Wählbarkeit zur 2. Kammer (Ghzgt. Hessen 1820)
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Ueber die Wählbarkeit der Capitalisten zur zweiten Kammer der Landstände.
In dem Artikel 15. der Verordnung über die Wahlen zur Kammer der Abgeordneten vom 22. d. M. ist eine eigene Verfügung darüber vorbehalten worden, wie Capitalisten ein zur Wählbarkeit genügendes Eigenthum nachweisen können. Da die Staatsgläubiger, welche ihr Vermögen dem Staate anvertrauet haben, nicht zu jeder Zeit im Stande sind, dasselbe für Grund-Eigenthum oder Gewerbe zu verwenden, mithin ohne ihre Schuld gehindert sind, die Bedingungen zur vollständigen Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte zu erfüllen; da ferner der Wandelbarkeit dieses Mobiliar-Vermögens dadurch vorgebeugt werden kann, daß dasselbe bei einer öffentlichen Behörde hinterlegt, und binnen bestimmter Zeit nicht zurückgenommen wird; da endlich bei den Wahlen der Abgeordneten des angesessenen Adels die Bezahlung von 300 fl. directer Steuern, sowie bei der Wahl zum Abgeordneten eines Wahlbezirks oder einer Stadt, die Bezahlung von 100 fl. directer Steuer vorausgesetzt wird, und die jährliche Einnahme von ungefähr 3000 fl. jenem Steuerbetrag, sowie von ungefähr 1000 fl. diesem Steuerbetrag entspricht; so wird hierdurch Folgendes verordnet:
Artikel 1.
- Diejenigen adlichen Staatsbürger, welche an Großherzoglichen Staats-Papieren 60000 fl. eigenthümlich oder nutznießlich besitzen, können bei der Wahl der Abgeordneten des angesessenen Adels stimmfähig und wählbar werden, wenn sie übrigens das erforderliche Alter haben.
- Unter derselben Voraussetzung des erforderlichen Alters kann jeder Staatsbürger, welcher an Großherzoglichen Staatspapieren 20,000 fl. besitzt, bei der Wahl der Abgeordneten der Wahlbezirke und der Städte stimmfähig und wählbar werden.
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Artikel 2.
Wer hiervon Gebrauch machen will, muß die vorgeschriebenen Großherzoglichen Staats-Papiere bei einer öffentlichen Behörde, welche im Allgemeinen zum Empfang von Geld-Depositen ermächtiget ist, hinterlegen, und sich verpflichten, sie nicht vor Ablauf von 6 Jahren zurückzunehmen. Die Bescheinigung der Behörde hierüber ist an das Geheime Ministerium einzusenden.
Artikel 3.
Ausnahmsweise können die hinterlegten Papiere vor Ablauf der 6 Jahre zurückgenommen werden, wenn derjenige, welcher sie hinterlegt hat, entweder aus einem andern Grunde die Fähigkeit zur Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte verliert, oder wenn sein Recht des Nießbrauchs an den hinterlegten Staats-Papieren aufhört.
Artikel 4.
So lange die erwähnten Papiere hinterlegt bleiben, dauert die dadurch erlangte Stimmfähigkeit und Wählbarkeit.
- Darmstadt den 31. März 1820.
Großherzoglich Hessisches Geheimes Staats-Ministerium.