Verarmt
Nun hab’ ich Dir, mein liebes Kind,
Dein Sonntagskleidchen angezogen –
Zum letzten Mal! – – Wir Armen sind
Um jedes Glück der Welt betrogen.
Sonst hatt’ ich Salz im Haus und Brod;
Nun sitzt an unserm Tisch die Noth,
Denn ach! der treu für uns geschafft,
Der Vater ist, der gute, todt,
Und schwach ist eines Weibes Kraft.
Kind, meines Lebens süße Lust,
Sie wollen Dich von meiner Brust.
Sie wollen aus der Mutter Hut
Dich reißen – o wie weh das thut!
Ich hab’ gekämpft, so oft sie kamen,
Allein ich weiß, sie meinen’s gut – –
Und so gescheh’s in Gottes Namen!
Nun wird die fremde Frau, die reiche,
Die jüngst begrub ihr einzig Kind,
Dir Mutter sein und freundlich lind
Auf’s Haupt Dir legen ihre weiche,
Vornehme, arbeitfremde Hand.
Die Mutter, die Du einst gekannt,
Du wirst vergessen sie, die bleiche –
Wie leicht reißt doch der Liebe Band!
– – – – – – – – – – – – – –
[784]Vorbei nunmehr – vorbei Dein Jammer!
Geh’, geh’, mein Kind! An meine Kammer
Pocht Elend, Ungemach und Harm
Und nimmt mir selbst das Kind vom Arm.
– – Horch! Hufschlag auf des Dorfes Gassen -
Und Wagenrollen – ach! Dich lassen – –
– – – – – – – – – – – – – –
Nur eine einzige Minute,
Und fremd ist mir mein liebes Kind!
– – Es klopft! Wie schnell die Pferde sind!
Da ist sie schon, die Böse, Gute,
Die Dir nun Mutter ist – –
– – – – – – – Ade,
Du holde, frische Lebensblüthe!
O, daß Dich Gott, mein Kind, behüte! –
Viel ärmer bin ich nun denn je.