Textdaten
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Autor: G.
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Titel: Vom deutschen Büchermarkte
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 292
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
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[292] Vom deutschen Büchermarkte. Après nous le déluge – heißt es, doch die Sündfluth der Bücher bricht schon über die Lebenden herein. Wer daran zweifeln sollte, der lese die litterarische Uebersicht der Hinrichs’schen Buchhandlung im „Börsenblatt“. Von Jahr zu Jahr nimmt die Zahl der erschienenen Bücher zu: 1884 belief sie sich auf 15607, im folgenden Jahre betrug sie 16305. Die trockene statistische Zahl, die überall eine große Rolle spielt, ist auch für die Beurtheilung der litterarischen Produktion eine bedeutungsvolle Ziffer.

Da rücken stets neue, junge Dichter ins Feld; sie haben die Zukunft auf ihr Banner geschrieben; sie sprechen von Reform, von Revolution und stellen sich gegenseitig glänzende Zeugnisse aus. Sie haben Talent, wir wollen es zugeben – aber ein Blick auf die Statistik des Buchhandels muß ihnen genügen, um ihre Hoffnungen herabzustimmen. Die schöne Litteratur ist mit 1345 Werken verzeichnet, gegen 1303 im Vorjahre. 1345 dichterische Werke – und dazu die Ungunst des Publikums für die Poesie, wenigstens für die Lyrik und das Drama! Sich durch eine derartige Konkurrenz siegreich durchzukämpfen, dazu gehört viel Energie, viel Talent – und viel Glück. Es ist unglaublich, wie viel in Deutschland producirt und verlegt wird! In keinem andern Staate findet ein ähnliches Verhältniß statt. Darum sind ja auch die Litteraturkalender überfüllt, und eine neue Generation von Schriftstellern tritt der vorausgehenden auf die Fersen. Für die Himmelsstürmer aber sollten jene 1345 Werke als ein besänftigendes Mittel wirken. Gedruckt werden ist leicht, aber ein Publikum finden ist schwer, und von vielen dieser Neuesten gilt wohl der Spruch:

„Steht aber immer schief darum,
Denn Ihr habt kein Publikum.“

Daß in der That auch Hervorragendes durch diese Massenproduktion erstickt werden kann, während der Zufall oft Unbedeutendes an die Oberfläche spült, ist wohl keine Frage. Die belletristischen Schriftsteller mögen sich indeß mit den Pädagogen trösten: diese sind noch eifriger bei der Arbeit und haben im letzten Jahre 2169 Schriften auf den Büchermarkt geschickt. Freilich zählen dabei die Schulbücher mit, und da ist ja ein Bedarf vorhanden, der nicht leicht zu decken ist. Die Juristen und Politiker haben 1472 Schriften veröffentlicht, die Theologen 1391, die Mediciner 904, die Militärs 435, die Geographen und Reiseschriftsteller 495. Was würde Karl Moor sagen zu diesem „Tintenklecksenden Säculum“, welches das vorige noch so weit hinter sich läßt? Und dabei werden im Gänzen wenig Bücher in Deutschland gekauft! Die Fachschriftsteller haben es hierin freilich besser als die Belletristen, die entweder nur für die Leihbibliotheken arbeiten oder, wenn sie Lyriker sind, für vereinzelte „schöne Seelen“. Freilich, wer Mode ist, der darf auf großen Absatz rechnen: doch das sind nur die Auserwählten, nur 20 von den 1300; die große Mehrzahl muß sich Schritt für Schritt die Leser und die Käufer ihrer Werke erkämpfen. G.