Von dem ersten Zweke und lezten Schiksale des Bades

Textdaten
Autor: August Gottlieb Preuschen
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Titel: Von dem ersten Zwecke und letzten Schicksale des Bades
Untertitel:
aus: Denkmäler von alten phisischen und politischen Revoluzionen in Deutschland besonders in Rheingegenden für reisende Beobachter, S. 255-261
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1787
Verlag: Varrentrapp und Wenner
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Erscheinungsort: Frankfurt a. M.
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Originalherkunft:
Quelle: Digitalisat der HAB
Kurzbeschreibung: Gedicht (mit gelehrtem Apparat) zum Römerbad von Badenweiler
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[255] Von dem ersten Zweke und lezten Schiksale des Bades.


Ein Römer, den sein Denkmal priese,
Wenn ihn die Welt auch nicht mehr sah,
Schuf eins, und mit ihm Paradiese,
Als Architekt, am Abnoba.

5
Hier sezt’s Hadrian in Thermen;

Um bei altrömisch-deutschem Wein
Sich nach vollbrachter Jagd zu wärmen,
Und dann ein Menschenfreund zu seyn.

     Da, wo gereizte Nattern zischen,

10
Wo schroffes Eis die Thäler füllt,

Sich Bären unter Hirsche mischen,
Der Keiler schnauzt, der Urus brüllt,
Der Adler von Herzinens Spizen,
Auf kleines Wildpret gierig beizt,

15
Und Reiger und Fasanen sizen,

Wird er zu solchem Bau gereizt!

      Diana soll ihm da für Haine
Für Wasser, Feld und Auen stehn
Und durch sie bei erhaltnem Weine

20
Ein frohes Volk sich glüklich sehn,

Mit Mutterliebe den beschüzen,
Der ihren Schirm und Segen braucht;
Wenn nur, ihn würdig zu benuzen,
Ihr Opferstein in Westen raucht.

25
     [256] Das Weib folgt willig gutem Rathe,

Erhebt sein Opfer zum Altar,
Und trozt auf sie nach einem Bade
Beherzt der weiblichen Gefahr. a)
Auch stehn im Duft geweihter Linden b)

30
Dort Grazien die Göttin an

Und sehn, bevor Gelübde binden,
Gewünschtes Glük schon auf der Bahn.

     Der Jäger stößt aus finstrem Walde
Von der bemosten Felsenkluft

35
In seinem stillen Aufenhalte

Blutathmend, Seufzer in die Luft.
Er späht, er lauert auf die Beute,
Die ihm zulezt sein Bogen schaft;
Eilt dann zum Bad und trinkt für Freude,

40
Zum Lob der Göttin, Rebensaft. c)


     [257] Der keicht am Stok, der ächzt an Krüken
Entnervt dem lauen Bade zu,
Und sucht in Plagen, die ihn drüken,
Auf nassen Mamorbänken Ruh.

45
Die Hofnung wächst in Salbendüften,

Und nimmt ihm Gram und Sorgen ab;
Heilt ihn gleich in gewölbten Grüften, d)
Sein bester Arzt, das nahe Grab.

     Poppäa buhlt auf einem Felle e)

50
Bei ihr um Traum vor dem Altar.

[258] Zu Füssen nimmt Merkur die Stelle, f)
Der längst ihr treuer Hausgott war.
Doch kaum stört sie sein Traum im Schlafe,
So wacht sie, sucht Apollens Rath, g)

55
Und stürzt, vor ernster Götterstrafe

Entsezt, sich in das nächste Bad.

     Ein Traumprophet h)fliegt schnell zum Deuten
Zur abgehärmten Träumerin.
Die Deutung glükt und Götterfreuden,

60
Bringt ihres Traums gewünschter Sinn.

Getrost kehrt sie den Blick zur Sonne i)
Und opfert nun des Dankes voll,
[259] Im Heiligthum mit neuer Wonne
Nächst ihrer Göttin, dem Apoll. k)

65
     Der Tag gräbt sie mit heitrer Mine

Geschwind in junge Buchen ein; l)
Giest dann ein Oelglas der Lucine
Zum Dank, auf ihren Salbestein. m)
Ihr stiller Geist spricht laute Freuden,

70
Beschliest ein Fest von bester Wahl,

Und ehrt den Seher für sein Deuten
Im Vorhof durch ein grosses Mal. n)

     Auch sieht sich bei dem Opfermale
Korinna nach ihr ängstlich um,

75
Und macht bestürzt im Göttersale

Für sie ein Sellisternium. o)
[260] Tibull verehrt sie durch Gebete,
Aemil durch seinen Talisman,
Torquat durch dunkle Amulete,

80
Und jedem glükts nach seinem Plan.


     Vermengt mit schauernden Ruinen,
Enttrohnt sie nun die Macht der Zeit.
Beschämt sehn Völker die ihr dienen,
Den schönen Traum von Herrlichkeit. p)

85
Und wir? – wir sehn auf Staub und weinen

Erhabner Kunst gestörten Lauf,
Und lesen unter Schutt und Steinen
Noch räthselhafte Trümmern auf.

     So zierten Römer hier den stillen

90
Und wasserreichen Abnoba,

Mit Bädern Portiken und Villen!
Und dann stand ein Theater da,
[261] Auf dem die Welt ihr Schauspiel hielte,
Und mancher oft in Lust und Leid,

95
Wie noch, ungleiche Rollen spielte,

Im Drama der Vergänglichkeit. q)

Anmerkungen

[256] a) Bei Geburten, wo das Weib seinen Gürtel ablegte und der Dianae λυσιζώνη übergab.

b) Solches geschah in einem der erhaltenden Diana (Ἀρτέμιδι σωτείρα) geheiligten und mit Mauern umgebenen zirkelförmigen Walde, welcher Ἄλσος genannt wurde. – Ausser den Gözenpriestern durfte sonst Niemand, dem es nicht besonders bewilligt wurde, in denselben kommen. Vielleicht gehörte dahin der Mons Aelius oder Oelberg bei Badenweiler.

c) Alle Geschäfte fiengen die Heiden mit Anbetung der Götter an, daher machte Pythagoras das Ge[267] neralgesez in Aur. cam v. 48. ἔρχευ ἐπ’ ἔργον θεοῖσιν ἐπευξάμενος d. i. Gehe an das Werk, wenn du die Götter angerufen hast. Der Anfang ihrer Anrufung geschah mit der Energie Deus, Deus! – Hatten sie Glük, so dankten sie öffentlich und bestättigten ihren Dank durch Opfer, S. Virg. Aeneid. I, v. 338 Multa tibi ante aras nostra cadet hostia dextra.[WS Übersetzung: Viele Opfer soll dir vor unserm Altar unsere Hand niederlegen.] Durch unglüklichen Erfolg liessen sie sich nicht ermüden, sondern ihre Gelübde desto eifriger zu thun, antreiben. S. Plin. Hist. nat. Lib. 8. Cap, 16. Tum praecipuus votorum locus, cum spei nullus est. [WS Übersetzung: Wenn es keine Hoffnung gibt, geh zur besonderen Gebetsstätte.] Das sind ja fromme Heiden!

d) Katakomben, die zwar vielleicht in Badenweiler noch künftig entdekt, aber gewiß von einer geringeren Beschaffenheit, als die zu Rom oder vielmehr gemeine coemeteria seyn werden. Die Ursachen siehe oben.

e) Von Bären, Hirschen und anderen der Diana heiligen Thieren, von welchen verschiedene Abbil[258] dungen auf Gefäsen zu Badenweiler gefunden wurden.

f) Mercurius hies deswegen ductor somniorum oder Ἡγετὼρ οὐείρων [WS Übersetzung: Herr der Träume].

g) Die Heiden hielten den Apoll und die Diana zugleich für solche Gottheiten, die eine besondre Gewalt über das menschliche Leben hätten, und die Menschen, welche schnell sterben, mit ihren Pfeilen tödeten. Daher wird er hier als ein Deus averruncus[WS Übersetzung: Unheil abwendender Gott] angegangen.

h) Das ist einer von den ὀνειροκρίτοις [WS Übersetzung: Traumdeuter] oder ὀνειροπόλοις [WS Übersetzung: Traumgutachter], zu welchen Achilles seine Zuflucht nahm, um die Ursache des Apolls Ungnade ihm zu sagen – Auch lies sich Penelope so ihren Traum erklären. S. Hom. Odyss. 19, v. 535. u. f.

i) D. i. nach der Sonnen Aufgang, wo der eine Altar stand, der sowol der Diana als dem unter der Sonne vorgestellten Apoll, heilig war.

[259] k) Weil beide ihr die Sünde vergeben hatten. Strabo Lib. X. p. 635 meldet, daß die Alten geglaubt hätten: Diana und Apollo brächten diejenige um, die sie mit Worten oder Werken beleidigt hätten. – Poppäa kam also für diesesmal mit einem blauen Auge davon, hatte Ursache zu danken und sich dem Apoll, der über Krankheiten und Tod gebieten konnte, zu empfelen. –

l) In dem heiligen Walde mit Erlaubnis des Priesters.

m) Die Bätylia dienten auch zu Privataltären.

n) Diese epulae waren von den epulis sacris die den Göttern im Fano gemacht wurden, unterschieden. – Alle epulae profanae wurden in den atriis abgethane wenn ja in dem Bade geschmaust werden sollte.

o) In dem westlichen Vestibule linker Hand, wenn man von Westen kommt, wurde eine ganze Reihe Stül, [260] und ein Tisch mit Trachten hingestellt. Auch standen entweder Opfer in den Schalen[WS korrigiert: Scholen], oder die Matronen sezten sich in dieselben. Der Sessel bedienten sie sich nicht, weil solche der Göttin heilig waren. – Daß die Gözenpriester den besten Rochen dabei gezogen haben, das läßt sich leicht denken! Sie brauchten also keinen besondern Unterhalt. – Der heidnische Aberglaube leistete ihnen dafür Bürgschaft.

p) Valentinians christliche Soldaten machten sie so gescheut. Wären es Heiden gewesen, so würden sie aus Hochachtung für die Göttin, und aus Furcht für dem schnelltödenden Pfeile des Apolls, sich gefürchtet haben.

[261] q)Nachdem der grosse, verdienstvolle und mit schwarzem Undanke belohnte Belisarius, in Konstantinopel als Gefangener ankam, so war sein Ausruf: vanitatum vanitas et omnia vanitas! Der grosse Oxenstirn nennet daher seinen Penseen das gesamte Wesen der Welt – eine Universalkomödie, bei welcher immer zulezt das im ganzen Umfange eintrift, was der grosse Comte de Saxe auf seinem Schlosse zu Chambord kurz vor seinem Ende zu dem Arzte, bei dem Eintritte in das Zimmer, sagte:

Voila La Fin d’un beau réve.