugungsgrundes versichert, und zunächst, wie Melanchthon sagt, nicht sowohl eine promissio als eine confessionis repetitio ist. Wenn daher unsere Kollegen als Verpflichtungsformel vorschlagen: „Ich erkläre hiemit vor Gott, daß ich durch ernstliche Prüfung erkannt habe, daß die in den sämtlichen Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche bezeugten Thatsachen des christlichen Glaubens und Lebens mit der heiligen Schrift übereinstimmend bezeugt sind, und gelobe demgemäß im Dienste der Kirche allezeit zu lehren und zu handeln,“ so sind wir mit dieser Formel ganz einverstanden, mit Ausnahme dessen, daß wir statt: „Thatsachen des christlichen Glaubens und Lebens“, obgleich dies der eigentlich bezeichnendste Ausdruck ist, doch um Vermeidung möglichen Mißverständnisses willen „Artikel des christlichen Glaubens“ genannt und überhaupt diese konfessorische Verpflichtungsformel erst bei der Ordination, nicht aber schon bei der Aufnahme in die Kandidatur angewendet zu sehen wünschen. Der Lage und dem Verhältnis derer, welche eben erst die Universität verlassen haben und bei deren Mehrzahl nicht mit Wahrheit vorausgesetzt werden kann, daß sie die ganze heilige Schrift und die sämtlichen Bekenntnisschriften bereits gründlich studiert und verglichen haben, scheint eine bloß promissorische Verpflichtungsformel angemessener zu sein, und wir möchten daher für diesen Zweck den Gebrauch des bisherigen Ordinationsverpflichtungsformulares vorschlagen. Was bei der Ordination nicht als genügend erscheinen kann, das wird hier gerade durch die Natur der Verhältnisse gefordert.
In betreff des zweiten Antrags unserer Kollegen,
„daß von dem Kirchenregiment öffentlich erklärt werden möge, es müßten diejenigen, welche sich zu den in der Platner-Ghillanyschen| Adresse ausgesprochenen Irrlehren und Lästerungen bekennen, wofern sie nicht davon abtreten, für solche angesehen werden, die sich selbst von der Gemeinschaft der evangelisch-lutherischen Kirche ausgeschlossen haben,“

können wir nur erklären, daß wir nach der entschiedenen Erklärung der Generalsynode gegen den Abfall der Unterzeichner der genannten Adresse und nach dem Erscheinen der „Ansprache des königlichen Konsistoriums zu Ansbach an die evangelischen Gemeinden der Stadt Nürnberg“ uns vorderhand ganz zufrieden gestellt sehen würden, wenn letztere Ansprache nicht auf Nürnberg sich beschränkte, und auch dort mehr nur gegen die von der äußeren Kirchengemeinschaft sich losreißenden Anhänger Ronges, als gegen die blasphemische Stellung Platners und Ghillanys innerhalb des Verbandes unserer Kirche sich richtete. Eine geeignete kirchenregimentliche Erklärung in Beziehung auf die Unterzeichner und beharrlichen Anhänger der Platner-Ghillanyschen Adresse im Sinne der Antragsteller müssen wir allerdings auch als in hohem Grade wünschenswert und von der Natur der Kirche gefordert erkennen.

 Indem wir nun aber die Anträge unserer Kollegen nebst diesen unsern Bemerkungen einem hohen königlichen Oberkonsistorium mit der Bitte um hochgeneigte Beachtung vorlegen, thun wir dies nicht um eine uns nicht gebührende amtliche Stellung uns anzumaßen, sondern lediglich um jene ideelle Teilnahme am Kirchenregiment zu bethätigen, welche einer theologischen Fakultät unzweifelhaft zusteht. Zugleich bemerken wir aber, daß unser Kollege Dr. Engelhardt mit uns nicht einverstanden ist, und sich gegen jeden Schritt der Fakultät in dieser Sache, der „über eine Belehrung der Irrenden hinausgeht“, erklärt hat.

 Mit ausgezeichneter etc.

 Erlangen, den 12. Mai 1849.

die theologische Fakultät 
Dr. Höfling, d. Z. Dekan. 





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