Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in Kiautschou
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(Nr. 2468.) Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in Kiautschou. Vom 27. April 1898.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.
verordnen auf Grund des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete (Reichs-Gesetzbl. 1888 S. 75), im Namen des Reichs, was folgt:
§. 1.
- Das Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 (Reichs-Gesetzbl. S. 197) kommt in Gemäßheit des §. 2 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, in dem Gebiete von Kiautschou vom 1. Juni 1898 ab mit den in dieser Verordnung vorgesehenen Abänderungen zur Anwendung.
§. 2.
- Der Gerichtsbarkeit (§. 1) unterliegen alle Personen, welche in dem Schutzgebiete wohnen oder sich aufhalten, oder bezüglich deren, hiervon abgesehen, ein Gerichtsstand in dem Schutzgebiete nach den zur Geltung kommenden Gesetzen begründet ist, die Chinesen jedoch nur, soweit sie dieser Gerichtsbarkeit besonders unterstellt werden.
- Der Gouverneur bestimmt mit Genehmigung des Reichskanzlers (Reichs-Marine-Amts), inwieweit auch die Chinesen der Gerichtsbarkeit (§. 1) zu unterstellen sind.
- Der Gouverneur ist befugt, Angehörige farbiger Völkerstämme von der Gerichtsbarkeit (§. 1) auszuschließen.
§. 3.
- Die nach §. 2 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, für die Rechtsverhältnisse an unbeweglichen Sachen einschließlich des Bergwerkseigenthums maßgebenden Vorschriften finden keine Anwendung.
- Der Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt) und mit dessen Genehmigung der Gouverneur sind bis auf Weiteres befugt, die zur Regelung dieser Verhältnisse erforderlichen Bestimmungen zu treffen.
§. 4.
- Die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehörenden Sachen wird dem Gerichte des Schutzgebiets übertragen.
- Auf diese Sachen finden die Vorschriften Anwendung, welche für die im §. 28 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Strafsachen gelten. [174]
§. 5.
- Als Berufungs- und Beschwerdegericht wird für das Schutzgebiet an Stelle des Reichsgerichts (Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit §§. 18, 36, 43) das Kaiserliche Konsulargericht zu Schanghai bestimmt, welches für diese Angelegenheiten aus dem Konsul und vier Beisitzern besteht.
- Die das Verfahren vor dem Konsul und dem Konsulargerichte betreffenden Vorschriften des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit finden auf das Verfahren in der Berufungs- und Beschwerdeinstanz, soweit nicht für dieses besondere Vorschriften getroffen sind, entsprechende Anwendung. Die §§. 9 und 28 des bezeichneten Gesetzes bleiben außer Anwendung.
- In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Konkurssachen und in den zur streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehörenden Angelegenheiten erfolgt die Entscheidung über das Rechtsmittel der Beschwerde unter Mitwirkung der Beisitzer, wenn die angefochtene Entscheidung unter Mitwirkung von Beisitzern ergangen ist.
- In den im §. 4 bezeichneten Strafsachen ist die Vertheidigung auch in der Berufungsinstanz nothwendig. In der Hauptverhandlung ist die Anwesenheit des Vertheidigers erforderlich; der §. 145 der Strafprozeßordnung findet Anwendung.
§. 6.
- Die Todesstrafe ist durch Enthaupten oder Erschießen zu vollstrecken.
- Der Gouverneur bestimmt, welche der beiden Vollstreckungsarten in dem einzelnen Falle stattzufinden hat.
§. 7.
- Für die Zustellungen, die Zwangsvollstreckung und das Kostenwesen können einfachere Bestimmungen zur Anwendung kommen.
- Der Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt) und mit dessen Genehmigung der Gouverneur sind befugt, die erforderlichen Anordnungen zu treffen.
§. 8.
- Das Gesetz, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Reichsangehörigen im Auslande, vom 4. Mai 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 599) findet in dem Schutzgebiete vom 1. Juni 1898 ab auf alle Personen, welche nicht Chinesen sind, Anwendung.
- Der Gouverneur ist befugt, für Angehörige farbiger Völkerstämme abweichende Anordnungen zu treffen.
§. 9.
- Diese Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Verkündung in Kraft.
- Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
- Gegeben Berlin Schloß, den 27. April 1898.