Westphälische Sagen und Geschichten/Der Teufel als Oheim
Ein Bote, der zwischen Schwerte und Hamm ging, gab einst, vor ungefähr dreyhundert Jahren, all sein Geld einem Wirthe in Verwahr. Dieser aber nahm es weg, legte dem Boten an Zinnenzeug, so viel in den Sack, als das Geld gewogen hatte, und klagte ihn noch dazu des Diebstahls an seinem Zinne an. Der Bote wurde darauf zum Tode verurtheilt. Als er nun am Tage vor der Hinrichtung in seinem Gefängnisse saß, klopfte der Böse an, und versprach, ihn zu befreyen, wenn er sich ihm verschreiben wolle; aber der Bote wollte lieber unschuldig sterben, als das thun. Da sprach der Teufel: Ich sehe, daß Du ein ehrlicher Gesell bist, und ich will Dich befreyen, auch ohne daß Du Dich mir zu eigen geben sollst; bekomme ich doch den Anderen! Er sagte ihm, wie er ihm helfen wolle, und belehrte ihn, was er zu thun habe.
Am anderen Tage wurde der Bote zum Galgen geführt; er stand schon mitten auf der Leiter, da drehete er sich um, und sah von weitem einen Reuter in einem scharlachrothen Mantel ankommen. Mein Onkel kommt da! sagte der Bote, wie ihm vorgeschrieben war, lasset [123] mich ein paar Worte mit ihm sprechen! Dieß wurde ihm erlaubt, und er sprach leise mit dem rothen Reuter, welcher nicht sein Onkel, sondern der Teufel war. Auf einmal rief dieser laut: Mein Vetter ist unschuldig, und der Wirth hat meinen Vetter bestohlen! Der Wirth aber schrie: Das sind Lügen, der Bote hat mich bestohlen! Da trat der Satan vor ihn, fragend: Soll Dich der Teufel holen, wenn Du lügst? Und als er keck: Ja! antwortete, nahm ihn der Rothmantel flugs beim Kragen und führte ihn mit sich davon durch die Lüfte. Da erkannten Alle, daß der Bote unschuldig war, und er wurde freygesprochen; auch erhielt er sein Geld wieder, welches man noch im Hause des Wirthes fand!