Wenn zur Vollführung deiner Pflicht

Textdaten
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Autor: Christian Fürchtegott Gellert
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Titel: Von der Quelle der guten Werke
Untertitel: Wenn zur Vollführung deiner Pflicht
aus: Geistliche Oden und Lieder. S. 58–61
Herausgeber:
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1757
Verlag: Weidmannische Handlung
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Erscheinungsort: Leipzig
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[58]
Von der Quelle der
guten Werke.

Wenn zur Vollführung deiner Pflicht
Dich Gottes Liebe nicht beseelet:
So rühme dich der Tugend nicht,
Und wisse, daß dir alles fehlet.

5
Wenn Vortheil, Wollust, Eigensinn

Und Stolz dir nur das Gute rathen:
So thue noch so gute Thaten;
Du hast vor Gott den Lohn dahin.

     Sey durch die Gaben der Natur

10
Das Wunder und das Glück der Erden!

Beglückest du die Menschen nur,
Um vor der Welt geehrt zu werden;
Erfüllt die Liebe nicht dein Herz:
So bist du bey den größten Gaben,

15
Bey dem Verstand, den Engel haben,

Vor Gott doch nur ein tönend Erz.

     Bau Häuser auf, und brich dein Brodt,
Das Volk der Armen zu verpflegen;
Entreiß die Wittwen ihrer Noth,

20
Und sey der Waysen Schutz und Seegen!
[59]

Gieb alle deine Habe hin!
Noch hast du nichts vor Gott gegeben.
Wenn Lieb und Pflicht dich nicht beleben:
So ist dir alles kein Gewinn.

25
     Thu Thaten, die der Heldenmuth

Noch iemals hat verrichten können;
Vergieß fürs Vaterland dein Blut,
Laß deinen Leib für andre brennen!
Beseelet dich nicht Lieb und Pflicht;

30
Bist du die Absicht deiner Thaten:

So schütz und rette ganze Staaten;
Gott achtet deiner Werke nicht.

     Lag ihm an unsern Werken nur:
So könnt er uns, sie zu vollbringen,

35
Sehr leicht durch Fessel der Natur,

Durch Kräfte seiner Allmacht zwingen.
Vor ihm, der alles schafft und giebt,
Gilt Weisheit nichts, nichts Macht und Stärke.
Er will die Absicht deiner Werke,

40
Ein Herz, das ihn verehrt und liebt.


     Ein Herz, von Eigenliebe fern,
Fern von des Stolzes eitlem Triebe,
Geheiligt durch die Furcht des Herrn,
Erneut durch Glauben zu der Liebe;

[60]
45
Dieß ists, was Gott von uns verlangt.

Und wenn wir nicht dieß Herz besitzen:
So wird ein Leben uns nichts nützen,
Das mit den größten Thaten prangt.

     Drum täusche dich nicht durch den Schein,

50
Nicht durch der Tugend bloßen Namen.

Sieh nicht auf deine Werk allein;
Sieh auf den Quell, aus dem sie kamen.
Prüf dich vor Gottes Angesicht,
Ob seine Liebe dich beseelet.

55
Ein Herz, dem nicht der Glaube fehlet,

Dem fehlet auch die Liebe nicht.

     Wohnt Liebe gegen Gott in dir:
So wird sie dich zum Guten stärken.
Du wirst die Gegenwart von ihr

60
An Liebe zu dem Nächsten merken.

Die Liebe, die dich schmücken soll,
Ist gütig; ohne List und Tücke;
Beneidet nicht des Nächsten Glücke;
Sie bläht sich nicht; ist langmuthsvoll.

[61]
65
     Sie deckt des Nächsten Fehler zu,

Und freut sich niemals seines Falles.
Sie suchet nicht bloß ihre Ruh.
Sie hofft und gläubt und duldet alles.
Sie ists, die dir den Muth verleiht,

70
Des Höchsten Wort gern zu erfüllen,

Macht seinen Sinn zu deinem Willen,
Und folgt dir in die Ewigkeit.