Verordnung, die Einführung des Preußischen Militair-Strafrechts im ganzen Bundesgebiete betreffend

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Titel: Verordnung, die Einführung des Preußischen Militair-Strafrechts im ganzen Bundesgebiete betreffend.
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Fundstelle: Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes Band 1867, Nr. 13, Seite 185 - 316
Fassung vom: 29. Dezember 1867
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Bekanntmachung: 31. Dezember 1867
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[185]

(Nr. 28) Verordnung, die Einführung des Preußischen Militair-Strafrechts im ganzen Bundesgebiete betreffend. Vom 29. Dezember 1867.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, auf Grund des Artikels 61. der Bundesverfassung, was folgt:

§. 1.

Das in Preußen geltende Militair-Strafrecht, insbesondere das Strafgesetzbuch für das Preußische Heer vom 3. April 1845., einschließlich der Strafgerichts-Ordnung, nebst allen dasselbe abändernden, ergänzenden und erläuternden Vorschriften, wird hiermit im ganzen übrigen Bundesgebiete eingeführt, vorbehaltlich näherer Bestimmungen zu solchen Vorschriften, welche eine in dem übrigen Bundesgebiete überhaupt nicht oder nicht in gleichem Maaße bestehende Einrichtung und Anordnung zur Voraussetzung haben.

§. 2.

Diese Verordnung ist nebst einer Zusammenstellung der das geltende Preußische Militair-Strafrecht enthaltenden Gesetze, Verordnungen und Erlasse durch das Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Bundes-Insiegel.
Gegeben Berlin, den 29. Dezember 1867.
(L. S.)  Wilhelm.

  Gr. v. Bismarck-Schönhausen.

[187]

Zusammenstellung
des
i n  P r e u ß e n  g e l t e n d e n  M i l i t a i r-S t r a f r e c h t s.
======================
Allerhöchster Erlaß,
betreffend die Publikation und Einführung des Strafgesetzbuchs für das Preußische Heer vom 3. April 1845.
(Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten für 1845. S. 287. ff.)
____________________

Ich will das beifolgende neue Strafgesetzbuch für das Heer genehmigen, und bestimme hierdurch, daß – mit Berücksichtigung der neuen Kriegsartikel und der Verordnung über deren Anwendung vom 27. Juni 1844., sowie der Verordnung über die Ehrengerichte und das Verfahren derselben bei Streitigkeiten unter Offizieren vom 20. Juli 1843. – dieses neue Militair-Strafgesetzbuch, unter Aufhebung aller dem Inhalte desselben entgegenstehenden früheren Bestimmungen, unverzüglich in Kraft treten soll, zu welchem Ende selbiges von dem Kriegsministerio an die Armee und von dem Justizministerium in dessen Ressort bekannt zu machen, auch durch die Gesetz-Sammlung zur öffentlichen Kenntniß zu bringen ist.

Berlin, den 3. April 1845.
 Friedrich Wilhelm.

An das Militair-Justiz-Departement.

Anmerkung: Die Kriegsartikel vom 27. Juni 1844. und die Verordnung über deren Anwendung von demselben Tage sind antiquirt.
Vergl. die Allerhöchste Order, betreffend die Einführung der Kriegsartikel vom 9. Dezember 1852; Beilage Littr. G.,[188]

Strafgesetzbuch

Strafgesetzbuch
für das Preußische Heer.

Einleitung.

§. 1.

Die Vorschriften dieses Strafgesetzbuchs finden auf alle Personen Anwendung, welche der Militairgerichtsbarkeit unterworfen sind. – Vergl. Theil II. §. 1. und folgende.

§. 2.

Insoweit dieses Strafgesetzbuch, die Kriegsartikel und die Militairgesetze überhaupt, nichts Anderes vorschreiben, verbleibt es bei den Vorschriften der allgemeinen Landesgesetze und Verordnungen, bei deren Anwendung jedoch die militairischen Dienstverhältnisse besonders zu berücksichtigen sind.
Vergl. die obige Anmerkung zum Allerhöchsten Erlaß vom 3. April 1845., desgl. das Gesetz, die Abänderung mehrerer Bestimmungen in den Militair-Strafgesetzen betreffend, vom 15. April 1852. (Gesetz-Samml. für die Königlich Preußischen Staaten für 1852. S. 115 – 117.) §. 1; Beilage Littr. F.

§. 3.

Disziplinarvergehen sind nach den darüber bestehenden besonderen Vorschriften zu ahnden.
Vergl. die Verordnung über die Disziplinarbestrafung in der Armee vom 21. Juli 1867; Armee-Verordnungsblatt für 1867. Nr. 14.

§. 4.

Welche Militairpersonen zum Soldatenstande und welche zum Beamtenstande gehören, ist in dem diesem Gesetzbuch unter Littr. A. beigefügten Verzeichniß angegeben.
Auf Personen des Soldatenstandes, welche nicht Offiziere, Unteroffiziere oder Gemeine sind, finden, nach Maaßgabe ihres Ranges, die für Offiziere, Unteroffiziere und Gemeine gegebenen strafrechtlichen Bestimmungen Anwendung.

§. 5.

Wegen Verbrechen, welche von Militairpersonen verübt worden sind, ehe sie in den Militairstand treten, ist nach den Gesetzen zu erkennen, denen sie zur Zeit der Verübung unterworfen waren, jedoch mit Anwendung der militairischen Strafarten. [189]

§. 6.

Insoweit nach den allgemeinen Landesgesetzen oder besonderen Verordnungen die Berücksichtigung der Militairgesetze bei Bestrafung der Militairpersonen des Beurlaubtenstandes eintreten soll, sind in solchen Fällen auch die Vorschriften dieses Gesetzbuchs zu beachten.
Vergl. das oben allegirte Gesetz vom 15. April 1852; Beilage Littr. F.

§. 7.

Die von Preußischen Militairpersonen gegen Militairpersonen verbündeter Staaten in gemeinschaftlichen Dienstverhältnissen begangenen Verbrechen sind, insofern nicht für solche Fälle besondere Bestimmungen erlassen werden, eben so zu bestrafen, als wenn sie gegen Preußische Militairpersonen verübt worden wären.

§. 8.

Gegen diejenigen Personen, welche ausnahmsweise in Kriegszeiten den Militairgerichtsstand haben, kommen, wenn sie zum Soldatenstande gehören, dieselben strafrechtlichen Bestimmungen wie gegen Preußische Soldaten zur Anwendung; gehören sie nicht zum Soldatenstande, so sind die für Militairbeamte gültigen Vorschriften gegen sie in Anwendung zu bringen.

§. 9.

Die in diesem Gesetzbuch für den Kriegszustand ertheilten einzelnen Vorschriften sollen auch in Friedenszeiten Anwendung finden, wenn bei außerordentlichen Vorfällen der kommandirende Offizier bei Trommelschlag oder Trompetenschall hat bekannt machen lassen, daß diese Vorschriften für die Dauer des eingetretenen außerordentlichen Zustandes angewendet werden würden.

§. 10.

Das Recht des Beschädigten auf Ersatz des Schadens, derselbe mag dem Staat oder einer Privatperson zugefügt worden sein, ist von der Bestrafung unabhängig; jedoch darf Unteroffizieren und Gemeinen dieserhalb kein Abzug vom Solde gemacht werden.

[190]

Erster Theil. Strafgesetze.

Erster Titel. Von der Bestrafung im Allgemeinen.

Erster Abschnitt. Von den militairischen Strafen gegen Personen des Soldatenstandes.

§. 1. I. Todesstrafe.

Die wegen militairischer Verbrechen verwirkte Todesstrafe ist durch Erschießen öffentlich zu vollstrecken.

§. 2. II. Baugefangenschaft.

Auf Baugefangenschaft ist nur gegen Personen zu erkennen, welche aus dem Soldatenstande ausgestoßen werden.

§. 3.

Die Baugefangenschaft wird nach den darüber bestehenden besonderen Vorschriften, unter militairischer Aufsicht, in einer Festung vollstreckt.
Die Gefangenen werden gefesselt gehalten und mit schweren Arbeiten beschäftigt.

§. 4.

Wenn zur Vollstreckung der Baugefangenschaft keine Gelegenheit vorhanden, oder diese Strafart wegen körperlicher Unfähigkeit des Angeschuldigten zu den Arbeiten der Baugefangenen nicht anwendbar ist, so tritt Zuchthausstrafe ein.

§. 5. III. Festungsstrafe.

Festungsstrafe findet nur gegen Gemeine und solche Unteroffiziere statt, welche zu Gemeinen degradirt sind. Auf Festungsstrafe unter drei Monate darf nicht erkannt werden.

§. 6.

Die Festungsstrafe wird an Personen des Soldatenstandes durch Einstellung in eine Festungs-Strafabtheilung, nach den darüber bestehenden besonderen Vorschriften, in der Art vollstreckt, daß die Sträflinge unter militairischer Aufsicht mit Festungs- oder sonstigen Militair-Arbeiten beschäftigt und außer der Arbeitszeit eingeschlossen gehalten werden. [191]

§. 7.

Die Zeit einer erlittenen Festungsstrafe soll als Dienstzeit im stehenden Heere nicht angerechnet werden.

§. 8.

Machen sich Festungssträflinge eines Verbrechens schuldig, so sind sie nach den Bestimmungen zu beurtheilen, welche wegen Bestrafung der Gemeinen gegeben sind.
Werden sie alsdann zur Ausstoßung aus dem Soldatenstande verurtheilt, so ist der noch nicht verbüßte Theil der früher ihnen auferlegten Festungsstrafe nach den Bestimmungen der §§. 63. und 66. in Freiheitsstrafe derjenigen Gattung umzuwandeln, welche wegen des neuen Verbrechens eintritt.

§. 9. IV. Festungsarrest.

Auf Festungsarrest darf nur erkannt werden:
1) gegen Offiziere;
2) gegen Portepee-Unteroffiziere in den Fällen, in welchen dem richterlichen Ermessen gestattet ist, von der Degradation abzugehen (§. 41.);
3) gegen Portepee-Fähnriche, gegen junge Männer, welche auf Beförderung zum Offizier dienen, und gegen einjährige Freiwillige in den Fällen, wo nicht neben der Freiheitsstrafe zugleich die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes verwirkt ist.
Auf Festungsarrest unter sechs Wochen darf nicht erkannt werden.

§. 10.

Der Festungsarrest wird nach den darüber bestehenden besonderen Vorschriften vollstreckt.
Bei Offizieren ist damit der Verlust der Hälfte des Gehalts verbunden.

§. 11.

Festungsarrest von einjähriger und längerer Dauer wird den Offizieren als Dienstzeit nicht angerechnet. Den im §. 9. Nr. 2. und 3. genannten Personen aber darf Festungsarrest überhaupt nicht als Dienstzeit im stehenden Heere angerechnet werden. [192]

§. 12.

Gegen Offiziere ist keine härtere Freiheitsstrafe als Festungsarrest zulässig. Hat ein Offizier ein Verbrechen begangen, worauf das Gesetz eine härtere Freiheitsstrafe androht, so ist anstatt dieser Strafe auf verhältnißmäßig (§. 63.) verlängerten Festungsarrest zu erkennen.
Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 4; Beilage Littr. F.

§. 13. V. Arreststrafen.

Die militairischen Arreststrafen bestehen in
strengem Arrest,
mittlerem Arrest,
gelindem Arrest, und
Stubenarrest.

§. 14. A. Strenger Arrest.

Strenger Arrest findet nur gegen Gemeine statt. Hat ein Unteroffizier strengen Arrest verwirkt, so muß gleichzeitig die Degradation zum Gemeinen erfolgen.

§. 15.

Der strenge Arrest wird in einem einsamen, finstern Gefängnisse, ohne Lagerstätte, welche dem Arrestaten nur an jedem vierten Tage in dem Lokal des gelinden Arrestes zu gewähren ist, im Uebrigen aber gleich dem mittleren Arrest vollstreckt.
Festungssträflinge erleiden den strengen Arrest geschärft in einem Fußboden mit Latten versehenen Gefängniß.

§. 16.

Läßt der Gesundheitszustand des zu Bestrafenden die Vollstreckung des strengen Arrestes nicht zu, so tritt der nächste mildere Arrestgrad ein.

§. 17.B. Mittlerer Arrest.

Mittler Arrest ist nur gegen Unteroffiziere ohne Portepee und gegen Gemeine zulässig.
Hat ein Portepee-Unteroffizier mittleren Arrest verwirkt, so muß gleichzeitig die Degradation zum Gemeinen erfolgen.

§. 18.

Der mittlere Arrest wird in einem einsamen Gefängniß in der Art vollstreckt, daß dem Arrestaten der Sold entzogen, der Gebrauch von Taback, Branntwein und ähnlichen Genüssen während der Strafzeit nicht gestattet, drei Tage nur Wasser und Brod gewährt, am jedesmaligen vierten Tage aber die gewöhnliche warme Kost verabreicht und die Bewegung in freier Luft auf einige Stunden unter sicherer Aufsicht erlaubt wird.

§. 19. C. Gelinder Arrest.

Gelinder Arrest findet gegen Unteroffiziere mit und ohne Portepee und gegen Gemeine statt. Gegen letztere darf jedoch wegen militairischer Verbrechen in der Regel nicht auf gelinden Arrest erkannt werden. [193]

§. 20.

Der gelinde Arrest wird durch einfache Freiheitsentziehung in einem einsamen Gefängniß vollstreckt.

§. 21. D.Stubenarrest.

Der Stubenarrest findet nur gegen Offiziere statt.

§. 22.

Der Stubenarrest ist entweder einfach oder geschärft. Der erstere wird an dem Verurtheilten in dessen Wohnung, der letztere in einem besonderen Arrestlokal vollzogen.
In beiden Fällen darf der Arrestat während der Dauer seiner Haft keine Besuche annehmen.
Der einfache Stubenarrest schließt zugleich die Bestimmung in sich, daß der zu dieser Strafe Verurtheilte, wenn er den Arrestort verläßt, nicht mehr fähig sein kann, als Offizier im Dienst zu bleiben.
Welche Art des Stubenarrestes eintreten soll, ist durch das Erkenntniß festzusetzen.

§. 23.

Gegen Stabs- und höhere Offiziere ist der geschärfte Stubenarrest nicht zulässig.

§. 24.

Haben Subalternoffiziere eine Arreststrafe von längerer als vierzehntägiger Dauer verwirkt, so ist nicht auf einfachen, sondern stets auf geschärften Stubenarrest zu erkennen.

§. 25.

Hat ein Offizier eine strafbare Handlung verübt, worauf im Gesetz eine nur gegen Unteroffiziere oder Gemeine zulässige Arrestart vorgeschrieben ist, so ist statt dieser Arrestart auf Stubenarrest von verhältnißmäßig längerer Dauer (§. 63.), oder, wenn danach die Strafe sechs Wochen übersteigen würde, auf Festungsarrest zu erkennen.

§. 26. E. Allgemeine Bestimmungen.

Auf Arrest unter vier und zwanzig Stunden darf bei militairischen Verbrechen von den Militairgerichten nicht erkannt werden.

§. 27.

Die längste Dauer der Arreststrafen ist sechs Wochen, außer in den Fällen, wo die Verlängerung über dies höchste Maaß ausdrücklich freigestellt ist.
Selbst in diesen Fällen darf jedoch die Arreststrafe den Zeitraum von zwölf Wochen nicht übersteigen (§. 77.). [194]

§. 28.

Bei Arreststrafen von längerer als sechswöchentlicher Dauer ist von dieser Zeit ab dem Arrestaten an jedem zweiten Tage unter sicherer Aufsicht die Bewegung in freier Luft auf einige Stunden zu gestatten und, wenn die Arreststrafe in mittlerem Arrest besteht, nach Ablauf der sechsten Woche der Strafzeit an jedem zweiten Tage ihm warme Kost zu verabreichen (§. 18.).

§. 29.

Die Verlängerung des Stubenarrestes und des strengen Arrestes über die Dauer von sechs Wochen ist in keinem Fall zulässig.

§. 30.

Quartier- und Kasernenarrest darf gegen Unteroffiziere und Gemeine nur wegen Disziplinarvergehen, nicht aber wegen gerichtlich zu bestrafender Verbrechen verhängt werden.

§. 31. VI. Körperliche Züchtigung.

Mit körperlicher Züchtigung darf kein Soldat, außer bei gleichzeitig eintretender oder nach bereits erfolgter Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes belegt, und selbst dann darauf nur wegen solcher Verbrechen erkannt werden, welche mit körperlicher Züchtigung im Gesetz ausdrücklich bedroht sind.
Die geringste Zahl der Stockschläge ist zehn, und die höchste vierzig, welche in keinem Fall überschritten werden darf.
Die Vertheilung der Stockschläge auf mehrere Tage ist unzulässig.

§. 32.

Ist in den Fällen, wo die Ausstoßung aus dem Soldatenstande oder die Entlassung aus dem Militairverhältniß eintritt, zugleich körperliche Züchtigung zu verhängen, so muß auf die in den allgemeinen Landesgesetzen vorgeschriebene Art der körperlichen Züchtigung erkannt und die Vollziehung der Behörde überlassen werden, welche die außerdem erkannte Freiheitsstrafe zu vollstrecken hat.

§. 33.

Gestattet der Gesundheitszustand des zu Bestrafenden keine Züchtigung, so tritt statt derselben verhältnißmäßige Freiheitsstrafe ein (§. 64.).
Anmerkung: Die §§. 31. bis 33. sind aufgehoben.
Vergl. den Allerhöchsten Erlaß, betreffend die Abschaffung der Strafe der körperlichen Züchtigung, vom 6. Mai 1848. (Gesetz-Samml. für die Königlich Preußischen Staaten für 1848. S. 123.); Beilage Littr. D.[195]

§. 34. VII. Vermögens-Konfiskation.

Durch die Vermögenskonfiskation verliert der Verurtheilte das gesammte Vermögen, welches er im Inlande besitzt, oder künftighin erwirbt.
Wenn auf Konfiskation des Vermögens zu erkennen ist, so muß dasselbe der Regierungs-Hauptkasse der heimathlichen Provinz des Verurtheilten zugesprochen werden.
Anmerkung: Durch Artikel 10. der Preußischen Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar 1850. ist die Strafe der Vermögenskonfiskation und sonach auch der vorstehende §. 34. aufgehoben.

§. 35. VIII. Ehrenstrafen. A. Verlust der Orden.

Auf den Verlust von Orden darf nicht erkannt werden. Es muß vielmehr nach Abfassung des Erkenntnisses in den Fällen, in denen der Verlust des Ordens nach den bestehenden Vorschriften eintritt, die Entscheidung des Königs eingeholt werden.

§. 36. B. Verlust der Ehrenzeichen.

Ebenso (§. 35.) ist in Ansehung der Ehrenzeichen (Militair- und Allgemeines Ehrenzeichen, Rettungsmedaille, Dienstauszeichnung für Offiziere des stehenden Heeres und der Landwehr) zu verfahren, auf deren Verlust nach §. 17. der Erweiterungs-Urkunde für die Königlichen Orden und Ehrenzeichen vom 18. Januar 1810. von den Gerichten nicht erkannt werden darf.

§. 37.

Diejenigen Ehrenzeichen, über deren Verlust die Entscheidung des Königs (§. 36.) nicht erforderlich ist (Kriegsdenkmünze, Dienstauszeichnung für Unteroffiziere und Gemeine etc.), müssen in allen den Fällen aberkannt werden, in welchen die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes oder die Ausstoßung aus dem Soldatenstande eintritt.

§. 38. IX: Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes.

Auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes darf nur gegen Gemeine, und gegen Unteroffiziere bei gleichzeitiger Degradation, erkannt werden.
Wenn diese Strafe eintritt, muß zugleich auf den Verlust der aberkennungsfähigen Ehrenzeichen (§. 37.), sowie der Nationalkokarde und des National-Militairabzeichens, ausdrücklich erkannt werden.
Wer in der zweiten Klasse des Soldatenstandes sich befindet, kann die erworbenen Versorgungsansprüche nicht geltend machen.
Anmerkung: Der Nationalkokarde stehen die Landeskokarden gleich.
Vergl. Artikel 63. der Verfassung des Norddeutschen Bundes.[196]

§. 39.

Die Wiederaufnahme eines Soldaten der zweiten Klasse in die erste Klasse des Soldatenstandes darf ohne besondere Genehmigung des Königs nicht erfolgen, und muß in dem durch die Order vom 18. März 1839. (Militair-Gesetz-Samml. Bd. II. S. 124.) vorgeschriebenen Dienstwege in Antrag gebracht werden.
Hinsichtlich der Folgen der von dem König genehmigten Zurückversetzung in die erste Klasse des Soldatenstandes behält es bei den Bestimmungen der Order vom 18. März 1839. sein Bewenden.

§. 40. X. Degradation.

Die Strafe der Degradation findet nur gegen Unteroffiziere, und zwar außer den in den Kriegsartikeln und in diesem Gesetzbuch besonders vorgeschriebenen Fällen, alsdann statt:
1) wenn die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes eintreten muß;
2) wenn Portepee-Unteroffiziere ein mit mittlerem oder strengem Arrest oder mit Festungsstrafe bedrohtes Verbrechen; sowie
3) wenn Unteroffiziere ohne Portepee ein mit strengem Arrest oder Festungsstrafe vorgesehenes Verbrechen verüben.
Werden Portepee-Unteroffiziere degradirt, so verlieren sie zugleich das Recht, das Portepee zu tragen.
Anmerkung: Die im §. 40. in Bezug genommenen Kriegsartikel vom 27. Juni 1844. sind antiquirt.
Vergl. Beilage Littr. G.

§. 41.

Wenn auf Degradation nur aus den im §. 40. Nr. 2. und 3. angeführten Gründen zu erkennen sein würde, und das Verbrechen an sich nicht von der Art ist, daß der Schuldige unwürdig erscheint, Unteroffizier zu bleiben, so soll dem richterlichen Ermessen freistehen, von der Degradation abzugehen und, nach Maaßgabe der im dritten Abschnitt enthaltenen Bestimmungen,
1) statt des strengen oder mittleren Arrestes gegen Portepee-Unteroffiziere auf verlängerten gelinden Arrest, oder, wenn dieser die Dauer von zwölf Wochen übersteigen würde, auf Festungsarrest, gegen andere Unteroffiziere aber statt des strengen Arrestes auf verlängerten mittleren Arrest,
2) statt der Festungsstrafe, wenn sie die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen würde, gegen Portepee-Unteroffiziere auf Festungsarrest, gegen andere Unteroffiziere aber, wenn die Festungsstrafe nicht drei Monate übersteigen würde, auf mittleren Arrest zu erkennen. [197]

§. 42. XI. Ausstoßung aus dem Soldatenstande.

Die Ausstoßung aus dem Soldatenstande findet nur statt gegen Gemeine und gegen Unteroffiziere bei gleichzeitiger Degradation. Diese Strafe hat zur unmittelbaren Folge:
1) den Verlust der bekleideten Charge und der damit verbundenen Rechte und Auszeichnungen, sowie aller durch den Dienst erworbenen Ansprüche;
2) die Unfähigkeit, im Staats- oder Kommunaldienst ein Amt oder eine Ehrenstelle zu bekleiden.

§. 43.

Mit der Ausstoßung aus dem Soldatenstande muß zugleich auf den Verlust
1) des Adels,
2) der Nationalkokarde, sowie der aberkennungsfähigen Ehrenzeichen (§. 37.),
3) aller Ehrenrechte
ausdrücklich erkannt werden.

§. 44. XII. Kassation, Entfernung aus dem Offizierstande und Dienst-Entlassung. 1. Kassation.

Die Kassation findet nur gegen Offiziere statt.
Die Kassation tritt, außer den im Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen, auch da ein, wo gegen Unteroffiziere und Gemeine auf Ausstoßung aus dem Soldatenstande zu erkennen sein würde.
Die Kassation hat mit der Ausstoßung gleiche Folgen (§§. 42. 43.).

§. 45. 2. Entfernung aus dem Offizierstande.

Durch die Entfernung aus dem Offizierstande verliert der Verurtheilte seine Stelle und seinen Titel, sowie alle durch den Dienst erworbenen Ansprüche, und wird zur Wiederanstellung als Offizier unfähig.

§. 46.

Außer den Fällen, wo die Entfernung aus dem Offizierstande besonders vorgeschrieben worden, ist darauf stets zu erkennen, wenn ein Offizier ein Verbrechen begangen hat, welches bei einem Unteroffizier oder Gemeinen die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes zur Folge haben würde.

§. 47. 3. Dienst-Entlassung.

Durch die Dienstentlassung wird der Offizier seiner Stelle und aller durch den Dienst erworbenen Ansprüche verlustig. [198]

§. 48. XIII. Ausstoßung und Entlassung aus der Landgendarmerie

Wo die Ausstoßung aus dem Soldatenstande vorgeschrieben ist, muß mit denselben Folgen (§§. 42. und 43.) gegen Landgendarmen auf Ausstoßung aus der Gendarmerie erkannt werden.
Wo Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes oder Degradation stattfindet, ist gegen Landgendarmen stets noch außerdem auf Entlassung aus der Gendarmerie zu erkennen.
Auch muß auf diese Entlassung jederzeit erkannt werden, wenn ein Landgendarm wegen Verletzung seiner Amtspflichten zum dritten Mal gerichtlich mit der ordentlichen gesetzlichen Strafe belegt wird.

§. 49. XIV. Entlassung der Invaliden aus dem Militairverhältniß.

Gegen Invaliden ist, wenn sie die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes verwirkt haben, bei militairischen Verbrechen statt dieser Strafe, bei gemeinen Verbrechen aber neben derselben, jederzeit auf Entlassung aus dem Militairverhältniß kriegsrechtlich zu erkennen.

§. 50. XV. Verlust der Diensttitel u. Pensionen.

Gegen pensionirte Offiziere ist statt der Kassation auf den Verlust aller Titel und zugleich auf die mit der Kassation verbundenen Ehrenstrafen (§. 43.) zu erkennen.
Im Uebrigen treffen einen solchergestalt verurtheilten Pensionair die unmittelbaren Folgen der Kassation (§. 42.) in eben dem Maaße, wie einen zu dieser Strafe verurtheilten Offizier.

§. 51.

Ist ein mit solchen Strafen (§. 50) zu belegendes Verbrechen vor der Pensionirung begangen, so ist im Erkenntniß zugleich der gänzliche Verlust der Pension auszusprechen; ist dasselbe aber im Pensionsstande verübt, so ist nach der Größe des Verbrechens auf den Verlust der Pension für immer oder für die Dauer der Strafe zu erkennen.

§. 52.

Haben pensionirte Offiziere ein Verbrechen begangen, welches, wenn sie noch im Dienst wären, die Entfernung aus dem Offizierstande zur Folge haben würde, so sind sie statt derselben des Rechts, den Diensttitel zu führen, verlustig zu erklären.
War das Verbrechen vor ihrer Pensionirung verübt, so muß zugleich auf den Verlust der Pension erkannt werden. [199]

§. 53.

Pensionirte Offiziere, welchen die Befugniß zur Anlegung der Offizieruniform zusteht, sind in den Fällen der §§. 50. und 52. zugleich des Rechts, die Offizieruniform zu tragen, für verlustig zu erklären.
Auf den Verlust dieses Rechts ist gegen diese Offiziere auch bei Verübung eines solchen Verbrechens zu erkennen, welches, wenn der zu Bestrafende noch im Dienst wäre, die Dienstentlassung zur Folge haben würde.

Zweiter Abschnitt. Von den bürgerlichen Strafen gegen Personen des Soldatenstandes.

§. 54. I. Todesstrafe.

Wird eine Person des Soldatenstandes nach den allgemeinen Landesgesetzen zur Todesstrafe verurtheilt, so ist in dem Erkenntniß zugleich die Ausstoßung des Verbrechers aus diesem Stande (Kassation, §. 44.) auszusprechen.

§. 55. II. Zuchthausstrafe.

Zuchthausstrafe darf gegen Unteroffiziere und Gemeine des Dienststandes nur bei gleichzeitig eintretender Ausstoßung aus dem Soldatenstande oder Entlassung aus dem Militairverhältniß erkannt werden.
Gegen Offiziere ist statt der Zuchthausstrafe auf verhältnißmäßigen Festungsarrest und zugleich auf Entfernung aus dem Offizierstande oder Kassation zu erkennen.
Anmerkung: Der § 55. Alinea 2. und der §. 56. sind durch §. 4. des Gesetzes vom 15. April 1852. außer Kraft gesetzt.
Vergl. Beilage Littr. F.

§. 56.

Ist in den allgemeinen Landesgesetzen dem richterlichen Ermessen die Wahl zwischen Zuchthausstrafe und einer anderen Freiheitsstrafe gelassen, so soll, wenn weder erschwerende Umstände noch Gründe zur Verschärfung der Strafe vorhanden sind, auf verhältnißmäßige militairische Festungs- oder Arreststrafe erkannt werden.

§. 57.

In nachstehenden Fällen, wenn wegen gemeiner Verbrechen:
a) ein Unteroffizier oder Gemeiner mit einer Freiheitsstrafe zu belegen ist, deren Dauer über zehn Jahre oder über die Dienstpflicht des zu Bestrafenden im zweiten Aufgebot der Landwehr (d. h. also in der Regel über das 39ste Lebensjahr des Verbrechers) hinausgeht,
b) ein Festungssträfling sich eines gemeinen Verbrechens schuldig macht, für welches die gegen ihn zu erkennende Festungsstrafe, einschließlich der in der Vollstreckung begriffenen, mindestens zehn auf einander folgende Jahre beträgt,
muß, insofern nicht Ausstoßung aus dem Soldatenstande verwirkt sein sollte, auf Entlassung des Verbrechers aus dem Soldatenstande und auf bürgerliche Freiheitsstrafe erkannt werden. [200]
Vergl. den Artikel 59. der Verfassung des Norddeutschen Bundes und die §§. 6. 7. des Gesetzes, betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienste, vom 9. November 1867. (Bundes-Gesetzbl. S. 131.); auch Gesetz vom 15. April 1852. §. 5.; Beilage Littr. F.

§. 58. III. Gefängnißstrafe.

Statt der Gefängnißstrafe ist
1) gegen Offiziere bis zur Dauer von sechs Wochen auf Stubenarrest, sonst aber auf Festungsarrest,
2) gegen Portepee-Unteroffiziere bis zur Dauer von zwölf Wochen auf gelinden Arrest, sonst aber auf Festungsarrest,
3) gegen Unteroffiziere ohne Portepee und gegen Gemeine bis zur Dauer von zwölf Wochen auf verhältnißmäßigen mittleren Arrest, sonst aber auf Festungsstrafe,
unter Berücksichtigung der Bestimmungen der §§. 63. und 66. zu erkennen.

§. 59. IV. Geldbuße.

Wo die allgemeinen Landesgesetze Geldbuße als alleinige Strafe verordnen, ist statt derselben nach Maaßgabe der §§. 58. und 66., insbesondere auch bei Beleidigungen der Militairpersonen des Soldatenstandes gegen Civilpersonen, stets auf Freiheitsstrafe, wo aber neben der Geldbuße eine Freiheitsstrafe verordnet wird, nur auf die letztere, unter verhältnißmäßiger Verlängerung derselben, zu erkennen.
Vergl. zu den §§. 59. 60. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 1.; Beilage Littr. F.

§. 60. V. Kassation und Amtsentsetzung.

In Fällen, wo nach den allgemeinen Landesgesetzen gegen Beamte die Kassation, verbunden mit Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter, eintritt, ist gegen Offiziere auf Entfernung aus dem Offizierstande und zugleich auf Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern zu erkennen.
Gegen Unteroffiziere und Gemeine tritt in dergleichen Fällen anstatt der Kassation, wenn nicht die Ausstoßung aus dem Soldatenstande erfolgen muß, die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes ein.

§. 61.

Wo gegen Beamte die einfache Kassation oder Amtsentsetzung eintritt, ist, insofern diese Strafe nicht blos als Folge des Festungsarrestes zu verhängen sein würde, gegen Offiziere auf Dienstentlassung und gegen Unteroffiziere auf Degradation zu erkennen. [201]

Dritter Abschnitt. Von dem Verhältniß der Strafen zu einander.

§. 62.

In dem Fall, wenn den gesetzlichen Bestimmungen gemäß die Umwandlung einer in diesem Gesetzbuch bestimmten Strafart in eine andere Strafart erfolgen muß, ist das nachstehende Verhältniß der Strafarten gegen einander zu beachten.

§. 63. I. Verhältniß d. militairischen Strafen zu einander. A. der Freiheitsstrafen.

Unter den militairischen Freiheitsstrafen sind gleichzustellen:
1) acht Monat Baugefangenschaft Einem Jahr Festungsstrafe;
2) vier Monat Festungsstrafe sechs Monaten Festungsarrest;
3) der Festungsarrest dem Stubenarrest und dem gelinden Arrest;
4) eine Woche strenger Arrest zwei Wochen mittlerem, oder vier Wochen gelindem Arrest.

§. 64. B. der körperlichen Züchtigung zur Freiheitsstrafe.

Körperliche Züchtigung von 20 Stockschlägen ist Einer Woche strengen Arrestes gleich zu achten.
Anmerkung: Der §. 64. ist durch den Allerhöchsten Erlaß vom 6. Mai 1848. aufgehoben.
Vergl. Beilage Littr. D.

§.65. C. der Degradation zur Freiheitsstrafe.

Die Degradation
1) vom Portepee-Unteroffizier zum Gemeinen ist einer sechsmonatlichen,
2) vom Unteroffizier ohne Portepee zum Gemeinen aber einer dreimonatlichen Festungsstrafe
gleich zu achten, und die Dauer der zu erkennenden Freiheitsstrafe nach diesem Verhältniß jedesmal abzukürzen.
Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 6; Beilage Littr. F.

§.66. II. Verhältniß d. militairischen zu den bürgerlichen Strafen.  A. der Freiheitsstrafen.

Unter den militairischen und bürgerlichen Freiheitsstrafen findet folgendes Verhältniß statt:
1) Baugefangenschaft steht der Zuchthausstrafe gleich,
2) Ein Jahr Festungsstrafe acht Monaten Zuchthausstrafe,
3) der gelinde Arrest der Gefängnißstrafe.
Anmerkung: Unter Gefängnißstrafe ist hier „polizeiliches Gefängniß“ verstanden. Das Verhältniß des „kriminellen Gefängnisses“ zu den militairischen Freiheitsstrafen ist im Gesetz vom 15. April 1852. §. 8. festgestellt. Beilage Littr. F. [202]

§. 67. B. der Geldbuße zur Freiheitsstrafe.

Fünf Thaler Geldbuße sind Einer Woche gelinden Arrestes gleich zu achten.
Bei zunehmender Größe der Geldbußen ist jedoch die an deren Stelle zu setzende Freiheitsstrafe nach einem allmälig abnehmenden Verhältniß dergestalt zu bestimmen, daß von dem Betrag von mehr als dreißig bis Einhundert Thalern, zwei Thaler, und von dem Betrag über Einhundert Thaler, drei Thaler, einem eintägigen gelinden Arrest gleich zu stellen sind.
Anmerkung: Der §. 67. ist aufgehoben und durch §. 11. des Gesetzes vom 15. April 1852. ersetzt.
Vergl. Beilage Littr. F.

§. 68. III. Allgemeine Bestimmungen.

Wenn Arreststrafen, Gefängnißstrafen, größere Geldbußen oder körperliche Züchtigung in Baugefangenschaft, Zuchthausstrafe oder Festungsstrafe umzuwandeln sind, so ist die Zeitfrist nur bis auf volle Wochen, wenn aber statt des gelinden Arrestes, der Gefängnißstrafe oder größerer Geldbußen mittlerer oder strenger Arrest eintreten soll, dieselbe nur bis auf volle Tage zu berechnen. In beiden Fällen kommen die hiernach verbleibenden kürzeren Zeitfristen nicht weiter in Anrechnung.
Vergl. den Allerhöchsten Erlaß vom 6. Mai 1848; Beilage Littr. D.

Vierter Abschnitt. Besondere Bestimmungen wegen Beurtheilung der Strafbarkeit.

§. 69. I. Theilnahme der Vorgesetzten an Verbrechen Untergebener im Komplott.

Hat an einem im Komplott begangenen Verbrechen ein Vorgesetzter Theil genommen, so ist er mit der Strafe des Anstifters zu belegen. Haben mehrere Vorgesetzte an einem solchen Verbrechen Theil genommen, so trifft den höchsten unter ihnen, bei gleichem Dienstgrad aber den Dienstältesten die Strafe des Anstifters.

§. 70. II. Ausschließung der Strafbarkeit.

Bei Verbrechen gegen die Subordination, sowie bei allen in Ausübung des Dienstes begangenen Verbrechen, soll der Zustand der Trunkenheit des Angeschuldigten die Anwendung der gesetzlichen Strafe nicht ausschließen.

§. 71.

Wird durch die Ausführung eines Befehls in Dienstsachen ein Strafgesetz verletzt, so ist dafür der befehlende Vorgesetzte in der Regel allein verantwortlich. Es trifft jedoch den gehorchenden Untergebenen die Strafe des Theilnehmers:
1) wenn er den ihm ertheilten Befehl überschritten hat, oder[203]
2) wenn ihm bekannt gewesen, daß der Befehl des Vorgesetzten eine Handlung betraf, welche offenbar ein Verbrechen bezweckte.
Vergl. die nachfolgende, in einem Spezialfalle unterm 27. März 1860. ertheilte authentische Interpretation des §. 71:
„Es ist, wenn durch pünktliche Ausführung eines Befehls in Dienstsachen ein Militair-Strafgesetz verletzt wird, der befehlende Vorgesetzte allein dafür verantwortlich und der gehorchende Untergebene kann nur strafbar werden, wenn in der Ausführung eine Verletzung der militairischen Treue liegt. – Das General-Auditoriat hat hiernach die Militairgerichte mit Instruktion zu versehen und sorgfältig darauf zu achten, daß bei Verletzung eines Militair-Strafgesetzes durch Ausführung eines Befehls in Dienstsachen der §. 71. Theil I. des Militair-Strafgesetzbuchs in diesem Sinne angewendet wird. “

§. 72. III: Aufhebung der Strafbarkeit.

Unbekanntschaft mit den Militair-Strafgesetzen und nicht erfolgte Ableistung des Diensteides darf weder als ein Grund zur Aufhebung der Strafbarkeit, noch zur Milderung der Strafe angesehen werden.

§. 73.

Die Bestimmungen der allgemeinen Landesgesetze wegen der Verjährung finden auf das Verbrechen der Desertion, dessen Strafbarkeit durch Verjährung niemals aufgehoben wird, keine Anwendung.
Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 1; Beilage Littr. F.

§. 74. IV. Zumessung der Strafe.

Bei der Zumessung der im Gesetz angeordneten Strafen sollen die höheren Grade derselben jedesmal eintreten:
1) gegen Vorgesetzte, welche an Verbrechen Untergebener Theil nehmen;
2) wenn Verbrechen unter Mißbrauch der Waffen oder der dienstlichen Autorität, oder während der Ausübung des Dienstes begangen werden;
3) wenn militairische Verbrechen im Kriege oder unter dem Gewehr, oder vor versammeltem Kriegsvolk – d. h. vor einer im Dienst oder in dienstlicher Ordnung versammelten Mannschaft von mindestens drei Personen – begangen werden;
4) wenn bei militairischen Verbrechen sich Mehrere zusammenrotten, oder sich derselben in Gegenwart einer Volksmenge schuldig machen;
5) wenn der Verbrecher bei seiner Vernehmung vor Gericht frecher Lügen sich schuldig macht.

§. 75.

Ist in den Militair-Strafgesetzen Arrest im Allgemeinen, ohne nähere Bezeichnung des Grades desselben angedroht, so sind darunter alle Grade dieser Strafart (§. 13.) begriffen. [204]

§. 76.

Ist in den Militair-Strafgesetzen bei Androhung von Arreststrafen das niedrigste Strafmaaß nicht angegeben, so kann die Strafe innerhalb der Grenzen der Disziplinarstrafgewalt im Disziplinarwege verhängt werden, insofern unter den obwaltenden Verhältnissen, nach dem pflichtmäßigen Ermessen des mit der Disziplinarstrafgewalt versehenen Befehlshabers, eine härtere Strafe nicht verwirkt erscheint.

§. 77. V. Schärfung der Strafe.

In Fällen, wo eine Verlängerung oder Schärfung der Strafe in den Militair-Strafgesetzen vorgeschrieben ist, darf diese zwar das bestimmte höchste Maaß, aber nicht das doppelte desselben übersteigen.
Auch darf eine Verlängerung oder Verschärfung über das höchste Maaß hinaus bei denjenigen Strafarten nicht stattfinden, bei welchen dies ausdrücklich untersagt ist, wie bei dem strengen Arrest, dem Stubenarrest und der körperlichen Züchtigung.
Vergl. den Allerhöchsten Erlaß vom 6. Mai 1848; Beilage Littr. D.

§. 78. A. gegen Schildwachen, einzelne Posten und bewaffnete Patrouilleurs.

Alle von Schildwachen, einzelnen Posten oder bewaffneten Patrouilleurs begangene Verbrechen sind, insofern dafür nicht besondere Strafen angedroht worden, mit geschärfter Strafe zu belegen.

§. 79. B. beim Zusammentreffen mehrerer Verbrechen.

Treffen bei der Bestrafung mehrere Verbrechen zusammen, wofür in den Militair-Strafgesetzen nur Arreststrafen angedroht sind, so ist auf den schwersten gegen den zu Bestrafenden zulässigen Arrestgrad zu erkennen.
Uebersteigt in diesen Fällen der Stubenarrest oder der strenge Arrest die Dauer von sechs Wochen, der gelinde oder der mittlere Arrest aber die Dauer von zwölf Wochen, so ist nach §. 63. auf verhältnißmäßigen Festungsarrest oder Festungsstrafe zu erkennen.

§. 80. C. beim Rückfall.

Wer nach rechtskräftiger Verurtheilung, mag dieselbe nach den Militair-Strafgesetzen oder nach anderen Gesetzen erfolgt sein, von Neuem in ein Verbrechen derselben Art verfällt, ist mit geschärfter Strafe zu belegen, sofern die Gesetze für den Rückfall in dieses Verbrechen keine besondere Strafe vorschreiben.
War wegen eines früher verübten gleichartigen militairischen Verbrechens auf Festungsstrafe rechtskräftig erkannt, so tritt bei Bestrafung des Rückfalles stets neben der sonst verwirkten Strafe die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes ein.[205]

§. 81.

Die Strafe des Rückfalles darf jedoch sowohl in den Fällen des §. 80. als auch in denjenigen Fällen, wo für den Rückfall eine besondere Strafe gesetzlich vorgeschrieben ist, erst dann verhängt werden, wenn gegen den Angeschuldigten vor der Verübung des zu bestrafenden Verbrechens wegen eines früher begangenen gleichartigen Verbrechens auf die ordentliche Strafe rechtskräftig erkannt ist.
Anmerkung: Der §. 81. ist durch §. 12. des Gesetzes vom 15. April 1852. außer Kraft gesetzt. Beilage Littr. F.

§. 82.

Gegen Gemeine, die wegen geringer militairischer Vergehungen bereits zweimal gerichtlich bestraft und wegen solcher Vergehungen zum dritten Mal gerichtlich zu bestrafen sind, kann neben der verwirkten Freiheitsstrafe, wenn ihr bösartiges Gemüth und ihre schlechte Führung die Fruchtlosigkeit der früher erlittenen Strafen darthun, auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes erkannt werden. Unteroffiziere haben in solchen Fällen die Degradation verwirkt.

Fünfter Abschnitt. Von der Bestrafung der Militairbeamten.

§. 83.

Militairbeamte sind sowohl wegen Amts- als wegen gemeiner Verbrechen, mit Ausnahme der in diesem Strafgesetzbuche (Th. I. Tit. 2. Abschn. 3.) ausdrücklich benannten Fälle, nach den Vorschriften der allgemeinen Landesgesetze zu bestrafen.
Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 1.; Beilage Littr. F.

§. 84.

Wenn gegen obere Militairbeamte auf Freiheitsstrafe zu erkennen ist, so müssen die gegen Offiziere zulässigen Strafarten eintreten.

§. 85.

Ist gegen Militair-Unterbeamte auf Freiheitsstrafe zu erkennen, so muß gelinder Arrest oder Festungsarrest eintreten.

§. 86.

Gegen Militairbeamte ist mit der Verurtheilung zur Kassation oder Amtsentsetzung und bei denjenigen, welche vertragsmäßig auf Kündigung angestellt sind, mit der Entlassung aus ihrem Dienstverhältniß, auf die in den allgemeinen Landesgesetzen vorgeschriebenen Strafarten zu erkennen. [206]

Zweiter Titel. Von den einzelnen Verbrechen und deren Bestrafung.

Erster Abschnitt. Von den militairischen Verbrechen der Personen des Soldatenstandes.

§. 87. I. Verbrechen gegen die militairische Treue. A. Verrath. 1. Hochverrath, Majestätsverbrechen, Landesverrath im Frieden.

Hochverrath, Majestätsverbrechen und Landesverrath im Frieden sind, wenn sie von Personen des Soldatenstandes begangen werden, zwar nach den allgemeinen Landesgesetzen zu beurtheilen, jedoch ist die danach verwirkte Strafe zu schärfen, sofern dieselbe eine Verschärfung zuläßt.
Vergl. zu den §§. 86. 87. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 1.; Beilage Littr. F.

§. 88. 2. Kriegsverrath.

Wer vorsätzlich die Unternehmungen des Feindes befördert, oder zur Begünstigung desselben den Preußischen oder verbündeten Truppen Nachtheil bereitet, insbesondere wer
1) sich der, in den allgemeinen Landesgesetzen in Bezug auf den Krieg als Landesverrätherei bezeichneten Verbrechen schuldig macht,
2) dem Feinde das Geheimniß des Postens, das Feldgeschrei oder die Losung offenbart, oder
3) zur Begünstigung des Feindes
a) die ihm ertheilten Befehle unausgeführt läßt, oder mangelhaft ausführt,
b) falsche Meldungen macht, oder richtige zu machen unterläßt,
begeht einen Kriegsverrath und hat Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes, Kassation und Festungsstrafe, nach Umständen bis zu lebenswieriger Dauer, oder, wenn durch den Verrath ein erheblicher Nachtheil entstanden ist, die Todesstrafe verwirkt.
Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 13.; Beilage Littr. F.

§. 89.

Wer von verrätherischen Handlungen oder Absichten (§§. 87. und 88.) Kenntniß erhält und es unterläßt, seinen Vorgesetzten dies sofort anzuzeigen, ist als Mitschuldiger anzusehen, und ebenso wie der Verräther selbst zu bestrafen. [207]

§. 90.

Dagegen soll jeder Mitschuldige an einem Verrath (§§. 87. und 88.), welcher von demselben zu einer Zeit, wo die Dienstbehörde nicht schon anderweitig davon unterrichtet war, und wo der Ausführung noch vorgebeugt werden kann, Anzeige macht und seine Mitschuldigen angiebt, mit Strafe verschont werden.

§. 91. B. Desertion. 1. Begriff.

Wer nach seinem Eintritt in den Soldatenstand sich durch Entweichung seinen militairischen Dienstverhältnissen entzieht, begeht das Verbrechen der Desertion.

§. 92. 2. Umstände, welche die Vermuthung für das Verbrechen der Desertion begründen. a) gegen Personen des Dienststandes.

Bei Unteroffizieren und Gemeinen des Dienststandes gilt, so lange sie nicht das Gegentheil beweisen, die Vermuthung für das Verbrechen der Desertion, wenn sie
1) von ihrem Truppentheil oder Kommando sich ohne Urlaub entfernen, und in Friedenszeiten über 48 Stunden, in Kriegszeiten aber über 24 Stunden ausbleiben;
2) den auf bestimmte Zeit erhaltenen Urlaub länger als 8 Tage überschreiten, oder, falls sie vor Ablauf des Urlaubs zurückberufen werden, sich nicht sofort gestellen;
3) in Kriegszeiten es unterlassen, sich dem Truppentheil, von welchem sie abgekommen sind, oder dem nächsten Truppentheil sobald als möglich wieder anzuschließen, oder
4) sich nach beendigter Kriegsgefangenschaft nicht sofort bei den Truppen melden.
Vergl. den nachfolgenden Allerhöchsten Erlaß vom 29. Oktober 1859., betreffend die Modifizirung der Bestimmungen des §. 92. Nr. 1. und 2. und des §. 97:
Auf Ihren Antrag will Ich zu den §§. 92. Nr. 1. 2. und 97. Theil I. des Militair-Strafgesetzbuchs Folgendes bestimmen:
I. Bei Gemeinen des Dienststandes, welche noch nicht volle sechs Monate dienen, soll in Friedenszeiten die Vermuthung für das Vergehen der Desertion bis zum Beweise des Gegentheils erst dann gelten, wenn sie sich von ihren Truppentheilen ohne Urlaub entfernen und über 14 Tage ausbleiben, oder den auf bestimmte Zeit erhaltenen Urlaub länger als 14 Tage überschreiten.
II. Wenn Gemeine des Dienststandes, welche noch nicht volle sechs Monate dienen, in Friedenszeiten entweichen und innerhalb 14 Tagen, oder wenn sie auf bestimmte Zeit beurlaubt waren, innerhalb 14 Tagen nach Ablauf des Urlaubs freiwillig zurückkehren, sollen sie nicht mit der Strafe der Desertion, sondern nur mit der Strafe der unerlaubten Entfernung oder Urlaubsüberschreitung belegt werden.
III. Die vorstehenden Bestimmungen unter I. und II. bleiben außer Anwendung, wenn die vorbezeichneten Gemeinen
1) zu einem Kommando, oder
2) zu einem Truppentheil, der in Friedenszeiten kriegsbereit oder mobil gemacht ist,
gehören, vielmehr bewendet es alsdann bei den Vorschriften der §§. 92. Nr 1. 2. und 97. Theil I. des Militair-Strafgesetzbuchs.
IV. Diese Verordnung tritt sofort in Kraft und ist auf alle bis jetzt noch nicht rechtskräftig erledigte Fälle anzuwenden.
Berlin, den 29. Oktober 1859.
  Im Namen Seiner Majestät des Königs.
 (gez.) Wilhelm, Prinz von Preußen, Regent.
  (gegengez.) von Bonin.

An den Kriegsminister. [208]

§. 93.

Gegen Offiziere des Dienststandes begründen diese Umstände (§. 92.) erst in Verbindung mit andern nahen Anzeigen die Vermuthung der Desertion.

§. 94. b) gegen die auf unbestimmte Zeit von ihren Truppentheilen Beurlaubten und gegen Reservisten.

Gegen die auf unbestimmte Zeit von ihren Truppentheilen Beurlaubten und gegen Reservisten gilt, bis zum Beweise des Gegentheils, die Vermuthung für das Verbrechen der Desertion,
1) wenn sie ohne Erlaubniß auswandern oder in fremde Kriegsdienste treten,
2) wenn sie
a)nach Empfang der Einberufungsorder von ihrem bisherigen Wohnort ohne Erlaubniß sich entfernen, oder sich versteckt halten, oder
b)die vorgeschriebene Meldung ihrer Aufenthaltsveränderung bei der Landwehrbehörde unterlassen haben,
und sich auch dann nicht einfinden oder melden, sobald eine öffentliche Aufforderung erfolgt, oder der Krieg ausbricht.
Vergl. den Artikel 59. der Verfassung des Norddeutschen Bundes.

§. 95. 3. Strafe gegen wieder eingebrachte Deserteure: a) in Friedenszeiten.

Die Desertion in Friedenszeiten ist
1) das erste Mal mit sechsmonatlicher bis zweijähriger Festungsstrafe,
2) beim ersten Rückfall mit zwei- bis vierjähriger Festungsstrafe,
3) beim zweiten Rückfall mit Ausstoßung aus dem Soldatenstande und zehn- bis fünfzehnjähriger Baugefangenschaft
zu bestrafen. [209]

§. 96.

Wer sich der Dersertion im Frieden schuldig macht, nachdem er wegen Desertion im Kriege rechtskräftig verurtheilt worden, hat vier- bis zehnjährige Festungsstrafe verwirkt.

§. 97.

Diejenigen Personen des Dienststandes, welche in Friedenszeiten entweichen, und innerhalb acht und vierzig Stunden, oder wenn sie auf bestimmte Zeit beurlaubt waren, innerhalb acht Tagen nach Ablauf des Urlaubs freiwillig zurückkehren, sollen nicht mit der Strafe der Desertion, sondern nur mit der Strafe der unerlaubten Entfernung, oder Urlaubsüberschreitung belegt werden.
Vergl. die Anmerkung zu §. 92. Theil 1. dieses Gesetzbuchs.

§. 98.

Wer nach seiner Entweichung im Frieden innerhalb Jahresfrist freiwillig zurückkehrt, ist mit dem niedrigsten Grad der verwirkten Freiheitsstrafe zu belegen, und wenn er sich im ersten Verübungsfall befindet, so kann bei besonders mildernden Umständen von der außerdem für das Verbrechen der Desertion vorgeschriebenen Strafe abgegangen werden (§. 103.).

§. 99. b) in Kriegszeiten.

Die Desertion in Kriegszeiten ist das erste Mal mit sechs- bis zehnjähriger Festungsstrafe, im Rückfall aber mit dem Tode zu bestrafen.

§. 100.

Wer von seinem Posten vor dem Feinde, oder aus einer belagerten Festung desertirt, oder wer zum Feinde übergeht, ist mit dem Tode zu bestrafen.

§. 101. c) im Komplott.

Haben in Friedenszeiten zwei oder Mehrere ein Komplott zur Desertion gemacht, und die letztere ausgeführt, so hat jeder Theilnehmer fünf- bis zehnjährige Festungsstrafe verwirkt. Liegt dabei ein Rückfall zur Bestrafung vor, so wird die wegen der Desertion an sich verwirkte Freiheitsstrafe (§. 95.) durch Verlängerung um fünf bis zehn Jahre geschärft.
Ist in Fällen, wo ein Komplott zur Desertion gemacht worden, die Desertion nicht ausgeführt und liegt der Fall eines beendigten Versuchs vor, so ist die Strafe auf zwei Drittel; liegt der Fall eines nicht beendigten Versuchs vor, auf die Hälfte der Strafe herabzusetzen, welche zu erkennen sein würde, wenn die Desertion zur Ausführung gekommen wäre.
Gegen den Anstifter des Komplotts und den Rädelsführer wird die hiernach von den Theilnehmern verwirkte Strafe des ausgeführten oder versuchten Desertionskomplotts um die Hälfte verschärft. [210]

§. 102.

In Kriegszeiten haben die Theilnehmer eines Desertionskomplotts, wenn die Desertion zur Ausführung gekommen ist, und nicht der Fall des §. 100. vorliegt, Ausstoßung aus dem Soldatenstande und zehn- bis zwanzigjährige Baugefangenschaft verwirkt.
Ist die Desertion nicht ausgeführt, so ist die Strafe nach den Grundsätzen des §. 101. zu ermäßigen.
Den Anstifter des Desertionskomplotts und den Rädelsführer aber trifft, die Desertion mag ausgeführt sein oder nicht, die Todesstrafe.

§. 103. d) Allgmeine Bestimmungen.

Außer der Freiheitsstrafe ist bei dem Verbrechen der Desertion, insofern nicht Ausstoßung aus dem Soldatenstande eintreten muß, auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes zu erkennen.

§. 104.

Gegen Deserteure, welche nach dem Attest eines Militairarztes zur Aufnahme in eine Festungs-Strafsektion, sowie zur Fortsetzung des Militairdienstes untauglich sind, ist, insofern nicht Ausstoßung aus dem Soldatenstande eintreten muß, auf Entlassung aus dem Militairverhältniß und, statt der gesetzlich verwirkten Festungsstrafe, auf verhältnißmäßige Zuchthausstrafe zu erkennen.
Anmerkung: An die Stelle der im §. 104. erwähnten Zuchthausstrafe ist in Folge der neueren Gesetzgebung „ Gefängnißstrafe “ getreten.

§. 105.

Militairsträflinge, welche aus der Strafabtheilung entweichen, sind jederzeit mit körperlicher Züchtigung zu belegen.
Außer dieser Strafe trifft sie:
a) in Friedenszeiten, insofern nicht der Fall des §. 101. vorliegt, sechswöchentlicher strenger Arrest und Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes;
b) im Rückfall aber, sowie
c) in Kriegszeiten
die Strafe der Desertion nach §§. 95. ff.
Jedoch soll weder in dem Fall zu Littr. b. noch in anderen Desertionsfällen, bei Bestimmung der Strafe, die erste Entweichung aus der Strafabtheilung (Littr. a. ) als ein Desertionsfall mitgerechnet werden.
Vergl. den Allerhöchsten Erlaß vom 6. Mai 1848. Beilage Littr. D.

§. 106.

Auf ein erhöhtes Strafmaaß innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzen ist gegen diejenigen Deserteure zu erkennen, welche
1) entwichen sind, während sie mit einer Dienstleistung beauftragt waren;
2) von ihren Montirungsstücken solche mitgenommen haben, deren sie nicht nothwendig zu ihrer Bekleidung bedurften; [211]
3) unter Mitnahme ihrer Waffen oder ihres Dienstpferdes entwichen sind;
4) die Entweichung mit Gewalt an Sachen verübt, oder
5) zur Verheimlichung ihres Verbrechens einen falschen Namen sich beigelegt haben.

§. 107.

Auf geschärfte Freiheitsstrafe ist gegen Deserteure zu erkennen, wenn sie
1) vor ihrer rechtskräftigen Verurtheilung wegen Desertion dieses Verbrechen wiederholen;
2) bereits wegen Desertion im Frieden rechtskräftig verurtheilt sind, und das Verbrechen der Desertion im Kriege begehen;
3) zum Dienste gehören und in ausländische Militairdienste treten.

§. 108. 4. Strafe gegen abwesende Deserteure.

Gegen Personen, deren man nach der Entweichung nicht habhaft werden kann, ist nach Vorschrift der Strafgerichts-Ordnung das Kontumazialverfahren einzuleiten. Findet sich der Abwesende auf die öffentliche Vorladung nicht ein, so ist er durch das Kontumazial-Urtheil für einen Deserteur zu erklären; auch ist zugleich auf die Konfiskation seines Vermögens zu erkennen.
Vergl. zu den §§. 108. 109. das Gesetz, betreffend die an Stelle der Vermögenskonfiskation gegen Deserteure und ausgetretene Militairpflichtige zu verhängende Geldbuße, vom 11. März 1850. (Gesetz-Samml. für die Königlich Preußischen Staaten für 1850. S. 271.) – Beilage Littr. E. – wonach an die Stelle der Vermögenskonfiskation als Strafe gegen abwesende Deserteure Geldbuße von fünfzig bis Eintausend Thalern getreten ist.

§. 109.

Gegen Personen des Soldatenstandes, welche nach einem Gefecht oder Rückzuge vermißt werden und innerhalb eines Jahres nach geschlossenem Frieden und nach Auslieferung der Gefangenen von ihrem Leben und Aufenthalt keine Nachricht geben, tritt, nach fruchtloser Vorladung durch die öffentlichen Blätter, die Vermuthung des erfolgten Todes ein, und findet gegen sie das Kontumazialverfahren zum Zweck der Vermögenskonfiskation nicht statt, insofern sich nicht später ermittelt, daß sie des Verbrechens der Desertion sich schuldig gemacht haben.

§. 110. 5. Strafe der Mitwissenschaft u. Hülfeleistung.

Wer ein zu seiner Kenntniß gelangtes Desertionsvorhaben seinem Vorgesetzten anzuzeigen unterläßt, hat, nach Maaßgabe der Strafbarkeit dieses Vorhabens, Arrest bis zu drei Wochen, in Kriegszeiten aber sechsmonatliche bis einjährige Festungsstrafe verwirkt.
Ist das Desertionsvorhaben zur Ausführung gekommen, während es durch rechtzeitige Anzeige hätte verhindert werden können, so ist die Unterlassung der Anzeige mit sechswöchentlichem strengen Arrest bis sechsmonatlicher Festungsstrafe, in Kriegszeiten aber mit ein- bis dreijähriger Festungsstrafe zu ahnden. [212]

§. 111.

Wer einen Andern zur Desertion verleitet, ohne selbst zu desertiren, oder wer einem Deserteur wesentliche Hülfe zum Entkommen leistet, ist ebenso zu bestrafen, als ob er selbst zu der Zeit, wo er dieses Verbrechen verübt, zum ersten Male desertirt wäre.
Ist die Desertion nicht zur Ausführung gekommen, so muß die Strafbarkeit des Verleiters und des Gehülfen, ebenso wie des Thäters selbst, nach den allgemeinen Grundsätzen über die Bestrafung des Versuchs eines Verbrechens beurtheilt werden.

§. 112. 6. Strafe gegen Invaliden.

Wenn Invaliden, welche zu besonderen Dienstleistungen nicht kommandirt sind, aus den Invaliden-Versorgungsanstalten (Invalidenhäusern, Veteranen-Sektionen, Invaliden-Kompagnien) entweichen, so sind sie nicht als Deserteure zu verfolgen und zu bestrafen, sondern nur mit der Strafe der unerlaubten Entfernung zu belegen.

§. 113. C. Verstümmelung.

Wer in der Absicht, zum Dienst sich untauglich zu machen, seine Verstümmelung oder Verunstaltung bewirkt, soll, wenn er diese Absicht nicht vollständig erreicht hat, sondern noch zu Dienstleistungen und Arbeiten für militairische Zwecke verwendet werden kann, in die zweite Klasse des Soldatenstandes versetzt und mit sechswöchentlichem strengen Arrest oder mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten, in Kriegszeiten aber mit sechsmonatlicher bis zweijähriger Festungsstrafe belegt und zur Ableistung seiner Dienstverpflichtung, in eine Arbeiter-Abtheilung eingestellt werden.
Hat die Verstümmelung oder Verunstaltung aber die gänzliche Untauglichkeit zu Dienstleistungen und Arbeiten für militairische Zwecke zur Folge, so ist Ausstoßung aus dem Soldatenstande und ein- bis dreijährige Baugefangenschaft verwirkt.

§. 114.

Ebenso, wie derjenige, welcher sich selbst verstümmelt oder verunstaltet hat, ist zu bestrafen, wer einen Anderen mit dessen Zustimmung in der Absicht, ihn zum Dienst untauglich zu machen, verstümmelt oder verunstaltet.
Hat er hierbei zugleich eine besondere Amts- oder Berufspflicht verletzt, so soll jederzeit zugleich auf Amtsentsetzung, oder auf den Verlust der Befugniß zur Betreibung der Kunst oder des Gewerbes für immer oder auf bestimmte Zeit erkannt werden.

§. 115. D. Simulation.

Wer durch wahrheitswidrige Vorschützung von Krankheiten, oder durch ähnliche betrügliche Mittel, sich der Verpflichtung zum Militairdienst zu entziehen sucht, ist in die zweite Klasse des Soldatenstandes zu versetzen und mit sechswöchentlichem strengen Arrest oder mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten, in Kriegszeiten aber mit sechsmonatlicher bis zweijähriger Festungsstrafe zu belegen. [213]

§. 116. II. Verletzung der Dienstpflichten aus Furcht vor persönlicher Gefahr.

Die Verletzung der Dienstpflichten aus Furcht vor persönlicher Gefahr ist ebenso zu bestrafen, wie die Verletzung der Dienstpflichten aus Vorsatz.

§. 117.

Wer im Kriege vor dem Feinde aus Feigheit zuerst die Flucht ergreift und die Kameraden durch Worte oder Zeichen zur Flucht verleitet, hat die Todesstrafe verwirkt und kann auf der Stelle niedergestoßen werden.

§. 118.

Wer außerdem aus Furcht vor persönlicher Gefahr seiner Dienstpflicht zuwider handelt, insbesondere wer:
1) vor dem Feinde die Flucht ergreift, heimlich zurückbleibt, sich wegschleicht oder versteckt hält,
2) Munition oder Waffen von sich wirft, oder im Stich läßt,
3) irgend ein Leiden wahrheitswidrig vorschützt, um zurückzubleiben und der Gefahr sich zu entziehen,
soll mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes und mit strengem Arrest oder Festungsstrafe bis zu drei Jahren belegt werden, insofern ihn nicht nach § 116. eine härtere Strafe treffen muß.

§. 119.

Wenn aus einer solchen Verletzung der Dienstpflichten (§§. 116. und 118.) Nachtheil entstanden, oder zu befürchten gewesen ist, insbesondere wenn dadurch Preußische Unterthanen oder Verbündete in Gefangenschaft gerathen, verwundet worden, oder ums Leben gekommen sind, so ist auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes und dreijährige bis lebenswierige Festungsstrafe, oder selbst auf Todesstrafe zu erkennen.

§. 120.

Legt jedoch in den Fällen der §§. 116. 118. und 119. der Angeschuldigte vor seiner Verurtheilung oder vor Vollstreckung der Strafe hervorstechende Beweise von Muth ab, so kann die Strafe unter das niedrigste gesetzliche Maaß herabsetzt, nach Umständen auch ganz erlassen werden. [214]

§. 121.

Die Strafe, welche den Kommandanten einer belagerten Festung und die mit ihm für die Vertheidigung des Platzes verantwortlichen Offiziere wegen Pflichtverletzung trifft, ist jedesmal zu verschärfen, wenn sie den ihnen ertheilten besonderen Instruktionen zuwiderhandeln. Sind darin für bestimmte Fälle Strafen angedroht, so ist danach die Strafbarkeit der Pflichtverletzung in solchen Fällen zu beurtheilen.

§. 122. III Verbrechen gegen die Subordination. A. Vorschriftswidriges Anbringen von Gesuchen und Beschwerden.

Wer unter Abweichung von dem vorgeschriebenen Dienstweg Gesuche oder Beschwerden anbringt, soll mit Arrest bestraft werden.

§. 123. B. Achtungswidriges Betragen, 1. außer dem Dienst.

Wer außer dem Dienst dem Vorgesetzten oder dem Höheren im Range die schuldige Achtung und Ehrerbietung nicht erweist, ist mit Arrest zu bestrafen.

§. 124. 2. im Dienst.

Wer im Dienst sich achtungswidrig gegen den Vorgesetzten beträgt, laut Beschwerde führt, oder auf einen erhaltenen Verweis, ohne von dem Vorgesetzten dazu aufgefordert zu sein, sich gegen denselben verantwortet, ist nach Umständen mit mittlerem oder strengen Arrest zu bestrafen.
Wenn die achtungswidrigen Aeußerungen in Beleidigungen durch Worte, Geberden oder Zeichen, oder in wörtliche Drohungen übergegangen sind, oder wenn das Verbrechen vor versammeltem Kriegsvolk verübt worden ist, so tritt strenger Arrest von mindestens vier Wochen oder Festungsstrafe bis zu drei Jahren ein. Auch kann gegen Offiziere in solchen Fällen, bei besonders erschwerenden Umständen, außer der Freiheitsstrafe auf Dienstentlassung erkannt werden.

§. 125. C. Ungehorsam gegen Dienstbefehle.

Ungehorsam gegen Dienstbefehle durch Nichtbefolgung, Abänderung oder Ueberschreitung derselben ist mit Arrest zu bestrafen.
Ist durch den Ungehorsam ein erheblicher Nachtheil für den Dienst entstanden, oder zu besorgen gewesen, so tritt Festungsstrafe bis zu zehn Jahren ein. Im Kriege kann diese Strafe bis zu lebenswieriger Dauer verlängert werden.

§. 126. D. Ausdrückliche Verweigerung des Gehorsams und Widersetzlichkeit.

Wer die Absicht, einen erhaltenen Dienstbefehl nicht zu befolgen, durch Worte oder Geberden, durch Entlaufen, Losreißen, oder sonst durch Handlungen zu erkennen giebt, die jedoch nicht in Thätlichkeiten gegen den Vorgesetzten oder in den Versuch zu diesem Verbrechen übergehen, imgleichen derjenige, welcher den Vorgesetzten über einen erhaltenen Dienstbefehl oder Verweis zur Rede stellt, ist mit strengem Arrest von mindestens vier Wochen oder mit Festungsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. [215]

§. 127.

Wird das Verbrechen der ausdrücklichen Verweigerung des Gehorsams oder der Widersetzlichkeit (§. 126.) vor versammeltem Kriegsvolk verübt, oder sind damit Beleidigungen durch Worte, Geberden oder Zeichen, oder der Versuch eines thätlichen Angriffs gegen den Vorgesetzten verbunden, so ist auf Festungsstrafe bis zu zehn Jahren und, nach Umständen, auf Dienstentlassung, im Kriege aber auf Festungsstrafe bis zu zwanzig Jahren und auf Dienstentlassung, oder nach Umständen auf Entfernung aus dem Offizierstande zu erkennen (§. 185.).

§. 128. E. Thätliche Widersetzung und versuchter Angriff mit der Waffe.

Wer einen seiner Vorgesetzten thätlich angreift, oder denselben mit der Waffe anzugreifen versucht, hat im Kriege die Todesstrafe verwirkt.
Im Frieden tritt wegen dieses Verbrechens zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe, insofern aber die Thätlichkeit in schwere Körperverletzung übergegangen ist, oder andere besonders erschwerende Umstände vorhanden sind, ebenfalls die Todesstrafe ein.
Gegen Offiziere ist, wenn nicht die Todesstrafe verwirkt ist, außer der Freiheitsstrafe auf Dienstentlassung, oder nach Umständen auf Entfernung aus dem Offizierstande zu erkennen.

§. 129.

Hat der Vorgesetzte durch Ueberschreitung der Grenzen seiner rechtmäßigen Gewalt, oder durch herabwürdigende Behandlung des Untergebenen, denselben in den Fällen der §§. 123 – 128. zu dem Verbrechen gegen die Subordination gereizt, so ist dies nicht allein ein Milderungsgrund bei Zumessung der Strafe, sondern es kann alsdann auch von den außer der Freiheitsstrafe sonst zu erkennenden Strafen abgegangen, und in den Fällen des §. 128., wenn Todesstrafe verwirkt sein würde, statt derselben auf zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe erkannt, wenn aber Festungsstrafe eintritt, bis auf das Maaß von fünf Jahren herabgegangen werden.

§. 130. F. Beleidigung der Untergebenen gegen Vorgesetzte.

Beleidigungen der Untergebenen gegen Vorgesetzte, auch wenn sie außer dem Dienst verübt werden, sind als Vergehungen gegen die Subordination anzusehen und nach §§. 124. und 128. zu bestrafen.

§. 131.

Bei Bestimmung des Strafmaaßes wegen Beleidigungen ist, außer den allgemeinen Zumessungsgründen, das militairische Rangverhältniß des Beleidigten, nicht aber dessen Standesverhältniß im bürgerlichen Leben zu berücksichtigen.
Hat der Vorgesetzte die ihm widerfahrene Ehrenkränkung durch eine gesetzwidrige Behandlung des Untergebenen herbeigeführt, oder demselben durch unpassende Vertraulichkeit Veranlassung gegeben, die schuldige Achtung zu vergessen, so ist die sonst verwirkte Strafe nach §. 129. zu mildern. [216]
Sind Beleidigungen durch Verbreitung schmähender Schriften oder Darstellungen vorgefallen, so ist die an sich verwirkte Strafe der wörtlichen Beleidigung zu schärfen.

§. 132. G. Duelle aus dienstlicher Veranlassung.

Wer einen Vorgesetzten oder einen Höheren im Range aus dienstlicher Veranlassung zum Zweikampf herausfordert, ist mit Festungsarrest oder Festungsstrafe von mindestens Einem Jahre und mit Dienstentlassung zu bestrafen.
Gleiche Strafe soll denjenigen treffen, der eine solche Herausforderung annimmt.

§. 133.

Die Vollziehung eines solchen Zweikampfs (§. 132.) ist mit Festungsarrest oder Festungsstrafe von mindestens fünf Jahren und mit Dienstentlassung zu bestrafen.

§. 134. H. Beleidigung, Ungehorsam u. Widersetzung gegen Wachen und Landgendarmen.

Wer sich gegen Wachen (Ronden, Patrouillen, Schildwachen, Sauvegarden, Eskorten und Kasernenwachen, überhaupt militairische Wachen jeder Art), welche in Ausübung des Dienstes begriffen und als solche zu erkennen sind, der Beleidigung, des Ungehorsams oder der Widersetzlichkeit schuldig macht, ist ebenso zu bestrafen, als wenn er das Verbrechen gegen einen Vorgesetzten verübt hätte.
Eine gleiche Bestrafung findet Statt, wenn ein solches Verbrechen gegen Landgendarmen bei Ausübung ihres Dienstes begangen wird.

§. 135. J. Aufwiegelung.

Wer vor versammeltem Kriegsvolk in der Absicht, seine Kameraden zur Verweigerung des Gehorsams gegen ihren Vorgesetzten zu verleiten, oder von demselben etwas zu erzwingen, oder ihn von einer Diensthandlung abzuhalten, sich ungeziemend beträgt oder laut Beschwerde führt, soll, selbst wenn letztere begründet wäre, nach Maaßgabe des zu befürchten gewesenen oder wirklich gestifteten Nachtheils, mit sechs- bis zwanzigjähriger Festungsstrafe und nach Umständen mit Dienstentlassung, in Kriegszeiten aber mit dem Tode bestraft werden.
Gleiche Strafe trifft denjenigen, der auf andere Weise seine Kameraden zum Ungehorsam oder zur Widersetzung gegen den Vorgesetzten zu verleiten sucht, insofern nicht der Fall des §. 137. vorliegt.

§. 136.

Wer die Absicht, in Beziehung auf den Dienst Mißvergnügen unter seinen Kameraden zu erregen, durch Worte oder andere Aeußerungen zu erkennen giebt, soll mit Arrest, oder mit Festungsstrafe bis zu drei Jahren, im Kriege aber mit strengem Arrest, oder mit Festungsstrafe bis zu sechs Jahren belegt werden. [217]

§. 137. K. Meuterei.

Wenn zwei oder mehrere Personen des Soldatenstandes wegen Verübung eines Verbrechens gegen die Subordination vorher übereingekommen sind, so sollen Anstifter und Theilnehmer der Meuterei mit der für das vollendete Verbrechen vorgeschriebenen Strafe, und wenn dasselbe ausgeführt worden ist, mit dieser Strafe in geschärftem Maaß belegt werden.

§. 138.

Dagegen sollen diejenigen Theilnehmer, welche von der Meuterei zu einer Zeit, wo die Dienstbehörde nicht schon anderweitig davon unterrichtet war und wo der Ausführung noch vorgebeugt werden kann, vollständige Anzeige machen, und ihre Mitschuldigen angeben, mit Strafe verschont werden.

§. 139.

Wer von einer Meuterei Kenntniß erhält, und aus Fahrlässigkeit unterläßt, davon der Dienstbehörde sofort Anzeige zu machen, soll mit Arrest, oder mit Festungsstrafe bis zu drei Jahren belegt werden.
Unterläßt er aber die Anzeige aus Vorsatz, so trifft ihn die Strafe des Theilnehmers.

§. 140. L. Militairischer Aufruhr.

Wenn drei oder mehrere Personen sich öffentlich zusammenrotten und die Absicht zu erkennen geben, sich dem Vorgesetzten mit vereinter Gewalt zu widersetzen, oder etwas von ihm zu erzwingen, oder Rache an ihm zu nehmen, so sollen Anstifter, Anführer und Rädelsführer des Aufruhrs mit dem Tode, die übrigen Theilnehmer aber mit zehn- bis zwanzigjähriger Festungsstrafe und Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes bestraft werden.
Hat an dem Aufruhr ein Vorgesetzter Theil genommen, so ist er mit der Strafe des Anstifters zu belegen. Haben mehrere Vorgesetzte an dem Verbrechen Theil genommen, so trifft den höchsten unter ihnen, und bei gleichem Dienstgrad den Dienstälteste, die Strafe des Anstifters.

§. 141.

Ist der Aufruhr in der Nähe des Feindes, oder mit bewaffneter Hand, oder unter Gewaltthätigkeiten gegen Vorgesetzte verübt worden, so sind nicht nur Anstifter, Anführer und Rädelsführer, sondern auch die übrigen Theilnehmer mit dem Tode zu bestrafen.

§. 142.

Diejenigen, welche persönlich oder namentlich von dem Vorgesetzten zum Gehorsam aufgefordert worden sind, und nicht Folge geleistet haben, sowie Trommelschläger, Hornisten oder Trompeter, welche in der Absicht, den Aufruhr zu befördern, geschlagen oder geblasen, imgleichen diejenigen, welche durch Aufruhrzeichen zu dem Verbrechen aufgefordert haben, sollen mit der Strafe des Anstifters belegt werden. [218]

§. 143.

Wenn die Theilnehmer an einem Aufruhr auf den Befehl des Vorgesetzten zur Ordnung und zum Gehorsam zurückkehren, und das Verbrechen noch keine weitere nachtheilige Folgen gehabt hat, so sollen Anstifter, Anführer und Rädelsführer mit zwei- bis sechsjähriger, die übrigen Theilnehmer aber mit Festungsstrafe bis zu zwei Jahren belegt werden.
In Ansehung der letzteren darf nach Umständen selbst der gänzliche Erlaß der Strafe stattfinden.

§. 144.

Personen des Soldatenstandes, die an einem Aufruhr von Civilpersonen als Anstifter, Rädelsführer oder Gehülfen Theil nehmen, sind mit der in den allgemeinen Landesgesetzen vorgeschriebenen Strafe in geschärftem Maaß zu belegen.
Nehmen sie aber mit bewaffneter Hand an einem solchen Aufruhr Theil, so sind sie ebenso zu bestrafen, als wenn sie an einem militairischen Aufruhr Theil genommen hätten.
Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 1; Beilage Littr. F.

§. 145. IV. Mißbrauch der militairischen Gewalt im Kriege. A. An Personen.

Wer im Kriege ohne gerechtfertigte Veranlassung fremde Unterthanen, oder gefangene feindliche Militairpersonen mißhandelt, körperlich verletzt, oder tödtet, soll ebenso, als ob das Verbrechen an diesseitigen Unterthanen verübt worden wäre, bestraft und die Strafe geschärft werden, wenn der Beschädigte, als das Verbrechen an ihm begangen wurde, krank oder verwundet, oder unter besonderen militairischen Schutz gestellt war.

§. 146. B. An Sachen: 1. unerlaubte Beute.

Unerlaubtes Beutemachen ist mit strengem Arrest ober mit Festungsstrafe bis zu zwei Jahren, und nach Umständen zugleich mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes zu belegen.

§. 147.

Mit geschärfter Festungsstrafe und außerdem mit Versetzung in die zweite Klasse ist dieses Verbrechen (§. 146.) zu bestrafen, wenn es verübt wird:
1) unter eigenmächtiger Entfernung von dem dienstlich angewiesenen Platze,
2) an Sachen der in Kriegsgefangenschaft befindlichen Personen.
Wer aber, um Beute zu machen, außer dem Gefecht Personen schwer verwundet oder tödtet, kann mit Festungsstrafe bis zu lebenswieriger Dauer, oder, nach Umständen, selbst mit dem Tode bestraft werden. [219]

§. 148. 2. Plünderung.

Wer im Kriege ohne Erlaubniß des kommandirenden Generals oder gegen ein ausdrückliches Verbot, bewegliches Gut der Landesbewohner im diesseitigen oder fremden, selbst feindlichen Staatsgebiet, mit Androhung oder Ausübung von Gewalt sich zueignet, ist wegen Plünderung mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes, körperlicher Züchtigung und mehrjähriger Festungsstrafe zu belegen, welche, wenn die Plünderung von Mehreren gemeinschaftlich verübt worden, bis zu zehn Jahren erhöht werden kann.
Sind bei Verübung einer Plünderung durch Gewaltthätigkeiten Personen körperlich schwer verletzt oder getödtet worden, so tritt außer der Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes und körperlicher Züchtigung, zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe, oder, bei besonders erschwerenden Umständen, die Todesstrafe ein.
Vergl. den Allerhöchsten Erlaß vom 6. Mai 1848; Beilage Littr. D.

§. 149.

Bei der Plünderung im Komplott sind Anstifter und Rädelsführer mit der Todesstrafe, die übrigen Theilnehmer aber mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes, körperlicher Züchtigung und mehrjähriger bis lebenswieriger Festungsstrafe, oder, bei besonders erschwerenden Umständen, mit der Todesstrafe zu belegen.

§. 150. 3. Muthwillige oder boshafte Zerstörung oder Beschädigung, insonderheit Brandstiftung.

Muthwillige oder boshafte Zerstörung fremden Eigenthums ist in Kriegszeiten mit strengem Arrest, oder mit Festungsstrafe bis zu zwei Jahren, im Fall besonders erschwerender Umstände aber, wie Plünderung zu bestrafen.

§. 151. 4. Erpressung, a) durch Kriegsschatzungen oder Zwangslieferungen.

Wer ohne dienstliche Befugniß Kriegsschatzungen, oder Zwangslieferungen erhebt, imgleichen derjenige, welcher seine Requisitionsbefugnisse durch Mehrerhebung vorsätzlich überschreitet, soll mit Festungsstrafe bis zu drei Jahren, und wenn das Verbrechen mit Androhung oder Verübung von Gewaltthätigkeiten verbunden gewesen, mit Festungsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft werden.
Sind die Gewaltthätigkeiten in schwere Körperverletzung oder Tödtung übergegangen, so ist zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe, oder nach Bewandtniß der Umstände die Todesstrafe zu verhängen.
Ward das Verbrechen in eigennütziger Absicht verübt, so tritt die Strafe der Plünderung ein.

§. 152. b) durch Marodiren.

Nachzügler oder Personen, die unter dem Vorwand der Krankheit oder Ermattung hinter den Truppen zurückbleiben, und den Landesbewohnern Nahrungs- oder Bekleidungsstücke wegnehmen, sind wegen Marodirens mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes, körperlicher Züchtigung und Arrest oder Festungsstrafe bis zu zwei Jahren, wenn aber bei dem Marodiren Gewalt an Personen verübt worden ist, mit der für das Verbrechen der Plünderung vorgeschriebenen Strafe zu belegen. [220]
Vergl. den Allerhöchsten Erlaß vom 6. Mai 1848; Beilage Littr. D.

§. 153. C. Theilnahme an den durch Gewaltthätigkeiten im Kriege erlangten Vortheilen.

Wer Sachen, von denen er weiß, daß sie durch strafbare Gewaltthätigkeit im Kriege erlangt sind, von demjenigen, welcher dieses Verbrechen begangen hat, aus gewinnsüchtiger Absicht in Verwahrung nimmt oder an sich bringt, soll mit strengem Arrest oder mit Festungsstrafe bis zu zwei Jahren und, nach Bewandtniß der Umstände, mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes belegt werden.

§. 154. V. Verletzung der Dienstpflichten bei Ausrichtung besonderer Dienstleistungen und Uebertretung der Vorschriften in Bezug auf die Bewahrung, Behandlung und Verwaltung dienstlich anvertraut erhaltener Gegenstände.

Wer die ihm zur eigenen Benutzung gegebenen Dienstgegenstände verdirbt oder absichtlich verderben läßt, oder sich derselben ohne Erlaubniß entäußert, hat Arrest oder Festungsstrafe bis zu Einem Jahr, bei erschwerenden Umständen aber, insbesondere wenn er seine Waffen, sein Dienstpferd oder das Futter desselben veruntreut, oder wenn die Beschädigung aus Bosheit verübt ist, außer der Freiheitsstrafe, die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes verwirkt.

§. 155. A. Beschädigung oder Veruntreuung dienstlich anvertraut erhaltener Gegenstände.

Wer die ihm dienstlich anvertrauten, nicht zur eigenen Benutzung gegebenen Dienstgegenstände oder andere ihm dienstlich zur Verwaltung oder Aufbewahrung übergebene Sachen oder Gelder veruntreut, ist mit Arrest oder Festungsstrafe bis zu fünf Jahren und mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes zu bestrafen.
Vergl. die nachfolgende, zu §. 155. unterm 17. Juni 1847. (Gesetz-Samml. für die Königlich Preußischen Staaten für 1847. S. 256.) ergangene Deklaration:
Auf Ihren Vortrag erkläre Ich hierdurch zur Beseitigung entstandener Zweifel, daß die Bestimmung des §. 155. Theil I. des Strafgesetzbuchs für das Heer, wonach Militairpersonen des Soldatenstandes wegen Veruntreuung dienstlich zur Verwaltung oder Aufbewahrung ihnen übergebener Sachen oder Gelder mit Arrest oder Festungsstrafe bis zu fünf Jahren und mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes zu bestrafen sind, in allen Fällen Anwendung finden soll, wenn von Personen des Soldatenstandes dienstlich ihnen anvertraute, nicht zur eigenen Benutzung gegebene Sachen oder Gelder veruntreut worden, gleichviel ob sie ihnen zur Verwaltung oder Aufbewahrung, oder aus einem anderen Grunde auf längere oder kürzere Zeit dienstlich anvertraut worden sind.
Diese Deklaration ist durch die Gesetz-Sammlung zu publiziren.
Berlin, den 17. Juni 1847.
 (gez.) Friedrich Wilhelm.

An den Kriegsminister, General der Infanterie von Boyen.[221]

§. 156. B. Unrichtige Dienst-Atteste, Meldungen, Rapporte und Berichte.

Wer aus Fahrlässigkeit oder Leichtsinn unrichtige Dienstatteste ausstellt, oder unrichtige Rapporte, Meldungen oder Berichte abstattet, oder solche wissentlich weiter befördert, ist, nach dem Grad des dadurch gestifteten oder zu befürchten gewesenen Nachtheils, mit Arrest oder mit Festungsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
Sind Verbrechen dieser Art vorsätzlich verübt, so ist außer der sonst verwirkten Strafe gegen Offiziere auf Entfernung aus dem Offizierstande, gegen Unteroffiziere auf Degradation und Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes, und gegen Gemeine auf die zuletzt erwähnte Strafe zu erkennen.

§. 157. C.Annahme von Geschenken und Bestechung.

Wer im Dienst oder in Beziehung auf denselben durch Geschenke oder Zusicherungen einer Belohnung zu Pflichtwidrigkeiten sich bereitwillig zeigt oder verleiten läßt, hat strengen Arrest oder Festungsstrafe bis zu sechs Monaten, auch nach Umständen Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes verwirkt.
Offiziere, welche eines solchen Verbrechens sich schuldig machen, sind mit Entfernung aus dem Offizierstande, Unteroffiziere aber mindestens mit Degradation zu bestrafen.

§. 158. D. Pflichtverletzung bei Wachen, Kommandos und auf Märschen.

Der Befehlshaber einer Wache oder eines Kommandos, welcher seinen Posten eigenmächtig verläßt, ist mit Arrest oder mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten, in Kriegszeiten aber mit Festungsstrafe bis zu Einen Jahr zu belegen.
War Gefahr vorhanden, oder ist aus der Pflichtverletzung Nachtheil entsprungen, oder zu befürchten gewesen, so ist nach Maaßgabe der Größe derselben und des gegebenen verderblichen Beispiels auf Festungsstrafe bis zu fünfjähriger, in Kriegszeiten aber auf Festungsstrafe bis zu lebenswieriger Dauer, und bei besonders erschwerenden Umständen selbst auf Todesstrafe zu erkennen.

§. 159.

Schildwachen oder einzelne Posten, die sich niedersetzen oder niederlegen, das Gewehr aus der Hand lassen, Taback rauchen, schlafen, über die Grenzen ihres Postens hinausgehen, denselben vor erfolgter Ablösung verlassen, oder sonst ihrer Dienstinstruktion entgegen handeln, sind mit strengem Arrest von mindestens vierzehn Tagen, im Kriege aber mit strengem Arrest von mindestens vier Wochen, oder mit Festungsstrafe bis zu zwei Jahren zu belegen.
War Gefahr vorhanden, oder ist aus der Pflichtverletzung Nachtheil entstanden oder zu befürchten gewesen, so ist Festungsstrafe bis zu zehnjähriger, im Kriege aber Festungsstrafe bis zu lebenswieriger Dauer, und bei besonders erschwerenden Umständen selbst die Todesstrafe verwirkt. [222]

§.160.

Wer als Befehlshaber einer Wache, als Schildwache, oder als Posten ein Verbrechen, welches er verhindern konnte, und zu verhindern dienstlich verpflichtet war, wissentlich begehen läßt, ist ebenso zu bestrafen, als ob er zur Ausübung des Verbrechens thätige Hülfe geleistet hätte, und diese Strafe noch zu verschärfen, wenn er das Verbrechen aus gewinnsüchtiger Absicht hat geschehen lassen.

§. 161.

Wer sich ohne Erlaubniß von der Wache entfernt, oder wer beim Kommando oder auf Märschen seinen Platz ohne Erlaubniß verläßt, ist, wenn es nicht in der Absicht geschehen ist, um zu desertiren, mit Arrest, im Kriege aber mit strengem Arrest von mindestens vier Wochen oder mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten zu bestrafen.

§. 162. F. Mangel an Aufsicht über Verhaftete und Unterlassung von Verhaftungen.

Wer einen seiner Beaufsichtigung anvertrauten Verhafteten vorsätzlich oder aus Furcht vor persönlicher Gefahr entkommen läßt, ist mit strengem Arrest von mindestens vier Wochen oder mit Festungsstrafe bis zu Einem Jahr zu belegen; wenn ihm aber bekannt war, daß der Entsprungene sich wegen Hochverraths oder wegen eines anderen im Gesetz mit Todesstrafe bedrohten Verbrechens in Haft befand, mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes und Festungsstrafe bis zu lebenswieriger Dauer zu bestrafen. Bei besonders erschwerenden Umständen kann selbst die Todesstrafe eintreten.
Wer den seiner Beaufsichtigung anvertrauten Verhafteten aus Fahrlässigkeit entkommen läßt, ist mit Arrest zu bestrafen; wenn ihm aber bekannt war, daß der Entsprungene sich wegen eines der vorgedachten schweren Verbrechen in Haft befand, mit Festungsstrafe bis zu zehn Jahren und, nach Bewandtniß der Umstände, mit Dienstentlassung zu belegen.
Gleiche Strafen treffen denjenigen, welcher der von seinem Vorgesetzten ihm befohlenen oder der ihm dienstlich obliegenden Verhaftung eines Verbrechers sich nicht unterzieht.

§. 163. F. Pflichtverletzung bei Wahrnehmung administrativer und richterlicher Geschäfte.

Personen des Soldatenstandes, welche bei Wahrnehmung der ihnen aufgetragenen administrativen oder richterlichen Geschäfte sich Pflichtwidrigkeiten zu Schulden kommen lassen, sind mit Berücksichtigung ihres besonderen Dienstverhältnisses und der darauf Bezug habenden Reglements und Instruktionen nach den für Beamte gültigen Strafbestimmungen zu beurtheilen und zu bestrafen. [223]

§. 164. VI. Vergehungen gegen die militairische Zucht und Ordnung. A. Unerlaubte Entfernung und unerlaubtes Ausbleiben.

Die unerlaubte Entfernung, wenn sie nicht für Desertion zu erachten, ist mit Arrest zu bestrafen. Wer sich aber dieses Verbrechens unter erschwerenden Umständen schuldig macht, insbesondere wer sich dadurch mehrere Tage dem Dienst entzieht, oder sich ohne Erlaubniß aus dem Arrestlokal begiebt, ist mit Arrest von mindestens vierzehn Tagen oder mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten zu belegen.
Gegen Offiziere, die ohne Erlaubniß den einfachen Stubenarrest verlassen, ist auf Dienstentlassung oder Entfernung aus dem Offizierstande zu erkennen.

§. 165.

Unteroffiziere und Gemeine, welche ohne Erlaubniß bis nach dem Zapfenstreich aus dem Quartier bleiben, oder in der Zeit vom Zapfenstreich bis zur Reveille sich aus demselben entfernen, sind mit mittlerem Arrest oder bei besonders erschwerenden Umständen, und namentlich beim Rückfall in dieses Vergehen nach mehrmaliger Bestrafung, mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten zu bestrafen.

§. 166.

Urlaubsüberschreitungen, welche sich nicht zum Verbrechen der Desertion gestalten, sind mit Arrest, oder mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten zu bestrafen.
Auch kann gegen Offiziere bei besonders erschwerenden Umständen außer der Freiheitsstrafe auf Dienstentlassung erkannt werden.

§. 167. B. Trunkenheit im Dienst.

Wer sich, nachdem er zum Dienst kommandirt worden, betrunken und dadurch zu demselben untauglich gemacht hat, oder wer betrunken in den Dienst kommt, oder sich während des Dienstes in den Zustand der Trunkenheit versetzt, ist mit strengem Arrest zu bestrafen.
Gegen Offiziere ist auf Festungsarrest und nach Befinden der Umstände auf Dienstentlassung zu erkennen.

§. 168. C. Hazardspiel.

Hazardspiele sind den Unteroffizieren und Gemeinen gänzlich untersagt. Wer diesem Verbot zuwider handelt, soll mit strengem Arrest, im Rückfalle aber, und besonders wenn er aus dem Spiel ein Gewerbe macht, mit Festungsstrafe bis zu Einem Jahr belegt werden.
Vergl. zu den §§. 168. 169. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 13; Beilage Littr. F.

§. 169.

Offiziere, welche Hazardspiele aus Gewinnsucht spielen, haben Stubenarrest, und im Rückfalle Festungsarrest bis zu Einem Jahr, wenn sie aber aus dem Spiel ein Gewerbe machen, Festungsarrest und Dienstentlassung verwirkt. [224]

§. 170. D. Schuldenmachen ohne Konsens.

Unteroffiziere und Gemeine, welche ohne Genehmigung ihres vorgesetzten Kommandeurs Schulden machen, haben Arrest bis zu vierzehn Tagen verwirkt.
Wenn sie aber dergleichen Schulden aus Hang zu Ausschweifungen machen oder nicht im Stande sind, die Schulden zu tilgen, so sind sie mit strengem Arrest von mindestens vierzehn Tagen, oder nach Umständen mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten zu belegen.

§. 171. E. Verheirathung ohne Konsens.

Wenn Unteroffiziere oder Gemeine ohne Genehmigung ihres vorgesetzten Kommandeurs sich verheirathen, so haben sie Arrest von mindestens vier Wochen oder Festungsstrafe bis zu sechs Monaten verwirkt.

§. 172.

Wenn Offiziere, welche verpflichtet sind, die Genehmigung des Königs zu ihrer Verheirathung nachzusuchen, dies unterlassen, oder sich nach Verweigerung des Konsenses dennoch verehelichen, so sollen sie mit viermonatlichem bis einjährigem Festungsarrest, auch den Umständen nach mit Dienstentlassung bestraft werden.

§. 173. F. Beleidigungen, 1. der Offiziere unter einander.

Beleidigungen unter den in Injuriensachen den Ehrengerichten unterworfenen Offizieren sind, wenn sie nicht als Insubordination, oder als Mißbrauch der Dienstgewalt anzusehen, kein Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung, sondern gehören vor die Ehrengerichte (Verordnung über die Ehrengerichte vom 20. Juli 1843.).

§. 174. 2. der Unteroffiziere und Gemeinen unter einander.

Beleidigungen der Gemeinen unter einander durch Worte, Geberden oder Zeichen, sowie leichte thätliche Beleidigungen derselben unter sich, sind mit Arrest, unter Unteroffizieren ebenfalls mit Arrest, und bei besonders erschwerenden Umständen mit Degradation zu bestrafen.
Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 15; Beilage Littr. F.

§. 175.

Bei Beleidigungen unter Personen des Soldatenstandes darf eine Bekanntmachung der rechtskräftig erkannten Strafe durch öffentliche Blätter niemals stattfinden.

§. 176. G. Schlägereien und körperliche Verletzungen der Unteroffiziere und Gemeinen.

Schlägereien oder körperliche Beschädigungen unter Unteroffizieren oder unter Gemeinen sind, wenn sie nicht in schwere Körperverletzung übergehen, ebenso zu bestrafen, wie thätliche Beleidigungen (§. 174.)
Geht aber eine Schlägerei in schwere Körperverletzung über, so tritt nach Befinden der Schwere der zugefügten Verletzung und der erfolgten oder nicht erfolgten Wiederherstellung des Verletzten dreimonatliche bis zehnjährige Festungsstrafe ein.
Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 13; Beilage Littr. F.[225]

§. 177. H. Militairpolizeiliche Exzesse.

Militairpolizeiliche Exzesse sind mit Arrest, oder, nach Umständen, mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten zu bestrafen.

§. 178. VII. Mißbrauch der Dienstgewalt, A. der Vorgesetzten gegen Untergebene, 1) zu Privatzwecken.

Wer seine Dienstgewalt gegen Untergebene zu Befehlen oder Forderungen, die in keiner Beziehung zum Dienst stehen, oder zu Privatzwecken mißbraucht, von Untergebenen Geschenke fordert, ohne Vorwissen des gemeinschaftlichen Vorgesetzten von ihnen Geld borgt oder Geschenke annimmt, oder seine Untergebenen sonst durch sein Ansehen veranlaßt, gegen ihn Verbindlichkeiten einzugehen, die denselben nachtheilig sind, oder auf das gegenseitige Dienstverhältniß von nachtheiligem Einfluß sein können, ist mit Arrest, oder, nach Umständen, mit Degradation oder Dienstentlassung zu bestrafen.

§. 179. 2) durch Veranlassung gesetzwidriger Handlungen.

Vorgesetzte, welche durch Mißbrauch ihrer Dienstgewalt Untergebene veranlassen, eine gesetzwidrige Handlung zu verüben, sind mit der Strafe des Urhebers in geschärftem Maaße, und außerdem, nach Umständen, mit Degradation oder Dienstentlassung zu belegen.
Bei Zumessung der Strafe gegen den Vorgesetzten ist darauf Rücksicht zu nehmen, ob derselbe den Untergebenen zu der strafbaren Handlung nur verleitet, oder durch einen Befehl dazu bestimmt hat.

§. 180. 3) durch Ueberschreitung der Strafbefugnisse und gesetzwidrigen Einfluß auf die Rechtspflege.

Wer vorsätzlich seine Strafbefugnisse überschreitet, oder einen gesetzwidrigen Einfluß auf die Rechtspflege ausübt, soll mit Arrest oder mit Festungsstrafe bis zu drei Jahren belegt werden; auch kann außerdem bei erschwerenden Umständen Dienstentlassung eintreten.

§. 181. 4) durch vorschriftswidrige Behandlung.

Vorgesetzte, die sich der vorschriftswidrigen Behandlung eines Untergebenen schuldig machen, sollen, wenn dieselbe nicht in thätliche Mißhandlung ausgeartet ist, mit Arrest bestraft werden.

§. 182.

Macht sich der Vorgesetzte einer solchen vorschriftswidrigen Behandlung gegen einen Offizier schuldig, so ist er das erste Mal mit Arrest, oder, nach Bewandtniß der Umstände, mit Festungsarrest bis zu drei Jahren zu bestrafen.
Im Rückfall kann außer der Freiheitsstrafe zugleich auf Dienstentlassung erkannt werden. [226]

§. 183.

Wenn Vorgesetzte der thätlichen Mißhandlung gegen ihre Untergebenen sich schuldig machen, so ist dies gegen Offiziere mit Arrest von mindestens vierzehn Tagen oder mit Festungsarrest bis zu Einem Jahr und, nach Befinden der Umstände, mit Dienstentlassung, gegen Vorgesetzte niederen Ranges aber mit mittlerem oder strengem Arrest und, nach Umständen, insbesondere im Rückfall, mit Degradation oder Festungsstrafe bis zu einem Jahr zu ahnden.

§. 184.

Sind durch die Mißhandlung schwere körperliche Verletzungen zugefügt worden, oder haben dieselben den Tod des Gemißhandelten zur Folge gehabt, so ist die Strafe nach den in den allgemeinen Landesgesetzen wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung oder Tödtung gegebenen Vorschriften zu bestimmen.
Außer der nach den gedachten Vorschriften zu ermessenden Freiheitsstrafe ist unter Umständen zugleich auf Dienstentlassung zu erkennen.
Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 1; Beilage Littr. F.

§. 185.

Diejenigen Handlungen, welche der Vorgesetzte begeht, um einen thätlichen Angriff des Untergebenen abzuwehren, oder um seinen Befehlen im Fall der äußersten Noth und dringendsten Gefahr Gehorsam zu verschaffen, sind nicht als Mißbrauch der Dienstgewalt anzusehen.
Dies gilt namentlich auch für den Fall, wenn ein Offizier in Ermangelung anderer Mittel, den durchaus nothwendigen Gehorsam zu erhalten, in der Lage sich befunden haben sollte, von der Befugniß, den thätlich sich ihm widersetzenden Untergebenen auf der Stelle niederzustoßen, Gebrauch machen zu müssen.

§. 186.

Bei Zumessung der Strafe für die in den §§. 178. bis 184. genannten Verbrechen ist auf die Größe und die Folgen des zugefügten Unrechts, sowie auf den militairischen Rang des Gemißhandelten Rücksicht zu nehmen, und es auch als ein erschwerender Umstand anzusehen, wenn die Mißhandlung gegen eine Person verübt worden ist, die sich unverkennbar im Zustande der Trunkenheit befand.

§. 187. 5) durch Beleidigung.

Beleidigungen der Vorgesetzten gegen Untergebene, auch wenn sie außer dem Dienst verübt worden, sind als Mißbrauch der Dienstgewalt anzusehen, und nach §§. 181 – 184. zu bestrafen.

§. 188. B. der Wachen und Landgendarmen.

Wachen oder Landgendarmen, welche in Ausübung des Dienstes sich des Mißbrauchs ihrer Dienstgewalt schuldig machen, sind ebenso zu bestrafen, wie Vorgesetzte, die sich ein solches Verbrechen gegen Untergebene zu Schulden kommen lassen. [227]
Machen sie sich des Mißbrauchs der Dienstgewalt gegen Personen schuldig, welche außer diesem Dienstverhältniß ihre Vorgesetzten sind, so ist dies bei Zumessung der Strafe als ein erschwerender Umstand oder als ein Grund zur Verschärfung der Strafe zu betrachten.

§. 189. VIII. Militairische Verbrechen und Pflichtverletzungen aus Fahrlässigkeit.

Wer aus Fahrlässigkeit sich eines militairischen Verbrechens oder der Verletzung seiner Dienstpflichten schuldig macht, ist, wenn in diesem Gesetzbuch dafür keine besondere Strafe verordnet ist, mit Arrest, oder, nach Umständen, mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten zu belegen.
Ist aber durch die Fahrlässigkeit Nachtheil entstanden, so kann nach Maaßgabe der Größe desselben Festungsstrafe bis zu zehn Jahren, und selbst Dienstentlassung eintreten.

§. 190.

Wer durch unvorsichtige Handhabung der Waffen Jemanden körperlich verletzt oder tödtet, ist mit der in den allgemeinen Landesgesetzen für fahrlässige Körperverletzung oder Tödtung vorgeschriebenen Strafe in geschärftem Maaße zu belegen.
Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 1; Beilage Littr. F.

§. 191.

Vorgesetzte, welche sich in der Aufsicht über ihre Untergebenen oder bei Bestrafung derselben nachlässig beweisen, sollen mit Arrest, und wenn sie nach mehrmaliger Bestrafung sich einer gleichen Fahrlässigkeit schuldig machen, mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten, auch nach Umständen mit Dienstentlassung bestraft werden.

Zweiter Abschnitt. Von den nicht militairischen Verbrechen der Personen des Soldatenstandes.

§. 192.

Diejenigen Verbrechen der Personen des Soldatenstandes, welche weder in diesem Gesetzbuch, noch in den Kriegsartikeln oder in anderen Militairgesetzen als militairische Verbrechen aufgeführt werden, sind, unter Berücksichtigung der im Titel I. Abschnitt 2. bis 4. dieses Gesetzbuchs enthaltenen Bestimmungen, nach den Vorschriften der allgemeinen Landesgesetze zu bestrafen, insofern nicht in den Militairgesetzen, insbesondere in den Kriegsartikeln und den Verordnungen vom 20. Juli 1843. und 27. Juni 1844. wegen Bestrafung solcher Verbrechen besondere Vorschriften ertheilt worden sind.
Anmerkung: Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 1; Beilage Littr. F.
Die Kriegsartikel vom 27. Juni 1844. und die Verordnung von demselben Tage sind antiquirt.
Vergl. Beilage Littr. G.[228]

Dritter Abschnitt. Von den Verbrechen der Militairbeamten.

§. 193.

Wenn Militairbeamte zu einer Zeit, wo sie bei kriegführenden Truppen stehen, sich eines Amtsverbrechens schuldig machen und denselben dadurch Gefahr oder Nachtheil bereiten, so sind sie mit geschärfter Strafe zu belegen.

§. 194.

Wer sich der Entweichung schuldig macht, während er seiner Militairverpflichtung in einem Beamtenverhältnisse genügt, ist, unter Berücksichtigung der §§. 84 – 86. als Deserteur nach Vorschrift der §§. 95 – 107. zu bestrafen und zugleich zur Entfernung aus dem Beamtenverhältniß zu verurtheilen.
Wenn man des Entwichenen nicht habhaft werden kann, so kommen die Vorschriften der §§. 108. und 109. zur Anwendung.

§. 195.

Militairbeamte, welche den ihren Militair- oder ihren Amtsvorgesetzten schuldigen Gehorsam verweigern, sind nach den Bestimmungen des §. 126. mit Berücksichtigung der §§. 84 – 86. zu bestrafen.
Ist die Verweigerung des Gehorsams mit Beleidigung des Vorgesetzten durch Worte, Geberden oder Zeichen verbunden, so ist dies ein Schärfungsgrund bei Zumessung der Strafe; geht die Beleidigung aber in Thätlichkeit über, so ist, außer der Freiheitsstrafe, auf Amtsentsetzung zu erkennen.
Ist die Thätlichkeit unmittelbar durch eine gesetzwidrige Behandlung des Untergebenen herbeigeführt, so kann von der Strafe der Amtsentsetzung abgegangen werden.

§. 196.

Machen Militairbeamte, während sie bei kriegführenden Truppen stehen, sich eines Verbrechens, welches in den §§. 145 – 153. als Gewaltthätigkeit im Kriege bezeichnet ist, oder der Theilnahme an einem solchen Verbrechen schuldig, so ist die Strafe gegen sie nach den Bestimmungen der genannten Paragraphen abzumessen, und da, wo Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes eintreten würde, auf Amtsentsetzung zu erkennen. [229]

Zweiter Theil. Strafgerichts-Ordnung.

Erster Titel. Von den Militairgerichten.

Erster Abschnitt. Von dem Gerichtsstande.

§. 1. I. Der Militairpersonen überhaupt.

Der Militärgerichtsbarkeit sind unterworfen:
1) sämmtliche zum Soldatenstande gehörende Personen ohne Unterschied;
2) die Beamten der Militairverwaltung, welche in dem diesem Gesetzbuch unter Littr. A. beigefügten Verzeichniß als Militairbeamte aufgeführt sind;
3) alle mit Inaktivitätsgehalt entlassene, alle zur Disposition gestellte und alle mit Pension verabschiedete Offiziere;
4) die Militairlehrer und Zöglinge der militairischen Bildungsanstalten, soweit darüber durch besondere Vorschriften nichts anderes bestimmt ist.

§. 2.

Die Militairgerichtsbarkeit umfaßt die Strafsachen, mit Einschluß der Injurien, soweit letztere der gerichtlichen Bestrafung unterliegen.

§. 3.

Den Civilbehörden bleibt die Untersuchung und Entscheidung der Kontraventionen gegen Finanz- und Polizeigesetze, und gegen Jagd- und Fischerei-Verordnungen in dem Fall überlassen, wenn die Kontravention im Gesetz nur mit Geldbuße oder Konfiskation bedroht ist.
Ist dagegen im Gesetz die Kontravention nur oder alternativ mit Freiheitsstrafe bedroht, oder trifft mit der Kontravention ein anderes Verbrechen zusammen, so steht die Untersuchung und Entscheidung ausschließlich den Militairgerichten zu.
Vergl. die Verordnung über die Disziplinarbestrafung in der Armee vom 21. Juli 1867., §. 2. Littr. d. – Armee-Verordnungsblatt für 1867. Nr. 14. [230]

§. 4. II. insbesondere: 1) der zum Dienststande gehörenden Personen des Soldatenstandes, der Militair-Beamten, im gleichen der aktiven und pensionierten Offiziere.

Durch Beurlaubung auf bestimmte Zeit, oder durch einstweilige Beschäftigung im Civil-Staatsdienst oder im Kommunaldienst wird der Militairgerichtsstand der im §. 1. gedachten Personen nicht geändert.
Betrifft jedoch die Anschuldigung lediglich ein Amtsverbrechen oder Vergehen im Civil-Staats- oder Kommunaldienst, und gehört der Angeschuldigte nicht dem Offizierstande an, so steht es den Militairgerichten frei, die Untersuchung und Bestrafung den Civilbehörden zu überlassen, welchen letzteren in jedem Fall das Disziplinarverfahren wegen kleiner Dienstvergehen verbleibt.
Die Vollstreckung der Strafen erfolgt aber durch die Militairgerichte, welche sie im geeigneten Fall zuvor in militairische Strafen umzuwandeln haben.

§. 5.

Der Militairgerichtsstand beginnt für die Personen des Soldatenstandes:
1) wenn sie zur Ergänzung des Heeres aus der militairpflichtigen Mannschaft ausgehoben werden,
a) mit dem Zeitpunkt, wo sie zur Einstellung in einen bestimmten Truppentheil von Seiten der Ersatzbehörde dem zu ihrem Empfang beauftragten Kommando übergeben werden, und
b) bei denen, welche nicht durch ein Militairkommando den Truppentheilen zugeführt werden, mit dem Tage, wo ihre Verpflegung durch die Militairverwaltung beginnt;
2) wenn sie freiwillig, sei es zur Ablösung ihrer gesetzlichen Militairverpflichtung oder zum dauernden Militairdienst eintreten, mit dem Zeitpunkt ihrer Einstellung in den Truppentheil.
Für die Militairbeamten beginnt derselbe mit ihrer definitiven Anstellung oder vertragsmäßigen Annahme.

§. 6. 2) der zum Beurlaubtenstande gehörenden Personen des Soldatenstandes.

Alle zum Beurlaubtenstande gehörende Personen des Soldatenstandes sind während der Beurlaubung in Strafsachen den Civilgerichten unterworfen. Von diesen Strafsachen sind ausgenommen und gehören vor die Militairgerichte:
1) Ungehorsam und Widersetzung gegen Befehle, die den Beurlaubten von ihren Vorgesetzten in Gemäßheit der Dienstordnung ertheilt werden;
2) Desertion;
3) wenn Beurlaubte in der Militairuniform[231]
a) bei dem Zusammentreffen mit höheren gleichfalls in Uniform befindlichen oder mit den in Ausübung des Dienstes begriffenen Personen des Soldatenstandes sich eines Verbrechens schuldig machen, wodurch die Achtung gegen diese verletzt wird,
b)an einem von Personen des Soldatenstandes verübten militairischen Verbrechen Theil nehmen, oder
c) sich eines Mißbrauchs militairdienstlicher Autorität schuldig machen;
4) Insubordination bei Anbringung von Gesuchen und Beschwerden in militairischen Dienstangelegenheiten;
5) Herausforderungen und Zweikämpfe beurlaubter Landwehroffiziere und der mit Vorbehalt der Dienstverpflichtung aus dem stehenden Heer ausgeschiedenen Offiziere.
Trifft ein Verbrechen der zu 1. bis 5. bezeichneten Art mit einem gemeinen Verbrechen zusammen, so ist der Militairgerichtsstand auch wegen des letzteren begründet.

§. 7.

Wenn die zum Beurlaubtenstande gehörenden Personen des Soldatenstandes zu dienstlichen Zwecken einberufen werden, so haben sie während dieser Einberufung den Militairgerichtsstand. Derselbe beginnt:
1) wenn die Einberufung zum Kriege oder wegen außerordentlicher Zusammenziehung der Reserve oder der Landwehr erfolgt, mit dem Empfang der Einberufungsorder;
2) wenn die Einberufung zu den größeren Uebungen stattfindet, mit dem Anfang des in der Einberufungsorder bezeichneten Gestellungstages.
In beiden Fällen hört dieser Gerichtsstand mit dem Ablauf des Tages der Wiederentlassung auf.
Erfolgt dagegen
3) die Einberufung zu den kleineren Uebungen oder zu anderen dienstlichen Zwecken, so findet der Militairgerichtsstand nur für die Dauer der Anwesenheit des Beurlaubten im dienstlichen Verhältniß statt.
Anmerkung: Kleinere Uebungen der Personen des Beurlaubtenstandes finden nicht mehr statt. Die durch das Gesetz, betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienste, vom 9. November 1867. vorgeschriebenen Uebungen gehören ohne Ausnahme zu den größeren Uebungen im Sinne der Bestimmungen dieses Strafgesetzbuchs.

§. 8.

Die Militairgerichte dürfen jedoch in den Fällen des §. 7. zu 2. und 3. das Verfahren den Civilgerichten überlassen und den Angeschuldigten dazu ausliefern, wenn ein gemeines Verbrechen vorliegt und damit kein militairisches Verbrechen zusammentrifft. [232]

§. 9. III. Gerichtsstand der Personen des Soldatenstandes wegen Verbrechen, welche A. vor dem Eintritt in den Dienststand begangen sind.

Kommen Verbrechen, welche Personen des Soldatenstandes vor dem Eintritt in den Dienststand verübt haben, erst nach deren Eintritt zur Sprache, so steht die Untersuchung dem Militairgericht nur in dem Falle zu, wenn die wahrscheinlich zu erwartende Strafe eine dreimonatliche Gefängnißstrafe nicht übersteigt. Ist eine längere Freiheitsstrafe zu erwarten, so muß der Angeschuldigte entlassen und die Untersuchung dem kompetenten Civilgericht überwiesen werden.
Anmerkung: Unter dreimonatlicher Gefängnißstrafe ist in den §§. 9 – 12. eine bürgerliche Freiheitsstrafe verstanden, welche nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen in sechswöchigen Mittelarrest sich umwandeln läßt. Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 8; Beilage Littr. F.

§. 10.

Dieses Verfahren (§. 9.) findet auch statt, wenn die Untersuchung bei dem Civilgericht eingeleitet und das Erkenntniß erster Instanz dem Angeschuldigten vor dem Eintritt in den Dienststand noch nicht publizirt ist.

§. 11.

War das Erkenntniß erster Instanz dem Angeschuldigten vor dem Eintritt in den Dienststand bereits publizirt, so verbleibt die fernere Verhandlung und die Entscheidung in zweiter Instanz dem Civilgericht, von welchem das Urtheil, sobald es die Rechtskraft erlangt hat, dem Militairgericht zuzufertigen ist.

§. 12.

Ist von dem Civilgericht rechtskräftig erkannt und übersteigt die erkannte Freiheitsstrafe nicht eine Gefängnißstrafe von drei Monaten, so ist dieselbe durch das Militairgericht in eine verhältnißmäßige Militairstrafe umzuwandeln und zur Vollstreckung zu bringen; übersteigt aber die Freiheitsstrafe eine dreimonatliche Gefängnißstrafe, so muß der Angeschuldigte zur Disposition der Aushebungsbehörde entlassen und an das Civilgericht zur Vollstreckung der Strafe abgeliefert werden.
Vergl. die Anmerkung zu §. 9.

§. 13.

Gegen Personen des Beurlaubtenstandes, welche zum Kriege, zu einer außerordentlichen Zusammenziehung der Truppen, oder zur größeren Uebung (§. 7. Nr. 1. und 2.) einberufen werden, müssen die bei den Civilgerichten einzuleitenden oder bereits eingeleiteten Untersuchungen, sowie die Strafvollstreckung, für die Dauer dieser militairischen Dienstleistung des Einberufenen in den Fällen suspendirt bleiben, wo nicht die Verhaftung entweder bereits erfolgt ist, oder bei der Untersuchung gesetzlich eintreten muß. [233]

§. 14. B. vor dem Uebertritt in den Beurlaubtenstande begangen sind.

Die Fortsetzung einer Untersuchung, welche beim Eintritt des Termins der Entlassung aus dem Dienststande noch schwebt, kann, wenn dieselbe ein gemeines Verbrechen zum Gegenstande hat, und kein gerichtlich zu bestrafendes militairisches Verbrechen damit zusammentrifft, insofern der Angeschuldigte nicht verhaftet ist, dem Civilgericht überlassen werden.

§. 15.

Kommt ein während des Dienststandes begangenes Verbrechen erst nach dem Uebertritt in den Beurlaubtenstand zur Sprache, so steht dessen Untersuchung und Bestrafung nur dann den Civilgerichten zu, wenn das Verbrechen zu den gemeinen gehört und mit keinem gerichtlich zu bestrafenden militairischen Verbrechen zusammentrifft.
Vergl. die Anmerkung zu §. 7.

§. 16. IV. Gänzliches Aufhören des Militärgerichtsstandes.

Der Militairgerichtsstand hört auf
1) bei Offizieren:
a) durch Verabschiedung ohne Pension, mit der Beschränkung, daß diejenigen ohne Pension verabschiedeten Offiziere, denen die Erlaubniß ertheilt worden ist, Militairuniform zu tragen, bei den nach der Verordnung vom 20. Juli 1843. zu bestrafenden Herausforderungen und Duellen den Militairgerichtsstand behalten;
b) durch Kassation, Entfernung aus dem Offizierstande und Dienstentlassung;
2) bei Unteroffizieren und Gemeinen: mit dem Ausscheiden aus den Militairverhältnissen durch Verabschiedung, Entlassung oder Ausstoßung aus dem Soldatenstande (bei Gendarmen: mit Entlassung oder Ausstoßung aus der Gendarmerie);
3) bei Militairbeamten: durch Verabschiedung, Entlassung, Kassation und Amtsentsetzung;
4) wenn Militairpersonen im Civil-Staatsdienst oder im Kommunaldienst definitiv angestellt werden.

§. 17.

Kommt ein von einer Militairperson begangenes militairisches oder gemeines Verbrechen erst nach dem gänzlichen Ausscheiden aus den Militairverhältnissen zur Sprache, so gehört die Sache ausschließlich vor die Civilgerichte.
Wegen Fortsetzung einer vor diesem Ausscheiden bei den Militärgerichten begonnenen Untersuchung kommen die Bestimmungen des §. 14. zur Anwendung. [234]

§. 18. V. Außerordentlicher Militairgerichtsstand in Kriegszeiten.

In Kriegszeiten haben außer den im §. 1. bezeichneten Personen den Militairgerichtsstand:
1) alle Personen, welche den kriegführenden Truppen zugetheilt sind, oder zu deren Gefolge gehören;
2) die zu den kriegführenden Truppen des Preußischen Heeres zugelassenen fremden Offiziere und deren Gefolge;
3) die Kriegsgefangenen;
4) alle Unterthanen des Preußischen Staats, oder Fremde, welche auf dem Kriegsschauplatze den Preußischen Truppen durch eine verrätherische Handlung Gefahr oder Nachtheil bereiten.
In dem unter Nr. 4. angegebenen Fall tritt dieser außerordentliche Gerichtsstand nur von dem Zeitpunkt ein, wo der König oder in dessen Namen der Feldherr solches verordnet und öffentlich bekannt macht.
Vergl. den Artikel 63. der Verfassung des Norddeutschen Bundes.

Zweiter Abschnitt. Von der Gerichtsbarkeit.

§. 19. I. Höhere und niedere Gerichtsbarkeit.

Die Militärgerichtsbarkeit ist entweder die höhere oder die niedere.

§. 20.

Vor die höhere Gerichtsbarkeit gehören alle Straffälle:
1) der Offiziere und der oberen Militairbeamten;
2) der Portepee-Unteroffiziere, wenn eine härtere Strafe als Arrest im Gesetz angedroht ist;
3) der Unteroffiziere ohne Portepee und der Gemeinen, wenn im Gesetz eine härtere Strafe angedroht ist als Arrest, Degradation, Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes oder Züchtigung;
4) der unteren Militairbeamten, wenn im Gesetz eine härtere Strafe angedroht ist als Gefängniß oder Arrest;
5) wenn gegen Landgendarmen oder gegen Invaliden auf Entlassung zu erkennen ist.
Vergl. den Allerhöchsten Erlaß vom 6. Mai 1848; Beilage Littr. D..[235]

§. 21.

Der niederen Gerichtsbarkeit verbleiben alle Straffälle, welche nicht vor die höhere Gerichtsbarkeit gehören.

§. 22. II. Verwaltung der Gerichtsbarkeit.

Die Militärgerichtsbarkeit wird verwaltet:
1) durch das General-Auditoriat;
2) durch die Korps-, Divisions- und Regimentsgerichte;
3) durch die Garnisongerichte;
4) bei dem medizinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut nebst der damit in Verbindung stehenden medizinisch-chirurgischen Akademie: durch das für diese Anstalten bestehende besondere Gericht, bei dessen jetziger Organisation es sein Bewenden behält.

§. 23.

Die Korpsgerichte bestehen:
aus dem kommandirenden General des Armeekorps als Gerichtsherrn und dem Korpsauditeur;
die Divisionsgerichte:
aus dem Kommandeur der Division als Gerichtsherrn und den Divisions-Auditeuren;
die Regimentsgerichte:
aus dem Kommandeur des Regiments als Gerichtsherrn und dem untersuchungsführenden Offizier;
die Garnisongerichte:
aus dem Gouverneur oder Kommandanten als Gerichtsherrn und dem Gouvernements- oder Garnisonauditeur.
Den Befehlshabern, welche gegenwärtig, außer den hier benannten, gerichtsherrliche Befugnisse ausüben, verbleiben diese Befugnisse in dem bisherigen Umfang.

§. 24.

Für jeden Untersuchungsfall ist das Untersuchungs- und das Spruchgericht besonders zu bestellen.

§. 25.

In Kriegszeiten bleiben
a) die nöthigen Modifikationen bei Organisation und Verwaltung der Militairgerichte, und[236]
b) die dem Heerführer und den Kommandanten belagerter Festungen danach zu ertheilenden Instruktionen
der Bestimmung des Königs vorbehalten.

§. 26. III. Kompetenz.

Die Gerichtsbarkeit der Korps-, Divisions- und Regimentsgerichte erstreckt sich auf alle Personen und Straffälle, über welche die Gerichtsbarkeit den im §. 22. unter Nr. 3. und 4. genannten Gerichten nicht ausschließlich beigelegt ist.

§. 27. 1. der Regimentsgerichte.

Die Gerichtsbarkeit der Regimentsgerichte ist auf die niedere beschränkt, und erstreckt sich über die zum Etat des Regiments gehörenden Unteroffiziere, Gemeine und Militair-Unterbeamten. Der Regimentskommandeur ist jedoch befugt, in Fällen, die zur höheren Gerichtsbarkeit gehören, wenn weder das kompetente oder ein anderes mit höherer Gerichtsbarkeit versehenes Militairgericht, noch ein Civilgericht am Orte ist, Verhandlungen, die zur Feststellung des Thatbestandes dienen und keinen Aufschub leiden, durch den untersuchungsführenden Offizier unter Zuziehung eines zweiten Offiziers aufnehmen zu lassen. Die aufgenommenen Verhandlungen müssen aber unverzüglich an das kompetente Militairgericht abgegeben werden.

§. 28. 2. der Divisionsgerichte.

Die Divisionsgerichte haben:
1) die höhere Gerichtsbarkeit über alle zum Divisionsverband gehörende Militairpersonen;
2) die niedere Gerichtsbarkeit über alle zum Dienstbereich des Divisions-Kommandeurs gehörende Unteroffiziere, Gemeine und Militair-Unterbeamten, die keinem Regimentsgericht der Division unterworfen sind.

§. 29. 3. der Korpsgerichte.

Die Korpsgerichte haben:
1) die höhere Gerichtsbarkeit über alle Militairpersonen in dem Bezirk des Generalkommandos, welche nicht der Gerichtsbarkeit der im Korpsbezirk befindlichen Divisionsgerichte unterworfen sind;
2) die niedere Gerichtsbarkeit über alle zu keinem Divisionsverband gehörende Unteroffiziere, Gemeine und Militair-Unterbeamte im Bezirk des Generalkommandos, welche nicht der Gerichtsbarkeit eines im Korpsbezirk befindlichen Regimentsgerichts unterworfen sind. [237]

§. 30.

Wenn Militairpersonen von verschiedenen Armeekorps der gemeinschaftlichen Verübung eines Verbrechens beschuldigt werden, so ist wegen sämmtlicher Angeschuldigten die Gerichtsbarkeit desjenigen kommandirenden Generals begründet, in dessen Korpsbezirk das Verbrechen begangen ist.

§. 31. 4. der Garnisongerichte.

Vor die Garnisongerichte gehören ausschließlich alle Vergehungen, die als Exzesse gegen die öffentliche Ruhe und Sicherheit am Orte zu betrachten, oder die gegen besondere, in Beziehung auf die Festungswerke und Vertheidigungsmittel ergangene Anordnungen, oder die im Wacht- oder Garnisondienst verübt sind.

§. 32.

Die Garnisongerichte haben außerdem sowohl die höhere als die niedere Gerichtsbarkeit:
1) über alle Militairpersonen, die zum Etat des Gouvernements oder der Kommandantur gehören;
2) über die Festungsarrestaten des Militairstandes, die Militairsträflinge und die Arbeiter-Abtheilungen;
3) über diejenigen Militairpersonen, deren eigene mit Gerichtsbarkeit versehene Befehlshaber nicht zur Besatzung gehören, sowie über die am Orte befindlichen Militairpersonen, deren Befehlshaber nicht mit Gerichtsbarkeit versehen sind.

§. 33. 5. Allgmeine Bestimmungen.

Treffen mehrere Verbrechen zusammen, von denen das eine zur höheren, das andere zur niederen Gerichtsbarkeit gehört, so gebührt die Kognition über alle Verbrechen dem Militairgericht, welchem die höhere Gerichtsbarkeit zusteht.

§. 34.

Bei dem Zusammentreffen mehrerer zur niederen Gerichtsbarkeit gehörigen Verbrechen ist, wenn die Strafen zusammengenommen die Grenzen dieser Gerichtsbarkeit übersteigen, die Sache an das mit der höheren Gerichtsbarkeit versehene Gericht abzugeben.

§. 35.

Wenn Militairpersonen, welche nicht sämmtlich der Gerichtsbarkeit eines und desselben Militairgerichts unterworfen sind, gemeinschaftlich ein Verbrechen verüben, so steht die Gerichtsbarkeit dem Militairgericht zu, dessen Gerichtsherr, dem Rang nach, der nächste Befehlshaber aller Angeschuldigten ist.
Werden verschiedene Verbrechen verübt, welche mit einander im Zusammenhang stehen, so findet dasselbe Verfahren statt, wie bei gemeinschaftlich verübten Verbrechen. [238]

§. 36.

In Gouvernementsstädten und Festungen tritt in dem Fall des §. 35. die Kompetenz des Garnisongerichts ein, wenn der gemeinschaftliche höhere Befehlshaber nicht zur Besatzung des Orts gehört.

§. 37.

In Straffällen, welche vor die höhere Gerichtsbarkeit gehören, ist die Sache auch bei eintretendem Garnisonwechsel, oder bei Veränderung der dienstlichen Stellung des Angeschuldigten, von dem Militairgericht zu beendigen, bei welchem die Einleitung der förmlichen Untersuchung stattgefunden hat.

§. 38.

Der kommandirende General ist befugt, aus dienstlicher Rücksicht den Militairgerichten des Korpsverbandes in Straffällen, welche vor das Korpsgericht gehören, die Untersuchung und die Aburtheilung zu übertragen, wenn besondere Umstände solches erfordern.

§. 39.

Werden bei Truppentheilen, welche ihre Garnison an einem Orte haben, wo sich kein Militairgericht befindet, Verbrechen verübt, die schleunige Maaßregeln erfordern, so ist der daselbst kommandirende Offizier befugt, das Civilgericht des Orts zu requiriren, alle Ausmittelungen vorzunehmen, die am Orte selbst oder sonst im Bezirk des Gerichts erfolgen müssen und keinen Aufschub leiden, bis entweder ein Inquirent von dem kompetenten Militairgericht gesandt, oder der Verbrecher nach dem Sitz des Militairgerichts gebracht werden kann. In den Fällen, wo weder das eine noch das andere zulässig ist, kann von Seiten des kompetenten Militairgerichts auch das Civilgericht zur Führung der Untersuchung requirirt werden.

§. 40.

Militairbefehlshaber, denen zur Ausübung ihrer gerichtsherrlichen Befugnisse ein Auditeur oder untersuchungsführender Offizier nicht zugetheilt ist, haben die ihnen zustehenden Untersuchungen durch Requisition des nächsten Militair-, oder, bei beträchtlicher Entfernung desselben, des Civilgerichts führen zu lassen.

§. 41.

Die Obduktion der Leichname von Militair- oder Civilpersonen gehört vor die Militairgerichte, wenn Verdacht vorhanden ist, daß eine Militairperson an dem Tode des Entleibten Schuld ist. Die äußere Besichtigung des Leichnams einer Militairperson, welche durch Selbstmord oder einen Unglücksfall ums Leben gekommen ist, sowie die Ermittelung der Todesursache und der Veranlassung zum Selbstmord, gebührt den Militairgerichten. Befindet sich kein Militairgericht am Ort, so ist das Civilgericht um Aufnahme der Verhandlungen zu requiriren.
Die aufgenommenen Verhandlungen sind wie bisher an das General-Auditoriat einzusenden. [239]

§. 42.

Die Auslieferung eines flüchtigen, im Auslande befindlichen Verbrechers ist von den Militairgerichten bei dem Kriegsministerium in Antrag zu bringen, insofern hierüber die bestehenden Kartelkonventionen oder andere Bestimmungen nicht besondere Vorschriften enthalten.

§. 43.

Kein Gerichtsherr darf in die Gerichtsbarkeit eines andern eingreifen; es bewirkt jedoch keine Nichtigkeit des Verfahrens, wenn die Untersuchung oder das Erkenntniß durch ein Militairgericht erfolgt ist, welches überhaupt befugt war, in einer zur höheren Gerichtsbarkeit gehörigen Sache die Untersuchung zu führen, oder zu erkennen.
Dies findet auch statt, wenn das inkompetente Gericht nur die niedere Gerichtsbarkeit hat, und der vor dieses Gericht gezogene Fall zur niederen Gerichtsbarkeit gehört.

Dritter Abschnitt. Von den Untersuchungsgerichten.

§. 44. I. Bestellung des Untersuchungsgerichts.

Das Untersuchungsgericht ist von dem Gerichtsherrn zu bestellen, dem die Gerichtsbarkeit über den Angeschuldigten zusteht.

§. 45. II. Besetzung: A. In Straffällen, welche vor die höhere Militairgerichtsbarkeit gehören.

In den vor die höhere Gerichtsbarkeit gehörenden Straffällen besteht das Untersuchungsgericht aus dem Auditeur als Inquirenten und zwei zur Untersuchung kommandirten Offizieren. Bei Verbrechen der Gemeinen, mit Ausnahme der Hauptverbrechen, d. h. der mit Todesstrafe oder lebenswieriger Freiheitsstrafe im Gesetz bedrohten Verbrechen, bedarf es nur der Zuziehung eines Offiziers.

§. 46.

Die zu den Untersuchungsgerichten zu kommandirenden Offiziere sollen sein, in Untersuchungen:
1) gegen Gemeine, wenn nicht Hauptverbrechen den Gegenstand derselben bilden,
ein Lieutenant;
2) gegen Gemeine bei Hauptverbrechen, und gegen Unteroffiziere,
zwei Lieutenants; [240]
3) gegen einen Lieutenant,
ein Hauptmann oder Rittmeister und ein Lieutenant;
4) gegen einen Hauptmann oder Rittmeister,
ein Major und ein Hauptmann oder Rittmeister;
5) gegen Offiziere höheren Grades,
ein Offizier des nächst höheren und ein Offizier des gleichen Dienstgrades des Angeschuldigten, oder, in Ermangelung des ersteren, zwei Offiziere von dem Dienstgrade des Angeschuldigten.

§. 47.

Betrifft die Untersuchung einen Militairbeamten, so sind die zum Untersuchungsgericht zu kommandirenden Offiziere nach dem Militairrang des Angeschuldigten, wenn aber derselbe keinen bestimmten Militairrang hat, nach dessen bürgerlichen Rangverhältnissen zu ernennen. Außerdem soll bei Dienstverbrechen, wenn die Dienstbehörde darauf anträgt, ein höherer Militairbeamter von dem Dienstzweig des Angeschuldigten zu den Verhandlungen zugezogen werden.

§. 48.

Der Auditeur kann durch einen im Richteramt stehenden, oder zum höheren Richteramt qualifizirten Civil-Justizbeamten ersetzt werden.

§. 49. B. In Straffällen, welche vor die niedere Gerichtsbarkeit gehören.

In den vor die niedere Gerichtsbarkeit gehörenden Straffällen besteht das Untersuchungsgericht aus dem Auditeur oder dem untersuchungsführenden Offizier als Inquirenten und einem Lieutenant.

§. 50.

In Untersuchungssachen gegen Militair-Unterbeamte bei denjenigen Militairgerichten, wo Aktuarien angestellt sind, genügt es, wenn der Auditeur mit Zuziehung des Aktuarius die Untersuchung führt.

§. 51. C. In Untersuchungen, welche durch Civilgerichte geführt werden.

Werden Untersuchungen gegen Personen des Soldatenstandes auf Requisition durch die Civilgerichte geführt, so ist unter Berücksichtigung der Rangverhältnisse des Angeschuldigten (§. 46.) ein Offizier zuzuziehen, insofern dies ohne Schwierigkeit und Kostenaufwand geschehen kann.

§. 52. D. Bei gemischten Untersuchungen gegen Militair- und Civilpersonen.

Wenn zwischen Militair- und Civilpersonen Beleidigungen oder Thätlichkeiten wechselseitig vorfallen, oder wenn ein Verbrechen von Militair- und Civilpersonen gemeinschaftlich verübt wird, so muß die Untersuchung von einem aus Militair- und Civilgerichtspersonen zusammengesetzten Gericht geführt werden. [241]
Der kompetente Gerichtsherr ernennt die Militairmitglieder. Der höchste kommandirte Offizier hat in diesem gemeinschaftlichen Untersuchungsgericht den Vorrang.
Die Verhandlungen, welche die Mitangeschuldigten des Militairstandes betreffen, sind zu besonderen Akten zu nehmen.

§. 53.

Nach beendigter Untersuchung ist zuerst gegen die angeklagten Militairpersonen von dem Militairgericht zu erkennen. Wenn besondere Umstände ein Anderes erfordern, so ist darüber die Entscheidung des Königs durch das General-Auditoriat einzuholen.

§. 54. E. Allgemeine Bestimmungen.

Die zu den Untersuchungsgerichten zu kommandirenden Offiziere müssen die Eigenschaft vollgültiger Zeugen haben.

§. 55.

Wenn Personen des Soldatenstandes zu vernehmen sind, die einen höheren Rang haben, als der höchste zum Untersuchungsgericht kommandirte Offizier, so ist nach den obwaltenden Umständen und bei Verhandlungen von besonderer Wichtigkeit ein höherer Offizier dabei zuzuziehen, der dem Range des höchsten unter den zu Vernehmenden entspricht (§. 46.).

§. 56.

Ohne dringende Veranlassung darf im Laufe der Untersuchung ein Wechsel in der Person der dazu kommandirten Offiziere nicht stattfinden.

§. 57.

Wenn die Vorschriften wegen Besetzung des Untersuchungsgerichts bei einer Verhandlung, aus welcher ein Grund zur Entscheidung hergenommen ist, verabsäumt worden sind, so ist das gesprochene Erkenntniß nichtig (§. 268.).
Jedoch soll, wenn das Erkenntniß rechtskräftig geworden, von Amtswegen die Aufhebung nicht beantragt werden.

§. 58. III. Von der Ablehnung einzelner Mitglieder des Untersuchungsgerichts.

Wenn der Angeschuldigte ein einzelnes Mitglied des Untersuchungsgerichts ablehnt, und der Gerichtsherr die Ernennung eines anderen Mitgliedes verweigert, so hat der kommandirende General über den Antrag zu entscheiden. Weist derselbe den Ablehnungsantrag zurück, so ist, wenn der Angeschuldigte dabei sich nicht beruhigt, die Entscheidung des Königs durch das General-Auditoriat einzuholen.
Wird einem Ablehnungsantrage gegen den Auditeur Folge gegeben, so hängt es von den Dienstverhältnissen des Gerichtsherrn ab, ob er unmittelbar einen anderen Auditeur statt des abgelehnten substituiren kann, oder einen anderen Gerichtsherrn deshalb zu requiriren hat. Von der erfolgten Substitution ist dem General-Auditoriat durch den Gerichtsherrn ungesäumt Nachricht zu geben. [242]

§. 59.

Die Ablehnung ist für begründet zu erachten gegen Mitglieder des Untersuchungsgerichts, welche
1) bei dem Ausfall der Untersuchung ein Interesse haben,
2) mit dem Angeschuldigten in offenbarer Feindschaft leben, wofür die rechtliche Vermuthung begründet wird durch gerichtliche Anschuldigung grober Verbrechen, verübte Thätlichkeiten gegen das Leben oder die Gesundheit, ehrenrührige Schmähungen und Prozesse über einen beträchtlichen Theil des Vermögens, insofern nicht anzunehmen ist, daß die feindseligen Gesinnungen durch Wiederaussöhnung oder durch den Verlauf mehrerer Jahre gehoben worden,
3) in der Sache als Zeugen aufgestellt werden sollen.
Außer diesen Gründen sind aber auch andere, in dienstlichen oder persönlichen Verhältnissen beruhende Einwendungen zu berücksichtigen.

§. 60.

In den Fällen des §. 58. sind bis zur erfolgten Entscheidung nur solche Verhandlungen, welche zur Feststellung des Thatbestandes dienen, oder bei denen Gefahr im Verzuge ist, von dem bestellten Untersuchungsgericht vorzunehmen.

Vierter Abschnitt. Von den Spruchgerichten.

§. 61.

Gegen Personen des Soldatenstandes wird
1) in den zur höheren Gerichtsbarkeit gehörenden Straffällen durch ein Kriegsgericht, und
2) in den zur niederen Gerichtsbarkeit gehörenden durch ein Standgericht erkannt. Das Rechtsmittel der weiteren Vertheidigung findet bei Erkenntnissen der Kriegs- oder Standgerichte nicht statt.
Gegen Militairbeamte wird durch Instanzengerichte erkannt.

§. 62. I. Ueber Personen des Soldatenstandes. Kriegs- und Standgerichte.

Das Kriegs- und das Standgericht ist, der Dienstordnung gemäß, von dem Befehlshaber anzuordnen, dem die Bestellung des Untersuchungsgerichts zustand. [243]

§. 63. 1. Bestellung derselben.

Wenn ein in Untersuchung befindlicher Offizier, vor der Bestellung des erkennenden Gerichts, wegen besonderer Umstände die Berufung der Mitglieder des Gerichts aus dem Dienstbereich des kompetenten Gerichtsherrn ablehnen sollte, so hat er sich auf dem Dienstwege an den König zu wenden.

§. 64. 2. Besetzung a) des Kriegsgerichts.

Ein Kriegsgericht besteht, mit alleiniger Ausnahme des im §. 65. gedachten Falles, aus fünf Richterklassen, von denen der Präses eine Klasse bildet, und aus dem Auditeur, als Referenten.
Zu einem Kriegsgericht sind nach dem Grade des Angeschuldigten als Richter zu berufen:
1) über einen Gemeinen:
a) ein Major als Präses,
b)zwei Hauptleute (Rittmeister),
c) zwei Lieutenants,
d) drei Unteroffiziere,
e) drei Gefreite oder beziehungsweise drei gemeine Soldaten;
2) über einen Unteroffizier und die übrigen zu dieser Kategorie gehörenden Personen des Soldatenstandes:
a)ein Major als Präses,
b)zwei Hauptleute (Rittmeister),
c) zwei Lieutenants,
d) drei Sergeanten oder beziehungsweise drei Portepee-Unteroffiziere,
e) drei Unteroffiziere;
3) über einen Premier- oder Sekondelieutenant:
a) ein Oberstlieutenant als Präses,
b) zwei Majore,
c) zwei Hauptleute (Rittmeister),
d) zwei Premier- und
e) zwei Sekondelieutenants;
4) über einen Hauptmann (Rittmeister):
a) ein Oberst als Präses,
b) zwei Oberstlieutenants,
c) zwei Majore,
d) zwei Hauptleute (Rittmeister),
e) zwei Premierlieutenants;
5) über einen Major oder Oberstlieutenant:
a) ein Generalmajor als Präses,
b) zwei Obersten, [244]
c) zwei Oberstlieutenants,
d) zwei Majore,
e) zwei Hauptleute (Rittmeister);
6) über einen Obersten:
a) ein Generallieutenant als Präses,
b) zwei Generalmajore,
c) zwei Obersten,
d) zwei Oberstlieutenants,
e) zwei Majore.
Bei Verbrechen, die mit Todes- oder lebenswieriger Freiheitsstrafe bedroht sind, müssen, mit Ausnahme der Klasse des Präses, auch die Richterklassen der Offiziere mit drei Personen besetzt werden.

§. 65.

Zu einem Kriegsgericht über einen General gehören, insofern der König die Besetzung nicht Selbst bestimmt:
1) außer einem höheren General als Präses,
2) drei Richterklassen, von welchen eine jede aus drei Personen bestehen muß, und zwar dergestalt, daß die unterste Klasse einen Grad geringer und die oberste einen Grad höher steht als der Angeschuldigte.

§. 66. b) des Standgerichts.

Ein Standgericht besteht aus fünf Richterklassen, von denen der Präses eine Klasse bildet, und aus einem Auditeur oder untersuchungsführenden Offizier als Referenten.

§. 67.

Zu einem Standgericht sind nach dem Grade des Angeschuldigten zu berufen:
1) über einen Gemeinen:
a) ein Hauptmann (Rittmeister) als Präses,
b) zwei Premierlieutenants,
c) zwei Sekondelieutenants,
d) zwei Unteroffiziere,
e) zwei Gefreite oder beziehungsweise zwei gemeine Soldaten;
2) über einen Unteroffizier und die übrigen zu dieser Kategorie gehörenden Personen des Soldatenstandes:
a) ein Hauptmann (Rittmeister) als Präses,
b) zwei Premierlieutenants,
c) zwei Sekondelieutenants,
d) zwei Sergeanten oder beziehungsweise zwei Portepee-Unteroffiziere,
e) zwei Unteroffiziere. [245]

§. 68. II. Ueber Militairbeamte. Instanzengerichte: A. Gericht der ersten Instanz. 1) In Straffällen, welche vor die höhere Gerichtsbarkeit gehören.

In den vor die höhere Gerichtsbarkeit gehörenden Straffällen der Militairbeamten hat der kommandirende General des Armeekorps, zu welchem der Angeschuldigte gehört, das erkennende Gericht zu bestellen.

§. 69.

Dasselbe besteht aus fünf Einzelnrichtern, und zwar:
1) einem Stabsoffizier (als Präses),
2) einem Hauptmann (Rittmeister),
3) und 4) zwei Auditeuren und
5) einem anderen oberen Militairbeamten, wo möglich von dem Dienstzweige des Angeschuldigten.
Von den Auditeuren ist der eine zugleich als Referent zu bestellen. Der Auditeur, welcher die Untersuchung geführt hat, darf in der nämlichen Sache nicht zum erkennenden Richter bestellt werden.
Steht der Angeschuldigte im Range den Stabsoffizieren gleich, so ist ein General zum Präses zu bestellen und anstatt eines Hauptmanns oder Rittmeisters (ad 2.) ein Stabsoffizier zuzuziehen.

§. 70. 2) In Straffällen, welche vor die niedere Gerichtsbarkeit gehören.

In Straffällen, welche vor die niedere Gerichtsbarkeit gehören, hat der zur Untersuchung kompetente Gerichtsherr auch das erkennende Gericht zu bestellen.

§. 71.

Dasselbe besteht aus fünf Einzelnrichtern, und zwar:
1) einem Hauptmann (Rittmeister) als Präses,
2) einem Lieutenant,
3) und 4) zwei Militair-Unterbeamten, wo möglich von dem Dienstzweige des Angeschuldigten, oder in deren Ermangelung, zwei Unteroffizieren,
5) dem Auditeur oder untersuchungsführenden Offizier, der zugleich Referent ist.
Die Bestimmung des §. 69., wonach der Inquirent nicht zum erkennenden Richter bestellt werden darf, findet auf Besetzung dieser Spruchgerichte keine Anwendung.

§. 72. B. Gericht der zweiten Instanz.

Gegen Erkenntnisse der Spruchgerichte über Militairbeamte ist das Rechtsmittel der weiteren Vertheidigung zulässig. Das Erkenntniß zweiter Instanz erfolgt durch das General-Auditoriat. [246]

§. 73. III. Allgemeine Bestimmungen.

Das Spruchgericht über Mitangeschuldigte des Soldatenstandes ist nach Verschiedenheit ihrer Dienstgrade zu besetzen. Wegen eines jeden Mitangeschuldigten stimmen nur die seinetwegen bestellten Richterklassen ab, der Präses aber ist nach dem Dienstgrad des höchsten unter den Angeschuldigten zu ernennen, und ist zugleich Präses wegen der übrigen Mitangeschuldigten.

§. 74.

In Ermangelung der zur Besetzung eines Spruchgerichts erforderlichen Offiziere des vorgeschriebenen Dienstgrades kann der fehlende durch den darauf folgenden Dienstgrad ersetzt werden.

§. 75.

Zu Mitgliedern eines Spruchgerichts dürfen nur Personen bestellt werden, welche die Eigenschaften vollgültiger Zeugen haben. Wer sich selbst in Untersuchung befindet, wer zum Untersuchungsgericht gegen den Angeschuldigten kommandirt gewesen, oder wer als Zeuge in der Sache vernommen ist, soll nicht zum Spruchgericht berufen werden.

§. 76.

Die Nichtbefolgung der in diesem Abschnitt (§§. 61–71. 73–75.) enthaltenen Vorschriften wegen Besetzung der Spruchgerichte hat die Nichtigkeit des Erkenntnisses zur Folge.
Jedoch soll, wenn das Erkenntniß rechtskräftig geworden, von Amtswegen die Aufhebung nicht in Antrag gebracht werden.

Fünfter Abschnitt. Von den Befugnissen und Pflichten der Militairgerichtspersonen.

§. 77. I. Des Gerichtsherrn.

Der Gerichtsherr hat, als Vorstand des Militairgerichts, bei allen Verfügungen desselben die Leitung und Entscheidung. Auf die richterlichen Funktionen des Auditeurs oder untersuchungsführenden Offiziers einzuwirken, steht ihm nur in den durch dieses Gesetzbuch vorgeschriebenen Grenzen zu.
An Verhandlungen der von ihm bestellten Untersuchungs- und Spruchgerichte darf der Gerichtsherr persönlich nicht Theil nehmen. Er ist verpflichtet, die Geschäftsführung des Auditeurs oder des untersuchungsführenden Offiziers zu beaufsichtigen und wahrgenommene Unordnungen oder Gesetzwidrigkeiten dem General-Auditoriat zur Abhülfe und Rüge anzuzeigen, insoweit er hierzu nach den besonderen Dienstvorschriften nicht selbst befugt ist. [247]
Er ist verpflichtet, die Gefängnisse des Gerichts von Zeit zu Zeit zu revidiren, oder für deren Visitation zu sorgen.
Alle im Namen des Gerichts zu erlassenden Verfügungen sind von ihm und dem Auditeur oder dem untersuchungsführenden Offizier zu vollziehen.
In Behinderungsfällen gehen seine gerichtsherrlichen Befugnisse auf seinen Stellvertreter im Kommando über.

§. 78. II. Des Auditeurs.

Der Auditeur ist dem Gerichtsherrn bei Ausübung der gerichtsherrlichen Befugnisse desselben als richterlicher Beamter zugeordnet.
Er hat die Gesetzlichkeit der im Namen des Gerichts zu erlassenden Verfügungen zu vertreten.
In Betreff seiner Pflichten als Gerichtsperson finden die Vorschriften der allgemeinen Landesgesetze Anwendung.

§. 79.

Wenn der Auditeur die Anweisungen des Gerichtsherrn in Bezug auf seine richterlichen Pflichten mit den gesetzlichen Vorschriften oder seinen Instruktionen nicht vereinbar hält, so hat er dem Gerichtsherrn dagegen Vorstellung zu machen.
Verbleibt derselbe bei seiner Verfügung, so hat der Auditeur solche auf die alleinige Verantwortung des Gerichtsherrn zu befolgen, jedoch den Hergang in den Akten zu vermerken und dem General-Auditoriat davon Anzeige zu machen.

§. 80. III. Des untersuchungsführenden Offiziers.

Der untersuchungsführende Offizier ist von dem Gerichtsherrn aus den Subaltern-Offizieren des Truppentheils zu ernennen, und vor Antritt seiner Funktion von dem Gerichtsherrn unter Zuziehung eines Offizieres dahin zu vereidigen:
daß er die Obliegenheiten des ihm übertragenen Amtes mit Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit, den Gesetzen gemäß, erfüllen, auch sich davon durch kein Ansehen der Person, keine Leidenschaft oder andere Nebenabsichten abhalten lassen wolle.
Ueber die erfolgte Vereidigung ist eine Verhandlung aufzunehmen und bei den Akten des Gerichts aufzubewahren.

§. 81.

Der untersuchungsführende Offizier hat in dem Umfang seines militairgerichtlichen Wirkungskreises mit dem Auditeur gleiche Befugnisse und Pflichten, auch haben die in diesem Wirkungskreise vor besetztem Gericht von ihm aufgenommenen Verhandlungen die Beweiskraft gerichtlicher Urkunden. [248]

§. 82. IV. Des Aktuarius.

Die bei den Militairgerichten angestellten Aktuarien stehen zunächst unter dem Auditeur.
Wegen ihrer besonderen Amtspflichten sind sie nach den ihnen ertheilten Instruktionen zu beurtheilen.

§. 83. V. Der zu den Untersuchungsgerichten kommandirten Offiziere.

Die zu den Untersuchungsgerichten kommandirten Offiziere haben für die Erhaltung der militairischen Ordnung während der Verhandlungen zu sorgen, auch dahin zu sehen, daß die Aussagen genau in die von ihnen mit zu unterzeichnenden Protokolle aufgenommen werden, und daß der Inhalt derselben überhaupt mit dem wirklichen Hergang übereinstimmt.

§. 84.

Hat ein solcher Offizier (§. 83.) Erinnerungen zu machen, so sind dieselben von ihm dem Inquirenten, jedoch nicht in Gegenwart des zu Vernehmenden, mitzutheilen. Wenn darüber keine Vereinigung stattfindet, so kann der Offizier die Aufzeichnung seiner Erinnerungen am Schluß des Protokolls verlangen und dem Gerichtsherrn davon Anzeige machen.
Wenn es, insbesondere bei militairischen Verbrechen, zur näheren Feststellung des Thatbestandes auf genaue Kenntniß und richtige Würdigung der militairischen Verhältnisse wesentlich ankommt, so müssen die zur Untersuchung kommandirten Offiziere in Verbindung mit dem Inquirenten dahin wirken, daß der militairische Gesichtspunkt dabei festgehalten und der zu Vernehmende veranlaßt werde, über die ihnen zur Ermittelung des richtigen militairischen Standpunktes erheblich scheinenden Umstände sofort vollständige Auskunft zu ertheilen.

§. 85. VI. Der Gerichtsboten.

Die Geschäfte der Gerichtsboten sind durch Ordonnanzen zu versehen.

Sechster Abschnitt. Von dem General-Auditoriat.

§. 86.

Das General-Auditoriat ist der oberste Militairgerichtshof. Es ist die Rekursinstanz, sowie die begutachtende Behörde in den, in diesem Gesetzbuch näher bezeichneten Fällen.
Dasselbe bildet die zweite Instanz in Strafsachen der Militairbeamten und ist die vorgesetzte Dienstbehörde der Auditeure und Aktuarien. [249]

§. 87.

Das General-Auditoriat hat die Geschäftsführung der Militairgerichte nach den darüber bestehenden besonderen Vorschriften zu beaufsichtigen und etwanigen Beschwerden in militärgerichtlichen Angelegenheiten abzuhelfen, auch die Zweifel über die Kompetenz der Militairgerichte oder über die Anwendung und Auslegung der Militairgesetze zu erledigen, nöthigenfalls zur Entscheidung des Königs zu bringen.
Gegen die rechtlichen Bescheide des General-Auditoriats findet nur der Rekurs an den König statt.

§. 88.

Der Geschäftskreis des General-Auditoriats, insoweit derselbe sich nicht aus diesem Gesetzbuch ergiebt, ist durch besondere Instruktionen bestimmt.

Zweiter Titel. Von dem Verfahren.

Erster Abschnitt. Von dem Verfahren gegen Personen des Soldatenstandes.

§. 89.

Die Militairgerichte haben in Untersuchungssachen von Amtswegen zu verfahren, insofern nicht Ausnahmen durch die Gesetze ausdrücklich bestimmt sind.

§. 90.

Das Verfahren der Militairgerichte in Strafsachen der Personen des Soldatenstandes ist entweder das kriegsrechtliche oder das standrechtliche (§. 61.).

Erste Abtheilung. Von dem Verfahren in Straffällen, welche vor die höhere Gerichtsbarkeit gehören. (Kriegsrechtliches Verfahren.)

§. 91. I. Untersuchungsverfahren. A. Vorläufige Untersuchung.

Wenn der Gerichtsherr von einem, in dem Bereich seiner Gerichtsbarkeit verübten Verbrechen Kenntniß erhält, so hat er den ihm zugetheilten Auditeur anzuweisen, den Thatbestand festzustellen. [250]

§. 92.

Bei Feststellung des Thatbestandes ist nach den, diesem Gesetzbuch unter Littr. B. beigefügten Bestimmungen zu verfahren.

§. 93. 1) Thatbericht.

Der Feststellung des Thatbestandes muß ein vollständiger Thatbericht (species facti) vorangehen, welcher in der Regel von dem nächsten mit der Disziplinar-Strafgewalt über den Angeschuldigten versehenen Vorgesetzten anzufertigen ist.

§. 94. 2) Haussuchungen.

Haussuchungen dürfen von den Militairgerichten nur in Militairgebäuden oder in Wohnungen von Militairpersonen vorgenommen werden.
Gegen Personen einer anderen Gerichtsbarkeit darf die Haussuchung nur durch das kompetente Gericht oder durch die Polizei erfolgen.

§. 95. 3) Zuziehung Sachverständiger: a) im Allgemeinen.

Als Sachverständige und Taxatoren sollen vorzugsweise Militairpersonen, insofern sie dazu geeignet sind, nach vorher erfolgter Vereidigung zugezogen werden.

§. 96. b) der Dollmetscher.

Zu Dollmetschern sind nur solche Militairpersonen zu wählen, die als zuverlässig bekannt sind, und die Sprache des zu Vernehmenden geläufig sprechen und, wo möglich, auch schreiben. Der Bestellung zum Dollmetscher muß jedesmal die Vereidigung vorangehen.

§. 97. c) der Aerzte.

In Fällen, wo es der Zuziehung von Aerzten oder der Einholung ärztlicher Gutachten bedarf, ist, wenn nicht Gefahr im Verzuge vorhanden ist, statt des Physikus ein Regiments-, Bataillons- oder Stabsarzt, und statt des gerichtlichen Wundarztes ein Kompagnie- oder Eskadron-Chirurg, der die wundärztlichen Staatsprüfungen bestanden hat, zuzuziehen.
Anmerkung: Die Kompagnie- (Eskadron-) Chirurgen heißen jetzt: Militair-Unterärzte.

§. 98. 4) Suspension vom Dienst.

Wird in Folge des gerichtlichen Verfahrens die Suspension des Angeschuldigten vom Dienst nothwendig, so hat der Gerichtsherr solche zu verfügen. [251]

§. 99. 5) Verhaftung.

Ob der Angeschuldigte zu verhaften sei, oder dessen Verhaftung fortdauern solle, hat der Gerichtsherr zu bestimmen. Des Diebstahls, des Betruges, der Desertion oder anderer schwerer Verbrechen Angeschuldigte sind bei hinreichenden Verdachtsgründen jederzeit zu verhaften. Andere Angeschuldigte können von der Untersuchungshaft befreit bleiben, wenn nicht zu besorgen ist, daß sie das Verbrechen fortsetzen, die Flucht ergreifen, oder die Freiheit zur Erschwerung der Untersuchung mißbrauchen werden.

§. 100.

Mitangeschuldigte in derselben Untersuchungssache sind während der Untersuchung, sofern es die Umstände gestatten, von einander abzusondern. Gefährliche Verbrecher sind stets in einsamer Haft zu halten.

§. 101.

Die Befreiung von der Untersuchungshaft gegen Kaution findet bei Personen des Soldatenstandes nicht statt.
Sicheres Geleit kann ausgetretenen Angeschuldigten nur auf Befehl des Königs ertheilt werden.

§. 102. B. Entscheidung über das weitere Verfahren.

Nach dem Erfolg der vorläufigen Untersuchung hat der Gerichtsherr auf den Vortrag des Auditeurs zu bestimmen, und darüber eine Verfügung zu den Akten zu geben:
1) ob das Verfahren einzustellen oder fortzusetzen, und ob in letzterem Fall das kriegsrechtliche oder das standrechtliche Verfahren einzuleiten, oder
2) ob der Fall nur disziplinarisch zu rügen sei.

§. 103.

Wenn gegen einen General, Brigadekommandeur, Festungskommandanten, Regimentskommandeur, oder gegen einen Flügel-Adjutanten die Untersuchung einzuleiten ist, so muß in Friedenszeiten unbedingt, im Kriege aber, insofern die Verhältnisse es gestatten, dazu der Befehl des Königs eingeholt werden.

§. 104. C. Förmliche Untersuchung.

Ist die Eröffnung der förmlichen Untersuchung verfügt, so darf das Verfahren nicht mehr eingestellt, sondern es muß in der Sache erkannt werden.
Ergiebt sich im Laufe der Untersuchung, daß dieselbe noch auf andere Verbrechen oder auf Mitschuldige auszudehnen ist, so muß auch hierüber die Entscheidung des Gerichtsherrn eingeholt werden.

§. 105.

Wenn sich im Laufe der Untersuchung zeigt, daß dieselbe zur Kompetenz der niederen Gerichtsbarkeit gehört, so muß die Sache an das kompetente Regimentsgericht abgegeben werden, insofern nicht im zweiten Abschnitt des ersten Titels Ausnahmen dieserhalb bestimmt sind. [252]

§. 106. D. Lügen vor Gericht.

Wegen Lügen vor Gericht findet keine Disziplinarstrafe statt; dem Angeschuldigten ist aber vorzuhalten, daß hartnäckiges Leugnen oder freches Lügen die Erhöhung seiner Strafe zur Folge habe.

§. 107. E. Verheißung der Gnade.

In den Fällen, in welchen nach den allgemeinen Landesgesetzen Veranlassung vorhanden ist, dem Angeschuldigten Begnadigung zu verheißen, muß die Genehmigung des Königs zu dieser Verheißung durch das General-Auditoriat eingeholt werden.
Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 1; Beilage Littr. F.

§. 108. F. Beweiskraft der Aussagen: 1) der Vorgesetzten.

Bei militairischen Verbrechen kann in Ermangelung anderer Beweismittel auf den Grund der eidlichen, auf eigener Wahrnehmung beruhenden Aussage des Vorgesetzten – wenn ihn nicht selbst eine Verschuldung bei der Sache trifft, oder seine Glaubwürdigkeit nicht durch besondere Umstände geschwächt wird – auf die gesetzliche Strafe erkannt werden.

§. 109. 2) der Wachtmannschaften und des sonst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit auftretenden Militairs.

Unter denselben Voraussetzungen (§. 108.) kann der eidlichen Aussage einer Person des Soldatenstandes über militairische Verbrechen gleiche Beweiskraft beigelegt werden, wenn der Zeuge das Verbrechen wahrgenommen hat, während er sich in Ausübung des Nachtdienstes oder sonst zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit im Dienst befand, und wenn durch die Aussage nicht derjenige beschuldigt wird, der dem Zeugen während der Ausübung des Dienstes vorgesetzt war.

§. 110. G. Artikulirtes Verhör und Schluß der Untersuchung.

Bei militairischen Verbrechen findet das artikulirte Verhör nicht statt, doch sollen in wichtigen oder verwickelten Fällen dem Angeschuldigten bestimmte Fragen, welche zur näheren Aufklärung der Sache dienen können, vorgelegt, und die darauf ertheilten Antworten mit dessen eigenen Worten niedergeschrieben werden.

§. 111.

Im Schlußtermin hat der Angeschuldigte, wenn er verhindert sein sollte, vor dem Kriegsgericht persönlich zu erscheinen, oder wenn sein Erscheinen mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, sich zu erklären, ob er selbst einen Stellvertreter ernennen, oder dessen Bestellung dem Gerichtsherrn überlassen wolle.
Zum Stellvertreter darf in Untersuchungssachen wegen militairischer Verbrechen nur eine Militairperson gewählt werden. [253]

§. 112.

Wird eine bereits abgeschlossene Untersuchung von der niederen an die höhere Gerichtsbarkeit abgegeben (§. 208.), so müssen die Verhandlungen dem Angeschuldigten vor gehörig besetztem Untersuchungsgericht zu seiner nochmaligen Schlußerklärung vorgelegt werden.

§. 113.

Bei entstehendem Bedenken, ob die den Angeschuldigten wahrscheinlich treffende Strafart, nach der körperlichen Beschaffenheit desselben, anwendbar sein werde, muß hierüber das Gutachten eines Arztes vor Abschluß der Untersuchung erfordert und zu den Akten gebracht werden.

§. 114. H. Vertheidigung.

Dem Angeschuldigten ist in allen Fällen gestattet, sich selbst, entweder schriftlich oder zum gerichtlichen Protokoll, zu vertheidigen.

§. 115.

Bei gemeinen Verbrechen ist in Friedenszeiten der Angeschuldigte nur dann befugt, sich durch einen Rechtsverständigen schriftlich oder zum gerichtlichen Protokoll vertheidigen zu lassen, wenn dieselben mit einer härteren Strafe als dreijähriger Freiheitsentziehung bedroht sind.

§. 116.

Ist das gemeine Verbrechen mit Todesstrafe bedroht, so treten in Friedenszeiten wegen der Zuziehung des Vertheidigers die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften ein.

§. 117.

Bei militairischen Verbrechen darf der Angeschuldigte seine Vertheidigung nur dann durch einen Anderen, der jedoch eine Militairperson sein muß, führen, wenn das Verbrechen mit mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe oder mit Todesstrafe bedroht ist, wird die Vertheidigung durch einen Anderen geführt, so kann sie nur zum gerichtlichen Protokoll erfolgen.

§. 118.

Die Vertheidigung darf mit aller Freimüthigkeit geführt werden, aber nicht in eine absichtliche Verletzung des Dienstansehens ausarten. [254]

§. 119.

Der Vertheidiger kann die Akten im Beisein des Inquirenten an der Gerichtsstelle einsehen. Die Aushändigung der Akten in Untersuchungssachen, welche militairische Verbrechen betreffen, ist unstatthaft. Ist der Angeschuldigte verhaftet, so kann der Vertheidiger sich mit demselben nur in Gegenwart des Inquirenten besprechen.

§. 120.

Bei dem artikulirten Verhör und im Schlußtermin ist der Vertheidiger zuzuziehen, wenn er am Sitz des Gerichts anwesend ist. Vor dem Kriegsgericht ist die Vertheidigung nur durch den Angeschuldigten selbst oder dessen Stellvertreter zum Protokoll gestattet.

§. 121.

In Fällen, wo die Zuordnung eines Vertheidigers oder die schriftliche Vertheidigung durch einen solchen unzulässig ist, hat der Inquirent im Schlußtermin den Angeschuldigten mit seinen Vertheidigungsgründen besonders zu hören und dieselben zu Protokoll zu nehmen, wenn er nicht selbst schriftlich sich vertheidigen will.

§. 122. II. Spruchverfahren. A. Prüfung der Spruchreife der Akten.

Nach Berichtigung des Vertheidigungspunktes hat der Auditeur dem Gerichtsherrn über die Spruchreife der Akten Vortrag zu halten.
Werden die Akten spruchreif befunden, so ist das Spruchgericht von dem Gerichtsherrn zu bestellen.

§. 123. B. Abhaltung der Spruchsitzung.

Der Gerichtsherr hat nach genommener Rücksprache mit dem Auditeur das Spruchgericht anzuordnen.

§. 124. 1) Eröffnung der Spruchsitzung.

Von dem Präses des Spruchgerichts, der vor der Abhaltung des Kriegsgerichts, wenn ein militairisches Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet, mit dem Inhalt der Akten sich vollständig bekannt zu machen hat, ist die Anordnung wegen Eröffnung der Sitzung zu treffen und für die Erhaltung der militairischen Dienstordnung während derselben zu sorgen.

§. 125. 2) Prüfung der Besetzung des Spruchgerichts.

Ist das Richterpersonal versammelt, so hat der Auditeur zu prüfen, ob das Gericht vorschriftsmäßig besetzt ist, etwanige Mängel aber dem Präses anzuzeigen, um deren Abstellung zu bewirken.

§. 126.

Wird das Gericht vorschriftsmäßig besetzt gefunden, so ist der Angeschuldigte oder dessen Stellvertreter vorzulassen, der Zweck der Versammlung durch den Auditeur bekannt zu machen und der Angeschuldigte oder dessen Stellvertreter zu befragen, ob er Einwendungen gegen die Mitglieder des Gerichts zu machen habe. [255]

§. 127. 3) Einwendungen gegen einzelne Mitglieder des Spruchgerichts.

Werden solche Einwendungen erhoben (§§. 59. und 75.), so ist der Betheiligte darüber zu hören und nach einstweiliger Entlassung desselben und des Angeschuldigten, auf den Vortrag des Auditeurs, über den Grund oder Ungrund der Einwendungen von den übrigen Richtern klassenweise nach Stimmenmehrheit zu entscheiden.
Im Fall die Stimmen gleich getheilt sind, giebt die Stimme des Präses den Ausschlag.
Bei Prüfung der erhobenen Einwendungen gilt die Bestimmung des §. 59.

§. 128.

Werden die Einwendungen gegründet befunden, so muß statt des unzulässigen Richters ein anderer Richter bestellt werden. Kann dies nicht sofort geschehen, so ist die Sitzung aufzuheben. Das letztere muß auch geschehen, wenn der Präses oder der Auditeur rekusirt werden sollte.
Wird der Auditeur rekusirt, so gilt die Bestimmung des §. 58. Ueber den Hergang muß ein Protokoll aufgenommen und dasselbe dem Gerichtsherrn vorgelegt werden.

§. 129. 4) Vereidigung der Richter und Vorlesung der Akten.

Sind gegen die Mitglieder des Gerichts keine Einwendungen gemacht, oder die erhobenen erledigt, so hat der Präses die Richter an die Wichtigkeit des Richteramts mit der Ermahnung zu erinnern:
„den Gesetzen gemäß Recht zu sprechen, wie sie es vor Gott und Seiner Majestät dem Könige zu verantworten gedenken, und sich weder durch Ansehen der Person, noch durch eine Nebenabsicht von einem unparteiischen Urtheilsspruch abhalten zu lassen.“
Hierauf wird das Richterpersonal durch den Auditeur mit folgendem Eide verpflichtet:
„Ich schwöre zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich, der mir übertragenen Richterpflicht eingedenk, in der Untersuchung wider etc. dergestalt Recht sprechen will, wie es nach meiner gewissenhaften Ueberzeugung, den Akten und Gesetzen gemäß ist etc.“

§. 130.

Nach der Eidesleistung ist der Inhalt der Akten durch den Auditeur vorzulesen.
Daß die Vorhaltung und Vereidung, sowie die Vorlesung der Akten vorschriftsmäßig erfolgt ist, muß in dem Protokoll vermerkt werden. [256]

§. 131. 5) Abschluß mit dem Angeschuldigten.

Der Auditeur hat demnächst den Angeschuldigten zu befragen, ob er zu Sache noch etwas anzuführen habe, und dessen Erklärung in das Protokoll aufzunehmen. Hierauf wird dasselbe mit dem Angeschuldigten abgeschlossen und der Letztere aus der Versammlung entlassen.

§. 132. 6) Vortrag des Auditeurs.

Nach Entlassung des Angeschuldigten hat der Auditeur dem versammelten Gericht über die Lage der Sache und das anzuwendende Gesetz Vortrag zu halten und in Gemäßheit des §. 138. seinen Antrag zu stellen, wie nach seiner rechtlichen Ueberzeugung zu erkennen sei.
Dem Ermessen des Präses bleibt es anheimgestellt, die aus dem dienstlichen Gesichtspunkt ihm erforderlich scheinenden Bemerkungen dem Antrag de Auditeurs beizufügen.

§. 133.

Der Vortrag muß den Richtern in schriftlicher Abfassung vorgelesen und zu den Akten gebracht werden, wenn der Auditeur sein Votum auf Todesstrafe, Kassation, Entfernung aus dem Offizierstande, Dienstentlassung, Ausstoßung aus dem Soldatenstande, Ausstoßung oder Entlassung aus der Gendarmerie, auf mehr als dreijährige Freiheitsstrafe, oder auf Freisprechung von einem Verbrechen richtet, welches mit einer dieser Strafen bedroht ist.

§. 134.

Der Auditeur hat in allen Fällen den wesentlichen Inhalt des Vortrages mit seinem Voto und den demselben zum Grunde gelegten gesetzlichen Vorschriften in das Protokoll aufzunehmen.

§. 135.

Sollte einer der Richter über den Inhalt der Akten, oder über das anzuwendende Gesetz Zweifel äußern, so muß der Auditeur ihm die erforderliche Aufklärung ertheilen; der ordnungsmäßige Gang der Verhandlung darf dadurch aber nicht gestört werden.

§. 136. 7) Abstimmung.

Nach beendigtem Vortrag des Auditeurs hat der Präses die Richter anzuweisen, sich klassenweise abgesondert über die von dem Auditeur ihnen vorzulegenden Fragen (§. 138.) zu berathen, und zu einem gemeinschaftlichem Voto in der Klasse zu vereinigen. Die Richter dürfen dabei an dem freimüthigen Ausspruch ihres Urtheils in keiner Art behindert werden.

§. 137.

Die Mitglieder verschiedener Klassen dürfen sich über das abzugebende Votum untereinander nicht besprechen. [257]

§. 138.

Der Auditeur hat den Richtern die Frage zur Beantwortung vorzulegen:
ob der Angeschuldigte freizusprechen oder zu bestrafen und welche Strafe in letzterem Falle gegen ihn zu erkennen sei?
Hierauf giebt jede Richterklasse, die unterste zuerst, im Beisein des Präses, ihr Votum dem Auditeur ab, der solches in das Protokoll aufnimmt.
Ist das Votum auf Freisprechung gerichtet, so muß der Auditeur die Erklärung darüber erfordern:
a) ob die Freisprechung eine völlige oder vorläufige sein, und
b) im Falle der völligen Freisprechung, ob dieselbe wegen nicht erwiesener Schuld, oder wegen erwiesener Unschuld eintreten solle?
Jeder Richter hat seinen Ausspruch zu unterschreiben.
Der Präses giebt seine Stimme zuletzt ab.

§. 139.

Weicht der Ausspruch der Klasse oder eines Richters von dem gutachtlichen Antrag des Auditeurs wesentlich ab, so sind die Gründe dafür anzugeben. Ist der Ausspruch den klaren Vorschriften der Gesetze entgegen, so muß der Auditeur die Ansicht zu berichtigen suchen und, wenn dies ohne Erfolg bleibt, die abweichende Meinung, mit den dafür angegebenen Gründen, in das Protokoll aufnehmen.

§. 140.

Sollte das Spruchgericht durch Stimmenmehrheit die Akten für nicht spruchreif erklären, so ist der Beschluß von dem Auditeur auszufertigen, von dem Präses und dem Auditeur zu unterschreiben, und dem Gerichtsherrn zur weiteren Veranlassung vorzulegen. Hat derselbe gegen die Ausführung des Beschlusses Bedenken, so ist die Sache dem General-Auditoriat zur Verfügung einzusenden. Sind die Bedenken gegen die Spruchreife der Akten erledigt, so muß in der Sache erkannt werden.
Wenn durch Stimmenmehrheit die Akten für spruchreif erklärt werden, so sind die überstimmten Mitglieder des Kriegsgerichts nach Aufstellung ihrer Bedenken, ihre Stimme hinsichtlich der Strafbarteit des Angeschuldigten, sowie der Art und des Maaßes der Strafe, nach Lage der Akten, definitiv abzugeben verbunden.

§. 141.

Das Spruchgericht, welches für einen Straffall der höheren Gerichtsbarkeit bestellt ist, hat das Urtheil auch dann zu sprechen, wenn sich ergiebt, daß die zu erkennende Strafe die Grenzen der niederen Gerichtsbarkeit, oder der Disziplinarstrafgewalt nicht übersteigt. [258]

§. 142. C.Erkenntnisse. 1) Berechnung der Stimmen.

Zu einem gültigen Urtheil ist die unbedingte Stimmenmehrheit erforderlich.
Wenn sich bei Zählung der Stimmen entweder über die Strafbarkeit, oder über die Art, oder das Maaß der Strafe die unbedingte Mehrheit für eine Meinung nicht ergiebt, so ist die Stimme für die härteste Strafe der nächst gelinderen so lange beizuzählen, bis die unbedingte Stimmenmehrheit vorhanden ist.
Hiernach ist auch bei Berechnung der Stimmen in den einzelnen Richterklassen zu verfahren.
Sind die Mitglieder einer aus zwei Personen bestehenden Richterklasse unter sich verschiedener Meinung, so gilt die gelindere für den Ausspruch der Klasse.

§. 143. 2) Ergebniß der Abstimmung.

Nach erfolgter Abstimmung hat der Auditeur die Stimmen sorgfältig zu berechnen, das Ergebniß der Abstimmung den Richtern bekannt zu machen und in das von ihm und dem Präses zu unterschreibende Protokoll zu bringen, zugleich aber in dem Protokoll zu bemerken, daß die Richter von dem Ergebniß der Abstimmung in Kenntniß gesetzt worden.

§. 144. 3) Geheimhaltung der Abstimmung.

Nach dem Schluß des Protokolls hat der Präses die Mitglieder des Kriegsgerichts an die Pflicht zu erinnern, die Verhandlungen und das Ergebniß der Abstimmung sorgfältig geheim zu halten.
Hierauf ist die Versammlung durch den Präses zu entlassen, und von demselben über den Ausfall des Kriegsgerichts dem Gerichtsherrn Meldung zu machen.

§. 145. 4) Form und Inhalt des Erkenntnisses.

Das Erkenntniß ist von dem Auditeur auszufertigen und muß enthalten:
1) als Eingang, den Vor- und Zunamen des Angeschuldigten, sowie die Charge und Benennung des Truppentheils, in welchem derselbe dient;
2) die Erkenntnißformel, in welcher das Verbrechen, worüber das Urtheil gefällt worden, anzugeben und im Fall der Verurtheilung die Strafe, ihrer Art und Dauer nach, genau zu bezeichnen, auch wo die Verpflichtung, Kosten und Stempel zu zahlen, eintritt, dieselbe auszusprechen, wenn aber das Urtheil auf Freisprechung lautet, die Art derselben auszudrücken ist;
3) die nähere Angabe der persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Angeschuldigten, auch ob derselbe schon früher wegen gleicher oder anderer Verbrechen bestraft worden ist; eine aktenmäßige Darstellung des Sachverhältnisses und die Gründe der Entscheidung, mit Anführung der in Anwendung gebrachten Gesetzesstellen. [259]

§. 146.

Hinsichtlich der Vollziehung des Erkenntnisses verbleibt es bei dem bisherigen Verfahren.

§. 147.

Weicht die Ausfertigung des Erkenntnisses von dem Inhalt des Abstimmungsprotokolls ab, so entscheidet das letztere.

§. 148.

Hat der Auditeur auf Grund einer unrichtigen Berechnung der Stimmen oder sonst aus Versehen das Erkenntniß nicht richtig ausgefertigt, so wird ohne Weiteres vom Gerichtsherrn die Anfertigung einer richtigen Ausfertigung verfügt, und selbige sodann in der im §. 146. angegebenen Art vollzogen.

§. 149. D. Begnadigungs- oder Milderungsgesuch des Spruchgerichts.

Ein Antrag des Spruchgerichts auf Erlaß oder Milderung der erkannten Strafe durch die Gnade des Königs ist nur zulässig, wenn die Mehrzahl der Richterklassen sich bewogen finden sollte, darauf anzutragen.
Ueber den Beschluß muß eine besondere Verhandlung aufgenommen und dem Erkenntniß beigefügt werden.

§. 150. E. Bestätigung des Erkenntnisses.

Erkenntnisse der Kriegsgerichte bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Bestätigung.

§. 151. 1) Einsendung der Erkenntnisse zur Bestätigung.

Die Einsendung des Erkenntnisses zur Bestätigung erfolgt durch den Befehlshaber, welcher das Spruchgericht bestellt hat, insofern derselbe die Bestätigung nicht selbst zu ertheilen hat.

§. 152.

Wenn das Erkenntniß durch den König zu bestätigen ist, so muß dasselbe durch das General-Auditoriat eingereicht, auch ein, von dem Auditeur anzufertigender und zu unterschreibender Aktenauszug beigefügt werden, welcher in gedrängter Kürze die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Angeschuldigten, eine aktenmäßige Darstellung des Sachverhältnisses, die Angabe der in Anwendung gebrachten Gesetze und die Erkenntnißformel enthalten muß.

§. 153.

In Fällen, wo die Bestätigung nicht durch den Befehlshaber erfolgt, welcher das Spruchgericht bestellt hat, ist bei der Einsendung des Erkenntnisses zur Bestätigung eine beglaubigte Abschrift desselben beizufügen. [260]

§. 154. 2) Bestätigung durch den König.

Die Bestätigung erfolgt durch den König:
1) in den Fällen, wo die allgemeinen Landesgesetze dies erfordern, namentlich: wenn wegen Hoch- oder Landesverraths, wegen Duells oder Herausforderung zu demselben, oder auf Ausstoßung aus dem Soldatenstande erkannt ist;
2) wenn das Erkenntniß gegen einen Offizier ergangen ist;
3) wenn gegen einen Portepeefähnrich auf Degradation erkannt ist;
4) wenn gegen Militairpersonen des Soldatenstandes vom Feldwebel abwärts auf mehr als zehnjährige Festungsstrafe erkannt ist;
5) wenn gegen Militairpersonen des Soldatenstandes vom Feldwebel abwärts, die zum Gardekorps gehören, über drei Jahre Festungsstrafe erkannt ist, und
6) wenn gegen dieselben Chargen in der Armee (Nr. 5.) wegen eines Verbrechens gegen die Subordination auf mehr als dreijährige Festungsstrafe erkannt worden.

Die §§. 154 – 161. sind aufgehoben und an deren Stelle die nachstehenden Bestimmungen des Allerhöchsten Erlasses vom 1. Juni 1867. getreten:

Ich will nach ihrem Antrage das den oberen Militairbefehlshabern delegirte Recht zur Bestätigung kriegsrechtlicher Erkenntnisse zur Abkürzung des Geschäftsganges anderweit regeln, und bestimme daher, was folgt:
1) Meiner Bestätigung bleiben vorbehalten die kriegsrechtlichen Erkenntnisse in den Fällen:
a) wenn auf Todesstrafe oder lebenswierige Freiheitsstrafe erkannt ist,
b) wenn das Erkenntniß gegen einen Offizier ergangen ist, mag dasselbe auf Strafe oder Freisprechung lauten,
c)wenn gegen einen Portepeefähnrich auf Degradation, oder
d) gegen Personen des Soldatenstandes vom Feldwebel abwärts wegen militairischer Verbrechen – sei es auch in Verbindung mit gemeinen Vergehen – auf mehr als zehnjährige Festungsstrafe erkannt ist.
2) Der Kriegsminister bestätigt – mit Ausnahme der sub 1. bezeichneten Fälle – die Erkenntnisse der Kriegsgerichte:
a) wenn gegen Landgendarmen auf mehr als einjährige Freiheitsstrafe,
b) wenn gegen Landgendarmen und gegen andere Personen des Soldatenstandes, als Mitangeschuldigte, in der nämlichen Sache erkannt ist.
3) Der kommandirende General bestätigt die, nicht zu Meiner oder des Kriegsministers Bestätigung gehörenden kriegsrechtlichen Erkenntnisse gegen alle Personen des Soldatenstandes seines Armeekorps:
a)wenn auf mehr als einjährige Freiheitsstrafe,
b) wenn wegen Desertion in contumaciam erkannt,
c) wenn gegen Invaliden die Entlassung aus dem Militairverhältniß verhängt ist.
Derselbe hat zugleich das Bestätigungsrecht eines Divisionskommandeurs (Nr. 8.) bei Erkenntnissen gegen Personen des Soldatenstandes, welche
a) nach den §§. 29. und 30. Theil II. des Militair-Strafgesetzbuchs unter der Gerichtsbarkeit des Korpsgerichts stehen, oder [261]
b) der Gerichtsbarkeit der Garnisongerichte im Korpsbezirk unterworfen sind und in keinem Divisionsverbande stehen.
4) Der kommandirende General des Gardekorps bestätigt, gleich dem kommandirenden General eines jeden anderen Armeekorps, die kriegsrechtlichen Erkenntnisse gegen Mannschaften der Truppentheile des Gardekorps, ohne Rücksicht auf deren Dislokation.

:5) Der Gouverneur von Berlin bestätigt in den Fällen, in welchen von ihm das Kriegsgericht angeordnet ist, die Erkenntnisse in dem dem kommandirenden General eines Armeekorps zugestandenen Umfange.

6) Der Oberbefehlshaber der Marine hat innerhalb seines Dienstbereichs das Bestätigungsrecht in demselben Umfange, wie der kommandirende General eines Armeekorps.
7) Zur Bestätigung des Divisionskommandeurs und der mit gleichen gerichtsherrlichen Rechten versehenen Befehlshaber gelangen die kriegsrechtlichen Erkenntnisse gegen Personen des Soldatenstandes der ihnen untergebenen Truppentheile in allen, nach vorstehenden Bestimmungen unter Nr. 1. bis 6. nicht davon ausgenommenen Fällen.
8) In gleichem Umfange wie der Kommandeur einer Division haben das Bestätigungsrecht innerhalb ihres Dienstbereichs:
a) der Inspekteur der Besatzungstruppen in Mainz,
b) der Chef der Landgendarmerie,
c) der Kommandant des Invalidenhauses in Berlin,
d) die Chefs der Marinestationen.
9) Die auf die Bestätigung kriegsrechtlicher Erkenntnisse sich beziehenden allgemeinen Bestimmungen der §§. 162. 163. Theil II. des Militair-Strafgesetzbuchs bleiben unverändert in Geltung; auch werden die Vorschriften über das Verfahren bei der Bestätigung in den §§. 164. bis 175. I. c. durch diese Meine Order nicht betroffen.
Ich beauftrage Sie, wegen Publikation und Ausführung dieser Order das Erforderliche zu veranlassen.
Berlin, den 1. Juni 1867.
  (gez.) Wilhelm.
 (gegengez.) von Roon.

An den Kriegs- und Marineminister.

§. 155. 3) Bestätigung durch den Kriegsminister.

Der Kriegsminister bestätigt die Erkenntnisse der Kriegsgerichte, soweit sie nicht der Bestätigung des Königs bedürfen,
1) wenn auf mehr als drei Jahre bis einschließlich zehn Jahre Freiheitsstrafe,
2) wenn gegen Landgendarmen auf mehr als einjährige Freiheitsstrafe,
3) wenn gegen Landgendarmen und gegen andere Personen des Soldatenstandes, als Mitangeschuldigte in der nämlichen Sache, erkannt ist,
4) wenn gegen Invaliden auf Entlassung aus dem Militairverhältniß erkannt ist. [262]

§. 156. 4) Bestätigung durch die kommandirenden Generale (Korps-Kommandeure).

Der kommandirende General bestätigt die nicht zur Bestätigung des Königs oder des Kriegsministers gehörenden kriegsrechtlichen Erkenntnisse gegen alle Personen des Soldatenstandes seines Armeekorps:
1) wenn auf mehr als einjährige bis einschließlich dreijährige Freiheitsstrafe,
2) wenn wegen Desertion in contumaciam erkannt ist.

§. 157.

Der kommandirende General hat zugleich das Bestätigungsrecht eines Divisionskommandeurs bei Erkenntnissen gegen Personen des Soldatenstandes, welche
1) unter der Gerichtsbarkeit des Korpsgerichts stehen (§§. 29. und 30.), oder
2) der Gerichtsbarkeit der Garnisongerichte im Korpsbezirk unterworfen sind, und in keinem Divisionsverbande stehen.

§. 158.

Der kommandirende General des Gardekorps bestätigt gleich dem kommandirenden General eines jeden anderen Armeekorps die kriegsrechtlichen Erkenntnisse gegen Leute des Gardekorps, mit Ausnahme derjenigen Truppentheile dieses Korps, welche im Bezirk eines anderen als des dritten Armeekorps dislozirt sind.

§. 159.

Der Gouverneur von Berlin bestätigt in den Fällen, in welchen von ihm das Kriegsgericht angeordnet ist, die Erkenntnisse, gleich dem kommandirenden General eines Armeekorps.

§. 160. 5) Bestätigung durch die Divisions-Kommandeure.

Zur Bestätigung des Divisionskommandeurs und der mit gleichen gerichtsherrlichen Rechten versehenen Befehlshaber gelangen die kriegsrechtlichen Erkenntnisse gegen Personen des Soldatenstandes ihres Dienstbereichs in den, §§. 154 – 159. nicht ausgenommenen Fällen.

§. 161.

In gleichem Umfang, wie der Kommandeur einer Division, haben das Bestätigungsrecht innerhalb ihres Dienstbereichs:
1) der Kommandeur der Garde-Infanterie und der Kommandeur der Garde-Kavallerie, mit Ausnahme derjenigen Truppentheile des Gardekorps, welche im Bezirk eines anderen als des dritten Armeekorps dislozirt sind; [263]
2) der Inspekteur der Besatzungstruppen in den Bundesfestungen;
3) der Chef der Landgendarmerie und
4) der Kommandant des Invalidenhauses bei Berlin.

§. 162. 6) Allgmeine Bestimmungen.

Bei einem Erkenntniß gegen mehrere Angeschuldigte muß die Bestätigung gleichzeitig über alle durch einen Bestätigungsberechtigten erfolgen; in den Fällen des §. 154. bleibt es jedoch der Bestimmung des Königs vorbehalten, ob die Bestätigung des Erkenntnisses gegen einzelne Mitangeschuldigte durch die betreffenden Befehlshaber erfolgen soll.
Vergl. zu den §§. 162. 163. 164. die Anmerkung zu §. 154.

§. 163.

Wenn außer den Fällen des §. 154. bei einem Erkenntniß gegen mehrere Angeschuldigte die Bestätigung wegen eines derselben dem Kriegsminister zusteht, so hat dieser dem Erkenntniß die Bestätigung auch wegen aller übrigen Mitangeschuldigten zu ertheilen, und ebenso geht das Bestätigungsrecht des Divisionskommandeurs auf den kommandirenden General über, wenn dem Letzteren die Bestätigung des Erkenntnisses wegen eines der Mitangeschuldigten zusteht.

§. 164. F. Verfahren bei der Bestätigung. 1) Rechtsgutachten.

Der Bestätigung des Erkenntnisses muß ein schriftliches Rechtsgutachten zum Grunde liegen.
Dasselbe ist zu erstatten:
1) durch das General-Auditoriat, wenn das Erkenntniß der Bestätigung des Königs oder des Kriegsministers bedarf;
2) durch einen Auditeur, wenn ein Korps- oder Divisionskommandeur oder einer der in den §§. 159. und 161. genannten Befehlshaber dasselbe zu bestätigen hat.
Die Begutachtung darf nicht durch den Auditeur erfolgen, der Referent im Kriegsgericht war. Ist dem bestätigenden Befehlshaber nur ein Auditeur zugetheilt und derselbe Referent gewesen, so muß die Begutachtung einem andern Auditeur aus dem Korpsbezirk aufgetragen werden.

§. 165.

Der Begutachtende hat zu prüfen, ob in dem Verfahren die gesetzlichen Vorschriften beobachtet und ob bei der Entscheidung die Gesetze richtig angewendet sind.
Nach dem Befund der Prüfung muß in dem Gutachten ein bestimmter Antrag gemacht werden. [264]

§. 166. 2) Berücksichtigung des Rechtsgutachtens.

Ist der Antrag auf Vervollständigung der Akten gerichtet, so hat der bestätigende Befehlshaber, wenn er dem Antrage beitritt, dieselbe zu veranlassen; tritt er dem Antrage nicht bei, so ist die Sache dem General-Auditoriat einzusenden. In den Fällen, welche zur Begutachtung des General-Auditoriats gehören, haben die Militairgerichte die von demselben für nöthig erachtete Vervollständigung der Akten zu bewirken.

§. 167.

Die Bestätigung darf nicht erfolgen, wenn das Erkenntniß in dem Gutachten oder von dem bestätigenden Befehlshaber für ungesetzlich erachtet wird. Vielmehr ist ein solches Erkenntniß zur Prüfung der gegen die Gesetzmäßigkeit desselben erhobenen Bedenken mit den Akten und dem Gutachten dem General-Auditoriat zu übersenden.

§. 168.

Hält das General-Auditoriat die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Erkenntnisses nicht für begründet, so ist letzteres von ihm dem betreffenden Befehlshaber zur Bestätigung zurückzusenden.

§. 169.

Wird dagegen das Erkenntniß vom General-Auditoriat, als gesetzwidrig, zur Aufhebung geeignet befunden, so ist dasselbe unmittelbar dem Könige zur Entscheidung darüber zu überreichen,
ob das Erkenntniß aufzuheben und anderweit in der Sache zu erkennen sei.

§. 170.

Erfolgt die Aufhebung des Erkenntnisses, so dürfen zu dem alsdann anzuordnenden Spruchgericht die Personen, welche bei Abfassung des aufgehobenen Erkenntnisses mitgewirkt haben, nicht zugezogen werden.

§. 171.

Wird das Erkenntniß in dem Rechtsgutachten zwar für gesetzlich erachtet, aber auf Milderung der erkannten Strafe angetragen, so hängt es von dem Ermessen des bestätigenden Befehlshabers ab, ob und in wie weit er den Antrag auf Milderung der Strafe berücksichtigen, oder die erkannte Strafe bestätigen will.

§. 172. 3) Milderungsrecht der bestätigenden Befehlshaber.

Das Milderungsrecht darf, außer den Fällen der §§. 120. und 143. Theil I. dieses Strafgesetzbuchs, weder bis zum Erlaß erkannter Strafen oder bis zur Herabsetzung derselben unter das geringste gesetzliche Maaß, noch bis zur Umwandlung erkannter Strafarten in andere ausgedehnt werden. Nur in denjenigen Fällen, wo das Verbrechen mit Arrest- oder Festungsstrafe in den Gesetzen bedroht ist, kann der bestätigende Befehlshaber statt der Festungsstrafe Arrest und, wo nur strenger Arrest vorgeschrieben ist, mittleren oder gelinden Arrest bei der Bestätigung eintreten lassen. [265]
Auch kann der bestätigende Befehlshaber in dem Fall des §. 98. Theil I. dieses Gesetzbuchs die erkannte Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes weglassen, und der Degradation in den Fällen des §. 40. Nr. 2. und 3. Theil I. dieses Gesetzbuchs Arrest substituiren.

§. 173. 4) Unzulässigkeit der Schärfung.

Das Erkenntniß darf bei der Bestätigung nicht geschärft werden, weder durch Erhöhung des Strafmaaßes oder der Strafart, noch durch Hinzufügung nicht erkannter Strafbestimmungen.

§. 174. 5) Unzulässigkeit der Bestätigung durch einen nicht kompetenten Befehlshaber.

Ist ein kriegsrechtliches Erkenntniß von einem nicht kompetenten Befehlshaber bestätigt worden, so ist die Bestätigung ungültig und das Erkenntniß der kompetenten Behörde zur Bestätigung vorzulegen.

§. 175. 6) Form der Bestätigung.

Die Bestätigung muß schriftlich erfolgen, von dem bestätigenden Befehlshaber unterschrieben und so abgefaßt werden, daß daraus bestimmt hervorgeht, wohin das Erkenntniß bestätigt worden ist.

§. 176. G. Publikation.

Die Erkenntnißformel und die Bestätigungsorder sind ungesäumt dem Angeschuldigten vor vollständig besetztem Untersuchungsgericht (§§. 45 – 47.) von dem Auditeur durch Vorlesung zu publiziren; auch ist ihm gleichzeitig bekannt zu machen, daß das Erkenntniß nunmehr rechtskräftig sei.

§. 177.

Dem Angeschuldigten sind auf sein Verlangen die Entscheidungsgründe bekannt zu machen. Auch kann ihm Abschrift des Erkenntnisses mit den Entscheidungsgründen auf seine Kosten ertheilt werden, wenn kein Mißbrauch davon zu besorgen ist; im Fall völliger Freisprechung ist die Erkenntnißformel ihm kostenfrei auszufertigen.
Ueber die stattgehabte Publikation ist ein Protokoll aufzunehmen, auch, daß und wann dieselbe erfolgt sei, unter der Bestätigungsurkunde zu vermerken.
Urtheile, welche die bürgerliche Todesstrafe wegen gemeiner Verbrechen verhängen, werden stets durch die Civilgerichte publizirt (§. 183.).

§. 178.

Von jedem rechtskräftigen Erkenntniß muß der Dienstbehörde des Angeschuldigten Mittheilung gemacht werden. [266]

§. 179.

War der Antrag auf Untersuchung von einer Civilbehörde ausgegangen, so ist derselben von dem Ausfall der rechtskräftigen Entscheidung Nachricht zu geben.

§. 180. H. Vollstreckung. 1) Allgemeine Bestimmungen.

Die Vollstreckung des rechtskräftigen Erkenntnisses hat der Befehlshaber zu veranlassen, welchem die Anordnung des Spruchgerichts zustand.

§. 181.

Die Vollstreckung muß ohne Verzug und genau nach dem Inhalt de Bestätigungsorder erfolgen.

§. 182. 2) Umwandlung rechtskräftig erkannter Strafen.

Wenn nach Vorschrift der Gesetze eine rechtskräftig erkannte Strafe in eine andere umzuwandeln ist, so geschieht dies durch ein Resolut des kompetenten Militairgerichts.

§. 183. 3) Vollstreckung der Todesstrafe.

Zur Vollstreckung der wegen militairischer Verbrechen verwirkten Todesstrafe sind 18 Mann zu kommandiren, welche in drei Gliedern hintereinander dergestalt aufzustellen sind, daß das erste Glied in einer Entfernung von fünf Schritten dem Delinquenten gegenübersteht.
Im Uebrigen sind dabei die in den allgemeinen Landesgesetzen hinsichtlich der Vollstreckung von Todesstrafen besonders vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu beachten.
Die Vollstreckung der bürgerlichen Todesstrafe erfolgt durch die Civilgerichte. Der Verurtheilte ist hierzu nach der Bestätigung des Erkenntnisses an das Landes-Justizkollegium, in dessen Gerichtsbezirk er sich befindet, abzugeben und durch dasselbe die Publikation und Vollstreckung des Erkenntnisses zu bewirken.

§. 184. 4) Vollstreckung der Freiheitsstrafen.

Wenn auf Zuchthausstrafe erkannt, oder wenn die erkannte Baugefangenschaft als Zuchthausstrafe zu vollstrecken ist, so muß der rechtskräftig Verurtheilte zur Strafvollziehung durch das betreffende Generalkommando der Civilbehörde überwiesen werden.

§. 185.

Gemeine, gegen welche auf Festungsstrafe erkannt ist, sollen, wenn nicht besondere Gründe dagegen obwalten, gleich nach abgehaltenem Spruchgericht zum vorläufigen Antritt der Strafe zur Festung abgeführt werden. [267]

§. 186.

Zum Festungsarrest Verurtheilte, so wie diejenigen, gegen welche neben der Freiheitsstrafe auf Degradation, Kassation, Entfernung aus dem Offizierstande, Dienstentlassung, Ausstoßung aus dem Soldatenstande oder Entlassung aus dem Militairverhältniß erkannt ist, dürfen vor eingetretener Rechtskraft des Erkenntnisses zum Antritt der Strafe nicht abgeführt werden.
Ist neben der Ausstoßung oder der Entlassung auf Baugefangenschaft oder Zuchthausstrafe und zugleich auf körperliche Züchtigung erkannt, so wird die letztere erst vollzogen, nachdem die Aufnahme des Verbrechers in die Strafanstalt erfolgt ist.
Anmerkung: Die Bestimmung des §. 186. Alinea 2. ist aufgehoben.
Vergl. den Allerhöchsten Erlaß vom 6. Mai 1848; Beilage Littr. D.

§. 187.

Allen in Haft befindlichen Angeschuldigten, welche zu einer härteren Freiheitsstrafe als Arrest verurtheilt worden, ist die Strafe vom Tage der Abfassung des Erkenntnisses zu berechnen.
Erfolgt die Verhaftung erst nach Abfassung des Erkenntnisses, so ist die Strafe vom Tage der Verhaftung zu berechnen.

§. 188.

Wird gegen einen in Untersuchungshaft befindlichen Angeschuldigten blos auf eine Arreststrafe erkannt, so muß der Verurtheilte gleich nach abgehaltenem Spruchgericht, wenn nicht besondere Umstände dies bedenklich erscheinen lassen, aus der Haft entlassen und die Vollstreckung der Strafe bis nach erfolgter Bestätigung des Erkenntnisses ausgesetzt werden.

§. 189.

Die kommandirenden Generale sind befugt, die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Arreststrafen in außergewöhnlichen Fällen auf einige Zeit aussetzen zu lassen, wenn das Interesse des Dienstes es unumgänglich erfordert.

§. 190.

Wenn auf Märschen, im Lager oder sonst, den örtlichen Umständen nach, die Anwendung der Arreststrafen gegen Unteroffiziere und Gemeine nicht stattfinden kann, so soll für die Dauer der Strafzeit, statt des gelinden und mittleren Arrestes, Entziehung gewohnter Genüsse, z. B. des Branntweins und des Tabacks, und bei Gemeinen zugleich vorzugsweise Heranziehung zu vorkommenden Arbeiten eintreten, statt des strengen Arrestes aber Anbinden an einen Baum oder an eine Wand dergestalt, daß der Bestrafte sich nicht niederlegen oder setzen kann.
Dieses Anbinden darf jedoch den Zeitraum von drei Stunden täglich nicht übersteigen, und muß die Vollstreckung dieser Strafen vor den Augen des Publikums möglichst vermieden werden.
Vergl. die Verordnung über die Disziplinarbestrafung in der Armee vom 21. Juli 1867. §. 5., Armee-Verordnungsblatt für 1867. Nr. 14. [268]

§. 191.

Wenn in Kriegszeiten der Vollstreckung der wegen Desertion erkannten Festungsstrafe zeitige Hindernisse entgegenstehen, so kann der Heerführer denselben andere passende Strafen unter dem Vorbehalt der Genehmigung des Königs auf eigene Verantwortung substituiren.

§. 192. 5) Vollstreckung der Strafe an Besitzern von Orden u. Ehrenzeichen.

Wenn Besitzer von Orden und Ehrenzeichen
1) zur Ausstoßung aus dem Soldatenstande, Kassation oder Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes verurtheilt sind, oder wenn
2) Freiheitsstrafe gegen sie erkannt und der Fall von der Art ist, daß nach den bestehenden Vorschriften die Entscheidung des Königs über den Verlust der Orden und Ehrenzeichen eingeholt werden muß,
so darf die Strafe an dem Verurtheilten nicht eher vollzogen werden, als diese Entscheidung erfolgt ist.

§. 193. 6) Vollstreckung der Strafe, wenn auf Ausstoßung aus dem Soldatenstande erkannt ist.

Die Urtheile, in denen auf Ausstoßung aus dem Soldatenstande erkannt worden, sind durch das Amtsblatt der Regierung, in deren Bezirk der Verurtheilte seine Heimath hat, oder, wenn er ein Ausländer ist, durch das Amtsblatt der Regierung, in deren Bezirk der Garnisonort liegt, zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.

§. 194. 7) Vermerk über die Vollstreckung zu den Akten.

Zu den Untersuchungsakten muß ein schriftlicher Vermerk gebracht werden, daß das Erkenntniß zur Vollstreckung gelangt ist.

§. 195. J. Revision der rechtskräftigen Erkenntnisse.

Dem General-Auditoriat sind von drei zu drei Monaten die von den kommandirenden Generalen, den Divisionskommandeuren und den in den §§. 159. und 161. genannten Befehlshabern bestätigten rechtskräftigen Erkenntnisse gegen Personen des Soldatenstandes nebst dem dazu gehörigen Gutachten und der Bestätigung zur Prüfung einzusenden.
Vergl. die Anmerkung zu §. 154.

Zweite Abtheilung. Von dem Verfahren in Straffällen, welche vor die niedere Gerichtsbarkeit gehören. (Standrechtliches Verfahren.)

§. 196.

Bei dem Verfahren in Strafsachen, welche vor die niedere Gerichtsbarkeit gehören, kommen die Bestimmungen der ersten Abtheilung dieses Abschnitts mit nachfolgenden Abweichungen zur Anwendung. [269]

§. 197. I. Untersuchungs-Verfahren.

Einer vorläufigen Untersuchung bedarf es nicht, wenn die Sache im Dis-ziplinarwege bereits so weit aufgeklärt ist, daß auf den Grund der stattgefundenen Ermittelungen die Einleitung der förmlichen Untersuchung verfügt werden kann.

§. 198. A. Beweis-Aufnahme.

Steht der objektive Thatbestand fest und legt der Angeschuldigte vor Gericht ein freies Geständniß ab, welches die Hauptumstände der That enthält und mit anderen ermittelten Umständen nicht im Widerspruch steht, so bedarf es keiner weiteren Beweisaufnahme.
Zur Erlangung des Geständnisses dürfen auch im standrechtlichen Verfahren keine verfängliche Fragen, Drohungen oder Gewaltmittel angewendet werden.

§. 199.

Legt der Angeschuldigte ein zureichendes Geständniß (§. 198.) nicht ab, so muß zur Aufnahme des Beweises geschritten werden.

§. 200. B. Vertheidigung.

Die Zuziehung eines Vertheidigers findet nicht statt, das Ergebniß der Verhandlungen ist jedoch bei dem Abschluß der Sache dem Angeschuldigten vorzuhalten, und nachdem er mit seinen Vertheidigungsgründen gehört worden ist, sind diese zu Protokoll zu bringen.
Eines besonderen Schlußtermins bedarf es nicht.

§. 201. C. Beweiskraft der Aussagen Vorgesetzter.

Bei geringen militairischen Vergehen bleibt es dem Ermessen des kompetenten Militairgerichts überlassen, den Aussagen der Vorgesetzten, welchen die Versicherung der Wahrheit an Eidesstatt beigefügt ist, die Beweiskraft der eidlichen Aussage beizulegen und dieselben von der förmlichen Eidesleistung zu entbinden.

§. 202. II. Spruchverfaren. A. Verpflichtung der Richter.

Eine Vereidigung der Richter findet nicht statt; denselben ist aber die im §. 129. vorgeschriebene Ermahnung wegen Erfüllung ihrer Richterpflicht durch den Präses zu ertheilen.

§. 203. B. Vortrag des Referenten.

Der Vortrag des Referenten kann schriftlich oder mündlich gehalten werden. In beiden Fällen sind jedoch der wesentliche Inhalt des Vortrags, das Votum und die demselben zum Grunde gelegten Gesetzesstellen in das Protokoll aufzunehmen. [270]

§. 204. C. Form und Inhalt des Erkenntnisses.

In dem Erkenntniß, welches gleich nach der Abhaltung des Spruchgerichts auszufertigen ist, sind die Hauptumstände, auf denen die Entscheidung beruht, und die zum Grunde gelegten Gesetzesstellen anzugeben.
Die Ausfertigung ist von dem Präses und dem Referenten zu unterschreiben und dem Gerichtsherrn zur Bestätigung vorzulegen.

§. 205. D. Bestätigung des Erkenntnisses.

Die Bestätigung des Erkenntnisses erfolgt durch den Befehlshaber, dem die Bestellung des Spruchgerichts zustand, insofern nicht für einzelne Fälle Ausnahmen von dieser Regel durch besondere Verordnungen bestimmt sind.

§. 206.

Bei der Bestätigung sind die Vorschriften der §§. 172. 173. 175. zu befolgen. Der Begutachtung des Erkenntnisses bedarf es nicht, der Befehlshaber hat sich jedoch durch Einsicht der Akten in den Stand zu setzen, die Bestätigung nach seiner gewissenhaften Ueberzeugung ertheilen zu können.

§. 207. E. Publikation und Vollstreckung.

Die Publikation und Vollstreckung des Erkenntnisses muß sofort nach der Bestätigung desselben erfolgen. Eine Anrechnung der inzwischen etwa erlittenen Haft auf die erkannte Freiheitsstrafe findet nur dann statt, wenn die Bestätigung durch außerordentliche Umstände verzögert worden ist.

§. 208. III. Abgabe der Sache im Fall der Inkompetenz.

Ergiebt sich im Laufe der Untersuchung, oder bei der Aburtheilung, daß die Sache vor die höhere Gerichtsbarkeit gehört, so sind die Verhandlungen an das kompetente Gericht abzugeben.

§. 209. IV. Erledigung vorkommender Zweifel.

Wenn bei dem Verfahren, bei der Aburtheilung oder bei der Bestätigung Zweifel entstehen, so sind zu deren Erledigung die Verhandlungen, im Fall ein Auditeur Inquirent oder Referent ist, an das General-Auditoriat, wenn aber ein untersuchungsführender Offizier Inquirent oder Referent ist, dem nächsten, mit der höheren Gerichtsbarkeit versehenen Vorgesetzten einzureichen.

§. 210. V. Revision der rechtskräftigen Erkenntnisse.

Die von den untersuchungsführenden Offizieren gegen Personen des Soldatenstandes abgefaßten Erkenntnisse sind mit den Akten, von drei zu drei Monaten, an den mit der höheren Gerichtsbarkeit versehenen Befehlshaber einzusenden und durch einen Auditeur seines Dienstbereichs zu revidiren. Von etwanigen dabei bemerkten Verstößen gegen die Gesetze hat der Auditeur dem Befehlshaber Anzeige zu machen, auch über die vorgenommene Revision bei dem General-Auditoriat sich auszuweisen. [271]

Zweiter Abschnitt. Von dem Verfahren gegen Militairbeamte.

§. 211.

Die Vorschriften des ersten Abschnitts dieses Titels finden auch auf Militairbeamte mit folgenden Abweichungen Anwendung.

§. 212. 1. Verfahren in erster Instanz. A. Untersuchungs-Verfahren. 1. bei Amts-Verbrechen.

Gegen Beamte, welche einem Militairbefehlshaber und gleichzeitig einer Verwaltungsbehörde oder einem Verwaltungsvorgesetzten untergeordnet sind, darf wegen Verbrechen, bei deren Beurtheilung es auf die besondere Kenntniß der Wissenschaft oder Kunst des Beamten ankommt, oder wodurch administrative Vorschriften verletzt sind, die Einleitung der vorläufigen, so wie der förmlichen gerichtlichen Untersuchung nur auf den Antrag der vorgesetzten Dienstbehörde oder des Verwaltungsvorgesetzten des Angeschuldigten erfolgen.
Anmerkung: Der §. 212. ist in Folge des Artikels 97. der Preußischen Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar 1850. außer Kraft getreten.

§. 213. 2. bei anderen Verbrechen.

Ist die Untersuchung wegen anderer als der im §. 212. bezeichneten Verbrechen einzuleiten, so muß der Verwaltungsbehörde oder dem Verwaltungsvorgesetzten durch den Gerichtsherrn von der Einleitung der Untersuchung Nachricht gegeben werden.
Anmerkung: Der §. 213. erstreckt sich seit Aufhebung des §. 212. auf alle gerichtliche Untersuchungen gegen Militairbeamte.

§. 214. 3. Verfahren im Fall der Dienstentlassung eines auf Kündigung angestellten Beamten.

Wird ein auf Kündigung angestellter Militairbeamter während der Untersuchung aus dem Beamtenverhältniß entlassen, und verbleibt derselbe unter der Militairgerichtsbarkeit, so ist das Verfahren nach Maaßgabe seines Militairverhältnisses fortzusetzen.
Tritt der Entlassene unter die Civilgerichtsbarkeit, so ist die Untersuchung an das zuständige Civilgericht abzugeben. War aber vor der Entlassung bereits ein Erkenntniß in erster Instanz ergangen und publizirt, so hat in den vorstehend genannten Fällen das Militairgericht die Sache nach den Vorschriften dieses Abschnitts fortzusetzen. [272]

§. 215. 4. Amtssuspension.

Die Amtssuspension wegen Amtsverbrechen (§. 212.) zu verfügen, bleibt der Verwaltungsbehörde und beziehungsweise dem Verwaltungsvorgesetzten überlassen.
Muß die Suspension des Beamten wegen anderer Verbrechen eintreten, so ist sie von dem, mit Gerichtsbarkeit über den Angeschuldigten versehenen Militairvorgesetzten und der Verwaltungsbehörde oder dem Verwaltungsvorgesetzten gemeinschaftlich zu verfügen.

§. 216. 5. Verhaftung.

Wegen Befreiung von der Untersuchungshaft gegen Kaution finden die Bestimmungen der allgemeinen Landesgesetze Anwendung.

§. 217. 6. Beweis.

Die Bestimmungen der §§. 108 – 109. wegen der Beweiskraft finden auf Militairbeamte nicht Anwendung.

§. 218. 7. Artikulirtes Verhör.

Ebenso findet die Bestimmung des §. 110. wegen des artikulirten Verhörs in Untersuchungen gegen Militairbeamte keine Anwendung.

§. 219. 8. Vertheidigung.

In Ansehung der Vertheidigung treten die Vorschriften der allgemeinen Landesgesetze ein.

§. 220. B. Spruch-Verfahren. 1. Vereidigung der Richter.

Die Mitglieder der Spruchgerichte, mit Ausnahme der Auditeure und der untersuchungsführenden Offiziere, haben den Richtereid (§. 129.) zu leisten, der ihnen von dem Referenten abzunehmen ist.

§. 221. 2. Abstimmung.

Jedes Mitglied des Spruchgerichts hat Eine Stimme.
Der Referent hat seine Stimme zuerst abzugeben, demnächst die Stimmen der übrigen Richter und des Präses einzusammeln und in das Protokoll aufzunehmen.
Die bei Erkenntnissen gegen Personen des Soldatenstandes zulässigen Gnadengesuche der Spruchgerichte sind bei Erkenntnissen gegen Militairbeamte unstatthaft.

§. 222. 3. Ausfertigung des Erkenntnisses.

Das Erkenntniß ist von dem Referenten in einem Exemplar auszufertigen, mit dem Gerichtssiegel zu versehen und von dem Präses und dem Referenten zu unterschreiben. [273]

§. 223. 4. Publikation u. Vollstreckung.

Bei der Publikation ist dem Angeschuldigten bekannt zu machen, daß ihm das Rechtsmittel der weiteren Vertheidigung gegen das Erkenntniß innerhalb zehn Tagen freistehe. Befindet sich der Angeschuldigte in Haft und ist gegen denselben auf Festungsarrest erkannt, so muß die Strafe vom Tage der Publikation des Erkenntnisses gerechnet werden.

§. 224. 5. Eintritt der Rechtskraft.

Beruhigt sich der Angeschuldigte bei dem Erkenntniß, oder meldet er innerhalb der vorgeschriebenen Frist das Rechtsmittel der weiteren Vertheidigung nicht an, so ist das Erkenntniß rechtskräftig, insofern dasselbe nicht der Bestätigung bedarf, in welchen Fällen die Rechtskraft erst mit der Publikation des bestätigten Erkenntnisses eintritt.

§. 225. II. Verfahren in zweiter Instanz.

Ergreift der Verurtheilte das Rechtsmittel der weiteren Vertheidigung, so sind bei dem ferneren Verfahren die Vorschriften der allgemeinen Landesgesetze über das Verfahren in zweiter Instanz zu befolgen.

§. 226.

Das Erkenntniß zweiter Instanz ist von dem General-Auditoriat abzufassen.

§. 227.

Wegen des Rechtsmittels der Aggravation und wegen Bestätigung der Erkenntnisse gegen Militairbeamte kommen die in den allgemeinen Landesgesetzen hierüber in Absicht auf Civilbeamte ertheilten Vorschriften zur Anwendung. Die Einreichung dieser Erkenntnisse zur Bestätigung erfolgt durch das General-Auditoriat.

§. 228. III. Abfassung des Erkenntnisses, wenn Militairbeamte und Personen des Soldatenstandes Mitangeschuldigte sind.

Wenn Militairbeamte und Personen des Soldatenstandes Mitangeschuldigte in der nämlichen Sache sind, so soll über die Beamten erst dann erkannt werden, wenn das Erkenntniß gegen die mitbetheiligten Personen des Soldatenstandes rechtskräftig geworden ist.
In Injuriensachen ist in diesen Fällen die Vorschrift des §. 233. zu beachten.

Dritter Abschnitt. Von dem Verfahren bei Beleidigungen.

§. 229.

Insofern Beleidigungen Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind, und nicht die Fälle der §§. 130. 134. und 187. Th. I. dieses Gesetzbuchs vorliegen, findet gegen Militairpersonen das in diesem Gesetzbuch vorgeschriebene Untersuchungsverfahren unter den in diesem Abschnitt angegebenen Modifikationen statt (§. 173. Th. I.). [274]

§. 230. I. Unzulässigkeit der Vereidigung des Denunzianten.

Die Vereidigung des Denunzianten ist unzulässig.

§. 231. II. Schlußerklärung des Denunzianten.

Vor Abfassung des Erkenntnisses ist der Denunziant mit dem Inhalt der Akten zu seiner Erklärung bekannt zu machen.

§. 232. III. Rechtsmittel.

Gegen Erkenntnisse wider Personen des Soldatenstandes ist auch in wechselseitigen Injuriensachen weder das Rechtsmittel der weiteren Vertheidigung, noch ein Milderungs- oder Aggravationsgesuch zulässig.

§. 233. IV. Vollstreckung des Erkenntnisses.

In wechselseitigen Injuriensachen zwischen Personen des Soldatenstandes und Personen, welche nicht zum Soldatenstande gehören, ist das Erkenntniß gegen die Ersteren nicht eher zu vollstrecken, als bis gegen die nicht zum Soldatenstande gehörigen Personen rechtskräftig erkannt ist.

§. 234. V. Bekanntmachung des Denunzianten mit dem Ausfall des Erkenntnisses.

Von dem Ausfall des Erkenntnisses ist dem Denunzianten Nachricht zu geben.

§. 235. VI. Zurücknahme der Klage.

Der Antrag auf Zurücknahme der Klage wegen der einer Militairperson bei Ausübung ihres Dienstes oder in Beziehung auf denselben zugefügten Beleidigung kann nur mit Genehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde geschehen.
Anmerkung: Der §. 235. ist in Folge der neueren Gesetzgebung gestrichen.

§. 236. VII. Mittheilung an die Dienstbehörden.

In Injuriensachen, bei denen Militairpersonen betheiligt sind, ist ihrer Dienstbehörde von der Klage und demnächst von dem rechtskräftigen Erkenntniß Mittheilung zu machen.

§. 237. VIII. Verjährung.

Bei wechselseitigen Injurien unterbricht die rechtzeitig von der einen Partei angebrachte Klage auch für die andere Partei die Verjährung. [275]

§. 238. IX. Verpflichtung des Denunzianten, die Kosten zu tragen.

Wird der Antrag auf Bestrafung als unbegründet abgewiesen, oder vor der Eröffnung des Erkenntnisses zurückgenommen, so sind die Kosten und Stempel durch ein Resolut des Militairgerichts, welchem die Einleitung der Untersuchung zustand, dem Denunzianten ohne Unterschied, ob derselbe zum Militair- oder Civilstande gehört, aufzuerlegen, insofern ihm nicht auch in Injuriensachen die Sportelfreiheit zusteht. Gegen dieses Resolut ist der Rekurs an das General-Auditoriat zulässig.

§. 239.

Wird der Antrag auf Bestrafung nach Eröffnung des Erkenntnisses zurückgenommen, so verbleibt es wegen der Kosten bei den Festsetzungen des Erkenntnisses, wenn die Parteien sich hierüber nicht anderweit mit einander vereinigen.

§. 240.

Erfolgt ein völlig freisprechendes Erkenntniß, so ist darin die Kostenpflichtigkeit des Denunzianten nach den Grundsätzen des §. 238. auszusprechen.
Gegen diesen den Kostenpunkt betreffenden Theil des Erkenntnisses ist der Rekurs an das General-Auditoriat zulässig.

§. 241. X. Verfahren bei dem Verdacht falscher Denunziationen.

Ergiebt sich bei der Untersuchung der Verdacht wissentlich falscher Denunziation, so bleibt dem Denunzianten überlassen, bei dem zuständigen Richter auf Untersuchung und Bestrafung gegen den Denunzianten anzutragen.

Vierter Abschnitt. Von dem Kontumazialverfahren gegen Deserteure.

§. 242. I. Untersuchungsverfahren.

Wenn die dienstlichen Ermittelungen den Verdacht der Entweichung gegen eine Person des Soldatenstandes begründen (§§.92 – 94. Th. I.), so hat der Kommandeur des Truppentheils sofort die geeigneten polizeilichen Maaßregeln zur Wiederergreifung des Abwesenden zu veranlassen und dem mit der höheren Gerichtsbarkeit versehenen Vorgesetzten davon Anzeige zu machen.

§. 243.

Die Einleitung der Untersuchung gebührt dem, mit der höheren Gerichtsbarkeit versehenen Militairgericht, welchem der Abwesende zuletzt unterworfen war.

§. 244.

Ist der Abwesende Offizier oder Portepeefähnrich, so muß zur Einleitung der Untersuchung der Befehl des Königs eingeholt werden. [276]

§. 245. A. Vorläufige Untersuchung.

Bei der vorläufigen Untersuchung hat das Gericht die Umstände, welche den Verdacht der Entweichung begründen, näher festzustellen, und die nächsten Angehörigen und den Vormund des Abwesenden über den Aufenthalt des Letzteren, unter Bekanntmachung der Folgen seines Ausbleibens, zu vernehmen, oder deren Vernehmung zu veranlassen.

§. 246.

Zugleich ist bei den Gerichten der Heimath des Abwesenden der Arrestschlag auf dessen Vermögen für den Fiskus in Antrag zu bringen.
Ist der Abwesende ein Ausländer, so findet der Arrestschlag nur statt wenn er Vermögen im Inlande besitzt.
Vergl. das Gesetz vom 11. März 1850; Beilage Littr. E.

§. 247.

Wird der Aufenthaltsort des Abwesenden im Auslande ermittelt, und besteht mit dem auswärtigen Staat eine Kartelkonvention, so ist auf Grund derselben die Auslieferung in Antrag zu bringen.

§. 248. B. Förmliche Untersuchung.

Ist innerhalb vier Wochen die Rückkehr des Abwesenden nicht erfolgt, oder ist die Auslieferung desselben nicht zu bewirken gewesen, und der Verdacht der Entweichung hinreichend begründet, so ist der Desertionsprozeß zu eröffnen, und der Abwesende in den Amtsblättern öffentlich vorzuladen.

§. 249.

In dieser Vorladung muß ein auf drei Monate hinauszusetzender, vom Tage der Ausgabe der Amtsblätter zu berechnender Termin anberaumt und der Abwesende aufgefordert werden, sich spätestens in demselben einzufinden, mit der Warnung, daß die Untersuchung im Fall des Ausbleibens geschlossen, der Abwesende für einen Deserteur erklärt und auf Konfiskation seines Vermögens erkannt werden würde.
Vergl. das Gesetz vom 11. März 1850; Beilage Littr. E.

§. 250.

Die Vorladung ist in das Amtsblatt der heimathlichen Regierung des Abwesenden, sowie der Regierung, in deren Bezirk das untersuchende Militairgericht seinen Sitz hat, einmal einzurücken.
Die Vorladung eines Ausländers ist nur in das Amtsblatt der Regierung einzurücken, in deren Bezirk sich das untersuchende Militairgericht befindet.
Die Vorladung der aus den Fürstenthümern Neuenburg und Valendis gebürtigen Deserteure erfolgt in der Heimath nach den darüber bestehenden besonderen Vorschriften.
Anmerkung: Der §. 250. Alinea 3. ist antiquirt. [277]

§. 251.

Von den die Vorladung enthaltenden Amtsblättern ist ein Exemplar zu den Akten zu nehmen.

§. 252.

Eine Vertheidigung findet im Kontumazialverfahren nicht statt.

§. 253. II. Spruchverfahren.

Ist der Vorgeladene innerhalb der dreimonatlichen Frist nicht zurückgekehrt, oder sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so ist durch ein Kriegsgericht, der Verwarnung (§. 249.) gemäß, in contumaciam gegen ihn zu erkennen.

§. 254.

Bei der Anordnung und Besetzung des Spruchgerichts, sowie bei der Abstimmung, ist nach den Vorschriften des ersten Abschnitts dieses Titels zu verfahren; es findet jedoch die Zuziehung eines Stellvertreters für den Abwesenden nicht statt.

§. 255.

Der Inhalt des bestätigten Erkenntnisses muß unter Angabe
1) des Namens, des Geburtsorts und der Militair-Charge des Verurtheilten, sowie des Truppentheils, bei welchem derselbe gestanden hat,
2) des begangenen Verbrechens,
und
3) der erkannten Strafe
in den Amtsblättern, in welche die Vorladung eingerückt war, durch das kompetente Militairgericht von Amtswegen bekannt gemacht, auch eine Ausfertigung desselben, mit den über das Vermögen des Entwichenen vorhandenen Nachrichten, der Regierung der heimathlichen Provinz zur Einziehung des Vermögens mit getheilt werden.
Anmerkung: Vergl. das Gesetz vom 11. März 1850; Beilage Littr. E.
Die Einziehung der gegen abwesende Deserteure erkannten Geldbuße erfolgt durch die Militair-Intendanturen.

§. 256. III. Verfahren im Fall des ermittelten Todes.

Wird vor der Eröffnung des Desertionsprozesses der Tod des Abwesenden, der die Vermuthung der Desertion gegen sich hat, ermittelt, so ist, wenn er Vermögen hinterläßt, Behufs der Konfiskation seines Vermögens ein gerichtliches Verfahren einzuleiten und nach genauer Erörterung der Umstände, welche die Vermuthung der Desertion begründen, kriegsrechtlich zu erkennen.
Anmerkung: Der §. 256. ist durch Aufhebung der Strafe der Vermögenskonfiskation außer Kraft gesetzt. [278]

§. 257. IV. Verfahren im Fall der Rückkehr des Angeschuldigten.

Kehrt der Vorgeladene vor Publikation des Erkenntnisses zurück, so wird das Kontumazialverfahren in das gewöhnliche Untersuchungsverfahren umgeleitet.

§. 258.

Kehrt der Verurtheilte erst nach Publikation des Erkenntnisses zurück, so ist das gewöhnliche Untersuchungsverfahren zu eröffnen und in dem neuen Erkenntniß das frühere Kontumazial-Urtheil aufzuheben. Wird der Zurückgekehrte in dem neuen Erkenntniß wegen Desertion gestraft, so verbleibt es bei der Konfiskation des Vermögens, soweit dasselbe bereits eingezogen ist, und nur das noch nicht eingezogene Vermögen ist wieder freizugeben; wird der Angeschuldigte aber in dem neuen Verfahren freigesprochen, so ist die Konfiskation des Vermögens mit der Wirkung aufzuheben, daß auch das bereits eingezogene Vermögen ihm zurückzugeben ist. Eine öffentliche Bekanntmachung des Erkenntnisses, durch welches das Kontumazial-Urtheil aufgehoben wird, findet nur dann statt, wenn auf völlige Freisprechung erkannt ist.
Vergl. das Gesetz vom 11. März 1850; Beilage Littr. E.

§. 259. V. Verbindung des Verfahrens gegen mehrere Deserteure.

Ist von einem Militairgericht gegen mehrere Abwesende der Desertionsprozeß einzuleiten, so kann die Vorladung in einer und derselben Ediktal-Citation erfolgen, auch von einem Kriegsgericht über die Angeschuldigten erkannt werden; es sind jedoch wegen jedes einzelnen Desertionsfalles besondere Akten anzulegen.

Fünfter Abschnitt. Von der Restitution gegen militairgerichtliche Erkenntnisse und von der Nichtigkeitsbeschwerde gegen dieselben.

§. 260. I. Restitution. A. Restitutionsgründe.

Ein rechtskräftig Verurtheilter oder vorläufig Freigesprochener kann nur alsdann auf Restitution und folglich auf eine neue Untersuchung und Entscheidung antragen:
1) wenn er seine Unschuld durch neue, in der bisherigen Untersuchung nicht aufgenommene Beweismittel darthun will, oder
2) wenn er auf den Grund eines, zu seinem Nachtheil verfälschten Dokuments oder bestochener Zeugen verurtheilt oder nur vorläufig freigesprochen worden ist.

§. 261.

Ein so begründetes Restitutionsgesuch findet auch alsdann noch statt, wenn der Verurtheilte die Strafe schon abgebüßt hat. [279]

§. 262. B. Verfahren.

Das Restitutionsgesuch ist bei dem Militairgericht anzubringen, bei welchem das Erkenntniß ergangen ist.
Das Gericht hat den Imploranten mit dem Gesuch umständlich zu Protokoll vernehmen zu lassen, und wenn dasselbe substanzirt erscheint, die Instruktion der angegebenen Beweismittel zu bewirken, demnächst aber die Verhandlungen dem General-Auditoriat zu übersenden.

§. 263.

Der Antrag auf Restitution hemmt die Vollstreckung des Erkenntnisses nur, wenn dasselbe auf Todesstrafe oder insoweit es auf körperliche Züchtigung lautet.
Vergl. den Allerhöchsten Erlaß vom 6. Mai 1848; Beilage Littr. D.

§. 264.

Hält das General-Auditoriat das Restitutionsgesuch für unbegründet, so weist dasselbe den Antrag durch ein Resolut zurück, welches dem Gericht, bei welchem das Restitutionsgesuch angebracht worden, mit den Akten zugeschickt und von diesem dem Imploranten publizirt wird. Gegen ein solches Resolut ist nur der Rekurs an den König zulässig.

§. 265.

Erachtet dagegen das General-Auditoriat das Restitutionsgesuch für zulässig, so überreicht dasselbe das angefochtene Erkenntniß mittelst gutachtlichen Berichts dem Könige zur Aufhebung.

§. 266. C. Erkenntniß.

Wird das angefochtene Erkenntniß aufgehoben, so muß jedesmal bei dem Gericht, bei welchem die Untersuchung geschwebt hat, unter Berücksichtigung der Vorschrift des §. 170. von Neuem erkannt werden, insofern keine besondere Bestimmung des Königs dieserhalb erfolgt.

§. 267.

Die Bestätigung des neuen Erkenntnisses erfolgt durch denjenigen, von welchem das frühere Erkenntniß bestätigt worden ist.

§. 268. II. Nichtigkeitsbeschwerde.

Wird von dem Angeschuldigten ein Erkenntniß nach Eintritt der Rechtskraft als nichtig angefochten, so tritt in den Fällen der §§. 57. 76. das in den §§. 262 – 267. angegebene Verfahren ein. [280]

Sechster Abschnitt. Von der Umwandlung der durch Civilbehörden verhängten Geldbußen in Freiheitsstrafen.

§. 269. I. Verfahren.

Geldbußen, welche von den Civilbehörden in den zu ihrer Kompetenz gehörenden Fällen wider Militairpersonen verhängt sind, müssen durch das betreffende Militairgericht eingezogen und an die Civilbehörde abgeliefert werden.
Kann die Geldbuße nicht erlegt werden, so ist dieselbe von den Militairgerichten (§. 182.) in verhältnißmäßige Freiheitsstrafe umzuwandeln.
Von der Vollstreckung der Strafe ist der Civilbehörde Nachricht zu geben.

§. 270.

Bei Umwandlung der Geldbußen in militairische Freiheitsstrafen ist nach den Bestimmungen des §. 67. Theil I. dieses Gesetzbuchs zu verfahren; doch darf, insofern nicht durch besondere Gesetze ein Anderes bestimmt ist, die Dauer der militairischen Freiheitsstrafe, welche an die Stelle einer Geldbuße oder auch mehrerer gleichzeitig zur Vollstreckung kommender Geldbußen tritt, eine zweijährige Freiheitsstrafe niemals übersteigen.
Anmerkung: Der §. 270. ist aufgehoben, und an dessen Stelle der §. 11. des Gesetzes vom 15. April 1852. getreten; Beilage Littr. F.

§. 271. II. Revision der Umwandlungs-Resolute.

Resolute wegen Umwandlung von Geldbußen in Freiheitsstrafen sind mit den durch die Truppenbefehlshaber bestätigten kriegsrechtlichen Erkenntnissen von drei zu drei Monaten an das General-Auditoriat zur Revision einzusenden.

§. 272. III. Bestätigung derselben durch den König.

Uebersteigt bei Offizieren die, statt der Geldbuße zu verhängende Freiheitsstrafe eine 14tägige Arreststrafe, so ist das Resolut durch das General-Auditoriat zur Bestätigung des Königs einzureichen.

Siebenter Abschnitt. Von den Kosten.

§. 273. I. Kosten.

Von den der Militairgerichtsbarkeit unterworfenen Personen haben in den vor die Militairgerichte gehörenden Strafsachen die Kostenfreiheit:
a) alle Militairpersonen des Soldatenstandes von den Portepee-Unteroffizieren abwärts;
b) die Militair-Unterbeamten. [281]

§. 274.

Diese Kostenfreiheit (§. 273.) steht auch allen Offizieren zu, mit Ausnahme der pensionirten Offiziere, welche nicht blos von einer Pension von 150 Thalern jährlich oder darunter subsistiren. Ausgeschlossen bleibt diese Kostenfreiheit hinsichtlich sämmtlicher der Militairgerichtsbarkeit unterworfenen Offiziere nur in Injuriensachen.

§. 275.

In Untersuchungssachen gegen die der Militairgerichtsbarkeit unterworfenen Personen, welche nicht zu den §§. 273. 274. genannten gehören, ist die Kostenpflichtigkeit nach den Bestimmungen der allgemeinen Landesgesetze zu beurtheilen.

§. 276.

Wenn gegen einen Angeschuldigten, dem die Kostenfreiheit nach §§. 273. 274. zusteht, vor dessen Eintritt in den Dienststand eine Untersuchung bei den Civilgerichten geführt wird und auf die Militairgerichte übergeht (§. 10.), so ist seine Kostenpflichtigkeit bis zu diesem Zeitpunkt nach den Gesetzen zu beurtheilen, welchen er bis dahin unterworfen war.

§. 277.

In den gemeinschaftlich von Militair- und Civilgerichten geführten Untersuchungen findet für die mitangeschuldigten Militairpersonen eine solidarische Verpflichtung, die Kosten zu tragen, nicht statt.
Sofern dergleichen Militairpersonen nach den Vorschriften dieses Abschnitts in Kosten verurtheilt werden müssen, sind ihnen nur diejenigen zur Last zu legen, welche auf ihren Antheil fallen.

§. 278. II. Stempel.

Offiziere und obere Militairbeamte, auch wenn erstere zur Kostenzahlung nicht verurtheilt worden, sind nach den Vorschriften der allgemeinen Stempel-Ordnung zur Bezahlung der Stempel verpflichtet.

§. 279. III. Gebühren. A. der Zeugen und Sachverständigen.

Militairpersonen können als Zeugen oder als Sachverständige in militairgerichtlichen Untersuchungen weder Gebühren noch Versäumnißkosten, sondern nur, wenn sie zum Zweck der Vernehmung ihren Aufenthaltsort verlassen müssen, die bei Kommandos ihnen zustehenden Kompetenzen oder beziehungsweise Diäten und Reisekosten fordern.
Zeugen und Sachverständige vom Civilstande erhalten auf Verlangen Gebühren, sowie Reise-, Zehrungs- und Versäumnißkosten, nach den bei den Civilgerichten geltenden Grundsätzen. [282]

§. 280. B. des Vertheidigers.

Alle Offiziere und obere Militairbeamten sind zur Bezahlung der Defensionsgebühren verpflichtet, wenn sie eine Justizperson zum Vertheidiger wählen.

§. 281. IV. Vorschuß baarer Auslagen.

Baare Auslagen, welche als solche in den über die unerläßlichen Kosten in Untersuchungssachen bestehenden allgemeinen Vorschriften bezeichnet werden, sind von dem Truppentheil, zu welchem der Angeschuldigte gehört, vorzuschießen, und wenn der Verurtheilte nicht kostenpflichtig oder die Wiedereinziehung nicht zu bewirken ist, durch die General-Militairkasse zu erstatten.

§. 282. V. Festsetzung der Kosten und baaren Auslagen.

Die Festsetzung der Kosten und baaren Auslagen erfolgt von dem Militairgericht, bei welchem die Untersuchung geführt worden ist. Wird gegen die Festsetzung Beschwerde erhoben, so hat das General-Auditoriat darüber zu entscheiden.

§. 283. VI. Ablieferung der eingezogenen Kosten und Geldstrafen. A. der Gerichtskosten.

Die Kosten, welche von Offizieren, denen sonst die Kostenfreiheit zusteht, in Injuriensachen zu entrichten sind, fließen zum Invalidenfonds, und sind von den Militairgerichten an die nächste Regierungs-Hauptkasse für Rechnung der General-Militairkasse abzuführen.
Die bei dem General-Auditoriat entstehenden Kosten sind an die Gebührenkasse des General-Auditoriats einzusenden.

§. 284. B. des reservirten Portos.

Das in kostenpflichtigen Untersuchungen reservirte Porto ist nach erfolgter Einziehung an die Postverwaltung abzuliefern.

§. 285. C. der Geldstrafen.

Die von den Militairbehörden durch Erkenntnisse, Resolute oder im Wege der Disziplin sowohl gegen Militair- als Civilpersonen verhängten Geldstrafen sind in der bisherigen Art zu verrechnen.

§. 286. VII. Kosten im Kontumazialverfahren gegen Deserteure.

Kosten und baare Auslagen in dem Kontumazialverfahren gegen Deserteure sind von den Militairgerichten bei derjenigen Regierung zu liquidiren, deren Hauptkasse das konfiszirte Vermögen des Deserteurs zugesprochen wird.
Anmerkung: Die im §. 286. erwähnten Kosten und Auslagen werden bei den Militair-Intendanturen liquidirt.

§. 287. VIII. Sporteltaxe.

Sämmtliche Militairgerichte haben die Kosten, wo solche in kostenpflichtigen Untersuchungssachen eintreten, nach der Sporteltaxe zu liquidiren, welche diesem Gesetzbuch unter Littr. C. beigefügt ist.

[283]

Beilage Littr. A.

K l a s s i f i k a t i o n
der
zum Preußischen Heere und zur Marine gehörenden Militairpersonen nach ihren verschiedenen Dienst- und Rangverhältnissen.

[284] [285] [286] [287] [288] [289]

A.Personen des Soldatenstandes.

Zu den Personen des Soldatenstandes gehören:
in der Armee. in der Marine.

I. Die Offiziere

1) des aktiven Dienststandes der Armee, der Marine und der Land-und Seewehr;
2) die im §. 1. Nr. 3. Theil II. des Militair-Strafgesetzbuchs bezeichneten inaktiven Offiziere.
Die Offiziere zerfallen in vier Hauptklassen:
1. Generalität. 1. Flaggoffiziere oder Admirale.
a) Feldmarschall, a) Admiral mit Generals-Rang,
b) General der Infanterie oder Kavallerie, b)Vize-Admiral mit Generallieutenants-Rang,
c) Generallieutenant, c)Kontre-Admiral mit Generalmajors-Rang.
d) Generalmajor.
2. Stabsoffiziere.
a) Oberst, a) Kapitain zur See mit Obersten- oder Oberstlieutenants-Rang,
b) Oberstlieutenant, b) Korvetten-Kapitain mit Majors-Rang.
c) Major.
3. Hauptleute und Rittmeister. 3. Kapitain-Lieutenant zur See mit Hauptmanns-Rang.
4. Subalternoffiziere.
a) Premier-Lieutenant, a) Lieutenant zur See mit Premier-Lieutenants-Rang,
b)Sekonde-Lieutenant.
      (Feldwebel-Lieutenants bei den Kadettenkorps, Oberjäger des reitenden Feldjägerkorps.)
b) Unterlieutenants zur See mit Sekonde-Lieutenants-Rang.

II. Die Unteroffiziere.

Dieselben sind:
I. solche, die das Portepee tragen.
a) Die Oberfeuerwerker, die Feldwebel, die Wachtmeister (einschließlich der Oberwachtmeister bei der Gendarmerie), die Vizefeldwebel und Vizewachtmeister, die Sergeanten (Verwalter) bei den Kadettenkorps, sofern sie das silberne Portepee tragen, a) Die Deckoffiziere der Marine. Dieselben rangiren vor den übrigen Unteroffizieren der Marine mit Portepee. Zu denselben gehören:

     1) Deckoffiziere I. Klasse:
          aa) der Obersteuermann,
          bb) der Oberfeuerwerker,
          cc) der Oberbootsmann,
          dd) der Obermaschinist,
          ee) der Obermeister;
     2) Deckoffiziere II. Klasse:
          aa) der Steuermann,
          bb) der Feuerwerker,
          cc) der Bootsmann,
          dd) der Maschinist,
          ee) der Meister;

b)die Portepeefähnriche, b) die Feldwebel der Flotten-Stammdivision und Werftdivision,
c) die Wallmeister, die Zeugfeldwebel und die Obermeister bei den technischen Instituten der Artillerie, c) die Seekadetten mit Portepeefähnrichs-Rang,
d) die reitenden Feldjäger, d) die Marine-Stabswachtmeister,
e) die Stabs-Roßärzte, e) die Zeugfeldwebel.
f) die Stabshautboisten, die Stabshornisten und die Stabstrompeter,
g) diejenigen Gendarmen, welche vor ihrem Eintritt in die Gendarmerie das Portepee besaßen und es daher auch behalten haben.
2. solche, welche das Portepee nicht tragen.
Zu denselben gehören:
a) die Feuerwerker, a) mit Sergeanten-Rang:

     aa) Steuermannsmaate
     bb)Feuerwerksmaate
     cc) Bootsmannsmaate
     dd) Maschinistenmaate
     ee) Meistersmaate
     ff) Ober-Lazarethgehülfen
     gg) Stabssergeanten
     hh) Zeugsergeanten

I. Klasse;
b) die Sergeanten, auch die Sergeanten (Verwalter) bei den Kadettenkorps, sofern sie nicht das silberne Portepee tragen, b) mit Unteroffiziers-Rang:

      aa) dieselben Chargen II. Klasse unter aaee.,
      bb)die Lazarethgehülfen.

c) die Unteroffiziere (Oberjäger bei den Jägern),
d) die Gendarmen,
e) die Oberpioniere, soweit solche noch vorhanden sind,
f) die Regiments- und Bataillons-Tamboure, die Pauker, die etatsmäßigen Trompeter, Hautboisten der Infanterie und Hornisten bei den Jägern, sowie diejenigen außeretatsmäßigen Hautboisten, Hornisten und Trompeter, welchen die Unteroffizier-Charge besonders verliehen ist,
g)die Zeugsergeanten,
h) die Unter-Roßärzte,
i)die Militair-Oberbäcker,
k)die Ober-Lazarethgehülfen und die Lazarethgehülfen, und
l)die Militair-Cleven der Militair-Roßarztschule, welche Unteroffiziere in der Armee waren.
Anmerkung.
Alle unter A.. II. 1. und 2. aufgeführten Personen des Soldatenstandes in der Armee und in der Marine sind wirkliche Unteroffiziere; die Ertheilung des bloßen Ranges eines Unteroffiziers soll nicht mehr stattfinden.

III. Die Gemeinen.

Zu denselben gehören:
1) die Obergefreiten bei der Artillerie, dieselben (ad 1. 2. 3. 4.) sind indeß in
allen gemeinschaftlichen
Dienstverhältnissen Vorgesetzte der Gemeinen;
1) mit Gefreiten-Rang:

     a) die Matrosen
     b) die Maschinisten-Applikanten
     c) die Heizer
     d) die Handwerker

I. Klasse,
     e) die Unter-Lazarethgehülfen;

(Auch hier findet zwischen den Seeleuten vom Gefreiten-Range und denen vom Gemeinenstande dasselbe Dienstverhältniß statt, wie zwischen den Gefreiten und Gemeinen der Armee.)

2) die Gefreiten, 2) mit Gemeinen-Rang:

     a) die Matrosen II. III. IV. Klasse,
     b) dieSchiffsjungen im dritten Dienstjahre,
     c) die Maschinisten-Applikanten II. Klasse,
     d) die Heizer II. III, IV. Klasse,
     e) die Handwerker II. III. IV. Klasse und die Lehrlinge,
     f) die Kadetten.

3) die Schießer bei den Militairbäcker-Abtheilungen, Anmerkung. Die einzelnen Chargen im See-Bataillon resp. der See-Artillerie sind hier nicht besonders aufgeführt, da sie denen in der Armee gleich sind.
4) die Unter-Lazarethgehülfen,
5) die gemeinen Soldaten,
6) die Zöglinge der Unteroffizierschulen,
7) die Spielleute, soweit sie nach A. II. 1. f und 2. f. nicht zu den Unteroffizieren gehören,
8) die Militair-Eleven der Militair-Roßarztschule mit Ausschluß der unter A. II. 2. Littr. 1. genannten,
9) die Militairbäcker,
10) die Militair-Krankenwärter und Krankenträger,
11) die Militair-Handwerker, welche gleich den Soldaten Sold beziehen.

B. Militairbeamte.

Von den für das Bedürfniß der Armee und der Marine oder zu militairischen und maritimen Zwecken angestellten, nicht zum Soldatenstande gehörigen Personen sind nur die in dem nachstehenden Verzeichniß aufgeführten als Militairpersonen zu betrachten. Dieselben zerfallen nach ihren Dienst- und Rangverhältnissen in zwei Klassen, nämlich in:
1) obere, im Offizier-Rang stehende, theils ohne einen bestimmten Militair-Rang, theils mit einem solchen.
2) untere Militair- und Marinebeamte,

I. Zu den oberen Militair- und Marinebeamten gehören, und zwar:

I. ohne einen bestimmten Militair-Rang:
bei der Armee. bei der Marine.
a) der General-Auditeur der Armee und die Räthe (Ober-Auditeure) des General-Auditoriats,
b) die Auditeure und Militairgerichts-Aktuarien, a) die Marine-Auditeure und Marinegerichts-Aktuarien,
c) bei den Militair-Intendanturen: b) bei der Marine-Intendantur:
     aa) die Intendanten, Intendantur-Räthe und Assessoren,      aa) der Marine-Intendant und die Marine-Intendantur-Räthe und Assessoren,
     bb) die Referendarien und Auskultatoren,      bb) die Marine-Intendantur-Referendarien und Auskultatoren,
     cc) die Sekretaire, Registratoren, Sekretariats- und Registratur-Assistenten,      cc) die Marine-Sekretaire, die Registratoren, die Sekretariats- und Registratur-Assistenten, die Rendanten, Kontroleure und die Werft-Sekretaire,
d) der evangelische und der katholische Feldprobst der Armee und die Militair-Prediger, sowie die katholischen Militair-Geistlichen, c) die Marine-Geistlichen beider Konfessionen,
e) der Ober-Stabsapotheker und der Ober-Feldlazareth-Inspektor, d) die Marine-Ingenieure, und zwar:
f) der Plankammer-Inspektor,      aa) die Direktoren,
g) der Inspektor des Festungs-Modellhauses (in Berlin),      bb) die Ober-Ingenieure,
h) die Fortifikations-Sekretaire und Büreau-Assistenten,      cc) die Ingenieure,
i) die bei einzelnen Truppentheilen angestellten Stallmeister,      dd) die Unter-Ingenieure des Schiffs-,Maschinen- und Hafenbaues.
k) die Zahlmeister,
l) der Registrator in der Kanzlei des Chefs des Generalstabes der Armee,
m) die Ingenieur-Geographen,
n) außerdem im Kriege und während des mobilen Zustandes der Truppen:
     1) die oberen Beamten der Feld-Kriegskasse bis einschließlich der Kassen-Assistenten,
     2) die Oberdrucker der Metallographie,
     3) die oberen Feld-Magazinbeamten bis einschließlich der Magazin-Assistenten,
     4) die oberen Feld-Postbeamten bis einschließlich der Feld-Postsekretaire,
     5) die oberen Feld- und Etappen-Telegraphenbeamten,
     6) die oberen Beamten des Feld-Eisenbahnwesens,
     7) die oberen Feld-Lazarethbeamten bis einschließlich der Sekretaire,
     8) die Feld-Apotheker.
2. Obere Militair- und Marinebeamte mit einem bestimmten Militair-Rang (dem Range einer bestimmten Militair-Charge) sind nur folgende:
a) der General-Stabsarzt der Armee mit dem Range eines Obersten, a) der Generalarzt der Marine mit dem Range eines Korvettenkapitains (Majors) resp. Kapitains zur See (mit Oberstlieutenants- oder Obersten Rang),
b) die Korps-Generalärzte mit dem Range eines Majors, b) die Ober-Stabs- und Marine-Aerzte I. Klasse mit dem Range eines Kapitain-Lieutenants resp. Korvetten-Kapitains,
c) die Ober-Stabsärzte mit dem Range eines Hauptmanns, c) die Stabs- und Marine-Aerzte II. Klasse mit dem Range eines Lieutenants zur See resp. Kapitain-Lieutenants,
d) die Stabsärzte mit dem Range eines Premier-Lieutenants, d) die Assistenzärzte mit dem Range eines Unter-Lieutenants zur See,
e) die Oberärzte und Assistenzärzte mit dem Range eines Sekonde-Lieutenants. e) die Zahlmeister:
     1) Zahlmeister mit dem Range eines Lieutenants zur See,
      2) Untere Zahlmeister mit dem Range eines Unter-Lieutenants zur See.

II. Untere

Militairbeamte. Marinebeamte.
1. ohne einen bestimmten Militair-Rang:
a) die Militair-Küster, a) die Marine-Küster,
b) die unter dem Ingenieur vom Platz in den Festungen stehenden Unterbeamten, b) die Marine-Verwalter,
c) die Ober- und Unter-Aufseher bei den Baugefangenen-Anstalten, c) die Marine-Zeichner,
d) die Zeughaus-Büchsenmacher, sowie die bei den Truppentheilen – mit der Verpflichtung, ihnen sowohl ins Feld als beim Garnisonwechsel zu folgen – vertragsmäßig angenommenen Handwerker, welche nicht gleich den Soldaten Sold beziehen, d) die Werkmeister,
e) alle bei den mobilen Truppen, bei der Feld-Administration oder in anderer Art angestellten Personen für dieDauer dieser Anstellung, soweit sie nicht sub B. I. 1. Littr. n aufgeführt sind. e) die Magazin-Aufseher,
f) die Büchsenmacher,
2. Als untere Militairbeamte mit einem bestimmten Militair-Rang sind nur zu betrachten:
die Unterärzte.
Dieselben rangiren vor den Unteroffizieren ohne Portepee und hinter den Portepeefähnrichen (Seekadetten).
Anmerkung.
1) Die Medizinalpersonen, die Auditeure und Aktuarien, die Militair-Geistlichen und Küster, die Intendanturbeamten bei der Armee, die bei der Armee sub B. I. 1.Littr. 1. (1. bis 7.) und B. II. 1. Littr. e. aufgeführten Personen, sowie alle Marinebeamten, stehen in einem doppelten Unterordnungsverhältniß, beziehungsweise zu den ihnen vorgesetzten Militair-Befehlshabern und den ihnen vorgesetzten höheren Beamten oder Verwaltungsbehörden, wogegen alle anderen Militairbeamten nur ihren vorgesetzten Militair-Befehlshabern untergeordnet sind.
2) Diejenigen Personen, welche ihrer Militairverpflichtung in einem Beamtenverhältniß – z. B. als Militair- (Marine-) Aerzte oder Pharmazeuten in den Militairlazarethen – genügen, gehören ebenfalls zu den Militairpersonen.
3) Diejenigen Beamten der Militärverwaltung, welche nicht in dem vorstehenden Verzeichniß sub. B. aufgeführt sind, gehören nicht zu den Militairpersonen.
Anmerkung: Das die Beilage A. zum Strafgesetzbuch für das Preußische Heer bildende Verzeichniß der Militairpersonen nach ihren Dienst- und Rangverhältnissen ist antiquirt und durch die vorstehende Klassifikation der zum Preußischen Heere und zur Marine gehörenden Militairpersonen ersetzt worden.

[290]

Beilage Litt. B.

Vorschriften
über
die Feststellung des Thatbestandes verübter Verbrechen.
____________________

§. 1.

Ein wesentliches Erforderniß jeder Untersuchung ist die Aufnahme des Thatbestandes, d. h. die Feststellung derjenigen Umstände, welche es gewiß oder doch höchst wahrscheinlich machen, daß ein Verbrechen begangen worden ist.

§. 2. Verhalten des Gerichts: a) im Allgemeinen.

Die Ausmittelung des Thatbestandes erfordert vorzügliche Sorgfalt. Der Inquirent muß in der Regel da, wo es möglich ist, durch eigene sinnliche Wahrnehmung sich von den die That bezeichnenden Umständen überzeugen, wenn dies aber nicht geschehen kann, die über den Thatbestand vorhandenen Beweismittel aufnehmen. Insoweit der Erfolg der That und der dadurch angerichtete Schaden das Strafmaaß bestimmt, sind dabei in der Regel Sachverständige zuzuziehen.

§. 3.

Der Thatbestand muß festgestellt werden, wenn auch der Verbrecher ein vollständiges Bekenntniß abgelegt hat.

§. 4. b) wenn das Verbrechen keine Spuren zurückgelassen hat.

Bei Verbrechen, die ihrer Natur nach keine in die Sinne fallenden Spuren zurücklassen (wie dies z. B. in der Regel bei der Insubordination durch Worte, Zeichen oder Geberden der Fall ist), oder deren Spuren durch die Länge der Zeit verloren gegangen sind, muß der Inquirent bemüht sein, die Existenz des Verbrechens durch Aufnahme der darüber vorhandenen Beweismittel ins Licht zu stellen.

§. 5.

Hat eine That, welche gewöhnlich Spuren zu hinterlassen pflegt, keine zurückgelassen, so ist der Grund dieser Ausnahme zu ermitteln und alles dasjenige durch aufzunehmende Beweismittel zu ersetzen, was der sinnlichen Darstellung abgeht. [291]

§. 6. c) wenn das Verbrechen Spuren zurückgelassen hat.

Sind dagegen Spuren des Verbrechens wirklich vorhanden, so muß dafür gesorgt werden, daß deren Dasein und Beschaffenheit sich aus den Akten zuverlässig ergebe.

§. 7. d) bei körperlichen Verletzungen.

Bei körperlichen Verletzungen ist das Attest eines Militair-Oberarztes (oder anderen approbirten Arztes) und eines als Wundarzt approbirten Militair-Chirurgus (oder anderen approbirten Wundarztes) oder zweier approbirten Wundärzte zu den Akten zu bringen. Dieses Attest wird von beiden Sachverständigen gemeinschaftlich unter ihrer Unterschrift, wenn sie aber verschiedener Meinung sind, von einem Jeden besonders ausgestellt.
Ist die körperliche Verletzung nicht erheblich, so genügt das Attest eines als Wundarzt approbirten Militair-Chirurgus oder anderen approbirten Wundarztes, insofern dasselbe nicht etwa verdächtig oder übertrieben erscheint.
Anmerkung: Die Militair-Chirurgen heißen jetzt Militair-Unterärzte.

§. 8.

Dem auszustellenden Attest über die vorgefundenen Verletzungen müssen die Sachverständigen jedesmal ihr Gutachten darüber beifügen, ob der Beschädigte an seiner Gesundheit oder an seinen Gliedmaßen einen bleibenden Nachtheil zu befürchten habe, oder ob die Verletzung lebensgefährlich gewesen sei.

§. 9.

So lange der Verwundete lebt, und das Wundattest nicht etwa so verdächtig ist, daß eine zweite ärztliche Untersuchung stattfinden muß, ist eine gerichtliche Besichtigung und Untersuchung der erhaltenen Verletzungen nicht erforderlich; doch muß der Verwundete gerichtlich über die an ihm verübte That, soweit es geschehen kann, sorgfältig vernommen werden.

§. 10.

Ist bei Frauenzimmern die Besichtigung der Geburtstheile nothwendig, so muß statt des Wundarztes ein vereidigter Geburtshelfer oder eine vereidigte Hebeamme zugezogen werden. Sind jedoch die Geburtstheile so verletzt, daß eine Heilung derselben nothwendig wird, so ist ein approbirter Wundarzt zuzuziehen.

§. 11. e) bei erfolgter Tödtung.

Hat eine Beschädigung den Tod des Verletzten zur Folge, so geschieht die Besichtigung des Leichnams im Beisein des besetzten Untersuchungsgerichts durch einen Militair-Oberarzt oder Physikus und durch einen als Wundarzt approbirten Militair-Chirurgus oder durch einen anderen vereidigten Wundarzt. [292]
Wenn der zugezogene Arzt und Wundarzt kein Militair-Oberarzt, Physikus, oder zu gerichtlich-chirurgischen Handlungen vereidigter Wundarzt ist, so muß zu den Akten vermerkt werden, daß derselbe approbirter Arzt oder Wundarzt sei.
Vergl. die Anmerkung zu §. 7.

§. 12.

Wenn eine Militairperson nicht unter den Augen ihrer Hausgenossen oder anderer unbescholtener Personen auf natürliche Weise stirbt, sondern durch Gewalt, Zufall, Selbstmord oder auf unbekannte Art ums Leben kommt, so muß dies von denjenigen, die einen solchen Vorfall entdecken, dem nächsten vorgesetzten Befehlshaber angezeigt und die Beerdigung bis nach erfolgter gerichtlicher Besichtigung des Leichnams ausgesetzt werden.

§. 13.

Sobald der vorgesetzte Befehlshaber eine solche Anzeige erhält, so ist er verpflichtet, ohne den geringsten Zeitverlust die zur Rettung des vielleicht Scheintodten erforderlichen Maaßregeln zu treffen, dem am Orte anwesenden Auditeur, oder, wenn ein solcher nicht am Orte befindlich ist, dem nächsten Civilrichter sogleich von dem Vorfalle Nachricht zu geben, ihm dabei die obwaltenden Umstände kürzlich anzuzeigen und zu veranstalten, daß, wenn die Rettungsmittel nichts fruchten, der Körper bis zur Ankunft des Richters durch zuverlässige Personen von der Stelle, an welcher er gefunden ist, erhoben und dergestalt aufbewahrt werde, daß er nicht durch Ungeziefer, andere Thiere oder durch Fäulniß schneller als gewöhnlich zerstört werden könne.

§. 14.

Nimmt der requirirte Richter aus den ihm mitgetheilten Umständen wahr, daß es nach den Vorschriften des §. 21. einer förmlichen Obduktion bedürfe, so muß er bewirken, daß die schleunigst zu veranlassende Besichtigung an Ort und Stelle durch die erforderlichen Sachverständigen (§. 11.) im Beisein des besetzten Untersuchungsgerichts erfolge.

§. 15.

Erhellt dagegen aus den mitgetheilten Umständen die Nothwendigkeit der Zuziehung der Sachverständigen nicht, so muß der Richter zur Vermeidung überflüssiger Kosten allein sich sofort an Ort und Stelle verfügen.

§. 16.

Sobald der Richter an Ort und Stelle kommt, muß er die Umstände, unter welchen der todte Körper gefunden oder dessen Tod erfolgt ist, sorgfältig untersuchen und zu Protokoll verzeichnen. Findet er, daß noch einige Hoffnung übrig bleibt, den vielleicht Scheintodten ins Leben zurückzubringen, und ist zur Rettung desselben bis dahin kein Arzt oder Chirurgus herbeigeholt, so muß er dies ohne Zeitverlust veranstalten. [293]

§. 17. Verfahren, wenn der Tod ohne Schuld eines Dritten erfolgt ist.

Ergiebt sich bei dieser Untersuchung, daß der Tod durch Selbstmord, Zufall, oder irgend eine Begebenheit bewirkt ist, bei welcher die Schuld eines Dritten nicht zum Grunde liegt, so bedarf es blos einer äußeren Besichtigung des Leichnams von Seiten des Richters ohne Zuziehung der Sachverständigen.
Nach erfolgter Besichtigung ertheilt der Richter die Erlaubniß zur Beerdigung des Leichnams.

§. 18.

Ist das nächste Militairgericht, bei welchem ein Auditeur sich befindet, und das nächste Civilgericht von dem Orte, wo der Leichnam gefunden worden, gleich weit entfernt, so ist der betreffende Auditeur zur Besichtigung des Leichnams verpflichtet.

§. 19.

Ist in dem Fall des §. 17. die Besichtigung des Leichnams von Seiten eines Civilrichters erfolgt, so sind die darüber aufgenommenen Verhandlungen an den requirirenden Befehlshaber abzugeben, welcher sodann dieselben im Dienstwege an den mit der höheren Gerichtsbarkeit versehenen Militairbefehlshaber befördert, unter welchem der Verstorbene gestanden hat.
Wenn ein Auditeur die Besichtigung vorgenommen hat, so übergiebt er selbst die darüber sprechenden Verhandlungen dem betreffenden Gerichtsherrn.

§. 20.

Insofern über die Veranlassung des Selbstmordes einer Militairperson Zweifel, oder solche Umstände obwalten, daß eine nähere Ermittelung nöthig erscheint, muß diese der kompetente Gerichtsherr verfügen. Sämmtliche die Selbstentleibung betreffende Verhandlungen sind sodann dem kompetenten Generalkommando und von diesem, wenn dasselbe die Verfügungen, zu welchen es sich durch selbige in Bezug auf die Handhabung der Disziplin etwa veranlaßt finden sollte, getroffen hat, dem General-Auditoriat zur Reposition einzusenden.

§. 21. Verfahren, wenn der Tod durch die Schuld eines Dritten erfolgt ist.

Entsteht bei der äußeren Besichtigung des Leichnams der geringste Verdacht, daß der Tod durch Vergiftung oder durch Schuld eines Dritten bewirkt worden, so muß die Obduktion nach den darüber bestehenden gesetzlichen Vorschriften durch Sachverständige im Beisein des besetzten Untersuchungsgerichts geschehen. Hierbei kann der Militair-Oberarzt oder Physikus durch einen besonders zu vereidigenden Arzt, und der Wundarzt durch einen zweiten Arzt ersetzt werden. [294]

§. 22.

Ist der Inquirent, welcher die Obduktion dirigirt, mit dem Militair-Oberarzt oder dessen Stellvertreter darüber verschiedener Meinung, ob es der Obduktion bedürfe, so muß dieselbe geschehen, sobald auch nur einer von ihnen dafür stimmt.

§. 23. Anerkenntniß des Leichnams.

Die Leiche muß vor der Obduktion denen, die den Verstorbenen gekannt haben, und wo möglich dem vermuthlichen oder geständigen Thäter zum Anerkenntniß vorgelegt werden. Sollte dies nicht möglich sein, so muß sich der Inquirent auf alle Art vergewissern, daß in Betreff der Leiche weder ein Irrthum noch eine Verwechselung vorgefallen sei.

§. 24.

Ist die Leiche eines in Folge einer tödtlichen Verletzung Gestorbenen über die Seite geschafft und dadurch der weiteren Nachforschung und Besichtigung entzogen worden, so sind statt der sonst erforderlichen Obduktion besonders diejenigen Thatsachen, durch welche die Wegschaffung der Leiche bewirkt worden, zu ermitteln.

§. 25. f) bei Diebstählen.

Bei Diebstählen durch Einsteigen oder Erbrechen, welche Spuren hinterlassen haben, muß der Inquirent, wenn die gebrauchte Gewalt nicht auf andere Art erwiesen werden kann, an Ort und Stelle den Augenschein von den hinterlassenen Spuren einnehmen und den Befund zu Protokoll verzeichnen.

§. 26. Feststellung des Werths der gestohlenen Sachen.

Der Werth des Entwendeten ist, wenn die entwendeten Sachen herbeigeschafft werden können und der Werth derselben auf die Bestimmung der Strafe von Einfluß ist, in der Regel durch Sachverständige auszumitteln.
Die Schätzung solcher Sachen aber, welche zum gewöhnlichen Gebrauch dienen, kann von dem Inquirenten selbst, oder, wenn dieser sich dessen enthalten will, in Ermangelung eines dazu bestimmten Sachverständigen, von jedem Hausvater geschehen, und zwar, wenn dieser glaubwürdig ist, ohne dessen Vereidigung.

§. 27.

Können die entwendeten Sachen nicht herbeigeschafft werden, oder sind Geldsummen entwendet worden, so ist der Bestohlene verbunden, den gemeinen Werth der gestohlenen Sachen zur Zeit der Entwendung anzugeben.
Der eidlichen Bestärkung dieser Angabe des Bestohlenen bedarf es nicht, wenn gegen dessen Glaubwürdigkeit kein Zweifel obwaltet, der Verbrecher des Diebstahls geständig ist und gegen die Werthangabe keine Einwendungen hat.
Fehlt es an einer von diesen Voraussetzungen, so ist der Bestohlene verbunden, die Werthangabe eidlich (oder, wenn er einer Religionspartei angehört, welche die Eidesleistungen für unzulässig hält, nach seinen Religionsgrundsätzen an Eidesstatt) zu erhärten. [295]

§. 28. Eidliche Bestärkung des Diebstahls.

Daß der Bestohlene die Entwendung selbst eidlich erhärte, ist in der Regel nicht erforderlich.

§. 29.

Hat jedoch der Inquirent gegründete Vermuthungen, daß die Entwendung nur vorgespiegelt werde, so muß er den angeblich Bestohlenen zur näheren Bescheinigung der vorgegebenen Entwendung, und wenn dessen Angaben durch die aufgenommenen Bescheinigungsmittel einigermaßen unterstützt werden, oder jene Vermuthungen minder erheblich sind, zur eidlichen Bestärkung seiner Anzeige anhalten.
Weigert sich der angeblich Bestohlene, die Entwendung eidlich (oder an Eidesstatt) zu erhärten, so fällt der Grund zur Fortsetzung der Untersuchung weg.

§. 30.

Der von dem Bestohlenen über die Größe des Diebstahls zu leistende Eid ist dahin zu fassen:
daß er die gestohlene Sache, ihrem wahren Werthe nach, mindestens auf so hoch schätze.

§. 31. g) beim Raube.

Beim Raube muß der Inquirent an Ort und Stelle sich durch den Augenschein von den hinterlassenen Merkmalen unterrichten, und den Befund zum Protokoll niederschreiben.
Einer Ausmittelung des Werths der geraubten Sachen bedarf es nicht. Die erlittene Gewalt aber muß der Beraubte in Ermangelung anderer Bescheinigungsmittel eidlich erhärten.

§. 32.

Ist beim Raube Jemand körperlich beschädigt worden, so kommen die, in Absicht des Thatbestandes bei körperlichen Verletzungen gegebenen Vorschriften (§§. 7. ff.) zur Anwendung.

§. 33.

Beim Straßenraube muß der Inquirent zugleich durch Besichtigung des Orts der begangenen That oder durch Vernehmung der darüber etwa vorhandenen Zeugen sich zu vergewissern suchen, daß der Raub wirklich an einem solchen Orte verübt worden ist, welcher nach den Strafgesetzen zum Begriff des Straßenraubes gehört. [296]

§. 34. h) Brandstiftungen.

Ist in einem zu militairischen Zwecken benutzten Gebäude Feuer entstanden, so steht der erste Angriff und die Einziehung der ersten Nachrichten der betreffenden Militairbehörde zu, welche, wenn sich dabei Anzeigen einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Brandstiftung ergeben, die aufgenommenen Verhandlungen sofort an das kompetente Gericht abzugeben hat. Das Gericht ist aber schuldig und befugt, auf Abgabe der Verhandlungen zu dringen, wenn es Veranlassung hat, eine vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung zu vermuthen, und die Abgabe der Akten verzögert wird.
Findet sich nach Lage dieser Akten in Bezug auf die Feststellung des Thatbestandes noch etwas zu erinnern, so hat der Inquirent solches sofort nachzuholen, die Brandstelle erforderlichen Falls in Augenschein zu nehmen, dabei die Entfernung der Brandstelle von anderen Gebäuden, die Beschaffenheit derselben und die Gefahr zu erörtern, in welche die Einwohner oder andere nebenstehende Gebäude oder Gegenstände durch die Brandstiftung gerathen sind, und besonders auf diejenigen Umstände sein Augenmerk zu richten, durch welche die Entstehungsart des Feuers erklärt werden kann.

§. 35.

Der Betrag des Schadens, welcher durch die Brandstiftung an unbeweglichen und beweglichen Gegenständen entstanden ist, muß nach vorgängiger Ausmittelung des Zustandes, in welchem sich die Sache vor dem Brande befunden hat, durch Sachverständige oder Zeugen ins Licht gesetzt werden.
Wenn der Werth der Gebäude aus schon vorhandenen Taxen erhellt, so sind diese so lange zum Grunde zu legen, bis entweder der Eigenthümer Verbesserungen , oder der Brandstifter die Entwerthung nach erfolgter Aufnahme der Taxe nachgewiesen hat.

§. 36. i) bei Tumulten, zu deren Stillung kommadirtes Militair eingeschritten ist.

Bei Tumulten, zu deren Stillung kommandirtes Militair eingeschritten ist, wird der Thatbestand durch die amtliche Darstellung des kommandirenden Befehlshabers festgestellt.
Derselbe hat darin über folgende Gegenstände Auskunft zu ertheilen:
über die Veranlassung seines Einschreitens, über den an die zusammengelaufene Volksmenge erlassenen Befehl, ob er ihn zu wiederholen genöthigt gewesen, und die Wirkung desselben, ob eine thätliche Wiedersetzung stattgefunden, worin sie bestanden, ob von Seiten der Tumultuanten ein Angriff mit Waffen oder anderen Werkzeugen erfolgt ist, ob mit Steinen oder anderen Gegenständen geworfen worden, ob und welchen Gebrauch er von den Waffen, insbesondere von der Schußwaffe, gemacht, und wie er den Auflauf gedämpft hat, endlich ob und was für Beschädigungen an Personen oder Sachen erfolgt sind.
Sind mehrere Befehlshaber in Thätigkeit gewesen, so geht die Darstellung von dem obersten von ihnen aus, die Berichte der übrigen werden beigelegt, insoweit dieselben der Zeit oder dem Orte nach selbstständig gehandelt haben. Die nähere Bezeichnung der Beschädigungen an Personen und Sachen, soweit es nöthig ist, erfolgt von der Polizeibehörde, wird dem kommandirenden Befehlshaber zugestellt und bildet einen Theil seiner Darstellung. [297]

§. 37. k) bei Münzverbrechen.

Bei Münzverbrechen ist, wenn es auf ein sachverständiges Gutachten darüber, ob die in Beschlag genommene Münze falsch sei, ankommt, dieses Gutachten jedesmal von der General-Münzdirektion unter Zusendung der in Beschlag genommenen Münze einzuholen.
Die Requisition wegen Einholung eines solchen Gutachtens ist offen an die nächste Regierung zur weiteren Beförderung zu übersenden. Auch sind die falschen Münzen nach rechtskräftig abgeurtelter Sache an diese Behörde abzugeben.

§. 38. l) bei Kassenverbrechen.

Bei Kassenverbrechen dient der von der vorgesetzten Kassenbehörde gezogene Defekt zur Feststellung des Thatbestandes.

§. 39. m) bei Fälschung öffentlicher Papiere.

Bei Verfälschung öffentlicher Papiere ist diejenige Behörde, welche dergleichen in Umlauf gesetzt hat, zur Abgabe eines schriftlichen Gutachtens über die Falschheit oder Aechtheit der in Beschlag genommenen Papiere aufzufordern.

§. 40.

Bei Verfälschung Preußischer Staatspapiere kann die Hauptverwaltung der Staatsschulden der Feststellung des Thatbestandes sich unterziehen. Die Gerichte müssen deshalb die Hauptverwaltung der Staatsschulden von jeder zu ihrer Kenntniß kommenden Verfälschung dieser Art, oder von den Thatsachen, welche den Verdacht einer solchen begründen, sowie von allen derartigen Anklagen und Anzeigen unter Beifügung der in Beschlag genommenen, anscheinend falschen Staatspapiere ungesäumt in Kenntniß setzen. Dadurch wird jedoch die Verpflichtung der Gerichte, namentlich außerhalb Berlin, zum gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren nicht ausgeschlossen.

§. 41. n) beim Bankerutt.

In Konkursen über das Vermögen von Militairpersonen muß das den Konkurs dirigirende Civilgericht die aus den Konkursakten sich ergebenden Thatsachen, aus welchen auf einen strafbaren Bankerutt geschlossen werden kann, dem kompetenten Militairgericht mittheilen.
Zur Eröffnung einer Untersuchung wegen Bankerutts aber ist es hinreichend, wenn eine Insufficienz des Vermögens dargethan worden und die Entstehung der Schuldenlast sich nur durch ein betrügliches, muthwilliges, oder unbesonnenes Benehmen erklären läßt. Ueber den Betrag der Insufficienz bedarf es keiner weitläuftigen Erörterung, sondern es ist genug, wenn der Inquirent die aus den Konkursakten darüber gesammelten Nachrichten zusammenstellt und dem Angeschuldigten zur Erklärung vorlegt.


[298] [299]

Beilage Litt. C.

Strafprozeßkosten-Taxe.
Nr. Thlr. Sgr.
1. Für einen Termin, in welchem eine wesentliche Verhandlung stattgefunden 1 – 2
2. Für einen Termin, in welchem keine wesentliche Verhandlung stattgefunden 15
3. Für eine schriftliche Verfügung, welche im Lauf der Untersuchung nöthig und expedirt wird 5 – 20
Die Expedition der Verfügungen ist jedoch möglichst zu vermeiden.
Für nicht expedirte Verfügungen werden blos Schreibgebühren (Nr. 10.) genommen.
Für Anzeigen und für Berichte, welche zur Kontrole des Geschäftsgangs dienen, oder von den vorgesetzten Behörden erfordert werden, imgleichen für Berechnungen von Kosten und Verfügungen zu deren Einziehung, darf nichts angesetzt werden.
4. Für die Anfertigung der Fragstücke zum Schlußverhör, einschließlich der Schreibgebühren 1 – 5
5. Für die Abfassung des Erkenntnisses, einschließlich der Terminsgebühren 2 – 20
6. Für jede Ausfertigung des Erkenntnisses 1
7. Für Anfertigung des Akten-Auszuges 1 – 2
8. Für ein rechtliches Gutachten, Behufs der Bestätigung des Erkenntnisses 1 – 5
9. Für jeden Bogen Reinschrift 3
10. Für jeden Bogen Abschrift 2
11. Für Emballage der Akten 5 – 10
Für das Heften der Akten für jeden Band 5
13. Für Inrotulation der Akten:
     a) für jedes General-Volumen 10
     b) für jedes Spezial-Volumen 5
14. Für Insinuationen, wobei es eines Empfangsbekenntnisses bedarf 3
15. Für die Vertheidigung.
      Der Vertheidiger erhält:
            a) für die Information aus den Akten und den Unterredungstermin 1 – 3
           b) für jeden andern Termin 1 bis 1 10
           c) für einen schriftlichen Antrag 5
bis
1
            d) für die Vertheidigung
                 (nach Verhältniß der Wichtigkeit und Weitläuftigkeit der Sache, sowie nach Maaßgabe der Gründlichkeit der Vertheidigung)
2 – 10
            e) Schreibgebühren für den Bogen 2
            f)Diäten auf Reisen über eine Viertelmeile täglich 2
16. Für Diäten und Reisekosten der Militan-Justizbeamten.
Auf Reisen erhalten die Militair-Justizbeamten die reglementsmäßig ihnen zustehenden Diäten und Reisekosten.


[300]

Beilage Litt. D.

Allerhöchster Erlaß,
betreffend
die Abschaffung der Strafe der körperlichen Züchtigung,
vom 6. Mai 1848.
(Gesetz-Samml. für die Königl. Preußischen Staaten de 1848. S. 123.)
____________________

In Folge der durch die neueren Gesetze allen Meinen Unterthanen gleichmäßig verliehenen politischen Rechte bestimme Ich hierdurch, auf den Antrag des Staatsministeriums, daß fortan von Civil- und Militairgerichten die Strafe der körperlichen Züchtigung nicht mehr verhängt, sondern statt derselben auf verhältnißmäßige Freiheitsstrafe erkannt werden soll. [1] In denjenigen Fällen, in welchen eine körperliche Züchtigung bereits erkannt, aber noch nicht vollstreckt worden, ist dieselbe in eine verhältnißmäßige Freiheitsstrafe durch die zuständigen Gerichte zu verwandeln.

Der gegenwärtige Erlaß ist durch die Gesetz-Sammlung zur allgemeinen Kenntniß zu bringen.
Potsdam, den 6. Mai 1848.
 Friedrich Wilhelm.

 Camphausen.       Bornemann.       Gr. v. Canitz.
  1. Vergl. das Gesetz vom 15. April 1852. §. 10.; Beilage Littr. F.

[301]

Beilage Litt. E.

G e s e t z ,
betreffend
die an Stelle der Vermögenskonfiskation gegen Deserteure und ausgetretene Militairpflichtige zu verhängende Geldbuße,
vom 11. März 1850.
(Gesetz-Samml. für die Königl. Preuß. Staaten de 1850. S. 271.)
____________________


Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc. etc.

verordnen, mit Zustimmung beider Kammern, was folgt:

§. 1.

Gegen Deserteure, deren man nicht habhaft werden kann, sowie gegen diejenigen Personen, welche, um sich der Pflicht zum Eintritt in den Dienst des stehenden Heeres zu entziehen, die Preußischen Staaten verlassen, soll, anstatt der Vermögenstonfiskation, auf eine Geldbuße von funfzig bis Eintausend Thalern erkannt werden. Das Vermögen der vorgedachten Personen ist insoweit, als es nach dem Ermessen des Richters zur Deckung der sie möglicher Weise treffenden höchsten Straft von Eintausend Thalern und der Kosten des Verfahrens erforderlich ist, von demselben mit Beschlag zu belegen.
Die Bestimmungen über das Verfahren bleiben unverändert.

§. 2.

Unsere Minister des Krieges und der Justiz werden mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt.
Das gegenwärtige Gesetz tritt an die Stelle der Verordnung vom 4. Januar 1849. (Gesetz-Samml. S. 47.), bei deren Vorschriften es bis zu dem Zeitpunkt der eintretenden verbindlichen Kraft des heutigen Gesetzes überall verbleibt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Charlottenburg, den 11. März 1850.
(L. S.)  Friedrich Wilhelm.

Gr. v. Brandenburg.      v. Ladenberg.      v. Manteuffel.      v. d. Heydt.
v. Rabe.      Simons.      v. Schleinitz.      v. Stockhausen.


[302]

Beilage Litt. F.

G e s e t z ,
die Abänderung mehrerer Bestimmungen in den Militair-Strafgesetzen betreffend.
Vom 15. April 1852.
(Gesetz-Samml. für die Königl. Preußischen Staaten de 1852. S. 115—117.)
____________________


Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc. etc.

verordnen, mit Zustimmung der Kammern, was folgt:

§. 1.

Wenn die Militair-Strafgesetze hinsichtlich der Beurtheilung strafbarer Handlungen auf die Allgemeinen Landesgesetze oder die Allgemeinen Strafgesetze verweisen, so treten die Vorschriften des Allgemeinen Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten nach Maaßgabe der Bestimmungen des Gesetzes über die Einführung desselben vom 14. April 1851. (Gesetz-Samml. S. 93. ff.) an deren Stelle.

Anmerkung: In den zum Norddeutschen Bunde gehörenden Staaten, in welchen das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten vom 14. April 1851. nicht eingeführt ist, kommen an Stelle desselben für solche Militairpersonen, welche nicht Preußische Unterthanen sind, die dort geltenden allgemeinen Strafgesetze zur Anwendung.

§. 2.

Militairpersonen, welche im Auslande, während sie dort in einer dienstlichen Stellung sich befinden, strafbare Handlungen begehen, werden ebenso, als ob die Handlungen in Preußen selbst begangen wären, nach Preußischen Strafgesetzen verfolgt und bestraft.

§. 3.

Wird nach der Bestimmung des Allgemeinen Strafgesetzbuchs gegen eine Person des Soldatenstandes neben der Todesstrafe der Verlust der bürgerlichen Ehre ausgesprochen, so ist damit die Ausstoßung aus dem Soldatenstande von Rechtswegen verbunden. [303]

§. 4.

Die Verurtheilung zur Zuchthausstrafe hat die Ausstoßung aus dem Soldatenstande von Rechtswegen zur Folge.
Eine Umwandlung der Zuchthausstrafe in eine militairische Freiheitsstrafe findet in der Folge nicht mehr statt.
Anmerkung: Die Bestimmungen des §. 4. werden in den Bundesstaaten, in welchen das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten vom 14. April 1851. nicht gilt, analog auf diejenigen Freiheitsstrafen anzuwenden sein, welche nach ihrer Natur oder nach der Art ihrer Vollstreckung und nach dem hieraus sich ergebenden entehrenden Karakter in gleicher Weise, wie die Zuchthausstrafe des erwähnten Strafgesetzbuchs, das Verbleiben der Verurtheilten im Militairstande unmöglich machen.

§. 5.

Wird gegen eine Person des Soldatenstandes die Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf eine längere als dreijährige Dauer ausgesprochen, so ist damit die Entlassung aus dem Soldatenstande von Rechtswegen verbunden. Wird dagegen die Dauer dieser Strafe vom Richter nur auf drei Jahre oder weniger bemessen, so gehört der Verurtheilte während dieser Zeit zur zweiten Klasse des Soldatenstandes.
Anmerkung: In den zuvor (Anmerkung zu §. 4.) bezeichneten Bundesstaaten wird der §. 5. ebenfalls analog zur Anwendung zu bringen und demgemäß in jedem einzelnen Falle zu prüfen sein, ob die unmittelbar oder mittelbar verhängte Ehrenstrafe die Entlassung aus dem Soldatenstande oder blos die Versetzung in die zweite Klasse desselben nach sich ziehen müsse.

§. 6.

Mit der Verurtheilung zur Zuchthausstrafe, sowie mit der zeitigen Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte, ist die Degradation von Rechtswegen verbunden; eine Abkürzung der verwirkten Freiheitsstrafen wegen gleichzeitig eintretender Degradation findet in diesen Fällen nicht statt.
Anmerkung: Der §. 6. wird in den vorgenannten Bundesstaaten dahin anzuwenden sein, daß Degradation bei Verhängung einer nach der Anmerkung zu §. 4. der Zuchthausstrafe gleich zu achtenden Freiheitsstrafe oder einer solchen Ehrenstrafe eintritt, welche der Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte nach dem Strafgesetzbuche vom 14. April 1851. entspricht.

§. 7.

Eine Umwandlung der Gefängnißstrafe und der Einschließung in eine militairische Freiheitsstrafe ist nicht zulässig, wenn der Angeschuldigte zum Stande der Beurlaubten gehört. [304]

§. 8.

Wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen eine bürgerliche Freiheitsstrafe in eine militairische zu verwandeln ist, oder umgekehrt, so soll folgendes Verhältniß maaßgebend sein:
1) die Zuchthausstrafe steht gleich der Baugefangenschaft;
2) die Einschließung dem Festungsarrest;
3) die Gefängnißstrafe der Festungsstrafe; es kann jedoch anstatt der Gefängnißstrafe auch auf mittleren oder gelinden Arrest, ingleichen auf Stubenarrest oder Festungsarrest erkannt werden.
Anmerkung: In den obengedachten Bundesstaaten (Anmerkungen zu den §§. 4. 5. und 6.) wird der Richter bei sinngemäßer Anwendung des §. 8. das Verhältniß der bürgerlichen zu den militairischen Freiheitsstrafen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Art und Beschaffenheit der zu vergleichenden Strafen in jedem Falle besonders zu bestimmen haben.

§. 9.

Weder bei dem Zusammentreffen mehrerer Verbrechen, noch beim Rückfalle, noch wenn sonst in den Militair-Strafgesetzen eine Verlängerung oder Verschärfung der Strafe vorgeschrieben ist, darf die Dauer der zeitigen militairischen Freiheitsstrafe den Zeitraum von zwanzig Jahren übersteigen.

§. 10.

Anstatt der durch den Erlaß vom 6. Mai 1848. (Gesetz-Samml. S. 123.) bereits aufgehobenen Strafe der körperlichen Züchtigung soll eine Strafe nicht mehr erkannt werden.

§. 11.

Bei Verwandlung einer Geldbuße in eine militairische Freiheitsstrafe ist nach den in dem Allgemeinen Strafgesetzbuche aufgestellten Grundsätzen (§§. 17. und 335.) zu verfahren.
Die statt einer Geldbuße eintretende militairische Freiheitsstrafe besteht mindestens in eintägigem gelinden Arrest und höchstens vierjähriger Festungsstrafe.
Vergl. zu den §§.11. 12. die Anmerkung zu §. 1.

§. 12.

Die Strafe des Rückfalls tritt nur dann ein, wenn dasselbe Verbrechen oder Vergehen, sei es mit oder ohne erschwerende Umstände, begangen wird, und die frühere Strafe von einem Preußischen Gerichte erkannt ist. Bei Anwendung der Strafe des Rückfalls macht es keinen Unterschied, ob die frühere von einem Preußischen Gerichte erkannte Strafe eine ordentliche oder außerordentliche war, ob die Strafe vollstreckt worden ist oder nicht. [305]

§. 13.

An die Stelle der in den Militair-Strafgesetzen enthaltenen besonderen Vorschriften über die Bestrafung des Landesverraths, der Körperverletzung, des Diebstahls, der Fälschung von Legitimations-Urkunden und des gewerbmäßigen Betriebes des Hazardspiels treten die für diese Verbrechen und Vergehen ertheilten Bestimmungen des Allgemeinen Strafgesetzbuchs. Jedoch werden die §. 88. Nr. 2. und 3. und §. 89. Theil I. des Militair-Strafgesetzbuchs (Gesetz-Samml. von 1845. S. 269.), sowie der Kriegsartikel 61. (Gesetz-Samml. von 1844. S. 284.), hierdurch nicht geändert.
Vergl. die Anmerkung zu §. 1. und den an die Stelle des Artikels 61. der früheren Kriegsartikel getretenen Artikel 45. der jetzt gültigen Kriegsartikel vom 9. Dezember 1852; Beilage Littr. G.

§. 14.

Mit der Strafe des Diebstahls nach den Bestimmungen des §. 217. des Allgemeinen Strafgesetzbuchs ist zu belegen:
1) wer Sachen des Offiziers entwendet, zu welchem er als Ordonnanz oder Bursche kommandirt ist;
2) wer seinen Kameraden, dem mit ihm aus dienstlicher Veranlassung ein gemeinschaftlicher Aufenthaltsort angewiesen ist, bestiehlt;
3) wer Gegenstände aus Lazarethen, Montirungskammern, Magazinen oder Werkstätten der Truppen entwendet;
4) wer seinen Quartierwirth oder zu dessen Hausstande gehörige Personen bestiehlt;
5) wer einen Diebstahl an der Habe des Gefangenen verübt, dessen Aufbewahrung, Begleitung oder Bewachung ihm anvertraut ist;
6) wer im Wachtdienst die seiner Bewachung anvertrauten Sachen entwendet.
Anmerkung: In den mehrerwähnten Bundesstaaten werden die Bestimmungen des §. 14. keine Anwendung finden können; es wird vielmehr in den betreffenden Fällen nach dem in der Anmerkung zum §. 1. erwähnten Prinzip zu verfahren sein.

§. 15.

Der auf Beleidigungen von Unteroffizieren oder von Soldaten untereinander bezügliche §. 174. Theil I. des Militair-Strafgesetzbuchs findet nur auf solche Vergehungen Anwendung, welche im Sinne des §. 343. des Allgemeinen Strafgesetzbuchs als einfache Beleidigungen zu betrachten sind.
Anmerkung: Der im §. 15. allegirte §. 343. des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten vom 14. April 1851. bezieht sich nur auf die einfachen Beleidigungen im Gegensatze zu den qualifizirten, welche nach den Bestimmungen des Gesetzbuchs nicht zu den Uebertretungen, sondern zu den Vergehen gehören.

§. 16.

Die Civilgerichte haben gegen die zum Beurlaubtenstande gehörigen Militairpersonen nicht mehr auf Militairstrafen zu erkennen. [306]

§. 17.

Alle diesem Gesetze entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen sind aufgehoben.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Gegeben Potsdam, den 15. April 1852.
(L. S.)  Friedrich Wilhelm.

v. Manteuffel.      v. d. Heydt.      Simons.      v. Raumer.      v. Westphalen.
v. Bodelschwingh.      v. Bonin.

Beilage Litt. G.

A l l e r h ö c h s t e   O r d r e
vom 9. Dezember 1852.
und
Cirkular-Erlaß des Kriegsministeriums
vom 26. Januar 1853.
,
betreffend
die Einführung der Kriegsartikel vom 9. Dezember 1852.
____________________

Die in Folge der von Mir angeordneten Revision der Kriegsartikel vom 27. Juni 1844. entworfenen, Mir von Ihnen vorgelegten Kriegsartikel für die Unteroffiziere und Soldaten meiner Armee habe Ich vollzogen und gebe sie Ihnen mit dem Auftrage zurück, die zur Einführung derselben erforderlichen Verfügungen zu treffen.

Zugleich bestimme Ich, daß diese revidirten Kriegsartikel
1) bei jeder Kompagnie, Schwadron und Batterie sogleich nach ihrer Bekanntmachung und demnächst alljährlich einmal, sowie auch einem jeden neu eintretenden Soldaten vor der Ableistung des Soldateneides langsam und deutlich vorgelesen werden sollen; [307]
2) den der deutschen Sprache nicht kundigen Soldaten aber in ihrer Muttersprache vorzulesen und zu diesem Zwecke die nöthigen Uebersetzungen in das Polnische und Litthauische alsbald anzufertigen sind.
Diese Meine Ordre ist der Armee bekannt zu machen.
Charlottenburg, den 9. Dezember 1852.
 (gez.) Friedrich Wilhelm.

 (gegengez.) von Bonin

An den Kriegs-Minister.

*
*                      *
Seit Einführung des im Jahre 1845. der Armee verliehenen Strafgesetzbuchs ist es der eigentliche Zweck der Kriegsartikel, die Unteroffiziere und Soldaten mit den ihnen obliegenden Pflichten, den bei Pflichtverletzungen nach den bestehenden Gesetzen zu gewärtigenden Strafen und den bei treuer Pflichterfüllung zu erwartenden Belohnungen im Allgemeinen bekannt zu machen.
Diesem Zweck können die Kriegsartikel vom 27. Juni 1844. nicht mehr vollständig entsprechen, weil in Folge der neueren Gesetzgebung mehrere darin enthaltene Bestimmungen ihre Gültigkeit verloren haben.
Dies hat eine Revision derselben nöthig erscheinen lassen, nach deren Beendigung Se. Majestät der König die Einführung der in etc. Exemplaren beifolgenden von Allerhöchstdemselben vollzogenen, revidirten Kriegsartikel anzuordnen und zugleich mittelst Ordre vom 9. Dezember v. J. zu bestimmen geruht haben:
daß sie zu diesem Behufe sogleich nach ihrer alsbald zu veranlassenden Bekanntmachung bei jeder Kompagnie, Schwadron und Batterie und demnächst alljährlich einmal, sowie auch einem jeden neu eintretenden Soldaten (den der deutschen Sprache nicht kundigen in ihrer Muttersprache) vor der Ableistung des Soldateneides langsam und deutlich vorgelesen werden sollen.
Demgemäß ersucht das Kriegsministerium das Königliche General-Kommando ergebenst, Behufs Ausführung dieser Allerhöchsten Ordre die beifolgenden Exemplare der Kriegsartikel nach Zurückbehaltung der zum eigenen Gebrauch erforderlichen Anzahl, nach Maaßgabe des anliegenden Verzeichnisses, den demselben untergebenen Militairbehörden und Truppentheilen zuzufertigen und zugleich darauf aufmerksam zu machen, daß die in die Kriegsartikel aufgenommenen Strafbestimmungen nur einen dem Zweck derselben entsprechenden Auszug aus den bestehenden materiellen Militair-Strafgesetzen bilden, wodurch die Gültigkeit dieser Gesetze und deren Anwendbarkeit auf Unteroffiziere und Soldaten bei Beurtheilung und Bestrafung der von ihnen verübten strafbaren Handlungen in keiner Weise berührt wird.
Berlin, den 26. Januar 1853.
 Kriegs-Ministerium.
 (gez.) von Bonin.

An die Königlichen General-Kommandos etc.

*
*                      *

[308]

Kriegsartikel
für
d a s  P r e u ß i s c h e  H e e r.
Seine Königliche Majestät von Preußen haben die bisher angeordnet gewesenen Kriegsartikel einer Revision unterwerfen lassen und hierauf für die Unteroffiziere und Soldaten Höchstihres gesammten Heeres die nachstehenden Kriegsartikel zu ertheilen geruht.

Artikel 1.

Jeder Preußische Unterthan, wes Standes er sei, ist durch die Verpflichtung zum Dienst im Heere zum Schutz und zur Vertheidigung des Thrones und des Vaterlandes berufen. Eingedenk dieses hohen Berufes muß ein Jeder, der in den Soldatenstand eintritt, die Pflichten des Soldaten zu erfüllen eifrig bemüht sein.

Artikel 2.

Seiner Königlichen Majestät und dem Vaterlande treu zu dienen, ist des Soldaten erste Pflicht. Nächstdem erfordert der Beruf des Soldaten Kriegsfertigkeit, Muth bei allen Dienstobliegenheiten und Tapferkeit im Kriege, Gehorsam gegen den Vorgesetzten, ehrenhafte Führung in und außer dem Dienste, gutes und redliches Verhalten gegen die Kameraden.

Artikel 3.

Die Pflicht der Treue gebietet dem Soldaten, bei allen Vorfällen, im Kriege und im Frieden, mit Aufbietung aller Kräfte, selbst mit Aufopferung des eigenen Lebens zu dienen, um jede Gefahr von Seiner Königlichen Majestät und dem Vaterlande abzuwenden.

Artikel 4.

Wer mit dem Feinde in schriftliche oder mündliche Verhandlungen oder Berathungen sich einläßt, die Seiner Königlichen Majestät, dem Heere oder den Preußischen Landen Gefahr oder Nachtheil bringen können; wer dem Feinde Parole, Feldgeschrei oder Losung offenbart, oder sonst zur Begünstigung des Feindes Seine Königliche Majestät, die Preußischen Lande oder das Heer durch Handlungen oder Unterlassungen in Gefahr, Unsicherheit oder Nachtheil versetzt, macht sich des Verraths schuldig.
Der Verräther wird mit den schwersten Freiheits- und Ehrenstrafen oder mit dem Tode bestraft.
Gleiche Strafe trifft denjenigen, der ein zu seiner Kenntniß gelangtes verrätherisches Vorhaben nicht sogleich seinem Vorgesetzten anzeigt. [309]

Artikel 5.

Dem Soldaten soll seine Fahne heilig sein. Er darf dieselbe niemals verlassen, noch sonst dem Kriegsdienste eigenmächtig sich entziehen oder durch Selbstverstümmelung sich zur Erfüllung seines Berufes unwürdig und unfähig machen.

Artikel 6.

Wer zum Feinde übergeht, oder vom Posten vor dem Feinde oder aus einer belagerten Festung entweicht, wird erschossen.
Wer sonst in Kriegszeiten der Desertion sich schuldig macht, wird mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes und Festungsstrafe nicht unter sechs Jahren bestraft; im Wiederholungsfalle tritt die Todesstrafe ein.

Artikel 7.

Haben in Kriegszeiten Zwei oder Mehrere ein Komplott zur Desertion gemacht, so trifft dieselben Ausstoßung aus dem Soldatenstande und Baugefangenschaft nicht unter zehn Jahren; die Anstifter und Rädelsführer aber werden erschossen.

Artikel 8.

Wer in Friedenszeiten desertirt, hat Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes und Festungsstrafe nicht unter sechs Monaten, im zweiten Wiederholungsfalle aber Baugefangenschaft nicht unter zehn Jahren und Ausstoßung aus dem Soldatenstande verwirkt.
Die härteren Strafgrade treten besonders dann ein, wenn die Desertion im Komplott begangen ist.

Artikel 9.

Wer einem Deserteur zur Entweichung behülflich ist, wird ebenso bestraft, als ob er selbst desertirt wäre, und wer ein zu seiner Kenntniß gelangtes Desertionsvorhaben dem Vorgesetzten nicht anzeigt, hat Arrest oder Festungsstrafe bis zu drei Jahren zu gewärtigen.

Artikel 10.

Wer durch fälschliche Vorschützung von Krankheiten oder andere betrügliche Mittel, oder durch Selbstverstümmelung dem Militairdienst sich zu entziehen sucht, hat Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes und sechswöchentlichen strengen Arrest oder Festungsstrafe bis zu zwei Jahren verwirkt.
Ist er durch die Selbstverstümmelung zu allen Dienstleistungen und Arbeiten für militairische Zwecke untauglich geworden, so tritt Baugefangenschaft von mindestens einjähriger Dauer und Ausstoßung aus dem Soldatenstande ein.

Artikel 11.

Der Soldat darf niemals durch Furcht vor persönlicher Gefahr von der Erfüllung seiner Dienstpflichten sich abwendig machen lassen und muß sich stets vergegenwärtigen, daß die Feigheit für ihn schimpflich und erniedrigend ist. [310]

Artikel 12.

Wer im Kriege vor dem Feinde aus Feigheit zuerst die Flucht ergreift und die Kameraden durch Worte oder Zeichen zur Flucht verleitet, hat die Todesstrafe verwirkt und kann auf der Stelle niedergestoßen werden.

Artikel 13.

Wer sonst aus Furcht vor persönlicher Gefahr vor dem Feinde flieht, heimlich zurückbleibt, sich wegschleicht oder versteckt hält, Munition oder Waffen von sich wirft oder im Stich läßt, oder irgend ein Leiden vorschützt, um zurückzubleiben und der persönlichen Gefahr sich zu entziehen, wird mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes und strengem Arrest oder Festungsstrafe, bei erschwerenden Umständen aber mit dem Tode bestraft.
Wer außerdem seine Dienstpflichten aus Furcht vor persönlicher Gefahr verletzt, hat dieselbe Strafe zu gewärtigen, wie derjenige, der seinen Dienstpflichten aus Vorsatz zuwider handelt.

Artikel 14.

Der Gemeine muß jedem Offizier und Unteroffizier, und der Unteroffizier jedem Offizier, sowohl bei dem Truppentheil, bei welchem er dient, als von jedem anderen Truppentheil Gehorsam und Achtung beweisen und ihren Befehlen pünktlich Folge leisten.
In gleicher Weise sind dieselben zum Gehorsam gegen die Anordnungen und Weisungen der Schildwachen und der zum Sicherheitsdienst Kommandirten, sowie der im Dienste befindlichen Gendarmen verpflichtet.

Artikel 15.

Ungehorsam gegen die Dienstbefehle und achtungswidriges Betragen gegen den Vorgesetzten haben Arrest oder Festungsstrafe zur Folge.

Artikel 16.

Wer die Absicht, einen erhaltenen Dienstbefehl nicht zu befolgen, durch Worte oder Geberden, durch Entlaufen, Loßreißen oder ähnliche Handlungen zu erkennen giebt, sowie derjenige, der den Vorgesetzten durch Worte, Geberden oder Zeichen beleidigt, oder ihn über einen erhaltenen Dienstbefehl oder Verweis zur Rede stellt, hat strengen Arrest von mindestens vier Wochen oder Festungsstrafe bis zu zwanzig Jahren verwirkt. [311]

Artikel 17.

Wer einen seiner Vorgesetzten thätlich angreift, oder sonst vorsätzlich Thätlichkeiten gegen ihn verübt, oder ihn mit der Waffe anzugreifen versucht, hat Festungsstrafe nicht unter zehn Jahren, bei erschwerenden Umständen aber und in Kriegszeiten die Todesstrafe zu gewärtigen.
Auch ist bei thätlicher Widersetzung Einzelner oder Mehrerer, sowie in Kriegszeiten bei Versammlung der Truppen, bei Allarmirungen, beim Anrücken in das Gefecht, im Gefechte, beim Rückzuge und endlich bei Verwehrung der Plünderung und anderer schwerer Verbrechen jeder Offizier berechtigt, denjenigen, der seinen Befehlen beharrlich sich widersetzt, auf der Stelle niederzustoßen, wenn ihm kein anderes Mittel zur Erlangung des durchaus nöthigen Gehorsams zu Gebote steht.

Artikel 18.

Glaubt der Soldat wegen nicht richtigen Empfangens dessen, was ihm gebührt, wegen unwürdiger Behandlung oder aus einem anderen Grunde zu einer Beschwerde Veranlassung zu haben, so ist er dennoch verbunden, seine Dienstobliegenheiten unweigerlich zu erfüllen, und darf weder seine Kameraden auffordern, gemeinschaftlich mit ihm Beschwerde zu führen, noch sonst Mißmuth unter ihnen zu erregen oder sie aufzuwiegeln suchen. Auch darf der Soldat nicht während des Dienstes, sondern erst nach dessen Beendigung seine Beschwerde anbringen. Dagegen kann er aber sich versichert halten, daß seiner Beschwerde, insofern sie begründet ist, abgeholfen werden wird, sobald er dieselbe in geziemender Weise auf dem vorgeschriebenen Wege anbringt.

Artikel 19.

Wer vor versammeltem Kriegsvolk in der Absicht, seine Kameraden zur Verweigerung des Gehorsams gegen ihren Vorgesetzten zu verleiten oder von demselben etwas zu erzwingen, sich ungeziemend beträgt oder laut Beschwerde führt, wird, selbst wenn letztere begründet wäre, mit Festungsstrafe nicht unter sechs Jahren, in Kriegszeiten aber mit dem Tode bestraft.
Gleiche Strafe trifft denjenigen, der auf andere Weise seine Kameraden zum Ungehorsam oder zur Widersetzung gegen den Vorgesetzten zu verleiten sucht.

Artikel 20.

Wenn Soldaten sich öffentlich zusammenrotten, und die Absicht zu erkennen geben, sich dem Vorgesetzten mit vereinter Gewalt zu widersetzen, oder etwas von ihm zu erzwingen, oder Rache an ihm zu nehmen, so haben dieselben Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes und Festungsstrafe nicht unter zehn Jahren, bei erschwerenden Umständen aber die Todesstrafe verwirkt.
Die Anstifter eines solchen militairischen Aufruhrs, sowie die Anführer und Rädelsführer, werden stets mit dem Tode bestraft.

Artikel 21.

Der Soldat darf weder im Dienst noch außer demselben mit Andern über militairische Einrichtungen, Befehle und Anordnungen eigenmächtig berathschlagen, noch an Vereinen oder Versammlungen sich betheiligen, die der Gewalt Seiner Majestät des Königs über Seine Lande oder den von Ihm eingesetzten Behörden feindselig entgegentreten. [312]

Artikel 22.

Wer an einem Aufruhr im Innern des Landes mit bewaffneter Hand Theil nimmt, wird ebenso wie der Theilnehmer an einem militairischen Aufruhr bestraft.

Artikel 23.

Die Waffe ist dem Soldaten zum Schutze und zur Vertheidigung des Thrones und des Vaterlandes anvertraut. Er darf daher dieselbe und die ihm zustehende Dienstgewalt niemals, mithin selbst nicht gegen die Bewohner des feindlichen Landes oder gegen gefangene feindliche Soldaten mißbrauchen. Ebensowenig darf der Soldat eigenmächtig im feindlichen Gebiet Habe und Gut der Landesbewohner verwüsten oder sich zueignen.

Artikel 24.

Unerlaubtes Beutemachen hat strengen Arrest oder Festungsstrafe bis zu zwei Jahren, bei erschwerenden Umständen aber Festungsstrafe von längerer Dauer und Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes, oder selbst die Todesstrafe zur Folge.

Artikel 25.

Plünderung und Erpressung werden mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes und Festungsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft. Bei besonders erschwerenden Umständen tritt die Todesstrafe ein.

Artikel 26.

Nachzügler und diejenigen, welche unter dem Vorwande von Krankheit oder Ermattung hinter den Truppen zurückbleiben und den Landesbewohnern Nahrungs- oder Bekleidungsgegenstände wegnehmen, haben wegen Marodirens Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes und Arrest oder Festungsstrafe bis zu zwei Jahren verwirkt. Wenn bei dem Marodiren Gewalt an Personen verübt worden ist, trifft die Schuldigen die Strafe der Plünderer.

Artikel 27.

Der Soldat soll seine Waffen und Montirungsstücke in gutem Stande erhalten und zur Erlangung der Kriegstüchtigkeit unausgesetzt sich bemühen, den Gebrauch der Waffen, sowie die Vorschriften zur Ausrichtung seines Dienstes ganz und vollständig kennen zu lernen, um sie in jedem vorkommenden Falle sogleich anzuwenden.

Artikel 28.

Wer seine Waffen und Montirungsstücke, oder die ihm zur eigenen Benutzung gegebenen Dienstgegenstände verdirbt, verderben läßt, oder sich derselben ohne Erlaubniß entäußert, hat Arrest oder Festungsstrafe bis zu Einem Jahre, bei erschwerenden Umständen aber außerdem noch die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes verwirkt. [313]

Artikel 29.

Wer dienstlich ihm anvertraute, nicht zur eigenen Benutzung bestimmte Gegenstände veruntreut, hat Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes, und Arrest oder Festungsstrafe bis zu fünf Jahren zu gewärtigen.

Artikel 30.

Der Soldat muß die ihm ertheilten Dienstinstruktionen genau befolgen, und darf niemals, sei es durch Aussicht auf äußere Vortheile oder durch irgend einen anderen Grund, bei Ausrichtung des Dienstes zu Pflichtwidrigkeiten sich verleiten lassen. Auch muß er bei allen dienstlichen Meldungen und Aussagen sich der strengsten Wahrheit befleißigen.

Artikel 31.

Wer aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit unrichtige Meldungen, Rapporte oder Berichte abstattet, wird mit Arrest oder Festungsstrafe bis zu drei Jahren und nach Umständen mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes bestraft.

Artikel 32.

Wer im Dienst, oder in Beziehung auf den Dienst durch Geschenke oder Zusicherung einer Belohnung zu Pflichtwidrigkeiten sich bereitwillig zeigt oder verleiten läßt, hat strengen Arrest oder Festungsstrafe bis zu sechs Monaten, auch, nach Umständen, die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes verwirkt.

Artikel 33.

Wer ohne Erlaubniß von der Wache sich entfernt, oder bei Kommandos oder auf Märschen seinen Platz eigenmächtig verläßt, wird mit Arrest oder mit Festungsstrafe bis zu sechs Monaten bestraft.
Thut dies der Befehlshaber einer Wache oder eines Kommandos, so hat derselbe Arrest oder Festungsstrafe bis zu fünf Jahren, im Kriege aber Festungsstrafe bis zu lebenswieriger Dauer, oder, bei besonders erschwerenden Umständen, die Todesstrafe verwirkt.

Artikel 34.

Den Schildwachen und einzelnen Posten ist verboten, sich niederzusetzen oder niederzulegen, das Gewehr aus der Hand zu lassen, Taback zu rauchen, zu schlafen, über die Grenzen ihres Postens hinauszugehen, denselben vor erfolgter Ablösung zu verlassen oder sonst ihre Dienstinstruktion zu übertreten.
Wer diesem Verbot zuwiderhandelt, hat strengen Arrest von mindestens vierzehn Tagen oder Festungsstrafe bis zu zehnjähriger Dauer, im Kriege aber noch härtere Festungsstrafe, oder, bei besonders erschwerenden Umständen, die Todesstrafe zu gewärtigen. [314]

Artikel 35.

Wer als Befehlshaber einer Wache, als Schildwache oder als Posten eine strafbare Handlung, welche er verhindern konnte oder zu verhindern dienstlich verpflichtet war, wissentlich begehen läßt, wird ebenso wie der Thäter selbst bestraft und diese Strafe noch verschärft, wenn er die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht hat geschehen lassen.

Artikel 36.

Wer einen seiner Beaufsichtigung anvertrauten Gefangenen entkommen läßt, hat Arrest oder Festungsstrafe bis zu zehn Jahren, bei besonders erschwerenden Umständen aber noch härtere Festungsstrafe und Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes, oder die Todesstrafe zu gewärtigen.
Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher eine von seinem Vorgesetzten ihm befohlene oder ihm dienstlich obliegende Arretirung nicht ausführt.

Artikel 37.

Der Soldat soll ein ordentliches Leben führen und darf weder Schulden machen, noch der Trunkenheit oder anderen Ausschweifungen sich ergeben. Auch muß er vom Zapfenstreich bis zur Reveille in seinem Quartiere sein, wenn er nicht im Dienste sich befindet, oder von seinem Vorgesetzten Erlaubniß erhalten hat, sich anderwärts aufzuhalten.

Artikel 38.

Wer ohne Erlaubniß bis nach dem Zapfenstreich aus dem Quartier bleibt, oder in der Zeit vom Zapfenstreich bis zur Reveille sich aus demselben entfernt, oder den ihm ertheilten Urlaub überschreitet, hat mittleren Arrest oder Festungsstrafe bis zu sechs Monaten verwirkt.

Artikel 39.

Wer betrunken in den Dienst kommt, oder durch Trunkenheit zur Ausrichtung des Dienstes, zu dem er kommandirt war, sich untauglich gemacht hat, oder im Dienst sich betrinkt, wird mit strengem Arrest bestraft. Auch Trunkenheit außer Dienst ist strafbar und hat Arrest zur Folge.

Artikel 40.

Wer ohne Genehmigung seines vorgesetzten Kommandeurs Schulden macht, hat Arrest oder Festungsstrafe bis zu sechs Monaten zu gewärtigen.

Artikel 41.

Wer Hazardspiele spielt, hat strengen Arrest, im Wiederholungsfalle aber Festungsstrafe bis zu Einem Jahre verwirkt. [315]

Artikel 42.

Den Soldaten, der ohne Genehmigung seines vorgesetzten Befehlshabers sich verheirathet, trifft Arrest von mindestens vier Wochen oder Festungsstrafe bis zu sechs Monaten.

Artikel 43.

Der Soldat soll mit seinen Kameraden in Eintracht leben, darf in Kampf, Noth und Gefahr sie nicht verlassen und muß ihnen nach allen Kräften Hülfe leisten, wenn sie in erlaubten Dingen seines Beistandes bedürfen.

Artikel 44.

Einfache Beleidigungen der Gemeinen unter einander und Schlägereien derselben unter sich, bei welchen schwere Körperverletzungen nicht vorgekommen sind, werden mit Arrest, unter Unteroffizieren aber entweder mit Arrest oder mit Degradation bestraft.

Artikel 45.

Wer einen Kameraden, welchem mit ihm aus dienstlicher Veranlassung ein gemeinschaftlicher Aufenthaltsort angewiesen ist, Eßwaaren, Getränke, Taback oder Gegenstände zur Reinigung oder zum Ausbessern der Sachen, zum eigenen Gebrauch ohne Anwendung von Gewalt an Sachen, entwendet oder veruntreut, wird das erste Mal disziplinarisch mit strengem Arrest bestraft. Geschieht dies aber zum zweiten Mal, oder ist bei Verübung der That Gewalt an Sachen angewendet, oder ist die That von einem Unteroffizier verübt, so tritt die Strafe des einfachen Diebstahls ein.

Artikel 46.

Wer irgend eine Dienstgewalt über Andere auszuüben hat, soll durch ruhiges, ernstes und gesetztes Benehmen die Achtung und das Vertrauen seiner Untergebenen sich zu erwerben suchen und von denselben nur solche Geschäfte und Leistungen fordern, welche der Dienst mit sich bringt. Er darf seinen Untergebenen den Dienst nicht unnöthig erschweren und dieselben weder wörtlich beschimpfen, noch mißhandeln. Auch darf von ihm das Dienstansehen nicht gemißbraucht werden, um auf Kosten seiner Untergebenen sich Vortheile zu verschaffen.
Die Verletzung dieser Pflichten hat Arrest oder Festungsstrafe zur Folge.

Artikel 47.

Diebstahl, Betrug, Fälschung und alle übrigen gemeinen Verbrechen und Vergehen werden nach den allgemeinen Strafgesetzen geahndet.
Ist mit der darauf verwirkten Strafe nicht die Ausstoßung oder Entlassung aus dem Soldatenstande verbunden, so treten verhältnißmäßige Militairstrafen statt der dort angedrohten bürgerlichen Strafen ein.

Artikel 48.

Werden gemeine Verbrechen oder Vergehen im Kriege unter Mißbrauch der militairischen Gewalt verübt, so wird die sonst verwirkte Strafe verschärft. [316]

Artikel 49.

Die in den Militairgesetzen für den Kriegszustand ertheilten einzelnen Vorschriften finden auch in Friedenszeiten Anwendung, wenn bei außerordentlichen Vorfällen der kommandirende Offizier bei Trommelschlag oder Trompetenschall hat bekannt machen lassen, daß diese Vorschriften für die Dauer des eingetretenen außerordentlichen Zustandes zur Anwendung kommen würden.

Artikel 50.

Während derjenige, welcher seine Dienstpflichten verletzt oder andere strafbare Handlungen verübt, die gesetzlich verordneten Strafen nach Maaßgabe seiner Verschuldung zu gewärtigen hat, darf dagegen jeder rechtschaffene, unverzagte und ehrliebende Soldat einer ehrenhaften Behandlung sich versichert halten.

Artikel 51.

Auch soll der Soldat, der sich durch Tapferkeit und Muth vor Andern auszeichnet, sowie derjenige, der nach langjähriger, vorwurfsfreier Dienstzeit die Beschwerden des Dienstes nicht mehr zu ertragen vermag, in Folge vor dem Feinde erhaltener Wunden dienstunfähig wird, oder sonst im Dienste zu Schaden kommt, sich aller Wohlthaten und Begünstigungen zu erfreuen haben, die zur Belohnung für Tapferkeit im Kriege und treu geleistete Dienste bestimmt sind.

Artikel 52.

Ueberzeugt von dem Pflicht- und Ehrgefühl der Soldaten erwarten Seine Königliche Majestät, daß sie vor Pflichtverletzungen und anderen strafbaren Handlungen sich hüten, ihre Pflichten treu und gewissenhaft erfüllen, durch ehrenhafte Führung in und außer dem Dienste ein Muster ordentlichen und rechtschaffenen Lebens geben und nach Kräften dazu beitragen werden, den guten Ruf des Preußischen Heeres im In- und Auslande zu bewahren.
Seine Königliche Majestät werden diejenigen, die diesen Erwartungen entsprechen, Ihres besonderen Schutzes würdigen, und ihnen für ihre treu geleisteten Dienste die verdiente Belohnung durch ehrende Auszeichnungen, oder durch Anstellung im Civildienste nach den darüber bestehenden Vorschriften, oder auf andere geeignete Weise zu Theil werden lassen. Auch soll ihnen nach Maaßgabe ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse der Weg zu den höheren und selbst zu den höchsten Stellen in der Armee offen stehen.
Urkundlich haben Seine Königliche Majestät vorstehende Kriegsartikel eigenhändig unterschrieben und mit Dero Insiegel bedrucken lassen.
Charlottenburg, den 9. Dezember 1852.
(L. S.)   (gez.) Friedrich Wilhelm.

 (gegengez.) v. Bonin.