Textdaten
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Autor: Wilhelm von Ploennies
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Titel: Von den achtzehen Soldaten
Untertitel:
aus: Deutsche Hausmärchen, S. 30–39
Herausgeber: Johann Wilhelm Wolf
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1851
Verlag: Dietrich'sche Buchhandlung, Fr. Chr. Wilh. Vogel
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Erscheinungsort: Göttingen und Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[30]

Von den achtzehen Soldaten.

Achtzehen Soldaten, nämlich ein Feldwebel, ein Sergeant, ein Corporal, ein Tambour und vierzehen Gemeine waren zusammen auf einer einsamen Wacht.

Weil nun der Dienst sehr hart und das Traktement schlecht war, so that sich die ganze Wachtmannschaft zusammen und beschloß, zu desertiren, nur der Feldwebel, der ein alter Soldat war und zwei Feldzüge mitgemacht hatte, wollte Nichts von der Sache wissen.

Da er's nicht anders wollte, so banden sie ihm Hände und Füße zusammen, auf daß er nicht in Verantwortung und Strafe käme, legten ihn unter die Pritsche und gingen alle Siebenzehen mit Sack und Pack davon. Sie waren aber kaum ein paar hundert Schritt weit gegangen, so fiel dem Corporal ein, daß er seine Pfeife auf dem Tisch hatte liegen lassen, und er ging zurück, um sie zu holen. Unterdessen hatte sich der Feldwebel unter der Pritsche die Sache noch ein Mal überlegt und weil er dachte, er könnte doch vielleicht in harte Strafe kommen, so ward er anderen Sinnes und reute es ihn, daß er nicht mitgegangen war. Als nun der Corporal wieder hereintrat sprach er: „Bind mich los, Kamerad, es liegt sich unter der Pritsche noch schlechter, als [31] oben darauf“ und als er los war, schloß er die Wachtstube zu steckte den Schlüssel ein und desertirte mit.

Eine schöne Zeit waren sie zusammen umher gezogen, – das Geld war alle, aber der Hunger und Durst noch nicht und sie dachten Mittags zuweilen an den großen Fleischkessel in der Kaserne – da kamen sie einmal an ein einsames Waldwirthshaus. Sie gingen hinein, der Feldwebel klapperte mit dem Schlüssel und ein paar Kamaschenknöpfen im Sack, und sie ließen sich einschenken und auftragen was in der Küche und im Keller war.

Als es darnach ans Bezahlen ging, griff der Feldwebel in den Sack, als wenn er ein Paar von seinen Kronenthalern wollte springen lassen, aber „das kann nicht sein, Herr Feldwebel“ rief der Sergeant, „an mir ist das Bezahlen!“ und griff dabei in seinen Hosensack; der Feldwebel aber ging einstweilen hinaus. „Haltet ein, Herr Sergeant!“ rief jetzt der Corporal „wollt Ihr immer die Zeche bezahlen?“ dabei fuhr er eilig in die Tasche, der Sergeant aber ging einstweilen hinaus. Da sprach der Tambour: „an mir ist heute die Reihe, soll ich mich immer von euch füttern lassen?“ – und der Corporal folgte den Andern. Von dem Tambour wollte sich aber der älteste Gemeine nicht lumpen lassen und so immer fort Keiner von dem Andern, bis herunter zu dem jüngsten Soldaten, der noch ein Rekrut war. Der aber sprach, er wollte die Anderen noch ein Mal alle hereinrufen, damit man genau nachrechnen könnte, was jeder gegessen und getrunken – fort war er und lief den anderen Siebenzehen nach.

Der Wirth hätte schwarz und blau vor Aerger werden mögen, [32] als er sich so geprellt sah, doch weil er ein böser heimtückischer Mann war, machte er das Fenster auf und rief seinen Gästen mit freundlicher Stimme nach: „was lauft ihr also, ihr braven Bursche? Kommt zurück, euer Spaß gefällt mir also wohl, daß ich euch noch eine Zehrung mit auf den Weg geben will!“ –

Als sie nun wiederkamen, gab er noch einem Jeden einen halben Gulden, und sie sollten doch den Weg rechter Hand einschlagen und dann das zweite Pfädchen links gehen, so würden sie an einen Berg mit einer offnen Thür kommen, wenn sie dahineingingen, so möchten sie glücklich werden für all ihr Lebtag!

Das leuchtete den Soldaten ein, sie dankten für die Zehrung und den guten Rath, versprachen auch, nicht wiederzukommen und machten sich spornstreichs auf den Weg nach dem Berge; der Wirth aber freute sich, daß ihm sein schlimmer Anschlag so wohl gelungen war, denn in den Berg hinein war schon gar Mancher gegangen, aber Keiner wieder heraus.

Die Achtzehen gingen den Weg rechter Hand und an dem großen Baum das zweite Pfädchen links und dann durch die offne Thür in den Berg hinein. Dadrinnen war es ganz hell, wie draussen auch, und eine schöne breite Straße führte immer weiter hinein. Da sie ein gutes Stück darauf fortmarschirt waren, kamen sie vor eine aufgezogene Zugbrücke; die ließ sich aber von selber vor ihnen herab, daß sie darüber gehen konnten. Nun waren sie in einem großen Hof. Sie wanderten wieder eine Zeitlang weiter, dann kamen sie an eine zweite Zugbrücke, die sich niederließ wie die erste und über welche sie in einen andern Hof [33] gelangten. Ebenso ging es noch ein Mal über eine dritte Brücke und in einen dritten Hof – da stand aber mitten darin ein wunderschönes Schloß.

„Rangirt euch!“ commandirte der Feldwebel, ließ die Mannschaft in Reihe und Glied herantreten und die Unterofficiere auf die Flügel; „Geschwindschritt Marsch!“ hieß es dann, der Tambour schlug ein, und die Achtzehen marschirten zum Schloßthor hinein, und als sie darinnen waren erklärten sie das Schloß für erobert. Sie hatten freilich gut erobern, denn es war ringsum nichts Lebendiges zu sehen und zu hören; wohl aber fanden sie einen großen Saal, wo für achtzehen Mann gedeckt und aufgetragen war, was ihnen gar wohl gefiel. Neben dem Saale waren achtzehen schöne Schlafkämmerchen, eines wie das andere, ein jedes mit einem prächtigen seidenen Bett, und das gefiel ihnen auch.

Nun setzten sie sich ohne weiteres zu Tisch, damit es nicht kalt werden sollte und lebten hoch in Freuden bis in die Nacht hinein; dann krochen sie in die weichen seidenen Betten und schliefen wie die Grafen. Der Feldwebel war der Erste, der des anderen Morgens wieder aufwachte. Er wollte sich anziehen und den Tambour wecken, daß er Reveille schlüge, doch seine Montur war fort und nirgends mehr zu sehen. Er hing sich das Bettuch um und rief seinen Kameraden – da kamen sie auch heraus, Einer nach dem Andern, aber Einer wie der Andere im Bettuch gleich dem Feldwebel, denn ihre Kleider waren auch verschwunden, als wären sie niemals dagewesen. Als sie sich im Saale umschauten, sahen [34] sie mitten auf dem Tisch zwei große Kisten stehen; sie machten den Deckel auf, da fanden sie in dem einen Kasten eine Feldwebelsmontur, eine Sergeanten-, eine Corporals- und eine Tambours-Montur und vierzehen Stück gemeine Soldatenmonturen. Alles war funkelhagelneu, als wenn es eben vom Schneider käme, und paßte wie angegossen. –

In den anderen Kisten waren siebenzehen prächtige neue Gewehre, Säbel und Patrontaschen und eine nagelneue Trommel für den Tambour! Das war eine Herrlichkeit!

Als die erste Freude vorüber war, sagte der Feldwebel, weil sie jetzt wieder das Ansehen von ordentlichen Soldaten hätten, so wollten sie auch ihren Dienst thun wie es sich gehöre.

Darauf führte er einen Theil der Mannschaft in die Wachtstube am Schloßthor, theilte sie zum Schildwachtstehen in drei Nummern ab und von nun an mußten sie ordentlich auf Posten ziehen und alle zwei Stunden ablösen wie es sich gehörte.

Als sie es schon eine Zeit lang so getrieben hatten, da kam eines Tages eine prächtige sechsspännige Kutsche angefahren und hielt vor dem Schloßthor. Ein Bedienter in einem goldnen Rock machte den Schlag auf und eine wunderschöne Dame stieg heraus. Sie ließ sich von der Schildwache den Feldwebel herausrufen, ging mit ihm hinauf in seine Schlafkammer und sprach zu ihm: „Ich bin eine verwünschte Prinzessin, du aber sollst mich erlösen und mein Bräutigam sein. Von Morgen an wird jeden Tag eine andere Prinzessin kommen, die erste zum Sergeanten, die zweite zum Corporal und so immer fort, bis ein Jeder von euch [35] die Seinige gesehen und mit ihr gesprochen hat. Also muß es geschehen, damit ihr uns erlösen könnt.“

Das und noch Anderes redete sie mit dem Feldwebel, ehe sie von dannen fuhr und wie sie gesagt, so kam es.

Die zweite Prinzeß kam des anderen Tages, ging mit dem Sergeanten hinauf in die Kammer und beredete sich allda mit ihm und so ging es immer weiter, jeden Tag kam eine andere und Eine immer noch schöner als die Andere. Dem jüngsten Soldaten blieb aber die Seinige gar zu lange aus und weil er dachte, wer weiß wann die Reihe an mich kommt, so entschloß er sich kurz und desertirte.

Als er aber wieder an die erste Brücke kam, so stund da der Teufel und frug ihn: „wohinaus?“ „Aus dem Berg hinaus!“ sprach der Soldat, da faßte ihn der Teufel und drehte ihm das Genick ab.

Als die anderen Soldaten ihren Kameraden vermißten, schickte der Feldwebel eine Patrouille aus, um ihn zu suchen. Bald fanden sie ihn denn auch todt am Boden liegen; er hatte seine alten zerrissenen Kleider wieder an, die er mitgebracht und regte kein Glied mehr. Aber noch desselbigen Tages kam die älteste Prinzessin wieder gefahren, ging mit ihrem Feldwebel hinauf und sprach zu ihm: „Daß euer Kamerad desertirt ist, das hat die ganze Erlösung verdorben; entweder müßt ihr jetzt wieder einen achtzehenten Mann herbeischaffen, daß Alles von Neuem beginnen kann, oder ihr seid des Todes alle Siebenzehen.“ So sprach sie und fuhr wieder weg. Nun berief der Feldwebel die [36] ganze Mannschaft zu sich, hielt einen Rath mit ihnen, was sie thun sollten, und sie wurden einig, daß der Corporal mit zwei Gemeinen auf Werbung ausziehen müsse nach dem achtzehenten Mann. Als nun die Drei an die erste Brücke kamen, stand der Teufel davor und frug: „wohinaus?“ „Auf Werbung“ sprach der Corporal. „Passirt!“ rief der Teufel und ließ sie hinaus. So gelangten sie ungehindert über die drei Brücken bis vor den Berg, gingen dieselben Wege, die sie früher hergekommen wieder zurück, fanden bald auch das Waldwirthshäuslein von damals wieder. Sie setzten sich an den Tisch zu dem Wirth, der sie in den Berg hineingeschickt hatte; weil sie aber so sauber und ordentlich aussahen, erkannte er sie nicht mehr und sie thaten als ob sie ihn auch nicht kennten. Es dauerte nicht lange, so kam ein armer Handwerksbursch herein, setzte sich ganz traurig an einen anderen Tisch und ließ sich ein Stück trocken Brod geben und ein Glas Wasser dazu. Da riefen ihn die drei Soldaten zu sich, gaben ihm Wein zu trinken und Braten zu essen. Da er nun satt war und guter Dinge wurde, fragten sie ihn: ob er nicht für ein gutes Handgeld sich wolle anwerben lassen? Das gefiel dem Handwerksburschen schlecht, deßhalb antwortete er im Spott, wenn sie ihm hundert Gulden Handgeld geben wollten, so wär er's zufrieden. Der Corporal aber, der sich aus der Schatzkammer des verwünschten Schlosses einen ganzen Tornister voll Geld mitgebracht hatte, zählte ihm auf der Stelle zweihundert Dukaten auf den Tisch und die Sache war abgemacht. Sie machten sich nun auf den Heimweg, der Teufel ließ sie ungehindert einpassiren und [37] im Schloß gab es eine große Freude, als sie mit dem Rekruten ankamen.

Als sie aber aus dem Wirthshaus weg waren, sprach zum Wirth die Wirthin: „Du bleibst doch ein Esel all dein Lebtag, sonst hättest du gemerkt, daß der Corporal und die zwei Soldaten schon ein Mal bei uns waren, unter den achtzehen lumpigen Kerlen, die dich so schmählich angeführt haben. Und zum Lohn dafür hast du sie glücklich gemacht für all dein Lebtag!“ Wie sie das meine? frug der Wirth. „Ei du Narr“ sprach sie „hast du denn das viele Gold nicht gesehen? Das haben sie nirgends anders geholt, als in dem Berg, in den du sie geschickt hast, daß sie nicht wiederkommen sollten. Jetzt aber will ich auch keine Bettlerin mehr bleiben. Auf der Stelle packst du den Sack da auf und kommst mir nicht wieder, ohne daß er voll Dukaten ist!“

Einreden half dem Wirth nicht, er mußte ohne Zaudern hinaus in den Wald, den Weg rechter Hand, das zweite Pfädchen links und hinein in den verzauberten Berg. Wer aber an der ersten Brücke stand war Niemand Anderes als der Teufel, der frug ihn: „wohinaus mit deinem Sack?“ „Geld holen für meine Frau!“ sprach der Wirth, da erwischte ihn der Teufel am Camisol und brach ihm das Genick ab. Das hatte er nun davon. Die Wirthin daheim konnte es aber nicht aushalten vor Erwartung und Ungeduld nach dem schönen Gold; sie dachte, es möchte ihm zu schwer werden unterwegs, sie könnte ihm ja entgegen laufen und es ihm abnehmen. Sie kam bis vor den Berg und wartete erst noch eine Zeitlang vor der Thür, doch als der Wirth immer noch nicht erschien, [38] dachte sie: er hat zu schwer geladen und kann es nicht allein auf die Achsel heben, du willst hineingehen und ihm helfen! Also ging sie hinein und kam zu der ersten Brücke, wo der Teufel stand und auf sie wartete. „Wohinaus, liebe Frau?“ frug er. „Zu meinem Mann!“ „Da kann sie hinkommen liebe Frau“ sprach der Teufel, griff sie bei den Haaren, drehte ihr den Hals ab und warf sie hinab zu ihrem Manne. Jetzt waren sie beisammen. –

Den achtzehen Soldaten ging es besser. Da die Zahl durch den Rekruten voll geworden war, so kamen die Prinzessinnen wieder angefahren, immer Eine nach der Andern, jede zu ihrem Liebsten und Alle, bis zum Achtzehenten hielten es diesmal richtig aus. Als die letzte Prinzessin dagewesen war, da kamen sie des anderen Abends alle Achtzehen auf ein Mal, die Aelteste aber sprach: „heute Nacht müßt ihr die Erlösung zu Ende bringen; eine Jede von uns legt sich zu ihrem Bräutigam, aber ruhig und stille muß ein Jeder bei seiner Prinzessin liegen und Keiner reden oder sich rühren, bis es Reveille schlägt.“ So geschah's. Sie legten sich Alle Sechs und dreißig zusammen und Alle hielten tapfer aus, nur der Tambour hätte beinahe Alles verdorben. Denn gegen Morgen fiel es ihm plötzlich brühheiß ein: holla! wer kann denn die Reveille schlagen wenn ich bei der Prinzessin liege? Als er gerade herausspringen wollte, da begann es auf einmal Reveille zu schlagen, aber was für eine Reveille! So hatte der Tambour noch keine gehört! Es war gerade als ob zehn mal hunderttausend Tamboure im Schloßhof stünden und schlügen! Jetzt [39] war Alles Liebes und Gutes. Die älteste Prinzessin blieb mit dem Feldwebel in dem Schloß wohnen, das nun erlöst war, die anderen fuhren mit ihren Männern fort, die eine dahin, die andere dorthin, wo eine jede ihr Königreich hatte. Die Brücke war jetzt gut passiren, denn der Teufel hatte nun andere Sachen zu thun, als dort Schildwacht zu stehen.