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Titel: Wie man gesuchter Arzt wird
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aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 16
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[16] Wie man gesuchter Arzt wird. Ein junger deutscher Arzt in Paris, den wir Albert nennen wollen, saß vor einigen Jahren mit einer reizenden deutschen Baronin plaudernd vor dem Kamine. Ersterer, damals noch ein unbekannter, kaum bemerkter Anfänger, klagte über die zahllosen Schwierigkeiten, die sich dem Beginne einer Laufbahn entgegenstellen, welche man mit Glanz und Erfolg durchwandern möchte. Die Baronin suchte ihn zu ermuthigen.

„Sie haben,“ sagt sie ihm, „Geist, Talent und ernsten Willen, der Erfolg kann nicht ausbleiben.“

„In Deutschland wohl,“ erwiderte der Doctor, „aber in Paris ist dies nicht so wohlfeil. Hier gleicht die öffentliche Meinung einer Coquette, die man durch wahres Verdienst und gute Eigenschaften seltener, als durch jene geschickten Züge gewinnt, welche die sogenannten Glücklichen bei leichtfertigen Frauen zur Anwendung bringen.“

„Nun, lieber Freund, diese Eroberungskunst scheint Ihnen nicht fremd zu sein; man sei artig und mache der Ruhmesgöttin den Hof!“

„Ja! Wenn Sie mir beistünden!“

„Ich?“

„Ja, Sie – eine Frau, jung, schön, von hohem Range, würdige Trägerin eines edlen Namens, ist eine mächtige Bundesgenossin auf dem Felde, auf dem ich mein Glück suche.“

„Aber – Sie wissen ja, daß ich wenig in die große Welt komme, noch weniger dort gelte und Paris ohnehin bald verlasse, weil ich, nach dem Wunsche meiner Familie, schon in der ersten Zeit meines Wittwenstandes mich zu einer Verbindung mit einem reichbegüterten und edeln Manne entschloß. Nach Wien können Sie mir nicht folgen, dies würde mir, ohne Nutzen für Sie, üble Nachreden bereiten, denn, wie Sie selbst sagten, ist in Deutschland weibliche Empfehlung nicht hinreichend, um Glück und Ruhm eines jungen, freundlichen Arztes zu begründen.“

„Sie können also weder in Paris noch in Wien Etwas für mich thun?“

„Nein! Doch halt! Vielleicht dennoch! Ein feines Mittel, geschickt angewendet! Lassen Sie mich handeln, vertrauen Sie mir!“

Etwa drei Monate nach diesem Zwiegespräche – die Saison in Baden-Baden war bereits in ihrem höchsten Glanze – las man in Baden die Ankunft unserer Baronin; man erzählte sich von ihr interessante Dinge mit romantischem Beigeschmacke. Unsere wunderschöne, hochgeborene Wittwe, um welche sich hohe Herren bewarben, hatte gewählt und war im Begriffe, eine neue Verbindung einzugehen, als eine plötzliche schwere Krankheit sie an den Rand des Grabes brachte. Von den Pariser Aerzten aufgegeben, wollte sie in Deutschland in Baden sterben.

Wie natürlich sprach man in der hohen Gesellschaft Badens von dem Unglücke der edeln Dame, als man im Badeblatt ihre Ankunft las. Von diesem Tage an wurden die jungen Spaziergänger ihren gewöhnlichen Promenaden untreu und wanderten schaarenweise nach der Seufzer-Allee, wo man für die schöne Kranke ein zierliches Haus eingerichtet hatte.

Am darauf folgenden Tage wollte sie zur Mittagszeit einen kleinen Spaziergang in den Park wagen; mit Anstrengung stieg sie aus der reich gepolsterten und mit Wappen geschmückten Kalesche; Alles kommt, um sie zu bewundern und zu bemitleiden. Langsam, an den Arm ihrer Zofe gestützt, wankt sie einher, doch ist ihr Anzug reizend.

Die Aerzte Badens und der benachbarten Städte werden zu Rathe gezogen, das Uebel und seine Heilung werden in gründlichem Latein studirt; vergebens! Der Ausspruch lautet: daß die Baronin höchstens noch einen Monat zu leben habe.

Gerade als diese Meinung der Aerzte bekannt wurde, kam ein junger Doctor – Albert – aus Paris an; er erzählte, daß man für die Baronin seinen ärztlichen Beistand erbeten, daß er sie gesehen und zu retten hoffe.

Jetzt wurde unser Doctor Albert ein Mann von Wichtigkeit, man hörte auf ihn, während die Aerzte Badens behaupteten, er sei ein Marktschreier und die Rettung der Baronin eine Unmöglichkeit.

Der Monat ging vorüber und wer nicht starb, war die Baronin; schmachtend zwar und schwach, aber täglich erschien sie auf der Promenade. Allmählich ging es besser und besser, und eines schönen Abends erklärte sie dem Doctor nach einem gemüthlichen Diner:

„Nun ist, glaube ich, meine Rettung außer Zweifel!?“

„Ja, geliebte Patientin,“ erwiderte der Doctor. „Sie sind vollkommen gesund, und haben ein Recht auf meine ewige Dankbarkeit, denn Sie haben eine ziemlich schwere Rolle zu meinem Benefiz gespielt.“

„Von morgen an erscheinen Sie als wiedergenesen! Die künstliche Blässe weicht der natürlichen blühenden Farbe Ihres Engelgesichtes, Ihr allzulang verschleiertes Auge strahlt in neuem Glanze und Leben. Gekräftigt, schöner und glänzender, als je, kehren Sie in die große Welt zurück, und mir gebührt der Preis dieses herrlichen Geschenkes!“

Daß nach solcher Wundercur Doctor Albert in kurzer Zeit einen hohen Ruf erzielte, versteht sich von selbst; er wurde der Arzt der Mode, und manche schöne Dame wurde nur gerade deshalb krank, um sich von ihm retten zu lassen. Vorzugsweise war er der Arzt der zahlreichen Pariserinnen, welche sodann in Paris seinen Ruhm verkündeten. Glück, Ehre, reicher Lohn krönten von jetzt ab seine Laufbahn.