Vorrede zum zweyten Theile der Fabeln und Erzählungen der ersten Ausgabe

Textdaten
<<< >>>
Autor: Christian Fürchtegott Gellert
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Vorrede zum zweyten Theile der Fabeln und Erzählungen der ersten Ausgabe
Untertitel:
aus: Sämmtliche Schriften. 1. Theil: Fabeln und Erzählungen, Erstes Buch. S. XLIII–XLVI
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1748
Erscheinungsdatum: 1769
Verlag: M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
[[w:{{{WIKIPEDIA}}}|Artikel in der Wikipedia]]
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]
[XLIII]
Vorrede
zum zweyten Theile der Fabeln und Erzählungen der ersten Ausgabe.

Meine Fabeln und Erzählungen, die ich vor zwey Jahren heraus gegeben, sind so glücklich gewesen, den Beyfall der Kenner zu erhalten. Dieses Glück vergnügt mich unendlich; und ich weis nicht dankbarer dafür zu seyn, als daß ich dieses offenherzig gestehe. Man muß das stolze Verlangen, den Vernünftigen zu gefallen, recht unruhig fühlen; man muß oft in Furcht gewesen seyn, diese Ehre nicht zu verdienen; man muß sich aller der Bemühungen bewußt seyn, durch die man seinen Schriften das Leben gegeben, aller der Aenderungen und Verbesserungen, die uns oft mehr Arbeit gekostet, als das Ganze selbst, aller der Stellen und Einfälle, die man aus Furcht, sie möchten für die Welt nicht schön genug seyn, mit widerstehenden Händen weggestrichen hat: kurz, man muß selbst ein Autor seyn, wenn man wissen will, was ein kluger Beyfall für eine unschätzbare Belohnung, ja was dem Poeten schon eine zufriedne Miene, mit der sich ein vernünftiges Frauenzimmer bey dieser oder jener Stelle im [XLIV] Lesen glücklich aufhält, für ein Lobspruch und für ein vollständiger Beweis ist, daß er die Natur nicht verfehlet, und bey seiner Munterkeit die Ruhe des Wohlstands und der Ehrbarkeit nicht gestöret hat. Ich fühle es indem ich dieses schreibe, daß ich mich selber lobe, und ich habe kaum Gewalt genug über mich, meine Eitelkeit zu bereuen.

So schmeichelhaft indessen dieses Glück ist: so ist es doch um desto gefährlicher, ie leichter man sich seiner unwerth machen kann, wenn man es gar zu eifrig sucht. Werde ich das, was ich durch den ersten Theil der Fabeln und Erzählungen gewonnen habe, auch durch den zweyten behaupten können? Wird die Welt eben so von diesem neuen Versuche urtheilen, als von dem ersten? oder würde es vortheilhafter für mich seyn, wenn er gar nicht zum Vorscheine gekommen wäre? Man halte dieses nicht für eine stolze Demuth; allein man schließe auch aus meiner Furchtsamkeit nicht auf ein böses Gewissen. Ich habe eben den Fleiß auf meine neuen Fabeln gewandt, den mich die ersten gekostet haben; und man wird selten nachlässig arbeiten, wenn man genug Ehrerbietung für die Welt hat. Allein der Fleiß und die Behutsamkeit thun bey den Schriften des Witzes nicht alles. Es gehört, wenn man in der Sphäre dichtet, in die ich mich gewagt habe, vor allem andern ein gewisses [XLV] Glück dazu, um auf gute Erfindungen zu kommen. Dieses Glück ist uns oft entweder nur gewisse Jahre, oder nur zu gewissen Augenblicken geneigt. Glückt es uns mit den Erfindungen: so verläßt uns doch zuweilen der Geist der Lebhaftigkeit, ich weis nicht warum, wenn wir sie ausführen, und ihnen den unschuldigen Schmuck anlegen wollen, den gewisse Theile zu verlangen scheinen. Bald verschlafen wir mitten in der Arbeit die Gelegenheiten zu guten Einfällen und Zierrathen, und bald suchen wir sie gar zu mühsam auf. Bald können wir die natürliche, ungeschmückte und doch gefällige Sprache der Erzählung nicht finden, so sehr wir auch unser Gedächtniß ausfragen. Mit einem Worte: man kann sich bey einer Schrift von dieser Art viele Mühe geben, und doch kaum einige von den Schönheiten erreichen, welche den Charakter der Werke des Geschmacks ausmachen, den Vaniere[1] vortrefflich entworfen hat:

      —       —       ama libellum,
Quem tecum relegant probentque docti,
Tecum intelligat imperita turba;
Quem bis terque legas, manuque semper
Resumas avida; sales novosque,
Quo plus triveris, eruens lepores.

     Nugis non tumeat, magisque rebus
Quam verbis placeat: laboriosa
Lectorem brevitate nec fatiget,
Verborum neque prodiga nitentum
Vbertate gravet: rosae sed instar,
Quae formosior explicatiores
Nec frondes aperit, nec involucro
Suas celat opes iniquiori:
Sic nec pauca nimis loquatur;
Lectori neque nil relinquat, acri
Quod per se velit extudisse mente.

Hat es uns endlich nicht die Erfahrung oft genug gelehret, daß die Fortsetzung solcher Arten von Schriften weniger Beyfall gefunden hat, als der erste Versuch? Man ist mit dem, was der Autor eignes hat, schon bekannt, darum rührt es uns nicht so, wie das erstemal. Oder man hat sich in der ersten Sammlung für gewisse Stücke erklärt, und weil man für diese vortheilhaft eingenommen ist: so scheinen uns die neuen eben deswegen schlechter zu seyn, weil sie anders, als jene, sind. Doch ich will mein Schicksal erwarten, und mir von meinen Lesern sagen lassen, ob ich meine Absicht, durch die Fabel zu vergnügen und zu unterrichten, noch einmal erreicht habe, oder ob ich dieses Amt lieber hätte niederlegen sollen. Leipzig, im Märzmonate, 1748.



  1. Vaniere in Opusculis p. 208.