Verordnung, betreffend die Einschränkung der Gerichtsbarkeit der deutschen Konsuln in Egypten

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Titel: Verordnung, betreffend die Einschränkung der Gerichtsbarkeit der deutschen Konsuln in Egypten.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1875, Nr. 34, Seite 381 - 384
Fassung vom: 23. Dezember 1875
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 29. Dezember 1875
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[381]

(Nr. 1101.) [1] Verordnung, betreffend die Einschränkung der Gerichtsbarkeit der deutschen Konsuln in Egypten. Vom 23. Dezember 1875.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen auf Grund des Gesetzes vom 30. März 1874, betreffend die Einschränkung der Gerichtsbarkeit der deutschen Konsuln in Egypten, (Reichs-Gesetzbl. S. 23) im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths, was folgt:[382]

§. 1.

Die den Konsuln des Deutschen Reichs in Egypten zustehende Gerichtsbarkeit wird aufgehoben:
1. für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in welchen nicht beide Parteien deutsche Reichsangehörige oder Schutzgenossen sind;
2. für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in welchen eine in Egypten belegene unbewegliche Sache oder ein Recht auf eine solche Sache den Gegenstand des Streites bildet.

§. 2.

Statusfragen bleiben der Gerichtsbarkeit der Konsuln vorbehalten, auch wenn sie in den vorbezeichneten Streitigkeiten – §. 1 – zu entscheiden sind.

§. 3.

Die den Konsuln zustehende Gerichtsbarkeit in Strafsachen wird aufgehoben:
1. für Uebertretungen;
2. für Verbrechen und Vergehen, welche unmittelbar gegen die Richter, die Geschworenen oder die sonstigen Beamten der von der egyptischen Regierung eingesetzten neuen Landesgerichte, während sie in der Ausübung ihres Amtes begriffen sind oder in Beziehung auf ihren Beruf begangen werden, und zwar:
a) Schmähungen durch Geberden, Worte oder Drohungen,
b) Verleumdungen und Beleidigungen, wenn sie in Gegenwart des betreffenden Richters, Geschworenen oder sonstigen Beamten der neuen Landesgerichte oder innerhalb der Geschäftsräume des Gerichts begangen, oder mittelst öffentlicher Anschläge, Schriften, Druckschriften, Abbildungen oder Darstellungen verbreitet worden sind,
c) Thätlichkeiten gegen ihre Person, insbesondere Mißhandlungen, Körperverletzungen und vorsätzliche Tödtung mit oder ohne Ueberlegung,
d) Thätlichkeiten oder Drohungen, verübt, um eine der gedachten Personen zur Vornahme einer pflichtwidrigen oder ungesetzlichen Handlung oder zur Unterlassung einer pflichtmäßigen oder gesetzlichen Handlung zu nöthigen,
e) Mißbrauch der Amtsgewalt seitens eines öffentlichen Beamten zum Zweck einer derartigen Nöthigung,
f) Versuch unmittelbarer Bestechung einer der gedachten Personen,
g) Beeinflussung eines Richters zu Gunsten einer Partei seitens eines öffentlichen Beamten;
3. für Verbrechen und Vergehen, welche in der bestimmten Absicht begangen werden, die Vollstreckung von Urtheilen oder Verfügungen der gedachten Gerichte zu verhindern, und zwar:
a) thätlicher Angriff oder gewaltsamer Widerstand gegen Gerichtsmitglieder in Ausübung ihres Berufs, oder gegen Beamte der [383] neuen Landesgerichte während der rechtmäßigen Vornahme von Amtshandlungen zur Vollstreckung von Urtheilen und Verfügungen der Gerichte, oder gegen Beamte oder Mannschaften der bewaffneten Macht, welche berufen sind, bei der Vollstreckung Hülfe zu leisten,
b) Mißbrauch der Amtsgewalt seitens eines öffentlichen Beamten zur Verhinderung der Vollstreckung,
c) Entwendung gerichtlicher Aktenstücke zu demselben Zweck,
d) Verletzung gerichtlich angelegter Siegel, vorsätzliches Beiseiteschaffen von Sachen, welche in Folge einer gerichtlichen Verfügung oder eines Urtheils in Beschlag genommen worden sind,
e) Entweichung von Gefangenen, welche sich in Folge einer gerichtlichen Verfügung oder eines Urtheils in Haft befinden, und Handlungen, welche eine solche Entweichung unmittelbar herbeigeführt haben,
f) Verheimlichung solcher Gefangenen nach ihrer Entweichung;
4. für Verbrechen und Vergehen, welche von einem unter deutschem Schutze stehenden Richter, Geschworenen oder sonstigen Beamten der neuen Landesgerichte in Ausübung seines Berufs oder in Folge Mißbrauchs seiner Amtsgewalt begangen werden.
Außer denjenigen gemeinen Verbrechen und Vergehen, welche von einer der bezeichneten Personen unter solchen Umständen begangen werden können, gehören hierzu nachstehende besondere Verbrechen und Vergehen:
a) pflichtwidrige Entscheidung zu Gunsten oder zum Nachtheil einer Partei,
b) Bestechung,
c) unterlassene Anzeige einer versuchten Bestechung,
d) Justizverweigerung,
e) unerlaubte Gewalt gegen Privatpersonen,
f) Eindringen in die Wohnung eines Andern ohne Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften,
g) Erpressung,
h) Unterschlagung öffentlicher Gelder,
i) ungesetzliche Verhaftung,
k) Fälschung von Urtheilen und Aktenstücken.
Die Konsulargerichtsbarkeit bleibt auch für die vorstehend unter Ziffer 2 und 3 aufgeführten Verbrechen und Vergehen bestehen, sofern der durch dieselben verletzte Beamte der neuen Landesgerichte die Bestrafung des Thäters bei dem Konsulargericht in Antrag bringt.

§. 4.

Die deutschen Reichsangehörigen und Schutzgenossen in Egypten sind vom Tage des Inkrafttretens dieser Verordnung ab in allen durch §§. 1 und 2 der Konsulargerichtsbarkeit entzogenen Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit der neuen Landesgerichte unterworfen. [384]
Das Gleiche findet statt hinsichtlich der Bestrafung von Zeugen, welche ohne gesetzlichen Grund die Ablegung eines Zeugnisses oder dessen Beeidigung vor den neuen Landesgerichten verweigern und hinsichtlich der Bestrafung von Geschworenen oder Beisitzern dieser Gerichte, welche ohne genügende Entschuldigung ihren Obliegenheiten sich entziehen.
Bei den Verhandlungen vor diesen Gerichten findet eine Assistenz durch den Konsul oder dessen Vertreter nicht statt.

§. 5.

Hinsichtlich der Konsuln, ihrer Familienangehörigen, der in ihrem Dienst befindlichen Personen und der ihnen unterstellten Beamten mit Einschluß der Familienangehörigen dieser Beamten, sowie hinsichtlich der Wohnungen dieser Personen, ferner hinsichtlich der deutschen evangelischen Kirche in Alexandrien, der deutschen evangelischen Kirche in Kairo, der deutschen Schule in Alexandrien, der deutschen Schule in Kairo und des deutschen evangelischen Hospitals in Alexandrien, soweit diese Kirchen und Anstalten als Korporationen in Betracht kommen, bleiben die bisherigen Gerichtsbarkeitsverhältnisse unverändert.

§. 6.

Besteht zwischen dem Konsul und dem Landesgericht eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob eine strafbare Handlung zu denjenigen gehört, für welche nach §§. 2 und 3 die Landesgerichte zuständig sind, so entscheidet darüber ein Kompetenzhof, welcher aus zwei von dem Konsul zu bezeichnenden fremden Konsuln und zwei von dem Präsidenten des Appellhofes in Alexandrien zu ernennenden richterlichen Beamten der gemischten Gerichte gebildet wird. Die Entscheidung dieses Kompetenzhofes ist endgültig.

§. 7.

Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1876 auf die Dauer von 5 Jahren in Kraft.
Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, welche an dem genannten Tage bei den Konsulargerichten anhängig sind, werden von diesen vollständig erledigt, auch wenn sie nach den Bestimmungen der §§. 1 und 2 zur Zuständigkeit der neuen Landesgerichte gehören würden.
Die anhängigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten können auf den übereinstimmenden Antrag der Parteien den neuen Landesgerichten übertragen werden.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 23. Dezember 1875.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst v. Bismarck.

Berichtigung

Die Berichtigung gemäß Deutsches Reichsgesetzblatt 1875, Seite VIII der chronologischen Übersicht [VIII] wurde im Text eingearbeitet.

  1. Vorlage: (Nr. 2001.)