Verfügung der freien Stadt Frankfurt am Main
Es ist in verwichener Nacht auf der Straße vor den Wohnungen einiger hiesiger Juden durch einen Zusammenlauf vieler junger, meistens fremder Leute, die öffentliche Ruhe und Sicherheit auf eine höchst sträfliche Weise gestört worden.
Wenn gleich jugendlicher Muthwille und vielleicht die neulichen Vorgänge an andern Orten die erste Veranlassung gegeben zu haben scheinen, mit Hülfe der Bürger und Wachen, die Ordnung daher auch alsbald wieder hergestellt worden, so muß der Senat doch durch seine obrigkeitliche Pflichten sich zunächst zu einer strengen Untersuchung und Bestrafung der Schuldigen aufgefordert, und ähnlichen Unordnungen vorzubeugen, alle ihm zu Gebot stehende Mittel aufzubieten sich gedrungen fühlen.
Die rechtlichen Gesinnungen und die davon zu erwartende bereitwillige Mitwirkung hiesiger löblicher Bürgerschaft, geben ihm hierbei die Beruhigung, daß die Verhängung von besondern Sicherheitsmaasregeln keiner langen Dauer bedürfen, und jede Besorgnis vor Unruhe bald entfernt seyn werde. Ordnung, Achtung gegen Gesetz und Obrigkeit sind die ersten Pflichten aller Staatsbewohner.
Bei seinen Mitbürgern hat der Senat diese Eigenschaften rechtlicher Denkungsart zu allen Zeiten gefunden, er verhofft nun, daß auch ein jeder in seinem engern oder weitern Kreise diese bürgerlichen Tuenden durch Beispiel, Ermahnung, Warnung und strenge Aufsicht auc bei seinen Umgebungen, Gehülfen, Commis und Lehrlingen, Gesellen und Arbeitern zu erhalten und zu befördern suchen werde.
Daß die Wohlfahrt, die Ruhe und Sicherheit der Personen und des Eigenthums leicht aufs höchste gefährdet werden könne – erneuerten sich die vorgefallenen schmerzlichen Auftritte – wir bei wenigen Nachdenken Niemanden entgehen, und daraus jeder Bürger die große Verantwortlichkeit abnehmen, womit er seiner Vaterstadt, dem gesammten Vaterlande und insbesondere dessen dahier anwesenden hohen Repräsentanten verpflichtet ist.
Der Senat fordert deswegen jeden Bürger und Einwohner aufs Nachdrücklichste auf, nach allen Kräften für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe ferner besorgt zu seyn, und seine Angehörigen mit gleichen Gesinnungen zu erfüllen.
Vor unbedachtem Reden, wodurch Haß und Erbitterung erzeugt, und der Weg zu sträflicher Thätlichkeit gebahnt wird, muß der Senat daher vor allem warnen. Wenn er die stärkste Bürgschaft für die öffentliche Ruhe in den bekannten biedern Gesinnung löblicher Bürgerschaft findet, so wird diese dagegen in ihrer Obrigkeit, die unermüdet mit der Erhaltung deren Rechte und der Beförderung deren Wohlfahrt beschäftigt ist, auch ihre sichere Stütze und allen Schutz gegen etwaige Beleidigung finden, und versieht sich der Senat auch zu der hiesigen Judenschaft, daß sie jeder Veranlassung zur Beunruhigung hiesiger Stadt sorgfältig vermeiden und durch unbescheidenes Benehmen und Anmaßung der christlichen Einwohnerschaft nicht Anlaß zu gerechten Beschwerden geben werde.