Wetterverheerungen in Württemberg

Textdaten
<<< >>>
Autor: W. W-n.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Wetterverheerungen in Württemberg
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 31, S. 531-532
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[531] Wetterverheerungen in Württemberg. Im nördlichen Teil des schönen Schwabenlandes herrscht grenzenloser Jammer. Sturm, Hagel und Wasser haben dort Verwüstungen angerichtet, die aller Beschreibung spotten. In der Nacht vom 30. Juni zum 1. Juli geschah das Unglück. Nach einem heißen sengenden Tag voll dumpfer Schwüle kam gegen Mitternacht das Unwetter zum Ausbruch. Ein Sturmesbrausen erhob sich, wie man es aus den freundlichen Geländen des Neckars noch nie gehört. Nicht stoßweise wütend, nicht zeitweise nachlassend, sondern ohne Rast und Ruh’ mit stetig schwellender Kraft jagte die grausige Windsbraut daher. Vergebens lauschte das Ohr auf ein Innehalten, ein Atemholen des Orkans. Blitze durchzuckten die schwarzen drohenden Wolken, bis schließlich ein ununterbrochenes Leuchten entstand. Der ganze Himmel schien in Flammen aufzugehen. Mit dumpfem Rollen und gewaltigen Schlägen begleitete der Donner das unheimliche Leuchten. Es war, als wollte die Erde aus den Fugen gehen und die Himmelsdecke über den unglücklichen Menschen zusammenstürzen. Wie Rohrhalme knickte der Wirbelsturm die stärksten Bäume, spielend riß er Essen und Dachgiebel von den Häusern. Doch weit schlimmere Verwüstung noch als der Sturm richtete der Hagel an, der sich ihm nach einer bangen Viertelstunde beigesellte. Vom Winde gepeitscht, rasselten die Hagelkörner in dichten Massen nieder, zum Teil so groß wie Hühnereier. Sie zertrümmerten die Fenster, durchschlugen die Dächer, zerstampften Gärten und Wiesen, Aecker und Weinberge. Eine Viertelstunde – an einigen Orten noch länger – dauerte der Hagelschlag, dann regnete es in Strömen, Sturm und Gewitter ließen allmählich nach.

Am Morgen bot sich den Bewohnern der betroffenen Bezirke ein entsetzlich trauriger Anblick dar; überall ein Bild vollständigster Verwüstung und Zerstörung. Die Dächer vom Hagel geradezu zerhackt, da und dort ein Dachgiebel eingestürzt, die Verblendung an den Gebäuden herabgeschlagen, die Fenster, zum Teil samt Läden, zertrümmert, die Wände der Häuser von dem eingedrungenen Regen durchweicht, Möbel und Hausgerät beschädigt. Die Obstbäume sind entlaubt, geschält, der Aeste beraubt, entwurzelt, in einzelnen Gegenden sind nur wenige noch lebensfähig. Oede und kahl stehen die Weinberge, kein Laub ist mehr zu sehen, die Reben sind an den Boden geschlagen, selbst die Rebpfähle sind vielfach zersplittert. Die Fruchtfelder sehen aus, als wären Reitermassen darüber hingejagt und hätten alles bis aufs kleinste Hälmlein in die Erde gestampft. Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen vermehrten noch in den folgenden Nächten an mehreren Orten das Unheil der Schreckensnacht vom 1. Juli.

Die Verwüstung umfaßt ein Gebiet von etwa 400 Quadratkilometern. Zahlreiche Gemeinden der Bezirke Brackenheim, Heilbronn, Neckarsulm, Weinsberg, Oehringen, Künzelsau, Hall, Gerabronn sind über Nacht verarmt. Der Notstand erfordert dort augenblickliche Hilfe, es fehlt nicht nur an Ziegeln und Glas, um die Häuser gegen die Unbilden der Witterung zu schützen, sondern auch an Sämereien, Pflanzensetzlingen, Streumitteln, an einzelnen Orten sogar an Lebensmitteln, Kleidungsstücken und Bettzeug. Die größere und schwerste Not aber wird im kommenden Winter und Frühjahr in den des Ertrags ihrer Felder und Wiesen, Baumgüter und Weinberge beraubten Gemeinden sich einstellen. Nach amtlicher Schätzung beträgt der Gesamtschaden ungefähr 18 Millionen Mark! Dem Umstand, daß das Unwetter mitten in der Nacht ausbrach, ist es zu danken, daß die Zahl der umgekommenen Menschen nur gering ist. Wie groß jedoch die Gefahr war, zeigen die aufgefundenen Hunderte von erschlagenen Hasen. Leute, die rasch noch die Läden ihrer Häuser schließen wollten, erlitten an Kopf und Armen zum Teil ziemlich bedeutende Verletzungen. Der Jammer der Bauern, als sie am Morgen nach der Schreckensnacht die Getreideernte vernichtet, den Weinstock auf Jahre hinaus zerstört, die vielen, seit Jahrzehnten gepflegten Obstbäume geknickt oder entwurzelt sahen, läßt sich nicht beschreiben. Da seit Menschengedenken in den meisten Gemeinden dieser Gegend kein Hagelwetter vorgekommen war, hatten nur wenige Bauern ihre Ernte versichert.

Zur Linderung der Not ist in Württemberg selbst sogleich Bedeutendes geleistet worden. So viel aber auch bereits geschehen ist, so thut doch noch immer Hilfe, ausgiebige Hilfe, dringend not. Möchten auch die Leser der „Gartenlaube“ dem Notschrei der Bedrängten Gehör schenken und nach Kräften zur Linderung der großen Not [532] beisteuern! Für gleichmäßige und gerechte Verteilung der Unterstützungsbeiträge sorgt die „Centralleitung des württembergischen Wohlthätigkeitsvereins“ in Stuttgart, welche Beiträge entgegennimmt. W. W–n.