Weinlese an der Nahe
[704] Weinlese an der Nahe. (Mit Illustration S. 697.)
„Jetzt schwingen wir den Hut,
Der Wein, der Wein ist gut!“
So hört man’s zur Zeit der Weinlese schallen in den deutschen Bergen, die durch das Wachsthum eines „Guten“ begnadet sind. In den herrlichen Weingegenden am Rhein, an der Mosel und der Nahe sind die Tage der Lese wahre Festtage, und bei Jung und Alt herrscht ungebundene Fröhlichkeit, die natürlich wächst mit der Güte „des Guten“, das heißt des Jahrgangs. Böllerschüsse knallen in der Runde, Raketen und Schwärmer sausen durch die Luft und überall, wie ein lustiges Frage- und Antwortspiel, erschallt von Berg zu Berg der fröhliche Juhschrei des glücklichen Winzervolkes. Des Abends aber, am Schluß der Lese, wird – wie dies L. Geibel’s treffliches Bild „Weinlese an der Nahe“ darstellt – für die Winzer und Winzerinnen ein einfaches ländliches Mahl improvisirt: Bütten werden umgestürzt, um, mit Linnen bedeckt, als Schenk- und Kredenztische zu dienen für Speisen und Getränke, die der Weinbergbesitzer spendirt, für prächtigen Käse, Butter und Brot nebst ungezählten Flaschen vom „Vorigsjährigen“, denn vom „Neuen“ giebt er grundsätzlich keinen Tropfen ab. Doch auch „der Alte“ ist trefflich und mit ihm stößt man an auf „den Jungen“, dann aber wird schleunigst ein freier Raum geschaffen, denn der Barbier, der so schöne Tänze zur begleitenden Guitarre zu pfeifen versteht, ist einer Einladung des Festgebers gefolgt und hat sein Instrument mitgebracht. Was Wunder, daß das junge Volk Essen und Trinken darüber vergißt und zum Tanze fliegt!