« Einleitung Vom Reichsfürstenstande Principes »
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I.


Haben wir uns die nächste Aufgabe dahin gestellt, zu untersuchen, 1 wer im zwölften und dreizehnten Jahrhunderte zu den Reichsfürsten gehörte und wer nicht, so werden wir uns vor allem nach Kennzeichen des Fürstenstandes umzusehen haben. Es liegt ohne Zweifel am nächsten, uns an das Wort Fürst selbst zu halten, und demjenigen die Fürstenwürde zuzusprechen, den wir in solchen Denkmalen jener Zeit, in welchen eine schärfere Beachtung staatsrechtlicher Unterschiede zu erwarten ist, als Fürsten bezeichnet finden. In den Rechtsbüchern und den wenigen verwandten Ueberresten, bei deren Abfassung man sich der deutschen Sprache bediente, finden wir den Ausdruck ausschliesslich gebraucht, um den ersten Stand im Reiche, die dem Kaiser zunächst Stehenden zu bezeichnen. Und weder die auf der Hand liegende sprachliche Ableitung des Wortes, noch die Reste der älteren Litteratur unseres Volkes begründen einen Zweifel, dass man sich jemals, wo es galt, die Höchststehenden im Reiche in deutscher Sprache zu bezeichnen, eines anderen Ausdruckes bediente.

Um aber den staatsrechtlichen Begriff des Wortes genauer zu erörtern, dürfen wir nicht das deutsche Wort[1] zum Ausgangspunkte nehmen; wir würden den Faden zu schnell verlieren. Denn selbst im dreizehnten Jahrhunderte bediente man sich in den Kanzleien nur in vereinzelten Fällen der Muttersprache; sind wir auf die aus ihnen hervorgegangenen Schriftstücke bei unserer Forschung zunächst angewiesen, so haben wir das damals entsprechende lateinische Wort zum Ausgangspunkt zu nehmen. Mag sich nun auch, selbst bei einer Beschränkung auf das staatsrechtliche Gebiet, das Wort Princeps nicht in jeder Anwendung genau mit dem deutschen Fürst decken, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass im dreizehnten Jahrhunderte der Princeps der Urkunden durchaus dem Fürsten der Rechtsbücher entspricht; werden die weitern Untersuchungen das hinlänglich ergeben, so mag es vorläufig genügen, [24] auf die Stelle des Schwabenspiegels hinzuweisen, wo es heisst: so man sprichet princeps das sprichet in tütsch ein fürst. [2]

Um eine Grundlage für die Erörterung der Bedeutung zu gewinnen,2 welche das Wort Princeps in der Reichsverfassung des zwölften und dreizehnten Jahrhundertes hatte, werden wir dasselbe allerdings in weiterer Ausdehnung verfolgen müssen; doch kann es nicht unsere Aufgabe sein, jeden Gebrauch, den das frühere Mittelalter davon machte, zu erörtern; wir fassen es lediglich in seiner Beziehung zum Staate. Auch in dieser Beschränkung begegnet es uns in sehr verschiedenen Bedeutungen; doch lassen sich alle auf zwei Gesichtspunkte zurückführen. Man ging einerseits von der einfachen Form aus und nannte Princeps denjenigen, der entweder unbedingt oder doch mit Beziehung auf irgend einen grössern oder kleinern Kreis des Staatslebens der Erste war, also den Herrscher. Oder aber man ging von der Mehrzahl aus, bezeichnete als Principes diejenigen, welche die Ersten nach dem Herrscher oder auch ohne Beziehung[WS 1] auf einen solchen die unter sich wesentlich gleichstehenden Ersten in irgend einem Kreise des Staatslebens waren. In Beziehung auf ein und denselben Kreis sollten demnach beide Bedeutungen sich strenggenommen ausschliessen; wer selbst Princeps schlechtweg ist, sollte nicht zu den Principes gezählt werden; und wo wir Princeps gleichbedeutend mit dem zuweilen vorkommenden schärfern Ausdrucke unus ex principibus gebraucht finden, muss sich die Erinnerung an die ursprüngliche Bedeutung schon verloren haben.

Für unsern Zweck haben wir beide Bedeutungen zu verfolgen. Denn einmal könnte es zweifelhaft erscheinen, ob man bei Bezeichnung des Reichsfürsten davon ausging, dass er Princeps in seinem Fürstensprengel war, oder davon, dass er zu den Principes regni oder imperii gehörte. Und obwohl sich das Letztere leicht herausstellen wird, ist doch weiter auch der erste Gebrauch in so weit für uns von Wichtigkeit, als er mehrfach wird herangezogen werden müssen, um einige Unregelmässigkeiten in der spätern Entwicklung des Reichsfürstenstandes zu erklären.

3 Princeps schlechtweg und unbedingt kann eigentlich nur der Kaiser sein. Die römische Rechtsgelehrsamkeit hatte kein geeigneteres Wort gefunden zur Bezeichnung der Machtfülle der Imperatoren, und die Kaiser des Mittelalters waren sich der Schärfe der Waffe, welche ihnen deren Sätze in die Hand gaben, zu wohl bewusst, als dass es nicht besondern Reiz für sie hätte haben sollen, sich als den Princeps der römischen Rechtsbücher betrachtet zu sehen. Aber auch ohne dass wir uns gerade überall diesen Begriff massgebend denken müssten, begegnen wir sehr häufig dem Gebrauche, den Kaiser schlechtweg als Princeps zu bezeichnen. Bei manchen Schriftstellern ist das ganz hergebracht; in den Kanzleien mussten allerdings schärfere Bestimmungen [25] des Titels in der Regel vorgezogen werden; doch ist auch hier der Gebrauch nicht selten; so 1157: Actum Friderici principis anno sexto oder 1173: coram Romanorum principe Friderico[3]; den zweiten Friedrich bezeichnet sein Sohn Heinrich in Urkunden mehrfach als den serenissimus princeps.[4] Auch die Kaiser selbst bedienen sich des Ausdrucks nicht selten in den Formeln ihrer Urkunden; so 1126: Ad hoc principem et defensorem ecclesiae nos constituit deus; 1145: Principalis excellentiae providentiam decet; 1161: nostra principalis dignitas.[5] Auch findet sich die genauere Bezeichnung Romanus princeps[6] so heisst es 1243 von der Legitimation: quae soli principi Romano in imperio nostro debetur; 1311: divina praecepta, quibus iubetur, quod omnis anima Romanorum principi sit subiecta[7]; K. Friedrich II. stellt den Kaiser als Romanus princeps neben den Romanus antistes, den Papst.[8] Der Vieldeutigkeit des Wortes finden wir dann wohl durch eine Verstärkung Rechnung getragen; Otto von Freising in der Vorrede seiner Chronik nennt den Kaiser den summum inter orbis principes principem; in einer Urkunde jener Zeit heisst es: collaudatione principum regni coram ipso principe principum Friderico augusto[9]; K. Rudolf sagt 1274 selbst: Stipari caterva multiplici inclitorum principum sacri exornat imperii principatum; in multitudine etenim splendescentis cohortis refulget princeps principum titulis gloriae coruscantis.[10] In entsprechender Wendung finden wir freilich auch, dass vom ersten Fürsten des Kaiserreichs gesagt wird: Maguntinus post imperatorem est princeps principum, oder von Heinrich dem Löwen: factus est princeps principum terrae.[11]

Eine Beschränkung des Wortes auf die Allgewalt des Kaisers lag 4 überhaupt in keiner Weise im Sprachgebrauche des Mittelalters. Zunächst wurde es in allen Jahrhunderten häufig von jedem unabhängigen Herrscher gebraucht, um Wiederholungen des bestimmteren Titels zu vermeiden. In den germanischen Volksrechten werden Könige und Herzoge so bezeichnet. Principes heissen die Könige von Ostfranken und Westfranken in den Verträgen von 921 und 922[12], ebenso die burgundischen Könige[13]; in deutschen Urkunden heisst es 890: coram Arnulfo principe, 929: sub principe magno Heinricho[14]; der Baiernherzog Thassilo führt urkundlich häufig den Titel.[15] Die frühern deutschen Könige benutzten den Ausdruck besonders häufig, um ihre Vorgänger in der Herrschaft verschiedenen Titels, Kaiser und Könige[16], auch wohl [26] Volksherzoge zusammenfassend zu erwähnen; so sind die praedicti principes einer Urkunde von 898 die Kaiser Karl und Ludwig und die Baiernherzoge Othilo und Thassilo.[17] Selbst princeps principum schlechtweg wurde neben dem Kaiser auch wohl sonst ein mächtiger Herrscher genannt; so 1164 der König von Frankreich.[18]

5 Weiter aber liess man auch die Rücksicht auf Unabhängigkeit nach oben ganz ausser Augen; jeder Erste in irgend einem Kreise konnte sich in Beziehung auf diesen Princeps nennen: princeps camerae, princeps militiae sind nur andere Wendungen für Kämmerer und Seneschall. Insbesondere häufig war dieser Gebrauch in den Ländern französischer Zunge im eilften und zwölften Jahrhunderte; jeder, der irgend etwas zu befehlen hatte und seinen gewöhnlichen Titel nicht immer wiederholen, vielleicht auch denselben durch einen volltönenderen ersetzen wollte, nannte sich hier Princeps, vom princeps Campaniae oder Flandrensium hinab bis zu einem princeps de Castello de Poix oder Peronensis castri; wir werden es in vielen Fällen nur etwa durch Herr verdeutschen dürfen, wie es auch nicht an Belegen fehlt, dass es abwechselnd mit dem Titel Dominus gebraucht wird.[19] Daraus erklärt sich, wenn in Urkunden der französischen Könige in der Formel: ut nullus comes, nullus princeps, nulla alia laica potestas u. s. w.[20] der Princeps dem Grafen nachgestellt erscheint.

Für unsere Zwecke ist zunächst im Auge zu halten, dass dieser Gebrauch sich auch im Königreiche Burgund mehrfach nachweisen lässt, und zwar nicht allein bei mächtigern Grossen, wie dem Grafen von Provence, von Savoyen und anderen[21], sondern eben auch für einfache Edelherren. Um das J. 1100 erscheinen die Herren Walcher und Kuno von Granson als principes und principes provinciae[22]; 1108 heisst es in Urkunde des Kapitels S. Moritz im Chablais: Haec sunt nomina laicorum principum, qui testes sunt: A. de Bloniaco, G. de Alingio et B. filius eius,[23] Die Herren von Baux heissen vereinzelt principes de Baucio[24]; auch urkundlich 1040: assensum praebentibus principibus Gaufredo et Bertramno.[25] Die Herren von Briançon führen 1267 und 1284 nur den Titel Dominus[26]; der Delfin Humbert aber nennt sich 1334 Brianconesii princeps, es ist von einem principatus Brianconesii die Rede.[27] Sogar die Reichskanzlei gibt uns ein Beispiel dieses Gebrauches; 1147 gibt K. Konrad dem Herrn de Clariaco (Quirieu im Sprengel von Vienne?) als Sylvioni nobilissimo principi suo ein anscheinend unverdächtiges Privileg, worin es heisst: Antecessorum nostrorum authoritatem imitando, te venerabilis pretaxate princeps Sylvio et per te filios et successores tuos ab omni [27] comitum dominio excludimus et tuum tuorumque hominium nobis et solis imperatoribus et regibus Romanis et Viennae in perpetuum reservamus.'[28] Am regelmässigsten aber begegnet uns hier der Fürstentitel von Oranien; ob ihm gleichfalls keine andere Bedeutung unterzulegen sei, werden wir später zu untersuchen haben.

Im deutschen Königreiche finden wir das Wort in dieser Bedeutung 6 im allgemeinen wenigstens urkundlich nicht gebraucht, ohne Zweifel, weil es hier schon früh durch die Principes regni eine bestimmtere staatsrechtliche Bedeutung erlangt hatte. Aber in den lotharingischen Reichstheilen ist ein Uebergreifen des Gebrauchs über die Reichsgränze doch mehrfach nachzuweisen. Zunächst war er sehr gewöhnlich bei den Grafen von Flandern, welche wir, nicht allein weil sie durch Reichsflandern dem Reiche selbst angehörten, sondern auch weil flandrische Einrichtungen vielfach auf die benachbarten Reichslande eingewirkt zu haben scheinen, hier wie sonst werden berücksichtigen müssen. Sie werden nicht allein von andern Principes genannt[29], sondern auch in den eigenen Urkunden wechselt der Titel zuweilen mit dem eines Markgrafen oder Grafen, wie wir ausserdem auch wohl den eines consul Flandrensium finden.[30] So schon 1016: signum Balduini magni et invictissimi principis; 1064: Balduinus per dei clementiam princeps Flandrensium; 1090 sagt der Graf: ad hoc princeps patriae principatur, ut – quod pravorum contumacia machinatur, principalis potentia conculcet; 1093: Ego Robertus gratia dei Flandrensium, Bononiensium, Tornacensium, Atrebatensium princeps monarchius.[31] Finden wir hier 1105 sogar bestimmt gesagt: Robertus universae Flandriae post deum princeps; wird 1142 demjenigen, der sich dem Richterspruche des Grafen nicht unterwerfen will, gedroht: Flandrensis maiestatis reus habeatur[32], so dürften wir freilich versucht sein, hier dem Ausdrucke lediglich das Streben nach völliger Unabhängigkeit unterzulegen, wenn uns nicht die Nachbarschaft zeigte, dass er in sehr untergeordnete Kreise hinabreichte. In Reichsflandern begegnet uns nämlich 1164 Theodericus dei gratia dominus et princeps Alostensis oppidi[33], 1186 spricht Razo von Gavre, Schenk des Grafen von Flandern, von dem principatus de Gavera, nämlich einer der Baronieen des Landes Alost.[34] Im benachbarten Brabant zeigt sich der Gebrauch bei den Vögten der Abtei Grimberg; 1155 spricht der Bischof von Kammerich von Grimbergensis ecclesiae principibus; noch im J. 1201, wo im Reiche der Fürstentitel bereits auf die mächtigsten Grossen beschränkt war, nennt Adelissa Grimbergensis ecclesiae advocata ihren verstorbenen Gemahl Grimbergensium principem.[35] Doch dürfen wir [28] uns nicht auf die unmittelbare Nachbarschaft Flanderns beschränken; 1089 erwähnt der Graf von Hennegau principatus nostri iudicii severitatem[36]; in Oberlothringen nennt sich 1114 der Herzog Lotharingorum dux, princeps et marchio[37]; und auch hier kommen wir wenigstens bis auf mindermächtige Grafen, indem wir 1159 unter den Zeugen einer herzoglichen Urkunde einen Simon princeps Clarimontis finden, 1174 der Graf von Salm seine Vorfahren als praefati principes bezeichnet.[38] Als ein verspätetes und auffallendes Beispiel dieses Gebrauches könnten wir noch das Ego Wilhelmus Hollandiensis militiae princeps in dem Ritterschlagsceremonial K. Wilhelms vom J. 1248 anführen[39], wenn wir nicht geneigter wären, diesen Ausdruck den übrigen Gründen anzureihen, welche sich gegen die Echtheit des Stückes geltend machen lassen.

7 Fanden wir bisher das Wort Princeps als allgemeine Bezeichnung für jeden Herrscher abwechselnd statt der bestimmteren Ausdrücke Imperator, Rex, Comes, Dominus gebraucht, so begegnen wir ihm auch als stehendem Titel für einzelne Herrscher. Dahin liesse sich schon ziehen das Dux et Princeps Francorum der späteren karolingischen Hausmeier.[40] Wenn sich römische Gewalthaber des Titels bedienen z. B. 945: Nos Albericus domini gratia humilis princeps atque omnium Romanorum Senator[41], so war das vorübergehend. Dauernd dagegen gestaltete sich dieser Gebrauch in Unteritalien. Herzog Arrichis von Benevent liess sich zuerst principem Beneventi nennen, und zwar unter Verhältnissen, nach denen wir annehmen müssen, der Titel habe eine höhere Stellung bezeichnen sollen, als die des Herzogs.[42] Durch Theilungen kamen die longobardischen Fürsten von Salerno und Capua hinzu; die normannische Zeit liess Fürstenthümer zu Bari und Tarent entstehen; der principatus Capue wird im sizilischen Königstitel normannischer Könige und K. Friedrichs II. ausdrücklich erwähnt; sein Sohn Manfred führt den Titel princeps Tarentinus; auch unter den Anjou bestanden hier Titelfürstenthümer fort. Durch Boemund von Tarent kam der Titel in den Orient, wo wir Fürsten von Antiochien und Tiberias finden; in Folge des vierten Kreuzzuges entstand dann das Fürstenthum Achaja. Davon führte im vierzehnten Jahrhunderte die in Piemont herrschende Nebenlinie des savoyschen Hauses den Titel princeps Achajae; es könnte scheinen, als habe nach dem Anfall ihrer Besitzungen an die Hauptlinie diese den Titel auf Piemont übertragen, da wir im fünfzehnten Jahrhunderte beim Herzoge oder dessen Söhnen mehrfach den Titel princeps Pedemontium finden[43]; doch herrschte in diesen Bezeichnungen manche Willkür; 1416 und 1427 [29] finden wir auch den Titel comes Pedemontium;[44] und während Chablais und Aosta durchweg als Herzogthümer bezeichnet werden, führen vereinzelt, so 1334 und 1427, die Grafen und Herzoge von Savoyen auch den Titel eines princeps Chablasii et Augustae.[45]

Ein Ausnahmsverhältniss bezeichnete der Titel einige Zeit in Aragonien, wo Graf Raimund Berengar von Barcelona seit 1137 als Verlobter der Erbtochter Pedronilla die Regierung führte, den Königstitel aber nicht annahm, sondern sich Barchinonensis comes et princeps Arragonensis, auch Aragoniae, Aragonensium oder regnique princeps Aragonensis et marchio oder dux Provinciae nannte.[46]

In diese Reihe haben wir auch wohl den Herzog Welf zu setzen als princeps Sardiniae oder Sardiniae et Corsicae oder auch Sardinie et Galabrie.[47] Für das neue Reichslehn mochte sich kein anderer passender Titel finden, wenigstens scheint er damals erst entstanden; auch zeigt sich eine gewisse Unsicherheit über den Werth, der ihm beizulegen sei. 1152 nennt sich Welf rector, dann 1153 princeps Sardiniae und zwar an der Spitze seiner Titel, während in den spätern Urkunden und im Siegel der princeps sich bescheiden hinter den dux Spoleti und marchio Tusciae zurückgezogen hat. In Urkunde von 1181 heisst er auch ohne nähere Bezeichnung princeps et dux Welfo.[48]

Für die Gestaltung der Standesverhältnisse im Reiche blieben jene 8 unteritalischen Fürstenthümer ohne Bedeutung; kaum dass wir vereinzelt einen Fürsten von Capua unter den Zeugen kaiserlicher Urkunden nachweisen können.[49] Diese Fürsten erklären uns aber den Umstand, dass wir zuweilen in Kaiserurkunden Principes als eine besondere Klasse weltlicher Grossen, welche den Herzogen, Markgrafen u. s. w. nebengeordnet ist, aufgeführt finden, während regelmässig der Ausdruck nur als Gesammtbezeichnung der verschiedenen Klassen der angesehensten Grossen in der umfassendern Bedeutung der Reichsfürsten gebraucht wird. So in Kaiserurkunden für Salerno 982: ut nullus princeps, dux, marchio, comes, straticho u. s. w.; und 1022: ut nullus dominus, princeps, straticho, marchio u. s. w., wo die Beziehung keinem Zweifel unterworfen ist; dann freilich auch in Urkunden für andere Theile Italiens, so 1001: ut nullus imperator, rex, dux, marchio, princeps, comes u. s. w.[50] So bedient sich auch K. Friedrich II. in Urkunden, die in Italien, insbesondere aber in Sicilien ausgestellt sind, häufig der Formel: ut nullus princeps, dux, marchio u. s. w.[51]; vereinzelt kommt sie freilich auch in den Urkunden seines Sohnes, des deutschen Königs Heinrich, vor[52], und der Ausdruck liesse sich füglich [30] auch durch eine Beziehung auf die geistlichen Reichsfürsten erklären, insofern die weltlichen mit ihren Amtstiteln besonders aufgeführt werden.

Heisst es dagegen ausnahmsweise auch in einer zu Achen und für Kammerich 1146 ausgestellten Urkunde K. Konrads: nullo duce, comite, principe[53], so dürfte das wohl dem Orte als der Stellung des Princeps hinter dem Comes nach nur auf den vorhinerwähnten, auf die lothringischen Reichstheile übergegangenen französischen Gebrauch zu beziehen sein.

Von diesen Ausnahmen, dann von einzelnen Fällen z. B. aus der Kanzlei K. Wilhelms[54], wo nur eine Nachlässigkeit der Fassung zu Grunde zu liegen scheint, und einigen unechten Urkunden[55] abgesehen, kennt die ältere Reichskanzlei keinen Princeps, welcher dem Dux oder Comes nebengeordnet wäre; erst in der spätern Verfassung geben uns dafür der Fürst von Anhalt und viele neuerhobene Fürsten, welchen bei der Erhebung keiner der alten Amtstitel beigelegt wurde, Beispiele.

9 Beachtenswerther als in Unteritalien ist für unsern Zweck ein ähnlicher Gebrauch des Wortes bei den slavischen Grossen im Osten des Reiches. Die mächtigern von diesen, wie die Herrscher von Böhmen und Polen, wurden, wie die angesehensten weltlichen Grossen des Reichs, Herzoge genannt; wo es nun aber galt, die weniger mächtigen in lateinischer Sprache zu bezeichnen, konnte man ihnen nicht füglich die Titel eines Markgrafen oder Grafen, welche doch in zu bestimmter Beziehung zur Verfassung des Reiches standen, beilegen, noch auch ihre heimischen Bezeichnungen beibehalten. Es erklärt sich leicht, wenn hier das unbestimmtere Princeps ein erwünschtes Auskunftsmittel war, wo man etwa Dominus nicht genügend fand. Bei den Schriftstellern ist Principes Slaviae ein sehr geläufiger Ausdruck; auch urkundlich wurde er sowohl von andern, wie von den slavischen Herren selbst gebraucht, und theilweise wurde er dadurch auch hier zum stehenden Titel, ohne dass, wie wir sehen werden, dabei irgend welche Beziehung zum Reichsfürstenstande stattfand.

10 Zunächst finden wir den Ausdruck für die Herrscher von Pommern bei ihrem ersten urkundlichen Auftreten sehr häufig gebraucht. So in bischöflichen Urkunden 1153: sub principe (Pomoranorum) Wartizlauo; 1159: coram principibus Buogozlavo et Kazimiro fratre eius; 1168: testibus domino Jaczone, d. Bog., d. Caz. principibus[56]; Kasimir wird 1173 vom Bischofe von Schwerin Diminensium et Pomeranorum venerabilis princeps, 1176 von dem von Kamin princeps terre genannt.[57] Kasimir selbst urkundet 1170 und 1172 als princeps Pomeranorum[58], 1170 als princeps et dux Slavorum, 1174 als Diminensium et Pom. [31] princeps, 1176 als Slavorum princeps[59]; sein Bruder Boguslav nennt sich im Siegel dei gratia princeps Liuticiorum.[60] Daneben bedienen sie sich freilich auch seit 1170 des Titels dux Slavorum[61] oder Pomeranorum[62], auch Leuticiae[63], welcher ihnen, worauf wir zurückkommen, im J. 1181 vom Kaiser ausdrücklich verliehen wurde, und später durchaus der gebräuchliche war. Doch ist vereinzelt der frühere Titel auch später noch nachzuweisen; Boguslav urkundet 1184 als princeps Pomeranorum, Grimislav 1198 als unus de principibus Pomeraniae, Boguslav und Kasimir 1208 als Pomeranorum principes; auch in bischöflicher Urkunde heissen beide 1216 principes.[64] Es zeigt sich hier überhaupt ein vielfaches Schwanken der Titel; ausnahmsweise begegnen wir auch dem Herrentitel; so 1236 dem dominus Werslaus de Demin, welcher sich im Siegel gleichfalls dux nennt.[65]

Bei den Herrschern von Hinterpommern scheint der Fürstentitel noch im dreizehnten Jahrhunderte der gebräuchlichste gewesen zu sein; 1230 urkunden Sambor und Svantepolk als principes Pomeranorum, 1242 heisst ersterer princeps Pomeranie.[66]

Fast ausnahmslos bedienten sich die Herrscher von Rügen des Fürstentitels; Jaromar I. heisst 1188 in bischöflicher, 1193 in eigener Urkunde princeps Rujanorum[67] und er und seine Nachfolger scheinen dann nie einen andern Titel geführt zu haben; auch den Nachfolger bei Lebzeiten des Vaters finden wir als Rujanorum junior princeps bezeichnet[68]; es scheint ganz vereinzelt zu sein, wenn sich Witzlaw 1224 nur Rujanorum dominus nennt.[69] Der Fürstentitel von Rügen wurde dann auch noch, als es seit 1325 mit Pommern vereint war, von den pommerschen Herzogen neben dem herzoglichen fortgeführt.[70]

In Mecklenburg finden wir den Titel Princeps nur im Beginne11 des dreizehnten Jahrhunderts von den Herrschern gebraucht; Heinrich Burwin urkundet als princeps Magnipolensis oder Magnopolitanorum princeps et dominus und 1219 als dei gratia princeps Slavorum, während er sich im Siegel einfach Burwinus Magnopolensis nennt[71]; auch vom Bischof von Schwerin und 1210 vom Bischofe von Lübeck wird er als princeps Magnopolitanus und de Michelenburg bezeichnet[72] und sein Sohn Niklot nennt sich 1220 Nicholaus Burwini Magnopolensis principis filius.[73] Das könnte genügen, um den spätern Titel eines Fürsten von Wenden auch ohne Rücksichtnahme auf den Reichsfürstenstand zu erklären; aber der stehende Titel war hier im dreizehnten und im Beginne des vierzehnten Jahrhunderts nicht Princeps, sondern Dominus, indem die Herrscher sich einfach als dominus Slaviae[74], oder als [32] dominus Magnopolensis[75], de Werle[76], de Rostock[77], de Parchim[78] bezeichneten; auch in deutscher Urkunde nennt sich noch 1334 Albert nur herre to Mekelenborch, to Stargard unde to Rostok.[79]

12 Der Herzog von Böhmen bedient sich nur ausnahmsweise des Titels Princeps; so 1052: Bracislaus princeps Boemorum; 1088 W. d. gr. princeps et monarcha Boemorum.[80] Die auf Mähren oder Theile desselben abgetheilten Mitglieder des herzoglichen Hauses führen allerdings auch sehr gewöhnlich den Herzogstitel, wie das in der ganzen Familie der Przemysliden Sitte war, und nennen sich bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts Moravorum, Moravie dux[81] oder dux provincie Brunensis, Olomucensis.[82] Daneben findet sich aber auch so oft der Ausdruck Princeps, dass wir denselben sehr füglich auch hier als stehenden Titel bezeichnen können. So in herzoglicher Urkunde 1078: Rogante Ottone fratre nostro Moravie provincie principe.[83] Im zwölften Jahrhunderte finden wir dann häufig Moraviensis, Moraviensium, Moravie princeps[84] oder princeps de Znogem, Brunensis, Olomucensis.[85] Dass dieser Titel sich verlor erklärt sich aus der Erhebung Mährens zur Markgrafschaft im J. 1182; statt des Markgrafentitels finde ich ihn zuletzt in Urkunde von 1211, in welcher der König von Böhmen sagt: in regno nostro et in principatu fratris nostri W. principis Moravie.[86] Wird 1247 Mähren principatus genannt, oder spricht 1236 Ottokar als Markgraf von seinen Vorgängern, den principes Moravie[87], so würden solche Ausdrücke auch in einer andern Markgrafschaft nicht auffallen können. Finden wir noch 1255 den König Ottokar vom Abte von Hradicz principem Boemie et Moravie genannt[88], so erklärt sich das dadurch, dass Ottokar, wie es scheint aus Rücksichten gegen den Papst[89], vor seiner Krönung in der Regel den Königstitel nicht führte, sondern sich nur dominus regni Boemiae nannte.[90]

13 Bei den Piasten in Schlesien finden wir durchweg den Herzogstitel, nur dass sie sich zuweilen, wie jeder andere Herrscher, im Verlaufe einer Urkunde als principes bezeichnen[91], oder nach Jahren principatus nostri datiren.[92] Wie man aber noch später nach dem Titel griff, um eine Herrschergewalt, für die der bestimmtere Ausdruck fehlte, zu bezeichnen, zeigt eine Urkunde K. Johanns von 1344, in der er sich mit Beziehung auf die Lehnshoheit über die schlesischen Herzoge Boemie rex, Lucemburgensis comes, princeps suppremus Slezianorum [33] et dominus Wratislaviae nennt; ebenso bestätigt 1382 K. Wenzel die Privilegien von Breslau als Bohemiae rex, princeps et dux Silesiae et dominus Vratislaviensis.[93]

Anmerkungen der Vorlage Bearbeiten

  1. 1. Vgl. aber dieses: Graff Sprachsch. 3, 625, Müller und Zarncke Wörterb. 3, 378.
  2. 2. Sw. Ldr. W 111. L 131.
  3. R. Boic. 1, 229. Raumer reg. n. 1411.
  4. z. B. M. B. 30, 140.
  5. Herrgott 2, 147. Tolner 43. Hontheim 1, 593.
  6. M. G. 4, 52. 243. Huillard 2, 601. 681.
  7. Mieris 1, 218. M. G. 4, 544.
  8. Huillard 5, 304. 307.
  9. UB. d. L. ob d. Enns. 1, 312.
  10. Herrgott 2, 442.
  11. Martyr. Arnoldi. Böhmer f. 3, 285. Helmold l. l. c. 6.
  12. M. G. 3, 567. 4, 16
  13. z. B. Gallia chr. 1, 138.
  14. C. d. Westf. 1, 37. Dronke c. d. 313.
  15. z. B. Meichelbeck 1 b, 31. 62. 67.
  16. M. B. 28, 96. Dronke c. d. 305. 310. 316.
  17. M. B. 28, 120.
  18. Gallia chr. 12, 49.
  19. Belege bei Ducange ad v. princeps.
  20. z. B. 1155: H. de Langued. 2, 552. 561.
  21. Gallia chr. Text 1, 313. Guichenon Savoye. 2, 33. Vgl. Gebhardi 1, 171.
  22. Mem. de la Suisse Rom. 1, 164. 165.
  23. Guichenon Savoye. 2, 29.
  24. Ducange l. c.
  25. Gallia chr. 1, 111.
  26. Gallia chr. 12, 395. 400.
  27. H. de Dauph. 2, 257. 265. 348.
  28. H. de Dauph. 1, 89.
  29. Miraeus 1, 54. 3, 67. 74.
  30. z. B. Warnkönig 1, 256.
  31. Miraeus 4, 178. 1, 153. 362. 2, 1141.
  32. Mir. 1, 273. 530.
  33. Mir. 1, 106.
  34. Mir. 1, 548.
  35. Mir. 4, 379. 1, 728.
  36. Mir. 1, 517.
  37. Calmet 2, 298.
  38. Calmet, 2, 456. 366.
  39. M. G. 4, 361.
  40. z. B. 742. 744: M. G. 3, 16. 20.
  41. Ughelli 1, 1099.
  42. Vgl. Muratori ant. 1, 179.
  43. Guichenon h. de Bresse. 65. 123.
  44. Leibnitz c. d. 312. Guichenon l. c. 123.
  45. Lünig c. d. It. 3, 947. Guichenon l. c. 123.
  46. Papon 2, 16. Ughelli 4, 862. Guichenon B. Seb. 172. H. de Langued. 2. 495. 534. 546. 554. 569.
  47. Wirtemb. UB. 2, 212. Die übrigen Belege bei Stälin 2, 274 f.
  48. Wirtemb. UB. 2, 219.
  49. Meiller 31.
  50. Muratori ant. 1, 193. 194 5, 490.
  51. Huillard 2, 624 u. öfter.
  52. Huillard 2, 879.
  53. Miraeus 1, 181.
  54. Mieris 1, 267. Oestr. Archiv. 6, 103.
  55. z. B. Wirtemb. UB. 1, 252.
  56. Dreger 3. 6. 9.
  57. Lisch 1, 1. Dreger 22.
  58. Hugo 1, 196. Dreger 14. 18.
  59. Dreger 10. 20. Lisch 1, 7.
  60. Raumer n. 1380.
  61. Dreger 10. 11. 19. 29 u. s. w.
  62. Dreger 15. 17. 23. 24 u. s. w.
  63. Dreger 36.
  64. Dreger 34. 59. 75. 85.
  65. Riedel 1. 17.
  66. Dreger 135. 229.
  67. Dreger 51. 52.
  68. Dreger 264. 296.
  69. Lüb. UB. 1, 188.
  70. z. B. Voigt 3, 193.
  71. Lüb. UB. II, 1, 29. Lisch 2,1.
  72. Lisch 2, 5. Lünig 17, 295.
  73. Lüb. UB. 1, 2.
  74. Riedel 1, 200 u. öfter.
  75. Lisch 2, 8. 11. 3, 84. 413. Lüb. UB. II, 1, 81. 83. 85. 90. 91 u. s. w.
  76. Riedel 1, 142. Lisch 3, 115.
  77. Lisch, 3, 81. Riedel 1, 218.
  78. Lisch 1, 65. Riedel 1, 69.
  79. Sudendorf UB. 1, 287.
  80. C. d. Morav. 1, 125. 180.
  81. 1055 ff.: l. c. 1, 132. 138. 165. 169 u. s. w.
  82. 1197. 1199: l. c. 1, 348. 354.
  83. l. c. 1, 164.
  84. 1145–1196: l. c. 1, 233. 271. 341. 342.
  85. l. c. 1, 297. 338. 340. 341. 342. 350.
  86. l. c. 2, 57.
  87. Erben n. 1226. 899.
  88. C. d. Morav. 3, 193.
  89. Vgl. den Brief l. c 3, 282.
  90. l. c. 3, 180 u. s. w. bis 1261. Vgl. Böhmer reg. 1246–1313. Add. II. p. XXIX.
  91. 1245. 48: C. d. Mor. 3, 51. Stenzel 15.
  92. 1289: C. d. Mor. 2, 364.
  93. Stenzel 335. Lünig 20, 1186.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Beziehnung


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