Vom Reichsfürstenstande/Fürstliche Prädikate

« Kennzeichen des Fürstenstandes Vom Reichsfürstenstande Rangordnung der Zeugen »
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XI.

109 Der zuletzt hervorgehobene Umstand macht uns auf ein anderes Kennzeichen des Fürstenstandes aufmerksam, auf die fürstlichen Prädikate. Wie in der spätern Zeit des altrömischen Kaiserreichs die einzelnen Rangklassen der Grossen durch bestimmte Prädikate unterschieden waren, so begann auch die Reichskanzlei etwa seit dem Ende des zwölften Jahrhunderts einzelne Prädikate, welche bis dahin, wie es scheint, ziemlich schwankend und ohne feststehende staatsrechtliche Bedeutung gebraucht wurden, in bestimmtere Beziehung zu den verschiedenen Klassen der Grossen zu setzen; und seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts hatte sich dieser Gebrauch so fest gestaltet, dass danach häufig die Zeugen in den Kaiserurkunden klassifizirt wurden. Diese Prädikate sind für Geistliche: Venerabilis, honorabilis, religiosus; für Weltliche: Illustris, clarissimus, spectabilis, nobilis, strenuus, fidelis. Von diesen werden religiosus, clarissimus und fidelis nur vereinzelt zur Bezeichnung der Zeugenklassen gebraucht; auch von den übrigen finden sich gewöhnlich nicht alle in ein und derselben Urkunde; am vollständigsten dürfte eine Urkunde K. Albrechts von 1298 venerabiles, illustres, spectabiles, nobiles und strenui unterscheiden [1]; vier weltliche Klassen der illustres, spectabiles, nobiles und fideles zeigt auch eine Urkunde K. Rudolfs vom J. 1291. [2]

110 In frühern Jahrhunderten stand die Bedeutung von Venerabilis und Honorabilis so wenig fest, dass auch weltliche Grosse nicht selten so genannt werden; 1125 heisst der Graf von Flandern venerabilis comes, 1156 der von Holland honorabilis comes. [3] In späterer Zeit kommt das nur sehr vereinzelt und nicht in Kaiserurkunden vor; so heisst venerabilis 1205 der Herzog von Kärnthen in Urkunde des Abts von Viktring, 1235 der Herzog von Polen in Urkunde der Stadt Halle [4]; in niedersächsischen Urkunden finden wir 1211 einen venerabilis comes, 1239 sogar einen venerabilis miles oder 1400 einen erwerdigen ritter. [5]

In der Regel wurden sie freilich auch früher nur für Geistliche gebraucht, auch wohl schon so, dass venerabilis entschieden einen höhern Rang bezeichnet; so heisst 995 der Erzbischof venerabilis, der Bischof honorabilis. [6] Doch finden wir noch im zwölften Jahrhunderte nicht selten Bischöfe, so 1140 die von Brixen und Gurk, 1162 den von [148] Genf [7], als honorabiles bezeichnet, während im dreizehnten Jahrhunderte das Prädikat geistlichen Fürsten nicht mehr gegeben wird; venerabilis ist, wie jede Urkundensammlung zeigt, jetzt feststehendes Prädikat der geistlichen Fürsten. Dass der Bischof von Eichstedt 1237 honorabilis princeps imperii heisst, der König 1273 honorabili abbatissae de Hohemburg principi suae dilectae schreibt, 1298 den Fürstabt von Korvei mit seinem Konvente als honorabiles viros zusammenfasst [8], sind vereinzelte Unregelmässigkeiten der Reichskanzlei; selbst[WS 1] in nichtköniglichen Urkunden treffen wir nur selten Ausnahmen von dieser Regel. [9]

Andererseits ist nicht zu läugnen, dass wir nicht selten auch in Kaiserurkunden Personen als venerabiles bezeichnet finden, welchen wir nach allen andern Kennzeichen den Fürstenstand nicht zugestehen dürfen; so z.B. dem kaiserlichen Protonotar [10], dem Abte von Rott, Göttweih, Lambach, Aldersbach [11], Egmond [12], der Aebtissin von Göss [13], dem Probste von Steingaden [14]; und ungleich häufiger noch ist das in andern Urkunden der Fall. Es dürfte sich daher der Zweifel erheben, ob diese Prädikate denn überhaupt in bestimmter Beziehung zum Fürstenstande stehen, ob sie nicht wenigstens für Prälaten ganz willkürlich gebraucht wurden.

Jenes ergibt sich aber doch mit Bestimmtheit aus den verhältnissmässig seltenen Fällen, wo in ein und derselben Urkunde die geistlichen Zeugen nach jenen Prädikaten geschieden werden. So sind in Urkunden K. Rudolfs von 1279 nebeneinandergestellt als venerabiles der Erzbischof von Salzburg und die Bischöfe von Chiemsee und Gurk, als honorabiles der Reichskanzler, der Abt von Admont und der Reichsprotonotar [15]; 1309 werden die mit dem Abte von Fulda schliessenden venerabiles ausdrücklich als principes nostri geschieden von dem honorabilis ac religiosus vir H. abbas Villariensis aulae nostrae cancellarius. [16] Am bestimmtesten zeigt sich der scharfe Unterschied in einigen Stellen, wo ausnahmsweise die Prälaten weltlichen Zeugen nachgestellt sind; in Urkunde von 1280 erscheinen als venerabiles die Bischöfe von Basel, Trient und Chiemsee; es folgen zunächst als illustres die Herzoge von Baiern und Sachsen, dann erst als honorabiles der Hofkanzler und der Probst von Freising, schliesslich als spectabiles die Grafen. [17] Noch auffallender 1273: Venerabiles W. archiep. Moguntinus, F. Spirensis episcopus, U. electus S. Galli, A. abbas Wissemburgensis; L. comes palatinus Rheni dux Bavariae et A. Saxoniae dux dilecti principes nostri ac nobiles viri L. comes de Oettingen – – S. comes de Geminoponte, honorabiles viri W. praepositus Spirensis, O. praepositus S. Widonis Spirensis regalis aulae cancellarius et G. de [149] Nyffen u. s. w. [18] Dass dagegen ein Fürstabt, wenn er auch ausnahmsweise weltlichen Fürsten nachsteht, dennoch venerabilis genannt wird, zeigt sehr deutlich die Zeugenreihe einer Urkunde von 1308: Venerabiles H. Coloniensis, P. Moguntinensis et B. Trevirensis archiepiscopi et illustres R. et L. Palatini Rheni duces Bavarie, W. marchio Brandeburgensis, R. dux Saxoniae et venerabilis H. abbas Fuldensis principes nostri ac spectabilis vir B. comes de Henneberg noster fidelis. [19]

Auch aus andern Kanzleien lassen sich Beispiele für Beachtung des Unterschiedes beibringen; es werden z. B. 1281 einer Urkunde angehängt die Siegel venerabilis patris G. Brandenburgensis episcopi et honorabilis viri domini praepositi eccl. S. Marie Magdeburgensis[20]; 1320 schreibt der Bischof von Halberstadt venerabili domine G. abbatisse ac honorabilibus dominabus G. preposite, O. decane totique capitulo ecclesie secularis in Gherenrode.[21]

In einer Urkunde K. Adolfs von 1293 finden sich drei Klassen geistlicher Zeugen unterschieden; als venerabilis der Bischof von Basel; dann honorabiles viri der Hofprotonotar, der Domprobst und der Probst von S. Wido zu Speier; endlich religiosi viri die Aebte von Eberbach, Otterburg, Eussernthal, Neuenburg, Klingenmünster und der Probst von S. Martin zu Worms. [22] Das Prädikat religiosus, bei Erwähnung einzelner Prälaten oft gebraucht, steht demnach noch hinter honorabilis zurück, wie sich auch aus Vergleichung anderer Stellen näher begründen liesse, wenn unser Zweck es erheischte.

Bei einiger Vorsicht werden wir diese Prädikate zur Bestimmung des Standes immerhin benutzen dürfen. Werden in ein und derselben Urkunde Venerabiles und Honorabiles unterschieden, so werden wir auch ziemlich sicher jene zu den Fürsten, diese zu den Prälaten zählen dürfen; die in den genannten Stellen als Venerabiles bezeichneten Aebte von S. Gallen, Weissenburg und Fulda würden wir auch sonst als Fürsten erweisen können, dagegen keine der als Honorabiles aufgeführten Personen.

Bei Bezeichnung einzelner geistlicher Würdenträger scheint allerdings der Unterschied weniger scharf beachtet. Wir werden in diesem, wie in ähnlichen Fällen, davon ausgehen müssen und würden das vielfach belegen können, dass man wenig Bedenken trug, einer Person ein höheres, als das ihr zukommende Prädikat beizulegen, das umgekehrte dagegen zu vermeiden suchte. Wird ein Geistlicher dann und wann Venerabilis genannt, so werden wir ihn desshalb noch nicht für einen Fürsten halten; ist er aber häufig als Honorabilis oder Religiosus zu erweisen, so werden wir ihn mit ziemlicher Sicherheit zu den Prälaten zählen dürfen.

[150] 111 Unter den Prädikaten der weltlichen Grossen nimmt Illustris, welches selbst von Kaisern und Königen gebraucht wird, unbedingt den ersten Rang ein. Früher war es nicht auf weltliche Grosse beschränkt; abbas illustris heisst z. B. 974 der von Kornelimünster [23], 1089 der von Stablo [24]; 1144 finden wir einen canonicus Leodiensis vir illustris [25]; 1151 wird das Prädikat für den Reichskanzler, 1167 für den Erzbischof von Mainz [26], 1190 für den Bischof von Trient, noch 1220 für den von Volterra gebraucht. [27] Später beachtete man den Unterschied genauer; heisst 1416 in einer kaiserlichen Regalienertheilung der Bischof von Münster venerabilis et illustris [28], so scheint der Ausdruck absichtlich gewählt, um seine Doppelstellung als Bischof und Herzog zu betonen.

Gewöhnliche Bezeichnung war es freilich auch früher nur für Weltliche. Macht der Herzog von Lothringen 1140 eine Schenkung more et lege virorum illustrium [29], so dürfte danach schon für das zwölfte Jahrhundert eine bestimmtere staatsrechtliche Bedeutung des Wortes anzunehmen sein. In diesem Falle würden wir es wohl dem ganzen Fürstenstande in älterer Bedeutung zuzusprechen haben; denn nicht allein die mächtigern Reichsfürsten heissen illustres, sondern für alle Klassen bis auf die Grafen hinab lassen sich Beispiele anführen. In frühern Jahrhunderten ist comes illuster gar nicht selten [30]; auch im zwölften finden sich manche Beispiele [31]; noch 1151 bezeichnet der Kaiser den Grafen von Namur [32], 1165 den Präfekten von Rom als illustris.[33] Das Wort kommt aber doch so wenig und so wechselnd mit andern vor, dass es bedenklich scheinen dürfte, für die Standesverhältnisse des zwölften Jahrhunderts bestimmtere Schlüsse daraus ziehen zu wollen, welche sonst nach dem Gesagten mit unsern frühern Erörterungen durchaus übereinstimmen würden.

Finden wir 1197 urkundlich: illustris H. comes palatinus Rheni nec non nobiles viri W. comes in Spanheim u. s. w. [34], so dürfte bei der Wahl der Prädikate unzweifelhaft schon der Unterschied zwischen Fürsten und Magnaten berücksichtigt sein. Später stossen wir überall auf die bestimmtesten Beweise des engsten Zusammenhanges dieses Prädikates mit dem Fürstenstande; princeps illustris ist die stehende Bezeichnung der weltlichen Fürsten in den Kaiserurkunden; bei den spätern Erhebungen in den Fürstenstand wird der Ausdruck durch die Formeln: te hodie illustravimus et illustramus [35] oder te in verum principem – illustravimus besonders betont [36], wie auch Schriftsteller den Ausdruck in dieser Bedeutung gebrauchen, z. B. Aeneas Sylvius [151] vom Grafen von Wirtemberg sprechend: Henrici pater saepe potuit illustrari princepsque fieri [37]; in lateinischer Uebertragung des Sachsenspiegels wird Fürst geradezu durch illustris übersetzt z. B. Nullum est feudum vexilli de quo possit illustris seu princeps fieri, nisi illud sibi a rege conferatur; feudum alii prius collatum sequenti illustrium non tribuit dignitatem [38]; die Glosse, die Meinung anführend, die Herzoge von Braunschweig hätten ihr Fürstenthum zu Eigen, setzt hinzu: Darumb sie auch Superillustres heissen, das ist, uber andere fursten durchleuchtende [39]; der gleichstehende deutsche Ausdruck Hochgeboren wird später wohl geradezu vom Kaiser als Kennzeichen der Fürstenwürde anerkannt; so wird z. B. unter den Gründen der Erhebung der Grafen von Hohenzollern in den Fürstenstand im J. 1623 unter anderm angeführt, die Grafen von Zollern hätten sich immer des fürstlichen Titels Hochgeboren bedient. [40]

Seit dem Ende des zwölften Jahrhunderts finden wir denn auch die deutschen Reichsfürsten durchaus als Illustres bezeichnet. Eine Ausnahme macht die päpstliche Kanzlei. Heisst es im Formelbuche des Thomas von Capua: (Summus pontifex) reges autem et maiores principes illustres appellat et dicit: dilecto in Christo filio, minoribus vero principibus dilectis filiis tantum [41], so findet das so weit seine Bestätigung, dass der Papst zwar den König von Böhmen in den Urkunden als illustris, andere Reichsfürsten aber nur als nobiles bezeichnet. Dagegen werden in Kaiserurkunden erwiesene Reichsfürsten nur ganz ausnahmsweise nobiles statt illustres genannt; so 1195 und 1197 die Markgrafen von Brandenburg [42], als sich der Gebrauch noch kaum festgestellt haben mochte; dieselben dann freilich auch einmal im J. 1252.[43] Auch in andern Urkunden weiss ich nur ganz vereinzelt 1237 den Herzog von Kärnthen, 1239 den Herzog von Meran als nobilis nachzuweisen.[44] Die Steigerung Illustrissimus, in Privaturkunden zuweilen vorkommend [45], fand in die Reichskanzlei keinen Eingang; eben so wenig Superillustris, wie vereinzelt in Freisinger Urkunde 1244 der Herzog von Baiern neben dem als Illustris bezeichneten baierischen Pfalzgrafen genannt wird. [46]

112 Können wir nun danach schliessen, dass ein Grosser, welchem durchgehends das Prädikat Illustris versagt wird, nicht zu den Fürsten gehören kann, so bedarf es doch einer weitern Prüfung, um festzustellen, in wie weit umgekehrt die Ertheilung desselben ein sicheres Kennzeichen des Fürstenstandes sei. Und da wird sich nicht läugnen lassen, dass nicht selten auch blosse Magnaten als Illustres bezeichnet werden.

Regelmässig ist das bei den Königssöhnen der Fall. Wurden diese im zwölften Jahrhunderte auch dann, wenn sie kein Reichsamt [152] bekleideten, den Fürsten zugezählt [47], so gehörten sie doch jetzt an und für sich dem Fürstenstande nicht an. König Rudolfs Söhne, so lange sie Grafen waren, heissen niemals Principes, stehen als Zeugen, worauf wir zurückkommen, niemals einem Fürsten vor; als sie zu Herzogen erhoben wurden, hiess es ausdrücklich, dass sie erst jetzt Fürstenrecht erlangten.[48] Dennoch werden sie immer in königlichen, wie andern Urkunden illustres comites, illustres filii regis genannt [49]; besonders bezeichnend ist die Zeugenstellung in einer Urkunde K. Rudolfs von 1281: Venerabiles Babenbergensis et Herbipolensis episcopi, abbas Fuldensis, et illustris L. comes palatinus Rheni dux Bawariae principes, illustris Hartmannus comes de Haebspurch-filius noster, clarissimi H. de Badem, H. de Burgowe et H. de Haperch marchiones, spectabiles viri F. burggravius de Nurenberg u. s. w. comites, nobiles viri u. s. w. [50], wo also Hartmann mit derselben Bestimmtheit von den Fürsten geschieden, wie ihm andererseits das Prädikat illustris gewahrt ist. Ebenso wird K. Heinrichs VII. Sohn Johann als Graf von Luxemburg illustris genannt. [51] K. Adolf nennt 1292 seinen Sohn Rupert inclitus [52], eine Bezeichnung, welche, wie magnificus, insbesondere auch in Italien mehrfach gebraucht wurde, um hervorragende Magnaten auszuzeichnen, ohne doch das fürstliche Prädikat selbst zu gebrauchen.

113 Dürfen wir für Königssöhne die Ertheilung des fürstlichen Prädikates als Regel hinstellen, so wurde es dann und wann von der Reichskanzlei auch einzelnen Magnaten ertheilt, welche zwar die gewöhnlichen fürstlichen Amtstitel eines Herzog oder Markgrafen führen, sich aber doch, wie nach andern Kennzeichen, so auch dadurch, dass sie gewöhnlich nur spectabiles oder nobiles genannt werden, bestimmt als Magnaten erweisen. Von diesen fanden wir vorhin die Markgrafen von Burgau, Baden und Hochberg als clarissimi bezeichnet; doch ist die Lesart zweifelhaft [53]; und jedenfalls ist dieses Prädikat, welches ich in Kaiserurkunden nur noch 1274 für zwei Grafen von Leiningen, 1276 für den Grafen von Tirol gebraucht finde [54], der Reichskanzlei nie geläufig geworden. Oft muss es scheinen, als sei diese zweifelhaft gewesen, welches Prädikat derartigen Magnaten zukomme und habe die Entscheidung zu umgehen gesucht. Man stellte wohl das Wort illustres an den Anfang, comites oder nobiles an das Ende einer Reihe von Fürsten und Magnaten, so dass unentschieden blieb, wer jenen, wer diesen angehöre.[55] Am auffallendsten ist in dieser Beziehung die Anordnung der österreichischen Belehnungsurkunde vom J. 1282: – hii venerabiles [153]episcopi; illustris L. comes palatinus Rheni dux Bavarie principes nostri; C. dux de Tekke, H. marchio de Baden, H. marchio de Burgau et H. marchio de Hochperg, et spectabiles viri – comites; item nobilis vir F. burggravius de Nurnberge u. s. w. [56]; wo also dem Herzoge von Teck und den Markgrafen gar kein Prädikat gegeben ist, oder aber, wenn man mit ältern Abdrücken [57] illustres läse, ihnen zwar das fürstliche Prädikat zugestanden wäre, während sie von den Fürsten selbst ausgeschieden sind. Gerade für dieselben Magnaten finden sich dann aber Stellen, in welchen das Prädikat illustris unzweifelhaft auf sie mitzubeziehen ist. So z. B. 1277: Illustres – Baiern, Brandenburg, Sachsen – marchio de Burgowe et nobiles viri H. comes u. s. w. – 1284: Illustres – Baiern, Oesterreich – H. marchio de Baden, H. marchio de Huperg, C. dux de Tecke; nobiles viri u. s. w. – 1285: Illustres dux Saxoniae, C. dux de Tecke; nobiles viri u. s. w. –, am bestimmtesten 1281: Illustris marchio de Baden, nobiles viri F. burggravius de Nurenberg u. s. w. [58] Da diese Stellen nur während der Regierung Rudolfs vorkommen, so könnte vielleicht lediglich eine zeitweise Willkür der Reichskanzlei vorliegen. Wesshalb gerade diese Magnaten eine Ausnahme machen, dürfte sich schwer entscheiden lassen. An den Titel wäre zunächst zu denken; dann aber wäre es auffallend, wesshalb nicht auch andere Magnaten mit höheren Amtstiteln, wie die Herzoge von Limburg oder Pfalzgrafen von Tübingen sich derselben Auszeichnung erfreuten. Da die Herzoge von Teck und die Markgrafen von Baden und Hochberg Abzweigungen der zähringischen Herzogsfamilie sind, die Markgrafen von Burgau aber, früher Grafen von Berg, Suevi de semine regis [59], so läge es vielleicht eben so nahe, hier an die sogenannten Fürstengenossen zu denken, zu welchen, wie wir sehen werden, insbesondere die Mitglieder fürstlicher Familien, welche selbst nicht Fürsten waren, gezählt wurden; obwohl dann zu erklären wäre, wesshalb sie früher, wo die Erinnerung an ihre Abstammung doch noch lebhafter sein musste, nicht in gleicher Weise ausgezeichnet wurden. Stimmen würde mit dieser Erklärung, dass, freilich schon im J. 1197, wo alles das noch nicht so fest stand, der Oheim des regierenden Herzogs von Oesterreich als Henricus illustris dominus Austriae[60] sich zwar des fürstlichen Prädikats erfreut, aber trotzdem dem Grafen von Henneberg nachgestellt erscheint. Auch das würde damit stimmen, dass Grafen, welche aus fürstlichen Häusern stammen, hie und da als illustres vor andern als nobiles bezeichneten Grafen hervorgehoben werden; so in kaiserlicher Urkunde von 1197 der Graf von Sommerseburg vor dem von Falkenstein [61], 1273 in Urkunde des Markgrafen von Landsberg der [154] von Orlamünde vor dem von Querfurt[62]; ähnlich heisst in Urkunden des Deutschmeisters und des Landgrafen Albrecht von 1290 nur der von Orlamünde illustris comes, während die Grafen von Katzenellenbogen, Schwarzburg und Rabenswald kein Prädikat erhalten.[63] Häufiger noch wird ihnen das Prädikat da ertheilt, wo sie vereinzelt stehen; so z. B. auch dem Grafen von Brene 1209 in magdeburgischer Urkunde.[64]

Auf letztere Fälle freilich darf weniger Gewicht gelegt werden, denn in den Urkunden, welche nicht in der Reichskanzlei entstanden sind, werden diese Unterschiede keineswegs scharf eingehalten. Wie willkürlich man darin oft die Prädikate wählte, zeigt eine Urkunde der Stadt Ulm vom J. 1255: Testes – U. inclitus comes de W., H. illustrissimus comes de G., G. egregius comes de C., W. et W. virtuosissimi comites de V., E. et C. magnifici et fidelissimi comites de K., E. nobilis de A. u. s. w.[65] Insbesondere wird in solchen Urkunden auch einfachen Grafen häufig das Prädikat illustris gegeben[66] und es ist durchaus unstatthaft, daraus, wie das oft geschieht, auf den Fürstenstand eines Geschlechtes zu schliessen. Eine Kölner Urkunde von 1226 unterscheidet ausdrücklich die Grafen von Geldern und Mark als viri illustres von den nobiles[67]; ebenso scheint das Prädikat für die gräfliche Abstammung beansprucht zu werden, wenn 1259 Illustris domina Jouta filia quondam comitis G. de Marstetten eine Urkunde ausstellt, in welcher ihr Gemahl nur nobilis vir dominus B. de Nifen heisst.[68] Aber auch ein Edler heisst in Mindener Urkunde von 1203: vir illustris G. de Perremont[69], und der Abt von Viktring nennt 1205 sogar einen Ministerialen illustris.[70] Nur auf den Gebrauch der Reichskanzlei werden wir in dieser Richtung Gewicht legen dürfen; und sehen wir dabei von solchen Grafen, bei welchen auch andere Kennzeichen des Fürstenstandes nicht fehlen, ab, so ist mir nur ein einziger Fall bekannt, wo in einer Kaiserurkunde ein Graf illustris genannt wird; 1276 nämlich schickt K. Rudolf nach Italien illustrem H. comitem de Furstenberg.[71]

114 Die Reichskanzlei bezeichnet die weltlichen Herren, welche nicht fürstlichen Standes waren, als spectabiles, nobiles und strenui; nur ganz vereinzelt, wie bereits bemerkt, finden sich clarissimi. Von jenen gehören die Strenui den Magnaten oder freien Herren nicht mehr an; es sind die Ministerialen, der sich bildende niedere Adel; vereinzelt wird auch wohl der Ausdruck Fideles in engerer Bedeutung zur Bezeichnung der Ministerialen gebraucht.[72] Das Prädikat Nobilis umfasst den ganzen Stand der Magnaten, entsprechend den frühern [155] Ausführungen[73], Herzoge und Markgrafen, welche nicht Fürsten waren, eben so wohl, als den Grafen und den einfachen Edeln. So heisst es z. B. Nobiles viri dux de Tecke u. s. w., marchio de Hochberg u. s. w.[74]; der Herzog von Limburg steht in den Kaiserurkunden sehr häufig in der Reihe der Nobiles[75]; die Grafen in der Mehrzahl der Fälle, wo überhaupt eine solche Scheidung eintritt. Wie aber die Ausdrücke Barones, Magnates, Nobiles oft den gesammten Stand der Magnaten bezeichnen, während an andern Stellen die Comites noch insbesondere hervorgehoben sind, so sind auch häufig die Grafen durch ein besonderes Prädikat von andern Magnaten unterschieden. Während ich nur vereinzelt eine besondere Scheidung als nobiles comites und nobiles finde[76], sind sehr häufig die Grafen als spectabiles viri den nobiles viri vorgestellt. Das Prädikat Spectabilis steht in so enger Verbindung mit dem einfachen Grafentitel, dass zuweilen der Burggraf von Nürnberg[77], vereinzelt selbst die Markgrafen von Baden und Hochberg[78] nicht zu den als spectabiles bezeichneten einfachen Grafen gezählt sind, sondern als nobiles auf sie folgen; gewöhnlich werden freilich auch sie den Spectabiles zugezählt.

Die Wichtigkeit dieser Prädikate für die Unterscheidung der Stände ergibt sich leicht aus dem Gesagten. Die Bezeichnung als illustris, selbst durch die Reichskanzlei, wird noch kein untrügliches Zeichen des Fürstenstandes sein, insbesondere, wo sie nur vereinzelt nachweisbar ist; regelmässig ist sie freilich, abgesehen von den Königssöhnen, bei Magnaten nicht nachzuweisen, und wo eine grössere Anzahl von Stellen zu Gebote steht, wird die Entscheidung kaum zweifelhaft bleiben. Sicherer noch dürften die Prädikate spectabilis und nobilis den Fürstenstand ausschliessen; nur dürfte etwa bei der engen Verbindung zwischen spectabilis und dem Grafentitel bei Grafen, wenn andere Kennzeichen des Fürstenstandes nicht fehlen, auf dieses Prädikat weniger Gewicht zu legen sein; den Grafen von Savoyen finden wir auch nach seiner Erhebung in den Fürstenstand und in Kaiserurkunden, wo er ausdrücklich als Fürst bezeichnet ist, spectabilis[79], selbst nobilis[80] genannt, und es dürfte demnach, wofür sich auch früher schon einige Anhaltspunkte ergaben[81], dann und wann bei Ertheilung der Prädikate der Titel und nicht der Stand berücksichtigt sein.

Anmerkungen der Vorlage

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  1. Reg. Albr. n. 81.
  2. A. Palat. 7, 277.
  3. Miraeus 1, 377. 4, 514.
  4. Ankershofen n. 649. Tschoppe 294.
  5. Scheidt 352. 356. 357. 358.
  6. C. d. Westf. 1, 56.
  7. Dipl. Stir. 1, 139. Muratori ant 6, 57.
  8. M. G. 4, 324. Hugo 2, 258. Lacombl. 2, n. 996.
  9. z.B. 1286 Paderborn: Falke 680. 1296 Kempten: Hund 3, 184. 185.
  10. 1229: Herrgott 2, 236.
  11. 1226. 37: Hund 3, 272. Huillard 5, 3. 4. 5.
  12. 1248: Mieris 1, 253.
  13. 1297: Dipl. Stir. 1, 26.
  14. 1220. 63: Hund: 3, 363. 364.
  15. M. Zoll 2, 111. 114.
  16. Lünig 18, 855.
  17. M. Zoll. 2, 119.
  18. Lünig 14, 474.
  19. Schöpflin A. D. 2, 87.
  20. Riedel 1, 152.
  21. Beckmann 3, 53.
  22. Lünig 14. 474.
  23. Quix 61.
  24. Lünig 18, 787.
  25. Lacombl. 1, n. 351.
  26. M. G. 4, 87. Guden, 1, 257.
  27. C. Wangian. 103. Huillard 2, 45.
  28. Niesert UB. 2, 45.
  29. Miraeus 2, 821.
  30. z. B. 881–980: Guden 1, 344. Quix 6. Hund 3, 395.
  31. 1120. 30. 50: Hormayr Beitr. 2, 89. Wirtemb. UB. 1, 380. M. B. 2, 304. Weitere Beispiele: Scheidt 68.
  32. Miraeus 4, 205.
  33. M. G. 4, 136.
  34. Günther 1. 453.
  35. 1354 Luxemburg, Pont a Mousson: Meibom 3, 212. Calmet 2, 620.
  36. 1380 Berg: Lacombl. 3, n. 848. 1462 Münsterberg: Lünig 6b, 329. 1432: Mantua: Lünig c. d. It. 1, 1374 u. s. w.
  37. De viris ill. ed. Stuttg. 55.
  38. ed. Goldast 3, 58.
  39. Zu Ss. Ldr. 3, 62.
  40. Lünig 10b, 435.
  41. Hahn coll. 1, 285.
  42. Ludew. rel. 11, 592. 603.
  43. Riedel 1, 32.
  44. Hormayr Beitr. 2, 227. 283.
  45. z. B. 1263: Dreger 469.
  46. Meichelbeck 2a, 23.
  47. Vgl. § 41.
  48. Vgl. § 75.
  49. M.Zoll. 2, 110. Lichn. Reg. 1, 162. 164. Kopp RG. 1, 506. 894 u. s. w.
  50. Mieris 1, 415. Abweichend liest Reiffenberg 1, 376: filius noster carissimus, H. de Baden u. s. w.
  51. z. B. 1310: Guden 3, 63. Sitzungsber. 14, 220.
  52. Guden 1, 859.
  53. Vgl. § 112 n. 4.
  54. Lünig 22, 381. Ughelli 5, 614.
  55. z. B. 1296: Lacombl. 2, n. 1003.
  56. M. Zoll. 1, 143 aus dem Orig.
  57. Gerbert c. ep. 234.
  58. Lacombl. 2, n. 704. Moritz 179. Schaten 3, 110. Ant. Est 2, 76.
  59. Vgl. Stälin 2, 230.
  60. Ludew. rel. 11, 600.
  61. Ludew. rel. 11, 603.
  62. Lünig 14b, 651.
  63. Schumacher Nachr. 1, 26. Wilkii Tic. 87.
  64. Erath. 128.
  65. Scheidt 69.
  66. z. B. 1217 Magdeburg: Ludew. rel. 11, 567. 1236–73 Tirol und Görz: Hormayr Beitr. 2, 224. 27. 37. 300. 1267 Habsburg: Lichn. Reg. 1, 159. Weitere Beispiele Scheidt 68.
  67. Lacombl. 4, n. 651.
  68. Hormayr Beitr. 2, 148.
  69. Scheidt 345.
  70. Ankershofen n. 649.
  71. Herrgott 2, 462.
  72. Vgl. § 109 n. 2.
  73. Vgl. § 101.
  74. M. G. 4, 443. 445.
  75. z. B. Lacombl. 2, n. 330. 382. 438.
  76. M. G. 4, 460.
  77. z. B. Gerbert c. ep. 234. M. Zoll. 2, 100.
  78. Lichn. Reg. 1, 167.
  79. Acta Henr. 2, 209 u. s. w.
  80. l. c. 208.
  81. Vgl. § 113.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: selbt