Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Wie man Maler wird
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 562, 563
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[562]
Wie man Maler wird.

Könnte man in das Leben mancher ausgezeichneten Menschen blicken, die Umstände kennen, welche sie in die ihnen zusagende Bahn leiteten, ja, man könnte sagen, warfen, ihr angebornes Talent zur Geltung brachten, wir würden bewundernswürdigen Führungen begegnen. Der berühmte Landschaftsmaler, nachmalige Gallerieinspektor Weitsch zu Braunschweig ist dafür ein Beleg. Er war armer Eltern Kind. Das auffallende Talent des Knaben zu bildlicher Darstellung blieb unbemerkt, unerkannt und er gerieth in eine verfehlte Lebensbahn; er wurde Soldat unter den braunschweigischen Truppen und brachte es bis zum Unteroffizier. Da sah’s weiter hinauf trübe aus, weil Junker in der Regel die Stellen einnahmen. – Niemand kannte und erkannte auch jetzt noch das in ihm schlummernde Talent, bis ein besonderes Ereigniß ihm eine nicht geahnete Bahn brach. Und was war das nächste Motiv? Das privilegirte Faulenzerthum des Soldatenstandes! – Die braunschweigischen Truppen hatten in einer der aller langweiligsten Gegenden Hollands ein Observationslager bezogen. Die Bezeichnung des Charakters der Gegend will etwas sagen in einem Lande, dessen Landschaften auch den allerphlegmatischsten Reisenden durch ihr ewiges Einerlei von Wiesen, Kanälen, Windmühlen und eintönigen Landhäusern in Verzweiflung bringen können, nur keinen Holländer. – Die Truppen mußten eine lange Zeit täglich mit Sack und Pack zum Aufbruche sich bereit halten, aber der Tag kam nicht. Die Leute wußten nicht, womit sie die Zeit todtschlagen sollten und der Unmuth riß überall ein. Kindische Possen, Kartespielen und selbst Schlimmeres unterhielt sie.

Weitsch war ein durchaus braver Mensch. Er mochte das liederliche Treiben nicht und sann auf einen bessern Zeitvertreib. Da kam er auf den Gedanken, schmale Streifen Rasen in einem nahen, feuchten Wiesengrunde auszustechen und damit an der dem Lager zugewendeten Seite eines kleinen, niedrigen Hügels das braunschweigische Wappen darzustellen und zwar in kolossaler Größe. Gedacht, gethan! Freilich war das kein Werk, das in einem Tage fertig werden konnte, vielmehr gehörten Wochen dazu. Weitsch ließ sich nicht irre machen; er fertigte sich eine Zeichnung und verwandte unausgesetzt Zeit und Mühe darauf, bis es zum Erstaunen seiner Kameraden vollendet war. So stellte sich denn in ungeheuern Umrissen das Wappenschild endlich dar, vollkommen unverkennbar und richtig. Die Ausfüllung der einzelnen Felder brachte er mit verschiedenartigem Sande zu Wege. Von Ferne gesehen, hatte es etwas Auffallendes und Frappantes. Die Soldaten bewunderten das Kunstwerk; die Offiziere hatten ihre Freude daran und ließen ihm durch öfteres Begießen Dauer und Frische erhalten.

Gerade um diese Zeit erschien der Prinz der Niederlande, um Heerschau über die Observationstruppen zu halten. Als er in die Nähe des Lagers kam, fiel natürlich sein Blick auf das ungeheure Wappen. Es fesselte seine Aufmerksamkeit in hohem Grade und sein Kennerblick erkannte selbst in diesen Umrissen ein ungewöhnliches Talent. Sogleich fragte er, wer es gemacht habe?

Man nannte ihm den Korporal Weitsch. Der Prinz ließ Weitsch rufen, redete freundlich mit ihm, belobte das schöne Werk nach Verdienst und schenkte Weitsch zwei Louisd’or.

Niemand war glücklicher, als Weitsch. Er war arm; die zwei Louisd’or freueten ihn sehr, denn er hatte so viel Geld niemals sein genannt; aber mehr als das freuete ihn das Lob des Prinzen, seine Freude an seiner Arbeit. Das schlummernde Talent war geweckt. Es ließ sich nicht mehr einschläfern. Es ließ ihm Tag und Nacht keine Ruhe, wie er sich eine künstlerisch schaffende Thätigkeit gewinnen könne. Er zeichnete für sich alle Tage und wo er irgend ein Bild sehen konnte, da stand er Stunden lang davor und betrachtete es, ohne Sinn für irgend etwas Anderes zu haben. In dieser Zeit nagender, gährender Unruhe kehrten die Truppen in ihre liebe Heimath zurück und die unendliche Langeweile Hollands lag hinter ihnen.

Freilich – auch in der Heimath wollten sich für’s Erste keine [563] neuen Wege aufthun. Ein höchst sonderbares Ereigniß sollte auch hier ihm bahnbrechend werden. Eines Tages ließ ihn sein Hauptmann zu sich rufen, ein hochadeliger Herr, dessen Bildung aber unter dem Gefrierpunkte stand.

„Weitsch,“ redete er ihn an, „Du könntest mir einen großen Dienst leisten.“ –

„Mit Freuden, gnädiger Herr Hauptmann,“ entgegnete Weitsch, „wenn es nur in meinen Kräften steht.“

„Freilich,“ sagte darauf der Hauptmann. „Ich kenne Dich ja von Holland her als so einen Hexenmeister und Tausendkünstler. Sieh, ich will Dir’s offen sagen, wie es steht. Da ist mir eine alte Tante gestorben, die mir das Teufelszeug, aber nur das nicht hinterließ, was ich brauche, nämlich Geld. Unter dem Nachlaß der alten, gnädigen Hexe sind auch zwei schöne Gemälde. Sie sollen gut und viel Geld werth sein; gefallen mir aber auch. Nun möchte ich sie gerne behalten, aber auch hebräisch lernen lassen – Du verstehst mich? – das geht aber nicht zugleich. Da dachte ich, Du könntest sie mir wohl nachmalen, kopiren. Da behielt ich die hübschen Bilder und – hätte auch das schöne Geld. Nicht wahr, fein ausgedacht? – Heh! Und Du bist der Kerl dazu!“

Weitsch betrachtete die herrlichen Bilder. Es waren zwei ausgezeichnet schöne, höchst werthvolle Landschaften; dann sieht er den Hauptmann an, der in seiner kolossalen Dummheit und Geldgier vor ihm steht. Wer – was er denkt, muß er ihm verschweigen, denn es ist sein Hauptmann und er – Korporal! Endlich sagt er zu dem Hauptmann, der alle Zeichen der Ungeduld bei dem langen Schweigen des Korporals gibt: „der Herr Hauptmann machen einen gnädigen Spaß mit mir! Ich bin ja kein Maler. Ein wenig Zeichnen, das ist Alles, was ich kann; aber einen Pinsel habe ich nie in der Hand gehabt und mit Oelfarben weiß ich vollends nicht umzugehen. Wie sollte ich es vollends fertig bringen, solche herrliche Bilder nachzumalen?“

„Pah!“ ruft lachend der Hauptmann. „Das ist Einem, der das Braunschweiger Wappen mit Graslappen und Sand gemacht hat, daß es einem Prinzen gefiel, eine pure Lapperei! Probir’s nur. Ich sage Dir, es geht, wenn Du anders nur willst!“ – Der Hauptmann legte einen etwas starken Ton auf das letzte Wort und machte dazu ein Gesicht, daß Weitsch schnell begriff, hier sei der Widerstand sehr gefährlich für seine Zukunft und darum geradezu am Ende.

Der Wahrheit zur Steuer darf indessen auch nicht verschwiegen werden, daß es Weitsch war, der sofort einsah, daß er an einem Wendepunkte seiner Lebensbahn angelangt sei, und daß die Vorsehung ihm eben durch diese Bilder die Thüre zu einem Dasein aufthun wolle, das seinen innersten Wünschen und Hoffnungen entspreche. Er nimmt also die Bilder, trägt sie heim, kauft Pinsel und Farben und hebt frischen Muthes an zu malen.

Weitsch hatte übrigens etwas von vornherein mit Albrecht Dürer und – vielen andern Männern gemein, nämlich – eine böse Frau! – Mit Ingrimm sah sie die Ausgaben für das Malergeräthe, die Leinwand, Rahmen und die Farben; mit noch größerem die angestrengte Thätigkeit ihres Mannes, der von nun an für nichts Anderes mehr Sinn hatte, als für seine Bilder und sein Malen. Anfänglich brummte sie heimlich und bewies mit Mienen und Geberden ihren Unwillen; als das nichts half, lieh sie ihrem Unmuthe Worte. „Am Ende,“ rief sie, „versäumst Du noch Deinen Dienst über dem Gekleckse da und wirst abgesetzt! Das fehlt gerade noch! Hast ohnehin für Weib und Kinder keinen Sinn und keine Gedanken mehr und starrst die alten Kleckse da an, als wärst Du schon halb konfuß im Kopfe. Ich wollte der Hauptmann und seine Narrengedanken wären, wo der Pfeffer wächst! Kaffee, Brot für das Geld, das Du für solches dummes Zeug vergeudest!“

So geht das in tausend Variationen alle Tage fort. Weitsch, freundlich und sanft, gibt gute Worte; aber das ist Oel in’s Feuer. Er setzt ihr ruhig und klar Alles auseinander und läßt die Hoffnung durchblicken, daß er auf diesem Wege schweres Geld verdienen könne; aber das verfängt nicht. Sie bleibt in ihrer einmal angeschlagenen Tonart und dem armen Weitsch bleibt nichts übrig, als – sein Atelier in einer Bodenkammer aufzuschlagen, die er abschließt.

Er studirt nun seine Vorbilder, indem er sie nachzubilden sucht, durch und durch und – entdeckt in dem Einen der Bilder offenbar einen Fehler. Ein Baum ist falsch schattirt. Er stutzt. Er denkt nach. Es ist indessen sicher. Um sich aber vollends zu überzeugen, geht er hinaus in’s Freie, setzt sich hin und studirt die Wirkung des Lichts und des Schattens in der Natur.

Hier kommt er in’s Klare und zur Ueberzeugung der vollen Richtigkeit seiner Beobachtung. Nun eilt er heim und in seiner Kopie wird der Fehler sogleich verbessert.

Die Liebe zur Kunst wächst mit jedem Momente. Er erkennt, daß seine Kopie nicht schlecht ist. Er fragt sich, ob er denn nicht Aehnliches frei schaffen könne, und glaubt, die Frage sich bejahen zu dürfen. Sein Genie überwindet alle Hindernisse.

Er führt seinen Pinsel, ohne nur einigen Unterricht empfangen zu haben, mit Geschick und Leichtigkeit. Nach geraumer Zeit ist endlich seine Aufgabe gelöst – aber auch sein Lebensberuf entschieden.

Als er dem kunstfreundlichen Hauptmann die Originale nebst den beiden Kopieen bringt, schlägt dieser die Hände über dem Kopfe zusammen vor Erstaunen. Er begreift es kaum. Endlich wird er zweifelhaft und ruft aus: „Weitsch, Du führst mich am Narrenseile, das hast Du mein’ Lebetage nicht selbst gemacht! Du hast’s bei einem geschickten Maler machen lassen! Gesteh’s nur!“ Weitsch ist entzückt durch diesen Unglauben, der ein Triumph seiner Kunst ist, wie er ihn größer nicht zu hoffen gewagt. Zwar noch lange beharrte der Herr Hauptmann bei seinem Zweifel, aber es gelang doch Weitsch, ihn endlich zu überzeugen.

Nun aber erschallt des Hauptmanns Posaune in allen vornehmen Zirkeln Braunschweigs, in denen zwar viele die Kunstbildung des Herrn Hauptmanns theilen, aber auch urtheilsfähige Leute sind. Alles strömt hin, die Bilder zu sehen. Er hat sich hohe Bewunderer, Gönner und Freunde erworben, und bis zu seinem edeln, kunstliebenden Landesherrn dringt sein Ruf. Er läßt sich die Bilder bringen und staunt. Weitsch muß vor ihm erscheinen – und er entsagt dem Soldatenstande und widmet sich, von allen Seiten ermuntert und gefördert, der Kunst, die ihm eine ehrenvolle Stellung, hohe Achtung und Liebe erwirbt. Als er von seinem Landesherrn zum Gallerieinspektor mit ansehnlichem Gehalt ernannt worden war, und diese ehrenvolle Stellung seiner Frau mittheilte, da stehen ihr Thränen in den Augen; sie fällt ihrem Manne um den Hals, und bittet ihm ihre Schuld ab, die sie ohnehin schon lange bereuet hatte.