Vorarlberger Volks- und Ortsneckereien

Textdaten
Autor: Christian Hauser
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Titel: Vorarlberger Volks- und Ortsneckereien
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aus: Alemannia, Band XVIII, S. 183–185
Herausgeber: Anton Birlinger
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Peter Hanstein
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Erscheinungsort: Bonn
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Quelle: Google-USA*, Commons
Kurzbeschreibung:
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VORARLBERGER VOLKS- UND ORTSNECKEREIEN

Die Montavoner nennen die Paznauner die Schmucker. Den Anlaß zu diser spöttischen, wenig ruemlichen Benennung soll folgender Vorfal gegeben haben. Zur Zeit, als Österreich mit der Schweiz im Kriege lag, besezten Montavoner und Paznauner die Grenzen und hielten ganz nahe beieinander Wache [184] gegen den gemeinsamen Feind, um in zu beobachten. Da sagte – so erzält man spöttisch im Montavon – ein Paznauner Kamerad zum andern: „Ducke di’, schmucke di’!“ und als der Feind wirklich gegen die Wache haltenden Posten anzurücken drohte, duckten und schmuckten sich die Paznauner und liefen davon. Die Montavoner fiengen die Worte: „Ducke di’, schmucke di’!“ rasch auf, und seit der Zeit heißen die Paznauner bei den Montavonern die Schmucker. (So hießen bei den Schweizern die Schwaben überhaupt. Rechtsrhein. Alamannien S 46. AB).

Die Paznauner jedoch tragen den Montavonern für dises etwas anrüchige Anhängsel erlich ire Schuldigkeit ab, indem si die Deutung des Talnamens Montavon (Muntavô, Muntavû) folgendem Ereignisse zuschreiben: Zwei Montavoner betraten, wie die Paznauner – besonders sind es die dem Montavon benachbarten Galtürer – neckisch behaupten, den unerlichen Weg des Diebstals. Wärend der eine begirig nach dem fremden Eigentume seine Hände ausstreckte und gehörig zugrif, war der andere auf der Lauer und gab acht, ob sie wol von niemand bemerkt würden. Doch als er warnahm, wie jemand aus einiger Entfernung seine Schritte auf sie zulenkte, so rief er seinem Kameraden eiligst entgegen: „Munta (munter) davô!“[1] Von disem alsbald ruchbar gewordenen Rufe sei der Name Muntavô, Montavon entstanden. Wir laßen es dahingestellt sein, ob disen Neckereien etwas Wares zugrunde lige. Vgl. Rechtsrhein. Alamannien S 42. AB.

Die Montavoner wie die nachbarlichen Paznauner nennen die Bewoner von Bludenz hinab biß Bregenz die Schnapfen, (vgl. HSander in der Alemannia) worüber sie sich ser beleidigt fülen, und man spricht von einer Schnapfenalpe, von einem Schnapfenberge, -keller, die im Jamtale (Seitental des Paznauns) gelegen sind und den Gäfnern (bei Feldkirch) gehören.

Die Kappler heißen die Obertaler (das sind die Bewoner des obern oder hintern Paznauns mit den Gemeinden Ischgl und Galtür), die Biziger oder Bizimander, weil sie a biz für a bißli (ein bißchen) sagen. Dafür werden die Kappler von den Obertalern und noch mer von den Bewonern von See und Langesthei (beide im Paznaun) die Taschen, Kapplertaschen gescholten, weil sie früher lange Taschen (Reisetaschen), mit unverhältnismäßig vilem Mundvorrat bepackt, umgehängt hatten, wann sie auf den Markt oder auf die Alpe giengen, um ir Vih zu holen. Die Kappler sind über disen Spiznamen ser aufgebracht und rächen sich wider damit an den Seern, daß sie dise die Kropfeta schimpfen, weil es in diser Gemeinde [185] zimlich vile Leute mit Kröpfen gibt. Die Kappler und die Langestheier singen auch ein Spottliedchen auf die Seer, welches also lautet:

„Hui lusti’ miar Bearger!
Dia Seaber haba Kröpf’;
Dia schwinga si über d’ Achsla
Wia di Bötler dia Söck’.“

Die Langestheier werden von den Seern hier und da als die Buanaplâscha[2] (Bonenscheiden) bespöttelt, weil sie vil Bonen anpflanzen und eßen. Besonders gerne werden im Herbste die grünen Bonen – und Erbsenscheiden sammt irem Inhalte gesotten und verzert.

Schließlich erwänen wir noch folgende launige Reimzeilen:

Über Zeinis hea | Goltürer Schnea | Mathoner Koara, | Ischgler Zoara,
Ulmiger Râ, | Plottastâ, | Koppler Spiz, | Oberhauser Wiz,
Pearpoter roati Röck, | Longezthâer Вöck, | Seaber Kröpf’, | Pianner Spöck’.

CHR. HAUSER     

  1. Im Allgäu fragt man: welches ist der älteste Adel? Die Montfort, als der Engel Adam und Eva vоm Paradise jagte, rief ir mont fort! d. h. ir müßt fort. AB
  2. Plâscha vom roman. plasta = griech. πλάσμα »Gebilde.«