Vom Lande der Glaubenseinheit

Textdaten
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Autor: Z.
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Titel: Vom Lande der Glaubenseinheit
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 404
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[404] Vom Lande der Glaubenseinheit. Aus Südtirol, von den rebenbekränzten Abhängen der Etsch und Eisack und allen darein mündenden kaum weniger romantischen Seitenthälern, dringen heute wiederholte Klagen über die stetig wachsende Armuth der ländlichen Bevölkerung, insbesondere der Weinbauern, häufiger denn je in die Oeffentlichkeit. Sämmtliche Berichte stimmen darin überein, daß die wachsende Armuth des Kleingrundbesitzes hauptsächlich auf das stramme Kirchenregiment zurückzuführen ist, welches durch starre Festhaltung der vielzähligen Feiertage die sonst betriebsamen Bewohner vom Landbau weit mehr zurückhält, als mit dem materiellen Wohle des Volkes sich verträgt.

Wer da weiß, daß in diesem glaubensfesten Berglande jeder Kirchentag nach gottesdienstlicher Feier auch dazu benutzt wird, leiblichen Genüssen zu fröhnen, den darf es nicht Wunder nehmen, wenn der verarmte Bauer behauptet, durch solche Gebote seiner heiligen Kirche vom eigenen Dienstgesinde allmählich aufgezehrt zu werden. Ein seit urdenklichen Zeiten überkommener Gebrauch bestimmt, daß den Dienstleuten an jedem Sonn- und Feiertage ein mehr als zuträgliches Maß Wein vom Dienstgeber verabreicht wird.

Nun werden auf den sonnigen Südabhängen der Tiroler Alpen außer den zweiundfünfzig Sonntagen auch noch die zweiundfünfzig Freitage des Kalenderjahres als kirchliche Bußtage und überdies sechszehn hohe Feiertage der Kirchenpatrone, Landespatrone, Kirchweihen etc., im Ganzen hundertzwanzig Tage, oder mit anderen Worten: der dritte Theil des Jahres, gottesdienstlich gefeiert.

Sehen wir uns ein wenig genauer an, was eine so fromme Sitte, die an den Feiertagen in unmäßigem Beten, Essen und Trinken gipfelt, für das Volkswohl bedeutet! Der Mai ist in diesen Gebirgsgegenden ein besonders günstiger Arbeitsmonat für Weingärten, Wiesen und Felder, der in Folge der Vegetationsentwickelung naturgemäß die angespannteste Thätigkeit erfordert. In den genannten Monat des vergangenen Jahres fielen fünf Sonntage, und zwar am 2., 9., 16., 23. und 30., vier Feier- und Freitage den 7., 14., 21. und 28., drei hohe Kirchenfesttage, die Himmelfahrt am 6., der Pfingstmontag am 17., das Frohnleichnamsfest den 27., drei Bitttage am 3., 4, und 5. Mai und endlich zuguterletzt ein Kirchenpatronfest, St. Bonifaz, am 14. Mai. – Demnach bestanden einunddreißig Maitage in Welsch-Tirol: aus sechszehn Feier- und fünfzehn Arbeitstagen.

Solchen mittelalterlichen Gebräuchen folgt der volkswirthschaftliche Verfall freilich auf dem Fuße; es ist nicht abzusehen, daß für die nächste Zukunft von dem tiroler Volke selbst eine Besserung dieser Verhältnisse werde angestrebt werden, und das zeither geübte geistliche Regiment hütet sich wohl, das Gemeinwohl durch eine Neuerung im Sinne ökonomischer Thätigkeit zu heben. Der von amtswegen privilegirte Müßiggang, der ohnedies die Trägheit der dienenden Classen begünstigt, überhand nehmende Trunksucht und andere gesellschaftliche Mißstände haben sich dort nachgerade zur Unerträglichkeit gestaltet. Alle öffentlichen Schmerzensschreie über dieses Uebel verhallten aber leider bisher völlig. Um so mehr hat die Presse die Pflicht auf diese Zustände hinzuweisen.
Z.