Westphälische Sagen und Geschichten/Der Brigadier von Corvey
Vor etlichen hundert Jahren lebte in der Stadt Warendorf ein Oberst, Brigadier von Corvey geheißen; der war sehr reich, aber auch sehr grausam und geizig. Als er aber zum Sterben kam, verordnete er, daß er mit vielem Pompe begraben werde, und daß man viele Messen für ihn lesen lasse, damit seine Seele Erlösung bekomme. Dieses geschah auch, denn alle Straßen von seinem Hause bis zu der alten Kirche waren mit seinem schwarzem Tuche belegt, das nachher den Armen geschenkt wurde, und in allen Kirchen [278] der Stadt wurden ein ganzes Jahr lang jeden Tag Seelenmessen für ihn gelesen. Dennoch konnte er aber seiner Strafe nicht entgehen, daß er im Leben so grausam und geizig gewesen war. Jedes Jahr an seinem Sterbetage muß er von des Abends an bis zum Frühmorgen mit feurigen Wagen und Pferden durch die Stadt und über alle seine ehemaligen weitläufigen Besitzungen fahren, wobey böse Geister ihn umgeben, und man ihn jämmerlich ächzen und stöhnen hört. Sein Degen und seine Stiefel, die noch zu Warendorf verwahrt werden, fangen alsdann an, erschrecklich zu poltern, und liegen nicht eher still, als bis die Fahrt ihres alten Herrn zu Ende ist.