Was die Frauen von der orientalischen Frage denken

Textdaten
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Autor: Moritz Gottlieb Saphir
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Titel: Was die Frauen von der orientalischen Frage denken
Untertitel:
aus: Der Humorist. Montagsblatt.
2. Jänner 1854, S. 2-3
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
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Erscheinungsort: Wien
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Quelle: Österreichische Nationalbibliothek
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Was die Frauen von der orientalischen Frage denken.

     Das „Montagsblatt“ hat letzhin die Herzensergießung einer den höheren Ständen angehörenden Dame über den Gegenstand aufgenommen.

     Heute theilt es das Schreiben einer den Schichten der untern Bourgeoisie zugehörigen Frau, einer Frau aus dem Volke mit, wortgetreu wie es ihm zugekommen:

     Geschätzter Herr Redakteur und Wochenkrebs!

     Wenn die Herrn Redakteure von den übrigen Kreuzer- und Zweikreuzerblättern wüßten, was für Unheil sie mit ihren leidenden Artikeln über diesen türkischen Krieg anrichten, so müßte sie ihr Gewissen beißen.

     Es ist einmal zu stark. Wir armen Frauen haben ja keine Gatten mehr. Am hellen Morgen reden sie von Sinope, des Mittags Sinope, und zum Souper reden sie wieder von Nichts als von Sinope. Mit der vereinigten Mittelmeerflotte gehen sie schlafen, Nachts träumt ihnen, daß die Flotte ein wenig ausgelaufen ist, allein Morgens ist’s Nichts, die Flotte liegt am alten Platzl, und mit den Bosphorus stehen sie wieder auf. Letzhin kommt mein Mann nach Hause aus seinem Geschäfte, ich frage ihn ob er was eingenommen habe, was sehr wichtig ist, da man in diesen theuern Zeiten seine paar Groschen nothwendiger braucht als je. Aber o Jammer! Das Ungeheuer war benebelt und hatte wahrscheinlich statt an seinen Erwerb zu denken, in einem Beisel (Kneipe) politisirt. „Eingenommen?“ [3] lallte er mit schwerer Zunge, „eingenommen habe ich Nichts; aber das hat Nichts zu bedeuten, denn Kalafat[1] ist auch noch nicht eingenommen.“

     „Erbärmlicher Saufaus!“ schrie ich dem Ungerathenen zu. „Thätest Du nicht besser, auf Dein Geschäft zu sehen, statt Dich um Händel zu bekümmern, die Dich nichts angehen. Bedenk lieber, daß unser Peppi und unser Koberl – das Kind heißt Jakob – Schuhe und Winterkleider brauchen, und daß auch ich eine Verbesserung meiner Garderobe dringend benöthige.

     Denken Sie sich, was mein Mann darauf sagte: „Ei was Schuhe und Winterkleider? Die braven Türken stehen auch im Felde, schlagen sich wie die Löwen und haben auch keine Schuhe und die 80,000 Pelze, welche die Türkei für sie ausgeschrieben hat, sind auch noch nicht fertig.“

     Sie können sich denken, daß meine Wuth keine Grenzen kannte, als ich diese schändliche Aeußerung hörte, und ich verschone Sie mit der Schilderung des häuslichen Zwistes, welcher hierauf entbrannte.

     Es ist nur traurig, wenn die Kinder solchen Executionen als Zeugen beiwohnen, wodurch sie an Respekt vor ihrem sogenannten Vater einbüßen müssen.

     Allein alles dies kommt her von dem vielen Geschreibe in den Zeitungen, welche den Männern den Kopf verirren. Als ob wir nicht Jahre lang gelebt hätten ohne uns um Russen und Türken zu bekümmern. Mit den Nachrichten vom Kriegsschauplatze werden die Herren Redakteure uns armen Geschäftsleuten nicht aufhelfen. Die Vorliebe aber für die Türken, die sie bei jeder Gelegenheit zur Schau tragen, ist ganz unverantwortlich! denn für’s Erste ist sie unchristlich und für’s Zweite beruht sie doch nur auch einer ausschweifenden Fantasie, nachdem das türkische Gesetz den Muselmännern mehrere gestattet, nämlich Frauen, was doch sehr abgeschmackt ist, indem mein Mann, der mich gehörig kennt, sich gewiß nicht noch eine Frau wünschte wie ich.

     Vor vierzehn Tagen ging ich mit ihm in’s Carltheater[2], wo sie „dreißig Jahre aus dem Leben eines Lumpen“ gaben, was ihm außerordentlich gefiel, wiewohl er schon 45 Jahre alt ist. Als der Nestroy den Zauberfürsten, seinen Papa, mit aufgehobenen Händen um ein Serail bat, brach mein Mann in ein unbändiges Gelächter und schrie: „O scharmant, scharmant und wie zeitgemäß!“

     Begreifen Sie jetzt, verehrtester Hr. Wochenkrebs: Zeitgemäß! Weil jetzt der türkische Weizen blüht, kommen auch die türkischen Sitten in Schwung und Männer begnügen sich jetzt nicht mehr mit ihrem Schwarzen und ihrer Cigarre, sondern wollen noch extra ihre Harems und ihre Favoritinnen haben.

     Haben Sie demnach die Gewogenheit, sich um uns anzunehmen, und wenn Sie einmal dem Kaiser Nikolaus[3] schreiben, so ersuchen Sie ihn, mit aller Macht dreinzuschlagen und die Türken tüchtig zu klopfen, was unseren tollgewordenen Männern sehr zur Beruhigung dienen und sie wieder zur Vernunft, zur Nüchternheit und zum alten häuslichen Gehorsam zurückführen wird.

     Mit besonderer Hochachtung Hr. Wochenkrebs und Redakteur.

                         Ihre Ergebenste

Ursula Taktfest, bürgl. Riemermeisterin.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Calafat, Stadt in Rumänien.
  2. siehe Carltheater
  3. Nikolaus I. (1796–1855), Zar des Russischen Reiches und zwischen 1825 und 1830 letzter gekrönter König von Polen.